Protokoll der Sitzung vom 29.03.2017

trolliert die Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. Das ist ein gravierender Unterschied. Es ist nicht so, wie manche meinen, dass im Parlamentarischen Kontrollgremium jeweils der Präsident oder Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz berichten, sondern es berichten Mitarbeiter – meistens sind es im Übrigen Mitarbeiterinnen – der zuständigen Abteilung I E des Innenministeriums, dem das Landesamt für Verfassungsschutz nachgeordnet ist. Die Befragung von Angehörigen des Landesamts für Verfassungsschutz kann erst nach Unterrichtung durch die Staatsregierung erfolgen und ist die absolute Ausnahme. Informationen über die Tätigkeit und Erkenntnisse des Landesamtes werden zunächst im Innenministerium aufbereitet, um keinen anderen Ausdruck zu verwenden, bevor sie das Kontrollgremium erreichen.

Hinzu kommt, dass die Beratungen des Kontrollgremiums von Gesetzes wegen stets geheim sind und dass die Mitglieder des Kontrollgremiums zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet sind, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind. Zwar hat das Parlamentarische Kontrollgremium dem Landtag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode Bericht über seine Kontrolltätigkeit zu erstatten. Hierbei hat es allerdings die Grundsätze des Artikels 9 des Gesetzes zu beachten. Diese Vorschrift regelt wiederum die Geheimhaltung, sodass im Bericht eigentlich nur mitgeteilt werden kann, wie oft sich das Gremium getroffen hat, viel mehr aber auch nicht.

Außerdem wird der jährlich vom Innenminister vorzulegende Verfassungsschutzbericht nicht etwa im Parlamentarischen Kontrollgremium in irgendeiner Weise vorberaten. Auch die Mitglieder des Kontrollgremiums haben bis zur jährlichen Pressekonferenz des Innenministers im Prinzip keine Ahnung davon, was im Verfassungsschutzbericht steht und was nicht, was wie gewichtet wird und warum es so gewichtet wird. An diesem Beispiel wird ganz besonders deutlich, dass wir von einer wirksamen Kontrolle des Landesamtes bzw. der Staatsregierung weit entfernt sind.

Meine Damen und Herren, wir wollen das, was auf Bundesebene bei der Kontrolle der Nachrichtendienste verbessert worden ist, auch in Bayern verbessern. Anlässlich der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes im letzten Jahr haben wir unter anderem beantragt, auch in Bayern die Position eines professionellen Verfassungsschutzbeauftragten zu schaffen. Dieser sollte als Zuarbeiter für das Parlamentarische Kontrollgremium fungieren. Bedauerlicherweise ist dieser Antrag abgelehnt worden. Auf Bundesebene ist der Antrag nicht abgelehnt worden. Dort wird der Bevollmächtigte sogar in die Besoldungsgruppe B 9 ein

gruppiert, was einer durchaus hochrangigen Position entspricht.

Meine Damen und Herren, im vorliegenden Gesetzentwurf geht es um etwas anderes, aber nicht unwichtiges. In Bayern soll ebenso wie auf Bundesebene die Möglichkeit geschaffen werden, dass das Parlamentarische Kontrollgremium einmal im Jahr eine öffentliche Anhörung des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz durchführen kann. Was auf Bundesebene als richtig angesehen wird, kann doch auch in Bayern nicht falsch sein.

(Beifall bei der SPD)

Mit einer öffentlichen Anhörung wird das Prinzip, wonach die Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz stets und ausnahmslos geheim zu erfolgen hat, nicht durchbrochen. Es geht lediglich um eine öffentliche Anhörung des Präsidenten und nicht um eine öffentliche Beratung irgendwelcher Angelegenheiten. Selbst wenn bei dieser Gelegenheit das eine oder andere nachrangige Staatsgeheimnis ein bisschen gelüftet werden würde, ginge davon die Welt nicht unter.

Im Kontrollausschuss des US-Repräsentantenhauses und im britischen Unterhaus wurden und werden die jeweiligen Präsidenten bzw. Direktoren der Nachrichtendienste regelmäßig öffentlich angehört, ohne dass die Sicherheitsinteressen dieser Weltmächte in Gefahr geraten. Im Übrigen werden die Präsidenten bzw. Direktoren der Nachrichtendienste gelegentlich nicht nur angehört, sondern durchaus gegrillt. Das schadet denen und der Sache nicht.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Das ist aber nicht unser vorrangiges Ziel. Das Ziel ist vielmehr, mehr Transparenz über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes herzustellen. Diese Behörde sollte im Übrigen korrekter als Inlandsgeheimdienst bezeichnet werden und nicht als Verfassungsschutzbehörde. Für den Schutz der Verfassung kann nicht in erster Linie eine im Geheimen arbeitende Behörde zuständig sein. Der Schutz der Verfassung ist die Angelegenheit der Bürgerinnen und Bürger und von uns und letztlich auch der Verfassungsgerichte.

(Beifall des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Da es sich nur um eine Kleinigkeit handelt, müsste es Ihnen doch leicht fallen, dem Vorschlag zuzustimmen, zumal Sie auf Bundesebene das Gleiche schon beschlossen haben. Ich bin gespannt, wie Sie die Ablehnung unseres Gesetzentwurfs begründen werden.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Ka- tharina Schulze (GRÜNE))

Vielen Dank. – Für die CSU-Fraktion: Herr Kollege Heike. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Ich will die Spannung des Kollegen Schindler nicht überstrapazieren. Ich möchte gleich sagen: Wir sind nicht Ihrer Ansicht, dass die Kontrolle durch das PKG nicht ausreichend wäre.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das ist jetzt keine Überraschung!)

Ich habe eher den Eindruck, dass bei der SPD und auch bei den GRÜNEN – dazu wird später sicherlich noch etwas kommen – die Meinung besteht: Sicherheitsbehörden sind grundsätzlich erst einmal verdächtig.

Kollege Schindler, wenn Sie sagen, dass in den USA die Direktoren "gegrillt" werden, dann spricht das dafür, dass Sie zunächst davon ausgehen, dass unseren Sicherheitsbehörden misstraut werden muss.

(Franz Schindler (SPD): Das schadet nicht! – Katharina Schulze (GRÜNE): Demokratische Kontrolle nennt sich das! – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Es sei denn, man hätte etwas zu verbergen!)

Zu den Sicherheitsbehörden gehören die Polizei und alle, die für unsere innere und äußere Sicherheit sorgen. Gott sei Dank verfügen wir über diese Sicherheitsbehörden. Gott sei Dank schützen sie die Menschen und geben uns Bürgern die notwendige Sicherheit.

(Beifall bei der CSU)

Im Gesetzentwurf heißt es, dass die Kontrolle nicht ausreichend gewährleistet sei.

Herr Kollege Schindler, Sie sind in diesem Gremium mein Stellvertreter. Wir arbeiten dort sehr gut zusammen. Ich habe noch nicht erlebt, dass Sie den Eindruck hatten, Sie müssten die Mitarbeiter aus dem Innenministerium grillen. Wir haben dort sehr sachlich und gut zusammengearbeitet. Das möchte ich gegenüber der Öffentlichkeit klarstellen.

Es ist nicht so, dass es keine Berichtspflichten gibt. Durch Ihren Vorschlag wird keine weitere Transparenz erreicht. Einmal jährlich wird berichtet. Alle vier Wochen legen die Verantwortlichen im PKG dar, was zurzeit anhängig ist.

Seien Sie mir nicht böse, aber eine Begründung für die Erforderlichkeit öffentlicher Anhörungen kann nicht davon abgeleitet werden, dass das ausgerechnet in Amerika und im britischen Unterhaus so gehandhabt wird, auch wenn dort die nachrichtendienstlichen Nachfragen gelungen sind. Sie vergessen aber etwas; was ich von Ihnen gar nicht gewöhnt bin. Sie haben vergessen, darauf hinzuweisen, dass es in den Ländern der Bundesrepublik keine einzige gesetzliche Institution gibt, die Sie heute wünschen. Wir haben eine engmaschige Kontrolle. Das Staatsministerium unterrichtet das PKG hinsichtlich des Verfassungsschutzes.

Es gibt insgesamt acht Punkte, die gegen Ihren Gesetzentwurf sprechen:

Erstens. Es wird über Vorgänge von besonderer Bedeutung berichtet. Auf Verlangen des PKG hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz Auskunft zu erteilen.

Zweitens. Es wird ebenfalls über die Arbeit von Telemediendienstleistern, Luftfahrtunternehmen, Computerreservierungssystemen und Ähnlichem berichtet.

Drittens. Es wird über die Maßnahmen nach dem G-10-Gesetz Bericht erstattet.

Viertens. Es wird über die Maßnahmen der Wohnraumüberwachung Bericht erstattet.

Fünftens. Es wird über den Zugriff auf informationstechnische Systeme berichtet.

Sechstens. Der Einsatz des IMSI-Catchers wird nachgewiesen und erläutert.

Siebtens. Der Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten wird vorgetragen.

Achtens. Auch über den Erlass von Dienstvorschriften über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wird berichtet.

