Es gibt zwei Zahlen, Herr Kollege Bertermann. Die eine Zahl des Königsteiner Schlüssels ist der Anteil Bayerns an den 120 Millionen Euro, nämlich 7,2 Millionen Euro; das betrifft den Gesamtfonds. Heruntergebrochen auf die Beratungsstellen liegt die Zahl nach dem Königsteiner Schlüssel bei etwa 2,1 Millionen Euro.
Wir entnehmen aus diesem Fonds 2,1 Millionen Euro. Dafür stellen wir eine Beratungsstruktur zur Verfügung, die sich in ihrer Professionalität gewaltig von
anderen Intentionen unterscheidet. Ich behaupte und bin sicher, dass das richtig ist, dass die Beratungsarbeit des Landesjugendamts, die an dieser Stelle mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übrigens die höchste Akzeptanz hat, den Betroffenen unmittelbar zugutekommt, die sonst unendlich viele Anträge stellen müssen, um im Bundesfonds zu landen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schade, dass es sich bei diesem wirklich schwierigen Thema der deutschen Geschichte in diesem Hohen Haus ausschließlich um die Frage dreht, ob man eine Finanzierung hinkriegt oder nicht. Ich finde dies nicht ganz angemessen, weil das Leid, das den Menschen angetan wurde, mit Geld überhaupt nicht auszugleichen ist. Das stelle ich hier einmal fest.
Die Kinder wurden damals seelisch und körperlich auf das Schwerste misshandelt. Sie wurden in Heime gesteckt. Sie hatten in der damaligen Gesellschaft kein Recht und wohl auch keinen Wert. Man darf auch sagen: Für diese Kinder galt das Grundgesetz nicht. Sie waren wert- und rechtlos. Deswegen ist es nicht angemessen, hier nur über fiskalische Dinge zu reden.
Wer Näheres wissen will, dem empfehle ich die Lektüre der Anklage eines Betroffenen, der im sozialpolitischen Ausschuss am 13. Oktober 2011 vorgetragen hat. Der Betroffene Richard Sucker hat im Ausschuss erklärt, wie es damals in den Heimen zugegangen ist. Was er gesagt hat, hat jeden überfraktionell komplett erschreckt und beeindruckt.
Deswegen finde ich es sehr angemessen, wenn das Haus über diese Frage diskutiert. Oft gehen die Schicksale dieser Heimkinder an der Öffentlichkeit vorbei. Es ist also gut, dass wir uns hier damit beschäftigen. Dem Thema wäre es angemessen, wenn wir uns mit der Sache selber befassen, nicht allein mit der Finanzierung.
Ich finde es ein bisschen läppisch, wie hier begründet wird. Herr Imhof, Sie haben recht, dass der Ausschuss seriös und inhaltlich darüber diskutiert hat. Aber über Ihre Wortmeldung war ich ein bisschen erschrocken. Denn Sie haben die Frage gestellt: Wie
qualitativ hochwertig arbeiten die Beratungsstellen? Ich werde Ihnen die Frage beantworten: Selbstverständlich hoch qualifiziert. Wir sind zufrieden. Die Beratungsstellen leisten beste Arbeit. Aber das hat doch nichts damit zu tun, dass Sie die Mittel für die individuelle Hilfe zugunsten der Betroffenen dafür verwenden, die hoch qualifizierte Arbeit zu bezahlen. Die bundesweit zur Verfügung gestellten 120 Millionen Euro sind für die individuelle Hilfe bestimmt, die den Betroffenen direkt zugutekommen soll. Direkt!
Ich bedaure außerordentlich, dass die Vereinbarung davon ausgeht, dass man von den 120 Millionen Euro die Verwaltungskosten abziehen kann. Diese Möglichkeit gibt es; aber ich bedauere sie. Es würde diesem Parlament gut anstehen, wenn es für die Finanzierung der Beratungsstellen sorgt, damit das Geld nicht von den Mitteln abgezogen wird, die der individuellen Hilfe dienen sollen. Dies würde ich für den falschen Weg halten.
Der Fonds sieht 120 Millionen Euro vor. Ich wage zu behaupten, dass das die untere Grenze der Wiedergutmachung ist. Ich bezweifle sowieso, dass allein mit Finanzzuweisungen wiedergutzumachen ist, was damals angerichtet wurde. Wir sollten die Größe haben Weihnachten hin oder her -, die minimale Wiedergutmachung auf der finanziellen Ebene so zu belassen und alle Verwaltungskosten anderweitig zu decken. Eine solche Geste wäre der Diskussion angemessen.
