Protokoll der Sitzung vom 29.02.2012

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielleicht im Anschluss. Diesen Antrag nutzen wir auch dazu, von der CSU in dieser zentralen Frage die Übereinstimmung von Reden und Handeln einzufordern. Es kann nicht sein, dass ein Mitglied dieser Bundesregierung, ein CSUMinister dieser Bundesregierung, einen Tag, bevor der Bundestag über einen Vorschlag der Bundesregierung abstimmt, diesen Vorschlag offen infrage stellt und der gleiche CSU-Minister am nächsten Tag dieser Maßnahme zustimmt, als wäre nichts geschehen. Das dient nicht der Glaubhaftigkeit der Politik.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Bernhard Roos (SPD): Bravo! - Markus Rinderspacher (SPD): Dann muss er zurücktreten!)

Es war kein SPD-Vertreter, sondern ein Kommentator der "FAZ", der führenden konservativen Tageszeitung in Deutschland, der es am 27. Februar auf den Punkt gebracht hat: "Die deutsche Politik kämpft mit drei Problemen: erstens mit der Eurokrise, zweitens mit Griechenland und drittens mit der CSU."

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Das ist berechtigt, denn das, was hier von einem CSU-Mitglied der Bundesregierung geleistet worden ist, schreit zum Himmel und dabei ist der noch schonend mit der CSU umgegangen.

Die klare Aufforderung an dieser Stelle: Beenden Sie endlich das skandalöse Doppelspiel! Reden Sie nicht mehr mit gespaltener Zunge, sondern sorgen Sie endlich dafür, dass Ihr Reden in München und Ihr Handeln in Berlin übereinstimmen.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Doppelspiel, das Sie hier treiben, ist brandgefährlich für die ökonomische Situation in Europa und in Deutschland. Im Kern geht es doch um die Heraus

forderung, Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der europäischen Politik zurückzugewinnen. Das kann nicht gelingen, wenn dieses Vertrauen durch Vertreter der CSU in der Bundesregierung infrage gestellt wird. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Herr Halbleib, es gibt eine Zwischenbemerkung des Kollegen von Gumppenberg. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Kollege Halbleib, ich habe einige Fragen und Feststellungen zu dem, was Sie sagen. Dass Griechenland ein hochsensibles Thema ist, darüber sind wir beide uns sicherlich einig. Ich darf Sie schon fragen, wer damals entgegen dem Wunsch der FDP Griechenland mit in die Europäische Union aufgenommen hat. Es war eine Regierung, die Ihre Partei gestellt hat. Ich glaube, dass man dieser Frage einfach einmal nachgehen muss.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die FDP hat doch im Europaparlament zugestimmt!)

- Nein, ich glaube, der Frage muss man einfach nachgehen. Dass wir heute in einer sensiblen Situation sind, steht außer Frage. Wir können diese Frage nicht im Bayerischen Landtag, sondern bestenfalls auf Bundesebene beantworten. Diesbezüglich hat Ihre Partei klare Antworten gegeben.

Ich möchte mich fast für diese Frage bedanken. Auch die Freien Demokraten haben nach meiner Kenntnis der Aufnahme Griechenlands im Europaparlament zugestimmt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Selbstverständlich!)

Im Übrigen war der überwiegende Teil der Regierungen in Europa, die hierzu Grundsatzentscheidungen treffen, eindeutig konservativ liberal gestaltet. Diesbezüglich ist die Mehrheit klar. Deshalb fällt die Frage auf Sie zurück.

Das bringt uns hierbei überhaupt nicht weiter. Sie müssen die Frage beantworten, warum Sie im Landtag einem Berichtsantrag nicht zustimmen, in dem es nur darum geht, die Menschen zu informieren, welche Konsequenzen damit verbunden sind, und im Landtag die Möglichkeit zu schaffen, über diese Konsequenzen zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Diese Frage müssen Sie heute den Wählerinnen und Wählern beantworten.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Kollege Halbleib. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat sich Dr. Runge zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen und unterstützen den Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER. Transparenz und mehr Ehrlichkeit sind dringend angesagt.

