Protokoll der Sitzung vom 14.02.2012

München und Berlin sind im Übrigen - darauf will ich kurz eingehen - nicht vergleichbar. Darum hinkt der Vergleich, den du angeführt hast. Deine Aussage, eine Klage hätte keine Aussicht auf Erfolg, hätte ich vor zehn Jahren noch nachvollziehen können, aber heute nicht mehr, weil sich die Situation so gravierend verändert hat, wie das vor zehn Jahren wohl nicht absehbar war. Die Zahler werden immer weniger und diejenigen, die zahlen, zahlen immer mehr. Von daher geht es nicht auf diesem Weg weiter, dass immer weniger immer mehr leisten.

Es gibt bei der ganzen Thematik zwei Punkte, die man im Hinterkopf haben muss. Es gibt Länderstrukturen, die vermuten lassen, dass eine finanzielle Selbstständigkeit bei allem Bemühen möglicherweise nicht erreichbar ist. Wie lange wir uns in der jetzigen Form diese horrenden Zahlungen an die Mehrheit der Stadtstaaten in Deutschland leisten können, wird man sich bei einer möglichen Überprüfung genauer anschauen müssen.

Viel weniger notwendig, als die Solidarität Bayerns anzumahnen, ist es, die Situation zu beklagen, dass sich manche Empfänger zurücklehnen, gegebenenfalls mit ihrer schlechten Lage noch kokettieren und keinerlei Vorstellung davon haben, was spätestens ab 2019 passiert, wenn der Länderfinanzausgleich und der Solidaritätszuschlag auslaufen, was heute schon feststeht.

Wir brauchen die Installation eines Stabilitätsmechanismus ähnlich wie auf europäischer Ebene, um ein Sanktionsmanagement zu haben, wie es in Europa vorgesehen ist. Wir müssen die Unzulänglichkeit, die sich im Laufe der letzten Jahre ergeben hat, zumindest mit einer Klage aushebeln, wenn wir nicht mit Einsatz von uns allen, auch der Fraktionen der anderen Bundesländer, freiwillig etwas erreichen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Dr. Söder ums Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der CSU-Fraktion sehr dankbar, dass sie dieses Thema für heute gewählt hat. Denn ganz Deutschland diskutiert mittlerweile über das Thema Gerechtigkeit. Dies ist kein Parteienthema, sondern es ist eine Frage der Gerechtigkeit in unserem Land.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bayern ist solidarisch, meine Damen und Herren, und Bayern ist außerordentlich dankbar. Wir sind dankbar dafür, Hilfe empfangen zu haben - zwischen 1950 und 1988 geschätzte 3,5 Milliarden. Die Bayern sind so dankbar gewesen, dass sie aus diesem Geld, das sie bekommen haben, etwas gemacht haben. Sie sind nämlich vom Armenhaus Deutschlands zum Spitzenreiter geworden. Das war das Ergebnis.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir haben Hilfe empfangen, wir haben aber auch gegeben. Wir haben 3,5 Milliarden empfangen und seit 1989 insgesamt über 38 Milliarden Euro gegeben. Das heißt, meine Damen und Herren: Der Freistaat Bayern, die bayerischen Bürgerinnen und Bürger haben elfmal so viel gegeben, wie sie bekommen haben. Wenn da einer sagt, wir seien nicht solidarisch, dann geschieht das böswillig oder aus Unkenntnis. Die Bayern sind und waren solidarisch, meine Damen und Herren. Wir brauchen uns da nicht belehren zu lassen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Aber jetzt ist die Schmerzgrenze erreicht, meine Damen und Herren. Die Entwicklung der letzten Jahre bestätigt eindeutig, dass das System, wie es jetzt konzipiert ist, auf Dauer keine Zukunft haben kann. Die Zahlungen Bayerns haben sich seit 2003 nahezu verdoppelt. Von den Geberländern gibt es nur noch zwei, die wirklich sehr viel zahlen. Wenn man sich überlegt, dass von 7,3 Milliarden Euro Länderfinanzausgleich die Bayern 3,7 Milliarden Euro zahlen, also mehr als die Hälfte, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist klar: Solidarität kann nicht bedeuten, dass einer am Ende für alle zahlt. Das ist ungerecht, meine Damen und Herren. Deswegen müssen wir das ändern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Es bleibt nicht nur beim Länderfinanzausgleich. Es gibt viele Finanzausgleichssysteme, die uns beschweren und bei denen wir ein hohes Maß an Solidarität zeigen. Es ist übrigens auch bei der Umsatzsteuerverteilung so, dass nicht nur NRW, sondern auch Bayern einen überragenden Anteil erbringt. Kollege von Lerchenfeld hat ausführlich beschrieben, was über die Umsatzsteuerverteilung dazukommt. Wenn Sie die Arbeitslosenversicherung, wenn Sie den Gesundheitsfonds nehmen - Herr Vetter und Herr Professor Bauer, wir haben ausführlich darüber diskutiert -, dann haben wir als Bayern das Höchstmaß an Solidarität erbracht. Man muss sehen, dass wir Leistung für andere erbringen und gleichwohl in der Lage sind, unseren Laden sauber und ordentlich ausgeglichen zu halten. Lieber Kollege Halbleib, es wäre besser, wenn Sie an dieser Stelle weniger Nordrhein-Westfalen verteidigen, sondern vielmehr für Bayern kämpfen würden. Das wäre eigentlich die Aufgabe.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Alexander König (CSU): Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, im Grundgesetz steht, dass ein Länderfinanzausgleich notwendig ist. Es steht aber nicht drin, wie. Und es steht überhaupt nicht drin, dass dieser Länderfinanzausgleich quasi

