Protokoll der Sitzung vom 27.03.2012

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb wollen sie Ruhe.

(Zuruf von der SPD)

Wir wollen, die Dinge bereinigen, die wirklich gemacht werden müssen.

Und wissen Sie noch etwas? Wer hat denn die Axt an das Schulsystem angelegt? Wer hat denn die Axt an Hauptschule und Mittelschule angelegt? Waren das wir, haben wir regiert? Oder haben Sie die Hauptschule und die Mittelschule an die Wand gefahren,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

sodass nicht einmal noch sieben Prozent der Eltern diese Schulform haben wollen?

(Zurufe von der CSU)

Sie beschwören immer den Schulabschluss der Hauptschule - schauen Sie doch einmal genau hin, wer diesen Abschluss macht. Das sind die zurückgekehrten Gymnasiasten. Mit einer M 7 fangen sie in diesen Mittelschulen an und mit zwei M 10 hören sie auf. Wo kommt denn diese wunderbare Schülervermehrung her? Das sind alles Rückläufer, die durch Ihr

Schulsystem gescheitert sind und deshalb irgendwo aufgefangen werden müssen.

(Zuruf von der CSU)

Deshalb muss die Schulentwicklung vorangehen, müssen wir unsere Schullandschaft erweitern. Nur deshalb brauchen wir auch diesen Gesetzentwurf. Aber vermutlich ist es tatsächlich nicht der Rede und der Mühe wert, Ihnen das zu erklären.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke, Herr Güll. - Zuletzt hat das Wort die Staatsregierung, Herr Staatsminister Dr. Spaenle. Bitte.

Bildungspolitik, sehr geehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin, hat die Aufgabe, die Chancen der jungen Menschen in unserem Land mit entsprechend passgenauen Möglichkeiten und schulischen Angeboten zu versehen. Im Mittelpunkt von Bildungspolitik, erfolgreicher Bildungspolitik, steht deshalb ein Schulwesen, das den individuellen Persönlichkeiten ebenso individuelle und differenzierte Optionen und Schulwege eröffnet.

Deshalb genügt eine zusätzliche Schulform, die für alle dasselbe vorsieht, aus unserer Sicht diesem Anspruch nicht.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Ein Schulversuch oder ein Ansatz, Schule zu organisieren, der sich auf dieses Grundprinzip aus dem 20. Jahrhundert stützt, für alle dasselbe anzubieten, ist tatsächlich nicht tragfähig.

(Zuruf von der SPD)

Das ist der Kern der Überlegung.

Wir wollen das differenzierte Bildungswesen und die Chancen, die es Kindern in Bayern bietet. Nach der letzten Ländervergleichsstudie erhalten die neunten Klassen aller Schularten in Bayern von der Mittelschule bis zum Gymnasium im Vergleich der Länder in Bayern die besten Bildungschancen. Wir wollen diese Wege im differenzierten Bildungswesen. Wir wollen den jungen Menschen differenziert schulische Angebote machen, die für ihren persönlichen Entwicklungsweg

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

die richtigen Antworten geben.

Das Zweite ist das Thema, wie wir die jungen Menschen auf ihrem ganz persönlichen Weg zu dem angestrebten Abschluss, für den es immer einen Anschluss geben muss, begleiten. Da gehen wir diametral anders vor, als es die Kollegen der SPD mit ihrem Gesetzentwurf vorsehen.

Wir wollen die Entwicklung des einzelnen Kindes und jungen Menschen auf dem Weg fördern, ein bestimmtes pädagogisches Ziel, etwa in der erfolgreichen bayerischen Grundschule zu erreichen, die sich auf eine auf vier Jahre ausgelegte pädagogische Konzeption stützt. Wir wollen Wege eröffnen, dass die Kinder und jungen Menschen zum Erreichen ihres pädagogischen Ziels, eines bestimmten Abschlusses, die Zeit in Anspruch nehmen können, die sie in ihrem ganz individuellen Entwicklungsgang benötigen.