Es gilt auszuloten und aufzuzeigen, welche Folgen die einzelnen Beschlüsse haben und dabei mit Szenarien zu arbeiten. Selbstverständlich, Herr Kollege Halbleib, auch mit solchen Szenarien für den Fall, dass keine größeren Pakete mehr geschnürt werden, dass es keine Auszahlung mehr gibt und dass man Griechenland womöglich in die Insolvenz schickt. Es ist auch klar, dass das mit gravierenden Auswirkungen verbunden wäre.

Wichtig ist unserer Auffassung nach, dass endlich Schluss ist mit dem Geschwätz von der Alternativlosigkeit, weil das kann es nicht sein. Dann können wir die Politik gleich aufgeben.

(Alexander König (CSU): Das stimmt! Das sehe ich genauso!)

Ich habe mir überlegt, ob ich noch eine Zwischenbemerkung mache auf den Kollegen von der FDP, weil man Folgendes sagen muss: Der Kardinalfehler war nicht Griechenland, der Kardinalfehler war auch nicht das Aufweichen von Deutschland und Frankreich kurze Zeit nach Einführung der sogenannten Wirtschafts- und Währungsunion, sondern der Kardinalfehler war die Einführung des Euro generell à la Kohl und Waigel,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Widerspruch bei der CSU)

ohne für eine haushalts- und fiskalpolitische Konvergenz und ohne für eine grundlegende Abstimmung in wirtschaftspolitischen Fragen zu sorgen.

(Zurufe von der CSU)

So kann eine Währungsunion schlicht und ergreifend nicht funktionieren. Herr Sinner, Sie wissen, dass wir das schon vor circa 15 Jahren gesagt haben, aber leider waren wir damals als Rufer allein. Aber eines muss man auch klar sagen: Der Euro ist nicht die

Wurzel der aktuellen Krise. Die Krise ist verursacht worden durch viel zu viel Geld- und Kapitalvermögen, viel zu viele Schulden auf der einen Seite; und auf der anderen Seite durch die Finanzmärkte, die alles andere als segensreich agieren. Der Euro ist Brandbeschleuniger für die Krise, weil es so einfach war, dass das für manche Länder plötzlich billige Geld selbstverständlich auch ausgegeben worden ist. Sie haben sehr viele Schulden gemacht, weil das Geld auf einmal schlagartig da war und sehr billig war.

Das Griechenland-II-Paket - so nenne ich es jetzt einmal - ist unserer Meinung nach immerhin besser, als das, was bisher passiert ist. Bei den bisherigen Auslobungen ging es nur darum, die Bedienung von Altschulden zu gewährleisten bzw. Altschulden refinanzieren zu können und die Spreads möglichst gering zu halten. Letztlich war es nichts anderes als der Versuch, eine Schuldenkrise mit weiteren Schulden zu heilen. Das ist schon ein fragwürdiges Unterfangen.

Paket zwei, das sind die Auszahlungen, kombiniert erstens mit Vorgaben für Reformprozesse - diesbezüglich kann man den einen oder anderen Punkt sicherlich sehr kritisch betrachten, weil es zu ordentlichen Schieflagen kommt - und zweitens kombiniert mit einer Entschuldung in Höhe von circa 100 Milliarden Euro. Das halten wir für den richtigen und einzig gangbaren Weg. Das hätte allerdings schon viel früher kommen müssen und nicht erst dann, als die ganzen Lasten auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgelenkt worden sind. Das hätte man schon vor zwei Jahren machen müssen. Aber immerhin wird es jetzt langsam in die richtige Richtung gehen.

Zum Kontext und zu Bayern - ich wende mich an den Vorredner der CSU -, der durchaus gegeben und viel konkreter ist, Herr von und zu Lerchenberg, als die Gemeinden uns das darlegen.

(Ingrid Heckner (CSU): Lerchenfeld!)

- Lerchenfeld, Entschuldigung, ich habe zu sehr an den Kabarettisten gedacht.

Herr Söder, ich muss Ihren Vorgänger zitieren und darlegen, wie unredlich dieser Herr war. Hoffentlich sind Sie redlicher. Es gab vor einem Jahr einen Zeitungsartikel in der "Süddeutschen Zeitung", überschrieben mit "Bayern will nicht für die Eurorettung zahlen". Ich zitiere einige wenige Sätze:

Der Freistaat Bayern will sich nicht an den Kosten beteiligen, die die Bundesrepublik Deutschland bei der geplanten Ausweitung des Eurorettungsschirms schultern muss. Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon erklärte, der Bund müsse für die 22 Milliarden Euro, die in den

nächsten Jahren fällig werden, allein aufkommen. Bayern werde sich an der Finanzierung nicht beteiligen. Fahrenschon kritisierte zudem scharf, dass die Bundesregierung überhaupt derart hohe Verpflichtungen gegenüber den anderen Euroländern eingehen würde.