Lieber Herr Imhof, zum Schluss sage ich: Bayern hat tatsächlich eine besondere Verantwortung. Wir hatten in Bayern über 200 Heime, die mit über 20.000 bayerischen Kindern immer voll belegt waren. Die Kinder wurden misshandelt. Für sie haben keine Rechte gegolten. Das Grundgesetz hat für sie nicht gegolten. Sie sind seelisch auf das Schlimmste behandelt worden. Sie wurden den Eltern entzogen. Die Suche nach den Eltern wurde behindert. Den Eltern wurde verschwiegen, dass die Kinder in den Heimen sind.
Angesichts dessen sollten wir, lieber Herr Bertermann, nicht darüber diskutieren, ob wir die Beratungsstellen aus dem Haushalt finanzieren und im Übrigen das Geld direkt an die Betroffenen weiterleiten. Dies entspricht auch den Forderungen des Verbandes der Betroffenen. Dem sollten wir uns nicht verschließen. Was sind schon 2 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt Bayerns! Was ist das schon angesichts des Leides, das die 20.000 Kinder damals ertragen mussten!
Deswegen appelliere ich nochmals an die Regierungsfraktionen, dem Antrag zuzustimmen. Einstimmigkeit wäre ein gutes Zeichen und würde den Willen zur Wiedergutmachung unterstreichen. Wenn Sie hier den Antrag mit der etwas schwierigen Begründung der Qualität der Beratungsstellen ablehnen, dann ist das diesem Thema nicht angemessen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pfaffmann, ich schließe mich Ihrem Bedauern an, dass wir hier im Hohen Haus bei dieser heiklen Thematik über Finanzen reden müssen. Gerne bestätige ich Ihnen, dass keiner, der an der betreffenden Sitzung des Sozialausschusses teilgenommen hat, in der die Heimkinder ihre Erfahrungen geschildert haben, unberührt geblieben ist. Wir waren alle zutiefst erschüttert. Deshalb würde ich mir auch wünschen, heute einen Konsens zu finden. Allerdings bitte ich die Staatsregierung, einen Punkt ausdrücklich klarzustellen. Es wird der Eindruck erweckt, dass die Mittel für die Beratungsstellen, wenn sie nicht eingerichtet würden, den ehemaligen Heimkindern zugutekämen. Das ist nicht der Fall. Aufgrund der Verwaltungsvereinbarung, die bundesweit abgeschlossen wurde, würden sie dieses Geld nicht bekommen. Wenn wir heute erneut an dieser Thematik rütteln, kann schlimmstenfalls diese Verwaltungsvereinbarung von vorn aufgerollt werden und die betroffenen Menschen, die inzwischen ein bestimmtes Alter erreicht haben, müssen eventuell noch länger auf ihre Entschädigungen warten. Ich bitte die Staatsregierung noch einmal, das deutlich klarzustellen. Es geht nicht darum, dass wir Geld abzwicken wollen.
Selbstverständlich ist es ein besonderes Anliegen der Bayerischen Staatsregierung, die Beratungsstellen optimal im Sinne der Betroffenen auszustatten. Denn hinter jedem Verwaltungshandeln stehen auch immer Menschen. In Bayern arbeiten im Ministerium verantwortungsvolle Menschen, die eine hohe Sensibilität gegenüber dieser Thematik haben und sich aus vollem Herzen mit der Problematik identifizieren. Es ist ihnen ein hohes Anliegen, dass die betroffenen Menschen das bekommen, was ihnen zusteht.
Es ist schade, dass die Gemeinsamkeit, die sich bereits in Resolutionen ausgedrückt hat und sich auch in dem Runden Tisch widerspiegelt, den wir einführen wollen, jetzt im Hohen Hause eventuell nicht mehr zu
finden sein wird. Deshalb ist es mir ein Anliegen, deutlich zu machen, dass wir den Heimkindern auf keinen Fall schaden wollen. Wir wollen Optimales für sie erreichen, sehen aber den Weg, der mit diesem Antrag eingeschlagen werden soll, nicht als richtig an. So viel von meiner Seite. Ich bitte nochmals um Aufklärung vonseiten der Bayerischen Staatsregierung.
