Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

Damals, vor sieben Jahren, gab es jedoch heftige Debatten darüber, ob das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts richtig ist. Im Jahre 2004 sagte unser Vizepräsident Franz Maget, der sich heute an anderer Stelle schon geäußert hat, Schuldentilgung sei eine fi

nanzpolitische populistische Wahlkampfidee. Franz Maget sagte im Mai 2004 in einem Interview mit der "Welt", der ausgeglichene Haushalt sei doch nur ein Dogma. Er sei ein völlig falsches Signal.

Herr Kollege Heinz Kaiser - die Älteren unter Ihnen werden ihn noch kennen -, ein Haushaltspolitiker und wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, nannte in einem Interview mit der "Nürnberger Zeitung" im Dezember 2003 folgende Wirkungen eines ausgeglichenen Haushalts: "Ein ausgeglichener Haushalt ist ein Programm für mehr Arbeitslosigkeit, mehr Insolvenzen und weiter zurückgehende Steuereinnahmen."

(Beifall bei der CSU und der FDP - Georg Schmid (CSU): Schlimm, schlimm, schlimm, ganz schlimme Sache!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben sich gestern und heute geirrt.

Unser Ziel des ausgeglichenen Haushalts war damals richtig, es ist heute richtig, und es ist das Programm für morgen. Es ist Standardmodell für Deutschland geworden. Die Schuldenbremse wird in die Verfassungen der Länder integriert. Sie entwickelt sich jetzt zur Blaupause für ganz Europa. Meine Damen und Herren, die bayerische Finanzphilosophie ist also nicht nur gut für Bayern; sie ist letztlich auch der Kompass für eine nachhaltige europäische Währungspolitik. Konsolidierung und Wachstum sind dabei die zusammengehende Strategie.

Wir haben gerade in dem Bericht von Martin Zeil sehr eindrucksvoll gehört, wie sich Bayern entwickelt. Im Jahr 2010 gab es ein Wirtschaftswachstum von 3,9 %. Langfristig gesehen - das ist der Charakter der Finanzpolitik - ist das Bruttoinlandsprodukt in Bayern von 2000 bis zum Jahr 2010 um 13,6 % gewachsen. In Baden-Württemberg, einem starken Wettbewerber, lag der Anstieg nur bei 8,8 %. Deshalb kann man eines sagen: Der Weg, den wir in der Vergangenheit gegangen sind, hat sich trotz schwieriger Zeiten als richtig erwiesen. Bei allen Diskussionen über die Zukunft ist die Vergangenheit immer der Glaubwürdigkeitsmaßstab. Wir in Bayern können sagen: Was wir in den letzten Jahren gemacht haben, war richtig. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir spüren, dass die Welt unsicherer wird. Deshalb setzen wir ganz bewusst auf Sicherheit und Stabilität statt auf Risiko. Anstatt über kurzfristige Strohfeuereffekte zu debattieren, wollen wir mit langfristigen Strategien für Bayern die Zukunft sichern. Ein Ziel, das übrigens jedes Unternehmen und die Banken anstreben, ist es dabei, unabhängiger und autarker zu wer

den. Unser grundlegendes Ziel muss es sein, auf lange Sicht unabhängig oder weitgehend unabhängig von den Finanzmärkten zu werden; denn das größte Abhängigkeitsproblem, das alle haben, sind die Schulden. Wer Schulden hat, muss Zinsen zahlen.

Wir sind in dieser Debatte auf einer guten Startposition. Bayern hat mit 2.573 Euro pro Kopf die niedrigste Verschuldung in Deutschland. Unter den westdeutschen Flächenstaaten ist die Verschuldung mit 7.764 Euro pro Kopf dreimal so hoch. NordrheinWestfalen, ein Referenzland, hat mit 9.673 Euro pro Kopf eine viermal so hohe Verschuldung. Das geliebte Land Berlin hat mit 17.531 Euro pro Kopf eine siebenmal so hohe Verschuldung wie Bayern. NRW und Berlin nehmen sogar ständig neue Schulden auf.

(Georg Schmid (CSU): Wer hat denn da regiert? Markus Rinderspacher (SPD): Jürgen Rüttgers!)

