Ihr eigener Parteitag hat beschlossen und in Ihren Parteiprogrammen kann man nachlesen, dass Sie eine längere gemeinsame Schulzeit umsetzen wollen. Sie votieren heute gegen eine längere gemeinsame Schulzeit - das haben Sie zum Ausdruck gebracht. Ist das nicht eine bewusste und klare Lüge gegenüber
Ist das nicht auch eine eindeutige Abstimmung gegen Ihr eigenes parteipolitisches Programm? Liebe Frau Kollegin Will, bedeutet das nicht in der Konsequenz, dass Sie in dieser Koalition schulpolitisch überhaupt nichts zu melden haben und lediglich aus machtpolitischen Gründen noch Schulpolitik betreiben?
Lieber Herr Pfaffmann, wir kennen uns schon aus dem Wahlkampf. Erstens. Wir sind in eine Koalition eingetreten. Jetzt gilt der Koalitionsvertrag.
Zweitens. Wir haben nie gesagt, dass wir für eine Gemeinschaftsschule der Jahrgangsstufen 1 bis 10 sind.
Wir haben damals gesagt: Wir sind für eine gemeinsame Schulzeit der Jahrgangsstufen 1 bis 6. Das ist ein Unterschied zu einer Gemeinschaftsschule. Das wäre eine Orientierungsstufe an der Grundschule gewesen.
Drittens. Lieber Herr Pfaffmann, wir haben in dieser Legislaturperiode dafür gesorgt, dass wir das bestehende Schulsystem dahingehend verändern, dass die Zahl der Wiederholer zurückgeht, was geschehen ist, und dass wesentlich mehr Schülerinnen und Schüler den Abschluss machen können, der zu ihnen passt. Es war nie die Rede davon, dass wir eine Strukturdebatte führen wollen.
Wir sind jetzt dabei, unsere Vorstellungen durch Kooperationsmodelle, durch Intensivierungsstunden und die sogenannte individuelle Förderung, die Sie immer anzweifeln, umzusetzen. Außerdem haben wir die Ganztagsschulen ausgebaut. Das ist die Wahrheit. In dieser Legislaturperiode wird sich daran nichts ändern, weil wir den Koalitionsvertrag in dieser Legislaturperiode nicht neu schreiben werden.
Als Nächster hat Herr Kollege Nöth das Wort. Anschließend wird Herr Staatsminister Dr. Spaenle sprechen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass wir mit diesem Gesetzentwurf, der von der SPD bereits im September 2010 eingereicht worden ist, heute zu einem Abschluss kommen. An uns lag es sicherlich nicht. Die Verzögerung hat die einbringende Fraktion zu verantworten. Vielleicht haben Sie noch Zeit gebraucht, um über diesen Vorschlag zu diskutieren. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass heute tatsächlich der Zeitpunkt ist, dieses Thema parlamentarisch abzuarbeiten.
Ich darf für meine Fraktion noch einmal feststellen, dass es Ziel unserer Politik ist, für jedes Kind die richtige Schule und nicht die gleiche Schule für alle Kinder in Bayern zu errichten. Wir lehnen den Gesetzentwurf schon deshalb ab, weil wir derzeit für eine weitere Schulart in Bayern absolut keinen Bedarf erkennen. Wir hören in die Bevölkerung hinein und haben erkannt, dass weder die Eltern noch die Lehrer und Schüler nach all den Anpassungen und Veränderungen der letzten Jahre eine Veränderung wünschen.
Momentan brauchen wir keine Strukturdebatte. Herr Kollege Felbinger, im Bildungswesen gibt es immer neue Wege. Dafür brauchen wir aber keine neuen Strukturen. Die Einführung neuer Wege ist überall möglich.
Wir lehnen den Gesetzentwurf auch deshalb ab, weil er eine durchschaubare Taktik verfolgt. Die Vorredner haben es bereits angesprochen, und auf dem SPDParteitag wurde die Katze aus dem Sack gelassen: Sie wollen mit der Einführung der Gemeinschaftsschule als alternative Schulart lediglich die Tür für die Umstellung des Bildungssystems in Bayern öffnen. Mit diesem Gesetzentwurf scheuen Sie allerdings die Auseinandersetzung mit den von einer möglichen
Umstellung Betroffenen. Was eine Umstellung des Systems auf eine Gemeinschaftsschule bedeuten würde, wurde bereits ausgeführt. Sie würden damit die Axt an das erfolgreiche bayerische Gymnasium und letztlich auch an die bayerische Realschule legen. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Wir setzen weiterhin auf das differenzierte System und nicht auf die Gemeinschaftsschule. Wir setzen auf den Ausbau der individuellen Förderung. Unsere Kinder sind verschieden. Ein gutes Schulsystem muss meines Erachtens den unterschiedlichen Neigungen, Begabungen und Talenten Rechnung tragen. Jedes Kind hat den gleichen Anspruch darauf, in seinen individuellen Fähigkeiten und Talenten gefördert zu werden.