Frau Kollegin Meyer, bleiben Sie noch einen Moment am Mikrofon. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen. Die erste kommt von Frau Kollegin Ackermann. Bitte sehr, Frau Kollegin.
Frau Kollegin Meyer, stimmen Sie zu, wenn ich sage, über den Willen der Heimkinder hat man sich jahrelang hinweggesetzt? Sie durften nicht bestimmen, was für sie gut ist. Das haben andere getan. Damit hat man ihnen Schaden zugefügt, der bis in die Gegenwart reicht. Stimmen Sie mir zu, dass es mit gefühlvollen Worten der Anteilnahme für diese Heimkinder nicht getan ist?
Stimmen Sie mir zu, dass es vielleicht gut wäre, ein einziges Mal dem Willen der Heimkinder stattzugeben? Deren Wille ist es, dass dieses Geld nicht in den Fonds fließt, sondern an die Heimkinder geht.
Sehr geehrte Frau Kollegin Ackermann, es ist eine Unterstellung, wenn Sie behaupten, wir produzierten nur gute Worte, wollten nur schönreden und meinten es in der Sache nicht so ehrlich wie Sie. Das möchte ich mit Nachdruck zurückweisen.
(Beifall bei der FDP und der CSU - Renate Acker- mann (GRÜNE): Dann können Sie unserem Antrag doch zustimmen!)
Natürlich haben Sie recht, dass das jahrelang nicht in unser Bewusstsein drang und niemand darüber geredet hat.
Allerdings möchte ich noch einmal deutlich machen, dass die Verwendung der Mittel des Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland" eine bundesweite Angelegenheit ist. Selbst wenn wir uns jetzt in Bayern entscheiden, dieses Geld den Betroffe
nen auszuzahlen, ist noch lange nicht gesagt, dass diese Beratungsstellen auch in den anderen Bundesländern entsprechend ausgerüstet werden.
Die bayerischen Heimkinder haben einen ganz engen Kontakt zum Ministerium und auch zu uns. Ich glaube, von den Heimkindern kommen die Wünsche nicht, die Gelder umzuleiten.
Das war die eine Zwischenbemerkung. Jetzt hat Kollege Pfaffmann Gelegenheit für seine Zwischenbemerkung. Bitte sehr.
Es darf in dieser Frage keinen Streit geben und deswegen möchte ich noch einmal die Betroffenen in den Vordergrund stellen. Liebe Frau Meyer, ich weiß ganz genau, dass Sie persönlich durchaus zustimmen würden, wenn Bayern ein zusätzliches Zeichen setzen würde, indem es die Verwaltungskosten übernimmt. Ich weiß aber auch, dass das in der Koalition umstritten ist und dass das an dieser Meinungsverschiedenheit scheitert.
Würden Sie mir zustimmen, Frau Meyer, wenn ich behaupte, dass diese 2,1 Millionen Euro, die zur Finanzierung der Beratungsstellen von der individuellen Hilfe für die Betroffenen abgezogen werden, den Betroffenen nicht mehr zur Verfügung stehen? Wissen Sie, dass die Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion in den anderen Bundesländern ebenfalls darüber nachdenken, die Kosten selbst zu übernehmen, damit den Betroffenen die volle individuelle Hilfe zur Verfügung steht?
Sind Sie nicht auch der Meinung, liebe Frau Meyer, dass es ein großartiges Zeichen des bayerischen Parlaments wäre, aus einem Milliardenhaushalt - sagen wir - 1,5 Millionen bis 2,5 Millionen Euro als zusätzlichen Beitrag zur Finanzierung einer Beratungsstelle auszuweisen mit der Begründung, die gesamte Hilfe sollte ohne einen Cent Abzug den Betroffenen zugutekommen? Das wäre doch die bessere Variante, liebe Frau Kollegin Meyer.
Wenn Bayern nun sagen würde, das Land wolle darauf verzichten, diese Gelder zu erheben, dann wäre das eine andere Situation. Aber ich denke, der Herr Staatssekretär wird uns verdeutlichen, was das bedeutet.
Es würde bedeuten, zusätzliche Mittel im Haushalt außerhalb dieses Fonds, den wir in einer bundesweiten Verwaltungsvereinbarung gemeinsam erarbeitet haben, einzustellen.