Protokoll der Sitzung vom 29.02.2012

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Zacharias, Sie sagten gerade, Integration spalte nicht die Menschen, sondern die CSU. Ich sage Ihnen: Integration spaltet weder die Menschen noch spaltet sie die CSU. Bayern ist ein weltoffenes Land.

(Beifall bei der CSU - Zuruf von der SPD: Ha, ha, ha!)

Nicht zuletzt zeigt es sich, dass Bayern für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund äußerst attraktiv ist. Es ist schön, in Bayern zu leben. Der jährliche Zuzug von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund nach Bayern spricht wohl für sich.

(Isabell Zacharias (SPD): Es gibt mehr, die wegziehen, als zuziehen, liebe Kollegin!)

Nicht zuletzt sagt selbst der Bildungsatlas der Bertelsmann Stiftung, dass gerade in Bayern auch Menschen mit Migrationshintergrund wesentlich mehr Chancen haben und durch das gezielte, gute, bewährte, gegliederte Schulsystem wesentlich besser dastehen, als das in vielen anderen Bundesländern der Fall ist.

(Beifall bei der CSU)

Das ist ein Stück bayerischer Kultur und ein Stück Willkommenskultur, den Menschen Teilhabe und Chancen zu eröffnen.

Sie versuchen hier den Eindruck zu erwecken, als würde mit Ihrem beabsichtigten Erweiterungspotenzial der Bayerischen Verfassung und dem darauf fußenden Integrationsgesetz sozusagen der große Schritt für die Integration getan. Uns überzeugt das, ganz offen gesagt, in keiner Weise. Sie wollen eine gezielte Förderung und Unterstützung der Migrantinnen und

Migranten. Wir sagen: Fördern und Fordern ist der richtige Weg. Selbstverständlich bedarf es einer Willkommenskultur. Die haben wir in Bayern. Aber auf der anderen Seite ist es auch erforderlich, dass die gereichte Hand ergriffen wird, indem man bereit ist, die Sprache zu erlernen und vieles mehr.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich sage noch eines, meine sehr geehrten Damen und Herren: Eine Vielzahl der Menschen mit Migrationshintergrund, die hier in Bayern leben, hat diese Voraussetzungen gern erfüllt und ist stolz darauf, integriert hier zu leben, die Sprache zu beherrschen und auch durch das Bildungssystem, das die individuelle Förderung in den Vordergrund stellt, entsprechend vorangebracht worden zu sein. Es ist deshalb für uns nicht nachvollziehbar, warum in einer Verfassung der eigene Wirkungskreis sozusagen als Hort der Integration erwähnt werden muss. Integration ist für uns eine Querschnittsaufgabe. Warum ein verpflichtendes Kindergartenjahr vor der Schule das Entscheidende sein soll, um Geschichte zu schreiben, bleibt mir völlig verschlossen.

Bereits heute besuchen 99 % der Kinder in Bayern, und zwar mit und ohne Migrationshintergrund, ein Jahr vor dem Schulbesuch den Kindergarten. Wozu hier jetzt Bürokratie aufgebaut werden soll, ist für mich nicht nachvollziehbar. Bereits heute nehmen die Eltern das Angebot der 24 Sprachförderstunden sehr gern an. Sie haben gesagt, das sei viel zu wenig, aber ich sage ganz bewusst: Mit dieser tollen Leistung einer gezielten Sprachförderung wird im Kindergartenalter dafür Sorge getragen, dass diese Kinder dann zu 89 % in der Regelschule beschult werden können. Das ist für uns ein Stück gelungene Integration. Dazu bedarf es keiner Verfassungsänderung, sondern hierzu bedarf es des ganz einfachen Wortes "tun", und in Bayern wird es getan.

Es ist für uns ebenfalls nicht nachvollziehbar, warum nunmehr die Schaffung eines Landesbeirats für Integrationsfragen gefordert wird. Wir haben bereits einen Integrationsrat, der seit dem Jahr 2010 regelmäßig tagt, der wichtige Impulse für die Integration in Bayern gibt und der gemeinsam mit dem Integrationsbeauftragten Neumeyer wichtige und richtige Impulse für unser Land setzt.

(Beifall bei der CSU)

Für uns ist es nicht nachvollziehbar, warum Sie in Ihren Forderungen hartnäckig ignorieren, dass wir bereits heute eine gezielte Förderung an den Schulen haben, um die Integration voranzutreiben. Dass man Schulklassen, in denen über 50 % der Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Muttersprache sitzen

- woher haben Sie das? -, halbiert, um noch individueller fördern zu können, ist etwas, was die Integration voranbringt. Gesetzestexte sind dazu nicht das geeignete Mittel.

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum immer wieder die Frage bzw. Forderung nach interkultureller Kompetenz für alle Beschäftigten durch Fortbildung und Qualifizierung aufkommt. Sie ignorieren dabei, dass in den Bereichen, in denen es auf interkulturelle Kompetenzen ankommt, dies bereits heute in Fortbildung, aber auch Ausbildung gang und gäbe ist, um eine gezielte individuelle Förderung noch stärker voranzubringen.

Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf unter anderem gefordert, dass man versuchen sollte, den Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Migrationshintergrund peu à peu zu erhöhen. Auch wir halten das für erstrebenswert. Wir sind der festen Überzeugung, dass ein klares Leistungsprinzip, wie es bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst gilt, und ein im Vorfeld gezieltes Fördern und Fordern der richtige Weg ist, um hier den Anteil entsprechend zu erhöhen.

Im Übrigen haben Sie auch den Rundfunkrat, die Beiräte und Ähnliches erwähnt. Wir sind der festen Überzeugung, dass es hier keiner Sonderquote für Migrantinnen und Migranten bedarf, weil die Menschen mit Migrationshintergrund Bürgerinnen und Bürger sind, die sich in Verbänden einbringen und deshalb die Möglichkeit haben, über diese Verbände in derartige Gremien berufen zu werden.

Ich könnte jetzt Punkt für Punkt Ihren Versuch, Geschichte zu schreiben, noch weiter ausführen und Ihnen Gegendarstellungen dazu bieten. Ich möchte es aber dabei belassen und sagen: Wir sehen in diesen beiden Gesetzentwürfen keinen Schritt zu mehr Integration, aber sehr wohl den Versuch, mehr Bürokratie, die nicht unbedingt zum Besten der Menschen ist, zu schaffen. Wir sehen uns durch die Ergebnisse der Integrationsbemühungen bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Niemand macht alles richtig. Es gibt nichts, was man nicht besser machen kann. Aber durch Ihre Gesetzentwürfe wird die Integration in Bayern garantiert nicht verbessert. Deshalb lehnen wir sie ab.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. - Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER spricht Herr Abgeordneter Felbinger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln mit den beiden Gesetzentwürfen der SPD

heute ein wichtiges und ernstes Thema. Seit unserer Ablehnung im Plenum am 10. Februar 2011 hat sich in unseren Augen hinsichtlich Ihrer Gesetzentwürfe kein neuer Sachverhalt ergeben. Sie weisen immer noch die aus unserer Sicht gleichen Mängel auf. Das ist sehr schade, denn - davon sind wir fest überzeugt wir brauchen in Bayern ein Integrationsgesetz, aber eines, meine Damen und Herren, das gut gemacht ist.

(Isabell Zacharias (SPD): Dann machen Sie es doch!)

Das trifft leider auf die vorliegenden Gesetzentwürfe nicht zu.

Lassen Sie mich kurz noch einmal darauf eingehen, wo aus unserer Sicht die Mängel liegen. Wir betrachten Menschen mit Migrationshintergrund nicht a priori als eine Bevölkerungsgruppe, die zu den gesellschaftlichen Verlierern gehört. Es gab und gibt zahlreiche Beispiele für eine gelungene Integration. Das heißt nicht, dass wir generell keinen Handlungsbedarf sehen - das tun wir sehr wohl, meine Damen und Herren -, aber die Gleichung kann nicht lauten: Migrationshintergrund ist gleich gesellschaftliche Randgruppe.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Genau diese Gleichung legen Sie in Ihren Gesetzentwürfen aber zugrunde. Diesen defizitorientierten Ansatz können wir nicht mittragen, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion. Wir erkennen die Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund und deshalb wollen wir ein Gesetz, dem ein ausgewogenes Prinzip "Fördern durch Fordern" zugrunde liegt.

Wir wollen, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund in allen zentralen Lebensbereichen einbringen können. Das setzt auf der einen Seite voraus, dass unabdingbare Kenntnisse und Fähigkeiten vorhanden sind. Es setzt auf der anderen Seite die Bereitschaft zum Erwerb der deutschen Sprache genauso voraus wie die Akzeptanz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Integration ist ein gesellschaftlicher Prozess, der durch geeignete Rahmenbedingungen begleitet und gestaltet werden muss. Wir brauchen keine Verfassungsänderung, um die Integration in unserer Verfassung, wie Sie es in Ihren Gesetzentwürfen fordern, zu verankern. Integration ist jedoch ein gesellschaftlicher Prozess, der sich in den Köpfen der Menschen abspielen muss und im gegenseitigen Aufeinanderzugehen besteht. Integration ist damit eine gesellschaftli

che Entwicklung, die nicht per Gesetz erzwungen werden kann, wohl aber kann ein Gesetz gestaltend und begleitend bei diesem Prozess wirken. Genau das wollen wir.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir müssen allen Menschen, die hier leben, das Gefühl vermitteln, dass sie hier zu Hause sind. Wir müssen auf der einen Seite die Angst vor Überfremdung ernst nehmen und widerlegen und wir müssen auf der anderen Seite den Menschen mit Migrationshintergrund signalisieren, dass ihre Lebenserfahrung und ihr kulturelles Erbe in Bayern durchaus willkommen sind.