Der Kern in diesem Artikel ist schlicht und ergreifend falsch. Das belegt zum Beispiel auch die Beantwortung der Anfrage des Kollegen Streibl durch die Bayerische Staatsregierung. Der Staatsregierung hätte es von Anfang an klar sein müssen, dass sich Bayern selbstverständlich beteiligen muss. Am 15. November 2011 wird geantwortet: Es gibt direkte Auswirkungen wegen der Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern. Das ist der Artikel 106 Absatz 3 des Grundgesetzes. Ich zitiere jetzt die Bayerische Staatsregierung:

Sollten für den Bund wegen der Gewährleistung nach dem Stabilitätsmechanismusgesetz in Zukunft Ausgaben in Milliardenhöhe entstehen, könnte dies Forderungen des Bundes, den Länderanteil aus der Umsatzsteuer zu schmälern, nach sich ziehen.

Das ist ein klarer, diametraler Widerspruch zu der Aussage in dem Artikel, aus welchem ich Ihnen vorhin zitiert habe.

Es gibt selbstverständlich indirekte Auswirkungen. Mein Vorredner aus der CSU hat zum Beispiel die Ratings und die Zinshöhe angesprochen. Es gibt auch Auswirkungen bei den bayerischen Sparkassen. Wir haben nicht nur das Desaster mit der Bayerischen Landesbank, sondern Herr Haasis, der Vorgänger von Herrn Fahrenschon, hat gerade die bayerischen Sparkassen stark in die Berliner Bankgesellschaft geschickt: Kauft die Anteile, damit nicht Private sie kaufen - Berliner Landesbank.

Aus den Abschreibungen der letzten beiden Jahre wegen Griechenland sind die bayerischen Sparkassen mittlerweile mit einem dreistelligen Millionenbetrag beteiligt. Es gibt jede Menge negativer Auswirkungen.

(Zuruf von der CSU)

Noch einmal zur Redlichkeit in der CSU. Ich hätte zahlreiche Beispiele über Ihre rote Linie, die Sie immer aufziehen, nennen können, aber scheinbar verwechseln Sie rote Linie mit rotem Teppich, weil Sie begeistert drauf- und drübersteigen. Es gibt Zeitungsüberschriften, die lauten: Dafür und doch dagegen! Wie gesagt, weitere Beispiele spare ich mir aufgrund der Zeit.

Ich möchte nur noch einen Punkt nennen, der gerade aktuell geworden ist. Ich zitiere Ministerpräsident Seehofer aus dem Februar 2011: "Der aktuelle Rettungsschirm darf nicht ausgeweitet werden." Einige Monate später das Gleiche, da haben Sie gesagt: "Ausweitung oder Vorziehen der Schirme kommen nicht infrage." Und es gibt sogar den Kabinettsbeschluss vom Oktober 2011 - auch zitiert in der Beantwortung der Anfrage des Kollegen Streibl -, in dem festgelegt wurde: Über die 211 Milliarden Euro darf Deutschland niemals hinausgehen. Was lesen wir heute? Aktuell wird diskutiert, beide Schirme gleichzeitig bzw. den Kapitalstock vom künftigen Schirm ESM zu erhöhen. Was lesen wir heute? "Bei der CDU/CSU bröckelt der Widerstand gegen die Aufstockung." Dann wird die Kollegin Hasselfeldt zitiert: "Man muss die Diskussion offen führen." Also auch hier wieder die Verwechslung zwischen roter Linie und rotem Teppich - hü und hott.

Ich will damit schließen: Der geforderte Bericht ist grundsätzlich richtig und wichtig. Möglicherweise kann ein solcher Bericht auch dazu dienen, dass Sie sich Ihre Sprüche und Ihre Großsprecherei etwas mehr überlegen, weil es dann häufiger hinterfragt werden kann und von Ihnen selber verifiziert bzw. falsifiziert werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)