Wir sind der Auffassung, dass dafür in den klar ausgeprägten Schulsystemen und vor allem in den Bildungsgängen ab der 5. Jahrgangsstufe dafür die besten Voraussetzungen bestehen. Unsere Kinder werden so am besten auf die unterschiedlichen beruflichen und studienbezogenen Anforderungen vorbereitet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der einschlägigste Beweis für die Stimmigkeit und die Weiterentwicklung unseres Systems ist das, was am Ende dabei herauskommt. Sehen Sie sich einmal die Jugendarbeitslosigkeit in Bayern an. Es ist ein Erfolg der bayerischen Bildungspolitik, dass in Bayern nur 3 % der Jugendlichen keine Arbeit haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie fordern in Ihrem Gesetzentwurf passgenaue individuelle Lernangebote oder Portfolios. Nach meiner Meinung ist dies kein Alleinstellungsmerkmal der Gemeinschaftsschule. Dies kann und wird bereits heute in allen bestehenden Schulformen umgesetzt. Herr Güll, schon deshalb bedarf es keiner veränderten Struktur und auch keiner weiteren Schulart. Das ist bereits im Rahmen des EUG und aller Schulordnungen in Bayern möglich.
Wir lehnen den Gesetzentwurf der SPD aber auch deshalb ab, weil wir mit der neuen Mittelschule und ihren Verbünden sowie mit den vielen Kooperationen, auf die Frau Kollegin Will eingegangen ist, schon heute den mittleren Schulabschluss überall wohnortnah ermöglichen. 20 % unserer Mittelschüler - mit steigender Tendenz - erreichen diesen Abschluss. Wir unterstützen selbstverständlich auch weiterhin die Kooperationen zwischen den Schularten nach dem Motto: Zusammenarbeit statt Zusammenlegung. Die
Abschlüsse, die die Gemeinschaftsschule vergeben soll, können bereits heute an der bayerischen Mittelschule erreicht werden.
Wir lehnen diesen Gesetzentwurf aber auch ab, weil er keinerlei Antwort auf die Kosten für die Einführung der Gemeinschaftsschule gibt. Wenn, wie in Ihrem System vorgeschlagen, an allen Schulstandorten der Gemeinschaftsschule nach gymnasialem Standard unterrichtet werden soll, dieses Angebot bereits bei einer Mindestschülerzahl von 150 Schülern eingeführt werden kann, jedem Schüler ein passgenaues Lernangebot gemacht wird, Kinder mit Behinderungen aufgenommen werden sollen, zusätzliche Angebote in Kursen und Fachmodulen gemacht werden sollen, Binnendifferenzierungen bei vielleicht 15 Schülern pro Jahrgangsstufe erfolgen sollen, die Gemeinschaftsschule auch als gebundene Ganztagsschule geführt werden soll und Lehrkräfte aus allen Schularten dort unterrichten sollen, dann kann doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Gemeinschaftsschule nicht kostenneutral geführt werden, wie Sie es uns in Ihrem Gesetzentwurf anbieten. In diesem Zusammenhang wäre wirklich auch danach zu fragen, wie all das, was ich jetzt aus Ihrem Gesetzentwurf vorgelesen habe, letztendlich vor Ort auch zu organisieren ist.
Meine Damen und Herren, ich will noch eines sagen. Es wird ja auch dargelegt, dass diese weitere Schulart eine Antwort auf die demografischen Entwicklungen in unserem Lande wäre. Ich halte genau das Gegenteil für richtig. Je mehr Schularten vorhanden sind, desto mehr verteilen sich die Schüler und desto mehr Schulstandorte sind letztendlich auch gefährdet.
Ich komme zum Abschluss, meine Damen und Herren. Das differenzierte bayerische Bildungssystem zeichnet sich durch enorme Leistungsfähigkeit, hohe Durchlässigkeit, große Bildungsgerechtigkeit und gute, stets wiederkehrende Chancen aus.
Ja. - Für die CSU, meine sehr geehrten Damen und Herren, zählt auf Dauer Verlässlichkeit und Kontinuität in der Schul- und Bildungspolitik; die Gemeinschaftsschule bietet für sich in der Praxis keinen Mehrwert. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Danke, Herr Nöth. - Von der Restredezeit in Höhe von zwei Minuten möchte gern die SPD, hier Herr Güll, noch Gebrauch machen. Bitte schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich höre fast mit Vergnügen, dass Sie sagen, derzeit gibt es noch keinen Bedarf dafür; also, es kann noch werden, und das können wir vielleicht auch erwarten.
Ich höre auch, dass Sie uns unterstellen, wir hätten eine durchschaubare Taktik. Ich kann das nur so interpretieren: Sie haben natürlich gewaltig Muffen, dass wir das tatsächlich auch umsetzen werden.
Und das werden wir auch tun, die Wähler werden es ermöglichen. Denn wenn Sie einmal Zeitungslektüre betreiben, dann sehen Sie gerade in den Leserbriefen, die in der letzten Zeit zum G 8 veröffentlicht wurden, eigentlich nichts als Unzufriedenheit. Also, Sie bleiben ja die Lösungen schuldig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, wissen Sie, wovon die Eltern und die Lehrer jetzt wirklich genug haben? Das sind Ihre Reformen, die Sie seit 2000 mit R 6, mit G 8 gemacht haben.