Diese Länder müssen Schulden aufnehmen, um ihre Zinsen zahlen zu können. Nordrhein-Westfalen muss allein vier Milliarden Euro aufnehmen. Eines muss ich Ihnen sagen: Wer Steuergelder von Menschen so verschwendet, dass er immer neue Schulden machen muss, geht den falschen Weg. Wir gehen auf diesem Weg nicht mit.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die einen verschulden sich; wir wollen tilgen. Im Moment haben wir mit 2,4 % die niedrigste Zinsquote. In Nordrhein-Westfalen liegt sie bei 8,4 %. Trotzdem ist uns eine Milliarde Euro, die wir für Zinsen zahlen müssen, auf Dauer zu viel; denn Schuldenzinsen sind verlorenes Geld. Wir wollen nicht dauerhaft Zinsen für Schulden zahlen, sondern wir wollen tilgen, weil wir glauben, dass dies für die nächsten Generationen der nachhaltigste Weg ist. Wir wollen tilgen, nicht sparen. Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 die Schulden auf Null zu fahren. Damit wäre Bayern schuldenfrei.

Meine Damen und Herren, wir wollen mit allen darüber reden, wie wir diesen Weg gestalten können. Wir arbeiten jetzt an einem Tilgungsplan. Die Menschen in Bayern haben sehr positiv auf dieses Ziel reagiert. Anders war allerdings die Reaktion von Teilen dieses Hauses in den letzten Tagen. Herr Rinderspacher, anstatt sich inhaltlich engagiert und fair einzubringen, haben Sie in einer Pressekonferenz gepoltert und mit einer Wortwahl, die diesem Thema vollkommen unangemessen ist, agiert.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Zu sagen, die Schuldentilgung sei auf dem Pissoir erfunden worden, diskreditiert ein zentrales politisches

Thema und beleidigt alle Bürger und Ökonomen, die seit Jahren eine Schuldentilgung fordern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich weiß, dass dieser Stil normalerweise nicht der Ihre ist. Deshalb sollten Sie an dieser Stelle umkehren und in sich gehen. Wahlkampfdiskussionen sind bei diesem Thema nicht angebracht.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das sagt der Richtige! Sie müssen über Stil reden!)

Es geht aber nicht nur um den Stil. Der Stil ist das eine. Es geht auch um den Inhalt. Offenkundig lehnen Sie Schuldentilgung generell ab.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie setzen lieber auf Anlagestrategien. In der letzten Woche gab es hier im Parlament eine große Debatte. Dabei hat der Fraktionsvorsitzende der SPD bewusst gesagt, besser als eine Schuldentilgung wäre das Anlegen des Geldes zum Beispiel für die Versorgungsrücklagen. Er hat dabei eine dauerhafte Rendite von 7 % genannt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das stammt aus Ihren Zahlen!)

Diese 7 % sind eine Momentaufnahme. Wenn man eine kluge Strategie für die Zukunft entwickeln will, muss man wissen, dass dieser Zinssatz nicht die nächsten 30 Jahre garantiert ist. Die Entwicklung des Versorgungsfonds in den letzten Jahren hat gezeigt, dass er erheblichen Schwankungen unterworfen ist.

(Volkmar Halbleib (SPD): Danke für die Belehrung!)

- Zuhören. Erst schauen, dann hauen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, natürlich schwanken die jährlichen Renditen. Sie müssen auch schwanken, weil die wirtschaftliche Entwicklung unterschiedlich ist. Wir hatten Jahre, in denen es für den Versorgungsfonds und die Rücklagen hervorragend lief. Wir haben unterschiedliche Anlageoptionen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die Zinsen waren in jedem Jahr höher!)

Im Jahr 2000 hatten wir beispielsweise eine durchschnittliche Rendite von 6,41 %. Das ist gut. Im Jahr 2002 hatten wir jedoch nur 0,66 %. Bezogen auf das schwierige Jahr 2008 gab es sogar einen Rückgang in der Versorgungsrücklage von minus 1,5 %.

Deshalb ist das Vorhaben, auf eine Anlage zu setzen, weil dies in jedem Fall besser als eine Schuldentilgung sei, nicht seriös.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das war das Glanzstück von Herrn Stoiber! - Volkmar Halbleib (SPD): Sie beklagen die Politik, die Herr Stoiber gemacht hat!)

