Protokoll der Sitzung vom 05.02.2014

Herr Seehofer hat sich zunächst vom fanatischen Atomkraftanhänger zum Windkraftfanatiker entwickelt. Heute ist er Bayerns oberster Windkraftgegner. Er war ursprünglich der größte Anhänger des beschleunigten Netzausbaus und hat dies überall propagiert, wo er es konnte. Heute sagt er, er sei erbitterter Widerständler.

(Unruhe bei der SPD)

Der Herr Ministerpräsident ist wieder da, bitte keine Aufregung! Er darf doch auch einmal kurz hinausgehen.

(Natascha Kohnen (SPD): Er war gerade draußen!)

Er ist da, Frau Kollegin!

Mit Blick auf den Netzausbau lässt sich feststellen: Die Energiewende hat die Notwendigkeit einer neuen Netzinfrastruktur bestätigt.

(Zurufe von der SPD)

Entschuldigung, der Herr Ministerpräsident ist da.

Ich fürchte, er hört so und so nicht zu, ob er drinnen oder draußen ist. In jedem Fall wird er das nicht verwirklichen, was seine Bayerische Staatsregierung versprochen hat. Ich hatte es gerade ausgeführt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Energiewende hat die Notwendigkeit einer neuen Netzinfrastruktur stark beschleunigt. Es geht um die Herausforderung, Strom künftig über weite Strecken zu transportieren, ohne Überlastungen entstehen zu lassen. Die CSU hat die Planungshoheit des Freistaates mit Blick auf die Stromtrassen an den Bund abgegeben und dabei bayerische regionale Interessen hintangestellt, um den Trassenausbau zu beschleunigen.

Herr Seehofer hat in den letzten zwei bis drei Jahren immer wieder propagiert, die Planungsverfahren müssten von zehn Jahren auf vier Jahre gekürzt werden; deshalb ist nun auf Bundesebene die Bundesnetzagentur für die Bundesfachplanung und Planfeststellung länderübergreifender oder grenzüberschreitender Höchstspannungsleitungen zuständig. Die CSU hat diese Planungshoheit an den Bund abgegeben. Deshalb, Herr Ministerpräsident: Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort wissen, wer Bayerns oberster Planungsbeschleuniger und Stromtrassenanhänger war und ist,

(Zuruf von der CSU: Herr Rinderspacher!)

nämlich der Ministerpräsident selbst. Der Ministerpräsident hat das initiiert. Er hat die Stromtrassen auf den Weg gebracht, und er ist für die neu zu bauenden Strommasten, wie sie im Moment diskutiert werden, verantwortlich. Das war die Politik der letzten drei Jahre.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn er nun heute behauptet, er habe von den Stromtrassen nichts gewusst und seine Bayerische Staatsregierung sei nicht informiert worden, frage ich mich, warum auf der Internetseite www.bayern.de unter "Pressemitteilungen" nach fast jeder vierten Kabinettssitzung eine Pressemitteilung veröffentlicht wurde, dass die CSU dringend diese Stromtrassen einfordert, und zwar in beschleunigten Planungsverfahren ohne weitere Bürgerbeteiligung.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Es ist ein Offenbarungseid und seines Amtes nicht würdig, dass sich der Ministerpräsident vor den Kommunal- sowie den Europawahlen in die Büsche schlagen möchte. Er sollte die Verantwortung für das übernehmen, was er selbst auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Tatsächlich hat die CSU alle Anträge und Initiativen der SPD bei den Stromtrassen, die Beeinträchtigungen der Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich zu halten, abgelehnt und abgeschmettert. Es gab erst im vergangenen Jahr einen SPD-Antrag im Deutschen Bundestag, klare Regelungen für die Abstände von Leitungen und ihren Nebenanlagen zu Wohngebieten vorzusehen. Die CSU hat diesen Antrag gemeinsam mit CDU und FDP abgelehnt. Eine Abstandsflächenregelung zu Stromtrassen und Strommasten gibt es deshalb nicht, weil die CSU im Deutschen Bundestag dies verhindert hat.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Wie passt es nun zusammen, dass bei Windkraftanlagen künftig ein Zwei-Kilometer-Radius gelten soll, bei Strommasten aber lediglich das Bundesimmissionsschutzgesetz Geltung hat und Strommasten gewissermaßen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Schulen und Kindergärten aufgestellt werden können? Das passt nicht zusammen. Ich finde, der Bayerische Ministerpräsident sollte der Bevölkerung einmal erklären, welche Folgen seine konkrete Politik für die Menschen vor Ort hat.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt: Wir waren im Deutschen Bundestag und auch im Bundesrat immer verwundert, dass die CSU Erdverkabelung stets abgelehnt hat. Die Erdverkabelung hatte die CSU in ihrem heutigen Dringlichkeitsantrag ja auch nicht vorgesehen, sie wurde erst im Nachtragsverfahren noch in den heutigen CSU-Antrag eingebaut. Tatsächlich hatte die CSU Erdverkabelung nie für wirklich notwendig gehalten. Wir als SPD sagen: Wo immer es aus Gründen des Schutzes der Anwohner oder des Umwelt- und Landschaftsschutzes nötig ist, müssen Leitungen unterirdisch verlegt werden.