Wie ich bei der Ersten Lesung schon betonte, verdammen wir Ihr Gesetz nicht in Bausch und Bogen. Wir begrüßen beispielsweise die Forderung nach einem kostenfreien Kindergartenjahr, die Förderung der Muttersprache und die Forderung, die Schule nicht nach acht Jahren verlassen zu dürfen. Uns fehlt aber die Ausgewogenheit. Damit begehen Sie, wenn auch unter anderen Vorzeichen, einen ähnlichen Fehler wie die Staatsregierung, deren Vertreterin Frau Haderthauer behauptet, Integration sei keine Rosinenpickerei, und Sanktionen für Integrationsverweigerer fordert. Während die Staatsregierung in erster Linie Forderungen an Menschen mit Migrationshintergrund stellt, wollen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, fördern bis zum Umfallen. In beiden Ansätzen vermissen wir FREIEN WÄHLER Maß und Ziel, die das Kennzeichen unserer Politik sind. Wir stehen für eine sachorientierte Politik mit Augenmaß.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der FDP)

Ich gebe durchaus zu, das ist in diesem Bereich nicht immer einfach, aber nichtsdestoweniger notwendig. Die Integrationspolitik der FREIEN WÄHLER stellt den Menschen in den Mittelpunkt, egal welcher Kultur, fordert Offenheit im sozialen Miteinander und plädiert für die Kenntnis der deutschen Sprache.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Dennoch bedanke ich mich bei Ihnen, dass Sie dieses wichtige Thema wieder in das Parlament gebracht haben. Denn wir FREIEN WÄHLER stellen leider auch fest, dass vonseiten der Staatsregierung außer Sonntagsreden oder, Herr Ministerpräsident, außer Aschermittwochsreden leider nichts passiert.

Bayern ist in der Pflicht, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in allen Bereichen des Lebens zu fördern. Dazu gehören ebenso die Vereine und die Organisationen. Weit

mehr als bisher müssen wir die Beispiele gelungener Integration herausstellen und gerade jungen Menschen positiv vor Augen führen, um ihnen Mut zu machen. Jede einzelne gelungene Integration ist Ansporn genug und wirkt als Multiplikator. Dessen müssen wir uns weit stärker als bisher bewusst werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der FDP)

Danke schön. Jetzt hat für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Ackermann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, wie viele Worte in diesem Haus verwendet werden, um zu erklären, dass man Integration zwar verwirklicht, aber lieber doch wiederum nicht so richtig und das Gesetz eigentlich gar nicht braucht.

(Alexander König (CSU): Sie haben ja eine lange Redezeit!)

Ich bin der Meinung, dass der Gesetzentwurf für ein Integrationsgesetz, den die SPD eingebracht hat, ein ganz wichtiger Schritt ist, weil er verdeutlicht, dass Migrantinnen und Migranten zu uns gehören. Deswegen werden wir auch zustimmen. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie gesagt haben, Frau Guttenberger,

(Beifall bei den GRÜNEN)

nicht, weil wir glauben, dass sie eine Randgruppe sind, sondern weil wir deutlich machen wollen, dass sie zu uns gehören. Bayern ist durch sie vielfältig geworden, und Bayern lebt von der Vielfalt mit ihnen. Es ist wichtig, einen ressourcenorientierten Ansatz zu haben statt Ausgrenzung. Genau deshalb muss man in einem Integrationsgesetz das regeln, was bisher noch nicht erreicht ist, um es letztendlich durchsetzen zu können. Das ist der Sinn des Gesetzentwurfs. Deshalb ist es gut, dass er eingebracht worden ist. Sie haben den Gesetzentwurf zur richtigen Zeit eingebracht. Wir haben vor zehn Jahren einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Manche Abgeordnete sind jetzt immer noch nicht so weit, aber Sie können sich vorstellen, vor zehn Jahren waren sie noch viel weniger weit. Deshalb war damals der Zeitpunkt vielleicht etwas zu früh, wenngleich das Anliegen nicht minder berechtigt war. Wir begrüßen jedenfalls das Gesetz.

Ich möchte zunächst etwas zu dem Gesetzentwurf sagen, der für die Integration Verfassungsrang for

dert. Wir sind durchaus der Meinung, dass Integration heute mehr denn je Thema ist und dass es deshalb eine große Bedeutung in Bayern haben muss. Wir haben aber Bedenken, viele Einzelregelungen, viele einzelne Themen in die Verfassung aufzunehmen. Es gibt, überspitzt ausgedrückt, fast eine kleine Inflation von Forderungen, bestimmte Themen in die Verfassung aufzunehmen: Kinderrechte, Tierschutz, Integration, Klimaschutz - ohne Wertung. Das sind alles extrem wichtige Themen, aber ich glaube, die Väter der Verfassung haben extra hohe Hürden eingebaut, damit die Verfassung nur sehr schwer, nämlich nur mit einer Zweidrittelmehrheit, geändert werden kann. Sie wollten nicht, dass die Verfassung Zeitströmungen folgend häufig geändert wird.