Meine Damen und Herren, diese acht Punkte zeigen, dass eine Kontrolle vorhanden ist, die auch umfassend ist.

In Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf fehlt ein konkreter Vorschlag, wie noch mehr Transparenz geschaffen werden soll. Wir können keine Begründung finden.

Außerdem soll nicht vergessen werden, dass die Mitglieder des PKG Einsichtsrecht in die Akten, Dateien und Schriftstücke des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz haben. Es gibt auch das Zutrittsrechts zu den Dienststellen. Die Angehörigen des Ver

fassungsschutzes sowie deren Tätigkeit bearbeitende Mitglieder der Staatsregierung können ebenfalls befragt werden.

Vor diesem Hintergrund kann Folgendes gesagt werden: Zusätzlich zu der alle vier Wochen stattfindenden Sitzung des PKG ist fraktionsübergreifend bisher ausgesprochen gute und sachliche Arbeit geleistet worden. Ich habe nie erlebt, dass es dort sehr heftige Debatten gab. Eine Kollegin ist zwar immer sehr wissbegierig und fragt gerne nach. In den Sitzungen wird gefragt, und es wird darauf geantwortet. In Ihrem Vorschlag kann ich jedoch keinen Mehrwert für die Kontrolle erkennen. Die Ablehnung einer öffentlichen Anhörung eines Gremiums, das naturgemäß geheim arbeiten soll, ist eine Selbstverständlichkeit. Sie werden hoffentlich nicht von einem Kriminalbeamten verlangen, dass er Ihnen die Strategien zur Überführung eines Kriminellen vorher erklärt. Das würde nämlich zum Scheitern seiner Arbeit führen.

Transparenz? – Ja. Diese ist gewährleistet. Ein Auskunftsverlangen ist weiß Gott ausreichend möglich. Ich habe das gerade eben dargelegt. Der Gesetzentwurf ist somit nicht zur Verbesserung der Kontrolle geeignet. Er trägt auch nicht zur Schaffung von mehr Transparenz bei. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf zurückzuweisen bzw. abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Frau Kollegin Hiersemann hat eine Zwischenbemerkung. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Bitte beantworten Sie mir nach Ihren Ausführungen eine Frage: Ist es richtig, dass die CSU-Fraktion im Bundestag einer öffentlichen Anhörung der Präsidenten der Bundesnachrichtendienste im Kontrollgremium zugestimmt hat? – Dies steht im Widerspruch zur Ablehnung des Antrags der SPD.

Das habe ich eigentlich erklärt. Vielleicht haben Sie es überhört. In Deutschland gibt es kein Bundesland, das den Vorschlag des Bundestags umsetzt. Das brauchen wir auch nicht. Wir sind auch sonst nicht darauf aus, alles das zu machen, was andere Bundesländer tun.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat jetzt Prof. Dr. Bauer das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute befinden wir uns in der Ersten Lesung zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Änderung des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes. Mit dem Gesetzentwurf soll ein Artikel geändert werden, wonach das Parlamentarische Kontrollgremium künftig entsprechend der Regelung auf Bundesebene einmal jährlich eine öffentliche Anhörung der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz durchführt. Herr Kollege Schindler hat bereits auf das Ziel der besseren Kontrolle der Tätigkeit des Landesamtes hingewiesen. Außerdem soll mehr Transparenz geschaffen werden. Diese Ziele sind zwar ehrenwert, sie sind jedoch in Verbindung mit dem Beschluss des Bundestages vom 07.12.2016 zu sehen. Nach Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes sind die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums geheim. Den Spagat zwischen Geheimhaltung und einer öffentlichen Tagung müssen wir erst einmal hinbekommen. Darum geht es eigentlich. Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind auch nach ihrem Ausscheiden verpflichtet, die Geheimnisse weiter zu wahren. Selbstverständlich hat die Öffentlichkeit in einer parlamentarischen Demokratie ein Recht auf Transparenz und Befragung. Wie sollen wir das hinbekommen?

Sie haben richtig erwähnt, dass es auf internationaler Ebene üblich ist, die Präsidenten "zu grillen". Ich würde das Wort "befragen" wählen. Ich will jedoch in Frage stellen, ob wir dies auch im Bayerischen Landtag praktizieren wollen. Wir müssen uns darüber klar sein, dass wir uns auf einem sehr schmalen Grat bewegen, wenn geheime Sachverhalte in die Öffentlichkeit gebracht werden. Die Möglichkeit einer ungeschickten Äußerung ist immer gegeben. Es ist bedauerlich, dass niemand aus dem zuständigen Ministerium da ist.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Er will nicht gegrillt werden! – Unruhe)

Der Herr Staatssekretär ist da – keine Irritationen.