(Beifall bei der SPD)

Heute sagt die CSU, die Staatsregierung müsse im Deutschen Bundesrat vorstellig werden und dafür Sorge tragen, dass Erdverkabelung möglich sein soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, darf ich Sie daran erinnern, dass das schon einmal im Bundesrat beantragt worden war, nämlich in der 910. Bundesratssitzung vom 7. Juni 2013? Der Freistaat Bayern war bei dieser Sitzung zugegen, und Herr Seehofer war nicht nur mittelbar, sondern unmittelbar vor Ort und an der Sitzung beteiligt. Die Länder Niedersachsen, Baden-Württemberg und Brandenburg hatten beantragt, dass die Teilerdverkabelung bei unvermeidbaren Siedlungsannäherungen möglich sein müsse. Eine entsprechende gesetzliche Regelung sollte angestrebt werden.

Wer hat dagegen gestimmt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU? - Die Bayerische Staatsregierung und Ihr Ministerpräsident waren gegen die Möglichkeit von Erdverkabelung in der Sitzung des Deutschen Bundesrates, und heute haben Sie keine Scham, Ihre Regierung aufzufordern – in jenem Bundesrat, in dem Herr Seehofer noch vor einem halben Jahr ablehnend reagiert hat –, Erdverkabelung notwendig zu machen? Das treibt Ihnen nicht die Schamesröte ins Gesicht, liebe Kolleginnen und Kollegen?!

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Herr Seehofer hat mit dem Austauschstopp der erneuerbaren Energien den fatalsten Fehler seiner Amtszeit begangen. Er hätte die Chance gehabt, als Ministerpräsident der Energiewende Epoche zu machen. Er hat die Chance vertan. Er hatte noch in den Jahren 2011 und 2012 so viele Unterstützer. Ja, sogar die Opposition hatte sich bemüßigt gesehen, das Konzept der Staatsregierung zu unterstützen. Nein, eine abermalige Kehrtwende hat es ihm verwehrt, als Ministerpräsident der Energiewende in die Geschichte einzugehen.

Zum Abschluss: Der Ministerpräsident sah sich bereits drei Monate nach seiner Regierungserklärung zum Amtsantritt genötigt, heute selbst das Wort zu ergreifen, weil er offensichtlich auch seiner Superministerin nicht zutraute, die Konzeptionslosigkeit der Regierungspolitik überzeugend zu vernebeln.

(Beifall bei der SPD)

Herr Seehofer befand sich vor seiner heutigen Plenarrede auf dem Zenit seiner Macht, und damit einhergehend, wie wir auch feststellen durften, auf dem Gipfel seiner Selbstherrlichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Er hat heute mit einer verworrenen und widersprüchlichen Erklärung die Planlosigkeit seiner Regierung of

fenbart und auch sein eigenes schleichendes politisches Ende eingeläutet;

(Zurufe von der CSU)

denn eines ist klar: Wenn man auf dem Gipfel ist, meine Damen und Herren, kommt danach der Abstieg, und der politische Abstieg von Herrn Seehofer – Sie werden daran mitwirken, Herr Pschierer, Sie an allererster Stelle, wie so viele in diesem Kreis – wird in den Jahren 2015/2016 zum Tragen kommen.