Das ist ein grundlegend anderer bildungspolitischer Ansatz. Sie gehen systemisch vor, wir orientieren uns am Kind und am jungen Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das sind zwei unterschiedliche Ansätze, über die man sich austauschen kann - das tun wir auch -, und letztlich werden wir damit natürlich auch vor die bayerische Bevölkerung treten. Wir werden diesen Weg der individuellen Förderung im differenzierten Bildungswesen konsequent weitergehen, vom Ansatz der flexiblen Grundschule über die Möglichkeiten, mit den entsprechenden Zeithorizonten, etwa in den 9+2-Modellen an der bayerischen Mittelschule, einen mittleren Abschluss zu erwerben. Es sind - ich muss den Kollegen Nöth an einer einzigen Stelle korrigieren - inzwischen schon über 25 % der jungen Menschen, die an einer Mittelschule ihren mittleren Abschluss machen.

Wir werden den jungen Menschen helfen - gleich, welchen Weg sie im Bildungswesen einschlagen -, jeden Anschluss in diesem Bildungswesen zu finden, und sie unterstützen, diesen Weg konsequent weiterzugehen.

Wir können deshalb mit Vorklassen jungen Menschen, die nach einem mittleren Abschluss die Fachoberschule besuchen wollen, ein Angebot machen, das von den Schulen selbst kommt, sodass es die jungen Menschen nach ihrem persönlichen Bildungsstand und Entwicklungsweg für sich entsprechend in Anspruch nehmen können. Wir können mit der flächendeckenden Einführungsklasse - und seit heute Nachmittag können wir auch sagen, dass wir dieses Instrument bayernweit flächendeckend anbieten können - einen Weg für junge Menschen eröffnen, die die gymnasiale Oberstufe nach einem mittleren Ab

schluss besuchen wollen und sich noch ein Jahr fit machen wollen.

Wir werden genau diesen Weg nach einer vernünftigen, seriös angelegten und breit aufgestellten Analyse und Evaluation des bayerischen Gymnasiums in seiner achtjährigen Konzeption ebenso schulorganisatorisch begleitend einschlagen, damit auch die jungen Menschen das achtjährige bayerische Gymnasium mit dem Abitur in der Zeit, die sie für sich persönlich benötigen, erreichen können.

Das ist die unterschiedlich angelegte bildungspolitische Strategie. Wir begleiten den einzelnen jungen Menschen im differenzierten Bildungswesen, dessen Grundgedanke ist, ihnen Bildungswege anzubieten, letztlich, wenn Sie so wollen, mit einem Alleinstellungsmerkmal, das eine andere differenzierte Schulart nicht vorhält. So bietet zum Beispiel die bayerische Mittelschule mit der vertieften Berufsorientierung eine so intensive Vorbereitung auf die duale Ausbildung, wie es keine andere Schulart kann. Diesen Weg gehen wir konsequent weiter.

Ein Weiteres ist das Thema der vergleichbaren Lebensverhältnisse in Bayern. Das gilt auch dafür, dass - gleich, wo die Menschen in unserem Land leben ihnen eine entsprechende Bildungslandschaft angeboten sein muss. Wir wollen den Schatz der knapp 1.000 Mittelschulstandorte neben den etwa 330 Standorten jeweils für Realschule und Gymnasien sichern und weiterentwickeln, und zwar mit der Verbundstrategie der Mittelschule und einer standortbezogenen Schulentwicklung, die passgenaue Lösungen zum Erhalt möglichst vieler wohnortnaher Standorte anbietet.

