Finden Sie das, Herr Heike? Ich bin mir nicht so sicher. In dem Gesetzentwurf steht, dass es pauschal möglich sein soll.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Das Bundeskabinett hat am 22. März 2017 den Gesetzentwurf zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen beschlossen. Da
nach sollen erstmals auch strafgerichtliche Verurteilungen bundesrepublikanischer Gerichte, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen mit Personen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr ergangen sind, pauschal durch Gesetz aufgehoben werden.
Kolleginnen und Kollegen, die gesellschaftliche Auffassung hat sich im Hinblick auf Homosexuelle grundlegend gewandelt und weiterentwickelt. Niemand unter uns wird dies hier und heute ernsthaft bezweifeln. Das ist auch richtig so. Die alten Strafvorschriften, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellten, wurden abgeschafft. Die entsprechenden Verurteilungen haben jedoch nach wie vor Bestand. Die Verurteilten müssen noch heute mit dem Strafmakel leben, der mit der Verurteilung allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verbunden ist. Das widerspricht aus heutiger Sicht – das sage ich mit aller Deutlichkeit – dem freiheitlichen Menschenbild unseres Grundgesetzes.
Die Menschen haben schweres Leid erfahren und zum Teil schlimme Brüche in ihren Biographien hinnehmen müssen. Ich bin deshalb der Auffassung, dass es wichtig und richtig ist, dieses Thema zu erörtern.
Wir reden heute – das haben der Kollege Heike und auch der Kollege Streibl deutlich gemacht – nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wie. Gesetzliche Regelungen für eine Rehabilitierung müssen vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsprinzips und des Rechtsstaatsprinzips, gut durchdacht werden. Das muss richtig gemacht werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass wir den Betroffenen Steine statt Brot geben.
Leider ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung an diesen Maßstäben gemessen nicht in allen Punkten zufriedenstellend. Die Reichweite und das Verfahren der Rehabilitierung müssen rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Wir müssen bedenken, dass mit diesem Gesetzentwurf erstmals Urteile bundesrepublikanischer Gerichte aufgehoben werden sollen, die in rechtsstaatlichen Verfahren und unter Geltung des Grundgesetzes zustande gekommen sind. Wir betreten damit verfassungspolitisch Neuland. Wir müssen sehr vorsichtig sein, dass kein Präzedenzfall geschaffen wird, der künftig als Einfallstor für nicht gerechtfertigte Rehabilitierungsforderungen dienen kann, wenn andere Straftatbestände infolge gewandelter gesellschaftlicher Auffassungen abgeschafft werden. Wer leichtfertig über solche Probleme hinwegsieht, erweist
Erstens. Erfasst der Gesetzentwurf der Bundesregierung entgegen seiner Intention und jenseits der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrenze Fälle, die auch nach den heutigen Maßstäben zum Schutz von Minderjährigen strafwürdig und strafbar sind? – Dies muss sorgfältig geprüft werden.
Zweitens. Ist es mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz in Einklang zu bringen, dass mittels Feststellung der Urteilsaufhebung de facto die Staatsanwaltschaften anstelle von unabhängigen Gerichten über die Reichweite der Urteilsaufhebungen entscheiden?
Kolleginnen und Kollegen, Fragen zum Wie einer solchen Regelung bedürfen einer gründlichen fachlichen Prüfung, bevor wir einen Blankoscheck ausstellen. Aus diesem Grund bitte ich Sie um Ablehnung des Dringlichkeitsantrags der Fraktion BÜNDNDIS 90/ DIE GRÜNEN und um Zustimmung zum Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion.
Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen, und wir kommen jetzt zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.
Ich lasse zunächst in einfacher Form über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/16154 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion – abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen! – Das sind die SPD-Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Frau Stamm (fraktionslos). Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.
Nun rufe ich den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/16137 zur namentlichen Abstimmung auf. Das ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Ich eröffne die Abstimmung. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Die Zeit ist um. Ich schließe die Abstimmung und bitte, die Stimmen außerhalb des Saales auszuzählen.
Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, gebe ich noch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Hanisch und anderer und Fraktion (FREIE WÄHLER) betreffend "Machtmissbrauch stoppen! Keine Rückkehr zu d’Hondt!" auf Drucksache 17/16136 bekannt: Mit Ja haben 66 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 81 Abgeordnete gestimmt, Stimmenthaltungen gab es eine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Ich gebe nun das Ergebnis der vorher durchgeführten namentlichen Abstimmung zum nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Scheuenstuhl, Dr. Wengert und anderer und Fraktion (SPD) betreffend "Den Wählerwillen ernst nehmen – Keine Beliebigkeit im Wahlrecht!", Drucksache 17/16153, bekannt: Mit Ja haben 66 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 78 Abgeordnete gestimmt, Stimmenthaltungen gab es eine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Petra Guttenberger u. a. und Fraktion (CSU) Für eine effektive Strafverfolgung mit Augenmaß genetischen und daktyloskopischen Fingerabdruck gleichstellen! (Drs. 17/16138)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Maßvolle Speicherung genetischer Daten Geltendes Recht konsequent anwenden! (Drs. 17/16155)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist ein sicheres Bundesland. Die Polizei genießt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Außerdem ist die Aufklärungsquote von Straftaten sehr hoch. Wir dürfen dennoch nicht übersehen, dass die Sicherheitsarchitektur weltweit, die Sicherheitssituation in Bayern und damit das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger vor neuen und großen Herausforderungen stehen. Die neuen Herausforderungen liegen heutzutage im Terrorismus, Extremismus und
Aus unserer Sicht verlangt es die Achtung vor dem Leid der Opfer, die Möglichkeiten der Strafverfolgung im verfassungsrechtlichen Rahmen auszuschöpfen. Bislang kann der daktyloskopische Fingerabdruck, also der klassische Fingerabdruck, bei jeder Straftat genommen werden. Nach derzeitiger Rechtslage kann laut § 81g StPO ein genetischer Fingerabdruck nur dann erhoben werden, wenn der Verdacht auf Begehen eines Deliktes von erheblicher Bedeutung oder eines Deliktes gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorliegt und die Prognose besteht, dass der Täter auch künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Ein genetischer Fingerabdruck kann also nur dann erhoben werden, wenn man davon ausgehen muss, dass der Täter auch künftig schwere Straftaten begehen wird.
Der Doppelmord von Königsdorf zeigt deutlich, dass mit dem genetischen Fingerabdruck eine schnelle und effektive Strafverfolgung der Täter möglich wird. Jetzt kann europaweit nach diesen Tätern gefahndet werden. Deshalb wollen wir den klassischen und den genetischen Fingerabdruck rechtlich gleichstellen. Damit könnten Straftäter besser ermittelt werden. Wir, die CSU, nehmen das Leid der Opfer in den Fokus. Die bundesweite DNA-Datenbank soll gestärkt werden. Wir wollen nicht warten, bis schwere Straftaten geschehen. Wir wollen, dass genetische Fingerabdrücke gespeichert werden. Damit kann die Aufklärung von Straftaten wesentlich verbessert werden. Wer schon einmal mit Opfern von Wohnungseinbrüchen zu tun hatte, der weiß, mit welchem Gefühl von Unsicherheit und mit welchem Leid die Opfer zu kämpfen haben; vor allem dann, wenn der Wohnungseinbruch in Anwesenheit der Opfer stattgefunden hat. Mit der Speicherung von Fingerabdrücken in der bundesweiten DNA-Datenbank würden mehr Muster zur Verfügung stehen, um die Wahrscheinlichkeit eines Treffers zu erhöhen.
Völlig fehl geht deshalb das Bemühen der sogenannten "datenschützerischen Bedenken". Das gilt auch für den Antrag der FREIEN WÄHLER. Bereits heute dürfen nur das DNA-Identifizierungsmuster und das Geschlecht gespeichert werden. Individuelle Daten sollen nicht gespeichert werden. Kommentare über eine sogenannte Rassendatenbank sind völlig aus der Luft gegriffen. Es geht nur darum, abzugleichen, ob DNA-Muster übereinstimmen. Es geht um einen Hit-/No-hit-Mechanismus, um nichts anderes. In diesem Zusammenhang wollen wir den klassischen Fingerabdruck mit dem Identifizierungsmuster über einen Zahlencode und den genetischen Fingerabdruck, bei dem nur der allgemeine Identifizierungscode und das
Geschlecht gespeichert werden, gleichstellen. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich die Bundesratsinitiative der Bayerischen Staatsregierung. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass die besten Möglichkeiten der Aufklärung ausgeschöpft werden. Angesichts der vielen und großen Herausforderungen sollte ein sicheres Leben in Bayern weiterhin möglich sein.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Vorrednerin, der Bürger muss sich aber auch darauf verlassen können, dass mit seinen intimsten Daten kein Schindluder getrieben wird. Dem öffnen Sie Tür und Tor.