Meine Damen und Herren, in den nächsten 30 Jahren gibt es nur eine wirkliche Anlageoption, die ganz sicher 7 bis 8 % Zinsen verspricht, nämlich italienische oder ungarische Staatsanleihen. Ich hoffe nicht, dass Sie den Bayern empfehlen wollen, solche Staatsanleihen zu erwerben, statt Schulden zu tilgen. Wir werden diesen Weg nicht mitgehen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Volkmar Halb- leib (SPD): So ein Quatsch!)

Anlagen bergen die Chance auf hohe Renditen. Sie haben jedoch immer das Risiko von Ausfällen. Das Schuldentilgen ist hingegen ganz sicher; denn am Ende sind die Schulden weg und die Zinslasten nicht mehr zu zahlen. Deswegen ist unser gemeinsamer Ansatz, dass wir Schulden tilgen wollen. Ich sage Ihnen eines: Während Sie lieber spekulieren, setzen wir auf die Tilgung, weil dies ein seriöser Weg ist, den wir in Bayern gehen wollen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von der SPD)

Wir errechnen derzeit einen Tilgungsplan.

Herr Staatsminister, einen Augenblick bitte. Ich muss mich wiederholen: Zwischenrufe ja, aber bitte nicht permanent. Herr Kollege Halbleib, Sie werden in Kürze hier stehen. Dann wird es Ihnen recht sein, wenn man Ihnen zuhört. Bitte schön, Herr Staatsminister.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie können nicht Woche für Woche in einem Stil, der parlamentarisch unangemessen ist, austeilen, wenn Sie nicht bereit und in der Lage sind, Gegenargumente zu akzeptieren. Dies gehört zur fairen Demokratie.

(Markus Rinderspacher (SPD): Dann erlauben Sie auch, dass Herr Stoiber zitiert wird!)

Wir errechnen derzeit einen Tilgungsplan, was nicht einfach ist. Wir verfolgen ein ambitioniertes Ziel. Er muss seriös und valide und darf keine Sparorgie sein. Das darf übrigens schon gar nicht auf Kosten der

Kommunen gehen. Unsere Philosophie und die Philosophie der Finanzpolitik war es, die Kommunen ganz bewusst an wirtschaftlichen Entwicklungen teilhaben zu lassen.

Der kommunale Finanzausgleich, den wir derzeit haben, meine Damen und Herren, ist der höchste in der Geschichte Bayerns. Mit 7,26 Milliarden Euro setzen wir ein ganz deutliches Signal der Teilhabe der Kommunen an der wirtschaftlichen Entwicklung. Wir erhöhen die reinen Landesleistungen um über 400 Millionen Euro; wir erhöhen den Anteil der Kommunen am Steuerverbund, damit sie mehr wirtschaftliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit auch vom Staat erreichen. Die Schlüsselzuweisungen steigen. Ganz besonders die kleinen, strukturschwachen Gemeinden bekommen durch den Demografiezuschlag auf der einen Seite und durch die Erhöhung der Mindestinvestitionspauschale auf der anderen Seite eine neue Chance, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Das beweisen die Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände. Sowohl Jakob Kreidl als auch Uwe Brandl sagten, sie fühlten sich dieses Mal ausgesprochen gut behandelt. Sogar der SPD-Oberbürgermeister von Nürnberg Maly sagt in typisch fränkischer Euphorie: Passt scho!

(Heiterkeit bei der CSU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt, dass wir damit auf einem guten und richtigen Weg sind. Wir sparen nicht zulasten der Kommunen, sondern wir beteiligen sie am wirtschaftlichen Erfolg, den Bayern hat. Das ist ein guter Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Unsere Tilgung geht nicht auf Kosten unserer Kommunen. Meine Damen und Herren, es geht auch nicht, dass wir nur zugunsten anderer Länder tilgen. Wir sind für Bayern. Die neuesten Zahlen aus dem Bund zum Länderfinanzausgleich sind schon ein Anlass, nachhaltig zu diskutieren. Meine Damen und Herren, die neuesten Zahlen bestätigen, dass das System nicht mehr funktioniert. Von den 7,3 Milliarden des Länderfinanzausgleichs muss der Freistaat Bayern 3,7 Milliarden und damit mehr als die Hälfte zahlen.