Wir konnten die Zahl der Schließungen im Bereich der Mittelschulen

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

von über 40 vor drei Jahren auf jetzt um die zehn im laufenden Schuljahr zurückführen. Ab heute kann man wirklich sagen: Wir werden eine Bestandsgarantie für rechtlich selbständige Grundschulen abgeben, wenn sie eine Mindestgröße von 26 Schülern in allen vier Klassen haben. Das ist praktische Bildungspolitik für die ländlichen Räume. Wir wollen mit einem anderen Grundkonzept als die SPD in eineinhalb Jahren vor den Souverän treten. Bei all den Dingen, die wir täglich an bayerischen Schulen verbessern müssen, um den gewachsenen Anforderungen einer heterogeneren Schülerschaft und dem Anspruch der einzelnen Familien auf einen passgenauen Bildungsweg gerecht zu werden, treten wir voller Überzeugung vor die Menschen in diesem Land. Lassen Sie uns nach der nächsten Wahl über die unterschiedlichen bildungspo

litischen Strategien befinden. Ich bin sicher, wir werden für unser Konzept große Zustimmung finden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir haben keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, weshalb wir die Aussprache schließen und zur Abstimmung kommen. Es wurde namentliche Abstimmung beantragt. Nachdem wir heute schon ausreichend geübt haben, und Sie sich sicher noch an die Stimmkästen erinnern können, versuchen wir die Abstimmung über den Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen auf Drs. 16/5764 innerhalb von drei Minuten durchzuführen. Mit der Abstimmung kann jetzt begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 20.51 bis 20.54 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Abstimmungsvorgang ist abgeschlossen. Ich bitte, die Stimmen draußen auszuzählen. Wir fahren in der Tagesordnung fort. Trotz vieler Zugeständnisse hinsichtlich verschiedener Aussprachen sind wir immer noch bei einem Sitzungsende zwischen 23.30 und 00.00 Uhr. Lassen Sie uns deshalb zügig fortfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eines Bayerischen Gesetzes über die Rechte von Kindern und Eltern in der frühkindlichen und außerschulischen Bildung (Bayerisches Kinder- und Elternrechtegesetz für die frühkindliche Bildung - BayKiElG) (Drs. 16/10203) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurden zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich bitte Frau Ackermann an das Redepult.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Jahr 2005 wurde das jetzt geltende Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz verabschiedet. Schon damals wurden im Vorfeld, aber auch bei der Begleitung des Gesetzes in der Praxis sehr viele kritische Stimmen laut, die auf Nachteile in dem Gesetz aufmerksam machten. Es gab eine Anhörung mit vernichtender Kritik von den Erzieherverbänden, aber auch von den Trägern. Es wurden hunderte von Petitionen mit tausenden von Unterschriften von Erzieherinnen und von Fachleuten

eingereicht, die an diesem Gesetz Kritik übten. Diese Kritik will ich kurz wiedergeben.

Bevor sie das tun, Frau Kollegin, möchte ich die anderen Kolleginnen und Kollegen darauf hinweisen, dass die Pause während des Abstimmungsvorgangs bereits vorbei ist. Könnten sie sich zu den Gesprächen bitte ins Foyer begeben?

(Alfred Sauter (CSU): Dann ist niemand mehr da!)

- Das ist aber dann nicht mein Problem. Bitte schön, Frau Ackermann.

Die Kritikpunkte betrafen in erster Linie die Gastkinderregelung, den hohen Bürokratieaufwand durch die Buchungen, die Gewichtungsfaktoren und den zu geringen Basiswert, der dafür sorgte, dass die Träger keine Planungssicherheit hatten, weshalb Erzieherinnen nur noch Verträge bekamen und mit Änderungskündigungen rechnen mussten. Daraus ergab sich eine große Unsicherheit, die bis heute anhält. Das alles sind Nachteile dieses Gesetzes. Deshalb, aber auch weil sich mittlerweile eine völlig andere Rechtslage ergeben hat, haben wir den hier vorliegenden Gesetzentwurf erarbeitet. Diesen Gesetzentwurf haben wir aber nicht nur erarbeitet, wir haben ihn auch mit den Verbänden abgestimmt. Wir haben an Runden Tischen gemeinsam mit den Trägern und den Wohlfahrtsverbänden abgestimmt, wie der Gesetzentwurf sein soll. Ich glaube, es gibt bereits jetzt eine breite Basis in der Fachwelt, die diesem Gesetzentwurf zustimmt.