ein Berlin-Finanzausgleich ist. Das führt auch unter den neuen Bundesländern im Moment zur Beschwernis. Wenn Sie die Debattenlage in Deutschland sehen, so gibt es nicht nur reflexartig die Aussage, es muss alles so bleiben, wie es ist. Viele Bundesländer, auch die neuen, sagen, dass man eigentlich etwas ändern muss. Warum? Weil es ein großes Auseinanderklaffen zwischen Geben und Nehmen gibt. Es bekommen nicht alle neuen Bundesländer so viel, sondern nur ein Bundesland bekommt am meisten, und das ist das Bundesland Berlin. Wenn man sieht, dass Bayern rund 3,7 Milliarden Euro zahlt und Berlin 3,04 Milliarden Euro empfängt, dann kann man sagen, dass der Freistaat Bayern das Bundesland Berlin komplett finanziert.

(Beifall bei der CSU)

Ich glaube, Kollege Hallitzky hat gesagt, das hänge mit den Bundeszentralaufgaben zusammen. Herr Klein hat das schön herausgearbeitet. Das, was in Berlin so viel Geld kostet, meine Damen und Herren, hat nichts mit dem Regierungsviertel zu tun, sondern mit übertriebenen Sozialausgaben und dem Hartz-IVTourismus, der stattfindet. Das sind hausgemachte Probleme der Berliner Landespolitik, und die müssen auch dort gelöst werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD) - Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Es kam die Kritik, die wir gerne aufnehmen: Was hat denn das alte System bewirkt? Nach Schätzungen und Rechnungen, die wir angestellt haben, hat die Änderung des letzten Finanzausgleichs über die letzten Jahre eine Einsparung von etwa 1,2 Milliarden Euro erbracht, also eine deutliche Dämpfung. Das Problem ist aber, meine Damen und Herren, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bundesländer fundamental auseinanderentwickelt hat. Bayern wurde immer erfolgreicher,

(Volkmar Halbleib (SPD): Innerhalb Bayerns!)

und die anderen haben immer weniger gemacht. Das heißt, dass das System auch in sich keinen Korrektivmechanismus und kein Anreizsystem hat. Wir haben Vorschläge gemacht, wie wir die Anreizsysteme besser machen. Die werden gerade in eine Ministerratsvorlage für einen Beschluss des Kabinetts, den wir dann diskutieren wollen, eingearbeitet. Das eigentliche Problem im Länderfinanzausgleich ist: Leistung wird bestraft und Untätigkeit wird belohnt, meine Damen und Herren. Das sagen auch andere Bundesländer. Es muss aber umgekehrt sein: Leistung muss sich lohnen. Und wer nichts tut, muss bestraft werden.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zuruf des Ab- geordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Wir haben sechs Vorschläge gemacht. Dazu gehören ein Anreizsystem und die Personenwertigkeit. Es ist für keinen Menschen in Deutschland einsehbar, warum ein Münchner weniger wert sein soll als ein Berliner oder Bremer. Wir fordern auch hier Gerechtigkeit, gleiches Gewicht für alle. Das gilt für München wie für Berlin und Bremen.

(Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER): Oberfranken, Oberpfalz auch!)

Es kann nicht sein, dass einige Länder bevorzugt werden. Zusätzlich geht es um die Gemeindesteuerkraft, die aus diesem System raus muss; die Bundesergänzungszuweisungen müssen geändert werden.

Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren, dass mich die Wortmeldung von Herrn Hallitzky schon berührt hat. Ich habe eine Pressemitteilung von Frau Kamm zum Thema GBW, in der sie sagt, ein Bieterverfahren sei unsozial und unsolidarisch. Herr Kretschmann hat heute vor einigen Stunden erklärt, es sei ein sozial vertretbares Verfahren. Herr Hallitzky sagt, er finde das peinlich, die Debatte über den Länderfinanzausgleich sei eine Art Neiddebatte. Gleichzeitig macht Herr Kretschmann den weitestgehenden Vorschlag, den es überhaupt gibt.

Ich weiß, dass Regieren schwierig ist. Aber wenn man sich aufmacht, zusammen zu regieren, dann muss man konsequent bleiben und kann nicht in einem Land Hü, im anderen Land Hott sagen. Das geht hier in Bayern nicht durch.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zuruf des Ab- geordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Es ist einfach so. Schauen Sie die Agenturmeldungen an.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Auch Nehmerländer diskutieren. Herr Tillich, Sachsen, sagt: Irgendwann ist es Zeit, bei Mama auszuziehen. Einmal muss sich etwas ändern. Herr Wowereit hat schon vor einigen Tagen gesagt - das will ich zu seiner Ehrenrettung anmerken -, er gestehe zu, dass man darüber reden und dass sich eigentlich etwas ändern müsse. Aber die Grundsolidarität muss erhalten bleiben.

Herr Rinderspacher, Sie haben gesagt, wir müssten etwas machen. Darüber freue ich mich.

(Volkmar Halbleib (SPD): Schon seit Jahren!)

Am 13. September 2004 hat Franz Maget, unser Vizepräsident und ein bedeutender Mann Ihrer Partei, gesagt, Stoibers Forderungen nach einer Änderung des Finanzausgleichs seien unverständlich und populistisch. Ich freue mich, dass die bayerische SPD nach vielen Jahrzehnten endlich auf dem Stand angekommen ist, den wir seit vielen Jahren diskutieren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die Geberländer Baden-Württemberg und Hessen versuchen gemeinsam, Ideen zur Änderung zu formulieren. Wenn dies nicht funktioniert, werden wir klagen. Im Jahr 2019 läuft dieser Länderfinanzausgleich aus. Wir sind uns sicher: In der jetzigen Form wird der Länderfinanzausgleich nicht mehr stattfinden. Deswegen ist für uns klar: Wir wollen unsere Schulden tilgen, aber nicht die Schulden der anderen bezahlen. Deswegen wird es ein substanzieller Bestandteil unserer Schuldentilgung sein, dass wir ab dem Jahr 2020 von einer Schuldentilgung in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr ausgehen. Das zeigt übrigens, wie wenig illusionär, sondern wie realistisch die Planungen sind, die wir in der Regierungsmehrheit dieses Hauses zur Schuldentilgung gemeinsam anstellen. Wenn Sie ein Interesse an der Schuldentilgung Bayerns und der Gerechtigkeit haben, dann helfen Sie mit, dass dies klappt. Denn dann haben wir zwei Dinge geschafft: den anderen einen Anreiz zu geben, sich selber zu helfen, und Bayern zu helfen, die Schulden zu tilgen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich komme zum Schluss: Wir haben uns in Europa für das Konzept entschieden, Schulden nicht zu teilen, sondern jeden dazu aufzufordern, seine Schulden abzubauen. Das ist eine ganz klare Entscheidung Europas.

Was die Griechen tun sollen, können sicher auch die Berliner lernen. Es geht hier nicht um Parteien, sondern um Gerechtigkeit und Länderinteressen. Wir sind solidarisch, aber nicht blöd. Deswegen muss sich an der Stelle etwas ändern. Wir wollen nur, dass es in Deutschland Transparenz und Fairness gibt, und dazu gehört eine fundamentale Änderung des Länderfinanzausgleichs.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Erste Lesungen

zu einem Gesetzentwurf und zwei Abkommen, die ohne Aussprache an die jeweils federführenden Ausschüsse überwiesen werden sollen

In der Tagessordnung sind die zur Überweisung anstehenden Beratungsgegenstände mit den als federführend angesehenen Ausschüssen aufgeführt. Gibt es hinsichtlich der Zuweisungsvorschläge noch Änderungswünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Beschlussfassung über die Zuweisungen.

Wer mit der Überweisung an die zur Federführung vorgeschlagenen Ausschüsse einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Der Gesetzentwurf und die beiden Abkommen werden damit diesen Ausschüssen zur Federführung zugewiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf: