Protokoll der Sitzung vom 27.03.2012

Die Kritikpunkte betrafen in erster Linie die Gastkinderregelung, den hohen Bürokratieaufwand durch die Buchungen, die Gewichtungsfaktoren und den zu geringen Basiswert, der dafür sorgte, dass die Träger keine Planungssicherheit hatten, weshalb Erzieherinnen nur noch Verträge bekamen und mit Änderungskündigungen rechnen mussten. Daraus ergab sich eine große Unsicherheit, die bis heute anhält. Das alles sind Nachteile dieses Gesetzes. Deshalb, aber auch weil sich mittlerweile eine völlig andere Rechtslage ergeben hat, haben wir den hier vorliegenden Gesetzentwurf erarbeitet. Diesen Gesetzentwurf haben wir aber nicht nur erarbeitet, wir haben ihn auch mit den Verbänden abgestimmt. Wir haben an Runden Tischen gemeinsam mit den Trägern und den Wohlfahrtsverbänden abgestimmt, wie der Gesetzentwurf sein soll. Ich glaube, es gibt bereits jetzt eine breite Basis in der Fachwelt, die diesem Gesetzentwurf zustimmt.

Die neue Rechtslage ist die UN-Konvention für die behinderten Menschen. Das BayKiBiG ist mit dieser UNKonvention eindeutig nicht kompatibel. Schon allein deshalb muss das BayKiBiG überarbeitet werden. Angesichts dessen ist es doch besser, gleich einen neuen, geschlossenen Gesetzentwurf vorzulegen, und diesen Gesetzentwurf will ich Ihnen jetzt vorstellen.

Unser Gesetz definiert in erster Linie die Rechte von Eltern und Kindern und ist aus Sicht der Kinderrechte entstanden. Das bedeutet, dass bei uns zunächst die Kinder im Vordergrund stehen, dann die Rechte der Eltern, dann die der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dann die der Einrichtungen und der Behörden. In dieser Reihenfolge haben wir die Prioritäten gesetzt. Unser Gesetz ist inklusionskompatibel. Das bedeutet, dass alle Kinder in alle Einrichtungen gehen können. Aufgrund dieses Gesetzes kann dann nicht sein, was jetzt beim BayKiBiG immer noch der Fall ist, dass Gruppen so definiert werden, dass maximal ein Drittel der Kinder behindert sein darf. Eine solche Vorgabe

hat mit Inklusion, mit dem Gedanken von Inklusion überhaupt nichts zu tun. Wir können das BayKiBiG deshalb nicht mehr akzeptieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir wollen aber auch, dass die Eltern für ihre Kinder die freie Wahl einer Kindertagesstätte haben. Dafür darf selbstverständlich die Gängelung durch die Gastkinderregelung nicht mehr existieren. Wir wollen die stufenweise Absenkung des Personalschlüssels auf 1 : 7,5. Der wissenschaftlich-technische Beirat hat 1 : 8 empfohlen. Ich glaube, das ist in etwa die Richtzahl. Wir wollen aber die Gewichtungsfaktoren aufheben, denn wir halten die Gewichtungsfaktoren für nicht zielführend. Sie sind nicht ausreichend. Gleichzeitig sind sie nicht scharf genug. Außerdem stigmatisieren sie die Kinder. Dafür möchte ich folgendes Beispiel anführen: Bei den Gewichtungsfaktoren müssen Kinder, die das dritte Lebensjahr gerade vollendet haben, bei denen noch niemand weiß, wie sich ihre Entwicklung fortsetzen wird, bereits als behindert oder nicht behindert qualifiziert werden, damit die Einrichtung den Förderfaktor erhält. Das erachten wir als Stigmatisierung. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass Kinder ohne Ansehen der Person in jede Gruppe gehen können und nicht vorher klassifiziert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu brauchen wir natürlich multiprofessionelle Teams in den Einrichtungen. Mit einer einseitig ausgerichteten Ausbildung werden wir nicht mehr zurechtkommen, weil die Kinder vielseitig gefördert werden müssen. Insofern ist es sinnvoll, zum Beispiel in den Einrichtungen neben den Erzieherinnen Logopädinnen, Heilpädagoginnen oder Heilerziehungspflegerinnen zu beschäftigen. Wir wollen auch mehr Mitsprache für die Eltern, Verfügungszeiten für das Personal und ein Recht auf Fortbildung. Wir wollen auch, dass der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan fortgeschrieben wird - auch für die Krippen und für die Horte.

Ich glaube, das sind Punkte, die unabdingbar sind, wenn man frühkindliche Bildung ernst nimmt, und die daher in einem Gesetz verankert werden müssen. Damit in bayerischen Kindertagesstätten, von der Kinderkrippe über die Kindertagesstätten bis hin zu den Horten Qualität eine Rolle spielen darf, sind wir der Meinung, dass es wichtiger ist - - Der Herr Präsident möchte vielleicht einmal die Zwiegespräche in der ersten Reihe unterbinden.

(Karl Freller (CSU): Das sind keine Zwiegespräche! Wir beraten den Sitzungsablauf!)

- Es stört und ich finde es nicht in Ordnung. Vielleicht gehen Sie raus oder setzen sich hin. Danke schön.

Grundsätzlich kann man sagen: Für uns geht Qualität vor Kostenfreiheit. Deswegen wollen wir jetzt noch nicht ein kostenfreies Kindergartenjahr einführen, weil wir wissen, dass der Krippenausbau noch längst nicht abgeschlossen ist - dort muss das Geld hinfließen und weil wir wissen, dass es in Bezug auf die Qualität bei der Besetzung und der Größe der Gruppen viel zu tun gibt. Wenn wir eine Kostenfreiheit wollen, dann soll diese im ersten Kindergartenjahr verwirklicht werden und nicht im letzten, denn wir glauben, damit noch mehr Kinder erreichen zu können, die gefördert werden sollen.

Wir sind sehr gespannt auf den Gesetzentwurf der Staatsregierung, der schon seit Langem angekündigt wird und immer noch nicht vorliegt. Ich habe gehört, dass er im Mai vorliegen soll.

(Tanja Schweiger (FREIE WÄHLER): Heute ist er gekommen!)

- Er war im Kabinett und aus dem Kabinett ist durchgesickert, dass er den Personalschlüssel immerhin auf 1 : 11 absenkt. Das ist nicht gerade der große Wurf, aber ein gewisser Fortschritt.

Die andere bahnbrechende Neuerung ist, dass die Gastkinderregelung abgeschafft wird. Dazu muss ich sagen: Dies basiert auf einer Gerichtsentscheidung und insofern hatten Sie ohnehin keine Wahl. Ich hoffe, dass noch einige andere Elemente enthalten sind, mit denen wir uns anfreunden können. Was ich bisher gehört habe, hat mich nicht gerade vom Hocker gerissen.

Unser Gesetzentwurf wird den Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft gerecht. Also kann ich Sie nur auffordern: Tun Sie etwas für frühkindliche Bildung und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Sauter möchte sich zur Geschäftsordnung melden.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle den Antrag auf Schluss der Debatte und auf Abstimmung über alle heute auf der Tagesordnung befindlichen Punkte ohne weitere Aussprache.

(Beifall bei der CSU)

Der Antrag ist gestellt und ich lasse darüber abstimmen. Ich erahne aber, wie die Abstimmung ausgeht.

Wer für den Antrag ist, bitte ich um das Handzeichen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Dieser Antrag ist nicht zulässig!)

Sie sehen doch das Ergebnis. Wir machen eine Gegenprobe.

(Lebhafte allgemeine Zurufe)

Da hier noch jede Menge Redner im Saal sind, habe ich fest damit gerechnet, dass Sie den Antrag ablehnen. Damit wäre ich dann gut über die Klippe gekommen. Im Moment fehlt mir der Herr Ludwig. Wir prüfen hier oben noch eine Runde und setzen diese Debatte noch fort. Das ist unüblich, Herr Kollege. Ich hätte ihn einfach abgelehnt, aber wenn Sie nicht mitspielen, dann müssen wir noch ein bisschen prüfen.

(Lebhafte allgemeine Zurufe)

Sicherlich gab es ein paar Leute, die zugestimmt haben.

Wir fahren in der Debatte fort. Ich gebe Frau Dettenhöfer das Wort und wir prüfen hier oben, ob der Antrag zulässig ist. Sie haben zehn Minuten, Frau Kollegin, und wir prüfen in aller Ruhe.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass ich noch das Wort zu einer kleinen Gegenrede auf das, was Frau Ackermann uns hier vorgestellt hat, erhalte. Eines muss ich schon sagen, Frau Ackermann: Der vorlegte Gesetzentwurf - das wissen Sie genau - enthält in weiten Teilen Dinge, die mit dem jetzigen BayKiBiG identisch sind. Bei den vorgeschlagenen Abweichungen kommt die Ideologie der GRÜNEN zum Vorschein. Wenn man das alles genau durchliest, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass der Staat im Vordergrund steht und Eigenverantwortung bzw. Selbstgestaltung der Eltern nachrangig sind. Ihre generelle Kritik am jetzigen Gesetz ist nicht gerechtfertigt, zumal Sie vieles davon in Ihren eigenen Entwurf übernommen und bereits gesagt haben, dass eine Überarbeitung mit dem Ziel erfolgt, dass das Gesetz noch in diesem Jahr novelliert wird.

Der Entwurf war bereits im Ministerrat, er kommt jetzt in die Verbändeanhörung und danach nochmals in den Ministerrat. Das Gesetz wird bis zum neuen Kindergartenjahr in Kraft treten. Die Anregungen aus Fachtagungen und Anhörungen der Träger und Institutionen werden in das neue Gesetz einfließen. Sie

haben die Gastkinderregelung angesprochen. Diese wird auf jeden Fall aufgegeben. Es wird eine Verbesserung im Anstellungsschlüssel geben, und die Landkindergartenregelung wird enthalten sein. Es wird natürlich auch die Inklusion weiterentwickelt, die im Übrigen schon jetzt stattfindet. Behinderte Kinder können auch jetzt schon in ganz normale Kindergärten gehen. Der Gewichtungsfaktor von 4,5 ermöglicht es schon jetzt, diese Kinder entsprechend zu fördern. Eine Stigmatisierung kann ich in gar keiner Weise erkennen. Trotzdem werden wir noch nachbessern und die Kommunen entsprechend begleiten, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine wohnortnahe Betreuung ermöglichen.

Ihre Kritik an den angeblich nicht vorhandenen Verfügungszeiten für Leitungspersonal ist unangebracht. Das Recht auf Verfügungszeiten ist bereits im jetzigen Gesetz vorhanden. Allerdings sollte es nach meiner Meinung bei der Novellierung für die Träger nachvollziehbar verdeutlicht werden.

Auch die Qualität der Bildung ist durch den bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan und durch die Fortbildung des Personals gewährleistet. Darüber hinaus wollen wir auch den Personalschlüssel verbessern. Allein 2012 stehen 1,2 Milliarden dafür zur Verfügung.

Sie wollen die völlige Kostenfreiheit für die Eltern einschließlich eines kostenfreien Mittagessens für Schulkinder. Sie wollen einen Personalschlüssel von 1 : 7,5 und bei den Krippen sogar von 1 : 3. Sie rechnen mit Mehrkosten von 200 Millionen pro Jahr in der ersten Stufe. Ich frage mich, wie Sie damit zurechtkommen wollen. Seriöse Berechnungen gehen von Mehrkosten von bis zu zwei Milliarden aus.

Sie wollen die Kostenfreiheit des Kindergartens für die Eltern, allerdings - Sie haben es zuvor erläutert - erst ab 2020. Wir beginnen bereits heuer mit der Unterstützung der Eltern bei den Kindergartenbeiträgen. Ab September 2012 sind es 50 Euro, ab September 2013 100 Euro. Wir wollen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Deshalb haben wir zusammen mit dem Bund den Kommunen finanzielle Mittel für den Krippenausbau zur Verfügung gestellt. Der Krippenausbau schreitet gut voran. Jeder kann in seinem Fach nachschauen: Von der Ministerin wurde uns dazu ein Blatt in die Fächer gelegt. Der Krippenausbau schreitet sehr gut voran. Wir werden unser Ziel 2013 erreichen. Hier gilt es auch einmal den Kommunen dafür Dank zu sagen, dass sie so gut mitmachen. Nürnberg und München kann ich dabei aber leider nicht loben. Es muss noch mehr getan werden.

Ihr Vorschlag, ein Recht auf Betreuung an Wochenenden und Feiertagen einzuführen, geht zu weit, liebe

Frau Ackermann. Wir sollten die Eigenverantwortung der Eltern nicht vergessen und auch das Organisationstalent der Eltern nicht anzweifeln.

Eines möchte ich grundsätzlich sagen: Einander zu helfen ist eigentlich der Kitt unserer Gesellschaft. Das verbindet und vermittelt Gemeinschaftsgefühl. Bei Ihrem Vorschlag soll alles der Staat an sich ziehen. Genauso wollen Sie den Kommunen das Heft aus der Hand nehmen. Die Kommunen haben den besten Überblick darüber, wo Bedarf besteht. Deshalb muss diese Aufgabe auch bei den Kommunen bleiben. Sie würden sie zu ausführenden Organen degradieren. Deshalb ist der Eingriff in die Zuständigkeiten abzulehnen.

Die vorgeschlagenen Änderungen bei der Personalausstattung und bei der Abrechnung würden nach meiner Meinung nach noch mehr Bürokratie schaffen. Eine Kombination aus Sockelförderung, Förderbudget und kindbezogener Förderung würde den Abrechnungsaufwand verdreifachen. Träger und Personal haben sich inzwischen gut in das System eingearbeitet. Deshalb sollten wir an diesem System festhalten und es allenfalls modifizieren, was auch geschieht. Wir sollten das System aber nicht auf den Kopf stellen und wieder etwas Neues einführen.

Die CSU-Fraktion lehnt den vorgelegten Gesetzentwurf aus den genannten Gründen ab. Wir wollen das bestehende Gesetz weiter entwickeln. Die Weichen dafür sind gestellt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir haben hier oben die Zeit genutzt und intensiv den Geschäftsordnungsantrag von eben analysiert. Wir sehen es so, dass er zwar grundsätzlich zulässig ist, dass davor aber erst die Rednerliste geschlossen sein muss und 50 Kollegen den Antrag unterstützen müssten. Nach den Sichtverhältnissen von hier oben haben ihn keine 50 Kollegen unterstützt. Deswegen fahren wir in der Debatte fort.

(Widerspruch bei der CSU und der FDP)

Die anderen Kollegen waren wohl draußen, wir haben nicht genügend Hände gesehen. Sie können gerne noch Unterschriften sammeln, wir fahren in der Debatte fort. Wir müssen ohnehin noch die Rednerliste abarbeiten, deswegen haben Sie noch eine gewisse Zeit, das zu erledigen. Herr Pfaffmann hat jetzt in der Debatte für die SPD das Wort.

Herr Präsident, wenn die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktion

keine Lust mehr haben, ihrer Arbeit nachzugehen, sollten sie ihr Mandat zurückgeben.

(Beifall bei der SPD)

Es ist doch geradezu bezeichnend, dass hier nicht mehr diskutiert werden soll. Sie haben einen Wählerauftrag, Kolleginnen und Kollegen, und den sollten Sie ernster nehmen. Das ist doch der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Ist ja gut! Wir brauchen keine Belehrung!)