Dieser Dringlichkeitsantrag ist schon in seiner Sprachwahl problematisch. Dort werden die Begriffe "daktyloskopischer Fingerabdruck" – wohl dem, der Griechisch gelernt hat – und "genetischer Fingerabdruck" genannt. Beim Begriff "genetischer Fingerabdruck" handelt es sich um eine falsche und dazu noch um eine euphemistische Metapher. Eine Metapher muss ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit aufweisen, wie das Wort "Flussbett". Zwischen dem genetischen Fingerabdruck und dem Finger besteht eigentlich kein direkter Zusammenhang. Deshalb ist die Metapher falsch. Außerdem ist sie euphemistisch. Das bedeutet, sie verniedlicht, beschönigt und stellt das Problem auf eine Stufe, die nicht angemessen ist. Wir reden doch von einer sehr großen Maßnahme.
Der genetische Fingerabdruck umfasst Daten, die wir über Speichel, Sperma und Hautschuppen ermitteln können. Auf diese Weise kann das vollständige Erbgut eines Menschen dargestellt werden. Der genetische Fingerabdruck oder die DNA eines Menschen lässt sich sowohl mit dessen Wissen als auch ohne dessen Wissen ermitteln. Das ist schon der erste große Unterschied. Für die Ermittlung des klassischen Fingerabdrucks ist es erforderlich, dass dafür bewusst der Finger zur Verfügung gestellt wird. Meinen genetischen Fingerabdruck könnte heute jeder feststellen, weil ich bereits viel angefasst habe.
Der genetische Fingerabdruck wird verniedlicht. Der Fall Peggy hat eine Mordsaufregung ausgelöst. Die falschen DNA-Spuren sind sogar dem NSU zugeordnet worden. Das war ein wahnsinniger Fehler. Die
Taten hatten überhaupt nichts miteinander zu tun. Aufgrund eines falschen Wattestäbchens ist bei den NSU-Morden in die falsche Richtung ermittelt worden. Es hat falsche Schlussfolgerungen gegeben. Es handelt sich um eine Technik, die dem Ganzen noch nicht gewachsen ist. Im Übrigen erzeugen auch normale Fingerabdrücke extreme Fehlerquoten. Dies hat ein Fall in Amerika gezeigt. Man sollte die Kirche im Dorf lassen und zunächst seine Hausaufgaben machen. Erst letzte Woche ging durch die Presse, dass ein Drittel der Fingerabdrücke der bei uns ankommenden Asylsuchenden nicht korrekt erfasst wird, weil die Aufnahme wackelt oder die Tinte nicht ausreicht. Man kann schon mit der altmodischen Technik des daktyloskopischen Fingerabdrucks nicht richtig umgehen. Sie meinen jedoch, mit einem so umfassenden Werkzeug wie der DNA richtig umgehen zu können.
Ich möchte nicht, dass bei dieser Debatte ein falscher Zungenschlag entsteht. Selbstverständlich unterstützen die FREIEN WÄHLER Instrumente, die eine effiziente und erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Polizei fördern und verbessern. Uns ist bewusst, dass die Bekämpfung des Terrorismus, des Extremismus und der aktuell hohen Einbruchskriminalität auch durch den genetischen Fingerabdruck erfolgen muss. Das ist aber bereits der Fall. Das haben Sie selber gesagt.
Wir haben uns übrigens in der Begründung unseres Dringlichkeitsantrags falsch ausgedrückt: Inzwischen dürfen nicht bei 41, sondern bei über 50 Straftatbeständen DNA-Daten gespeichert werden, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt. Ich habe die Liste vorliegen. Sie können sich die Liste gerne bei mir abholen. Ich schicke Sie Ihnen auch zu. Die verschiedenen Straftatbestände umfassen unter anderem Friedensverrat, Hochverrat, Landesverrat, Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, Geldfälschung, schweren sexuellen Missbrauch, Meineid, Mord, Menschenraub, Raub, schweren Raub, Bandenhehlerei, Brandstiftung, Missbrauch ionisierender Strahlen und Eingriffe in den Luftverkehr. Diese Tabelle ist extrem. Mit einem richterlichen Beschluss können wir jetzt schon eingreifen. Sie machen sich es schon sehr leicht. Man könnte fast meinen, dass Sie eine Sparmaßnahme für die Justiz vorschlagen, wenn Sie die Vorlage richterlicher Beschlüsse nicht immer für erforderlich halten. Damit sind wir nicht einverstanden.
Ihr Einwand, nicht alles werde gespeichert, ist richtig. Aber selbst bei der Speicherung des Kurzcodes müssen zuerst Daten erhoben werden. Ich will nicht, dass
meine gentechnischen Daten erhoben werden. Ich werde mich so verhalten, dass dies nicht der Fall sein wird. Ich möchte das nicht. Ich möchte noch nicht einmal selber wissen, was meine DNA hergäbe. Ich möchte nichts über meine ethnischen Belastungen und Krankheitsbelastungen wissen.