(Unruhe bei der CSU – Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es bedarf auch in den kommenden Wochen einer intensiven landespolitischen Auseinandersetzung; denn mit Handlungsunfähigkeit bei der Energiewende und Bildungsabbau an unseren Schulen riskiert die Staatsregierung künftige Wohlstandsverluste im Freistaat, und dagegen gehen wir in einer breiten Allianz der Vernünftigen an. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Zugabe!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Kollege Hartmann das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Ministerpräsident Horst Seehofer, ich weiß ja nicht, wie es zu werten ist, dass Sie ganz hinten Platz genommen haben. Man könnte durchaus denken, Sie haben nichts zu sagen – mir ging es bei Ihrer zwanzigminütigen Rede gerade so –, Sie haben gerade eine Rede gehalten, die Sie sich wirklich hätten sparen können. Sie haben eine Rede zur Energiepolitik gehalten. Das haben Sie vor zweieinhalb Jahren schon einmal getan. Von all dem, was Sie damals in diesem Hohen Hause gesagt haben, ist eigentlich so gut wie gar nichts mehr übrig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben uns damals erzählt, Sie wollen 1.500 Windkraftanlagen in Bayern bauen. Sie möchten Bayern energieautark machen. Bei Ihrem Ferienhaus im Altmühltal bekommen Sie es vielleicht noch hin; in Bayern werden Sie es so nicht schaffen. Sie wollten Pumpspeicherkraftwerke bauen, Stromnetze ausbauen, ja, und den Bayernplan haben Sie ganz groß angekündigt und wollten ihn vorlegen, aber dieser ist ebenfalls bis heute nicht da. Alles, was Sie damals gesagt haben, kann man sich schenken. Es wurde kaum etwas umgesetzt.

Ich frage mich schon: Vielleicht – Sie haben ja Ihre Modelleisenbahn im Keller – gibt es das alles in Ihrer Modellwelt. Vielleicht gibt es dort Windkraftanlagen, Pumpspeicherkraftwerke, neue Leitungen, was Sie alles bei Ihrer Modelleisenbahn in Bayern umgesetzt haben –, im richtigen Bayern gibt es das nicht. Sie brauchen sich überhaupt nicht wegzudrehen. Sie sind der Ministerpräsident dieses Landes und haben die Verantwortung dafür, dass die Energiewende in Bayern gelingt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie sind mit Ihrer Vorstellung von Politik, dass derjenige, der am lautesten oder am häufigsten schreit, Recht bekommt, vielleicht als Chefplaner Ihrer Modelleisenbahn erfolgreich. Aber die Gestaltung der Energiewende in diesem Land kann so nicht zum Erfolg führen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen aus der Regierungsfraktion. Sie alle sind sicherlich aktiv, sind immer wieder im Stimmkreis unterwegs, führen Gespräche mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, mit Energiegenossenschaften, die sich seit zwei Jahren in ganz Bayern gründen, mit neuen Stadtwerken, die daran arbeiten, die Herausforderungen der Energiewende zu meistern, und mit jungen Unternehmen, die sich in ganz Bayern ansiedeln und an Lösungen, an Konzepten für die Energiewende arbeiten. Was erzählen Sie denen jetzt eigentlich? Was sagen Sie eigentlich diesen Menschen vor Ort? - Sie wissen doch ganz genau, dass sie daran geglaubt haben, dass die Ansage, wir möchten in Bayern eine Energiewende, wirklich verlässlich und planbar ist. Aber davon ist nichts umgesetzt worden. Niemand in diesem Land glaubt Ihnen mehr, dass Sie die Energiewende wirklich wollen.

Ich meine, dass die CSU-Fraktion da durchaus weiter ist als der Ministerpräsident. Das will ich ganz offen sagen. Allein die Energiekommission – sie war nicht nur von Erfolg gekrönt – hat deutlich gezeigt, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen in der CSU-Fraktion durchaus ernste Gedanken darüber machen, wie man die Herausforderungen vor Ort dezentral und regional meistern kann. Aber das, was Ihr Ministerpräsident in den letzten Tagen abgeliefert hat – man kann auch die letzten 24 Stunden nehmen –, ist doch genau das Gegenteil von dem, was Sie die letzten zwei Jahre hier in diesem Hohen Haus vertreten haben.