Protokoll der Sitzung vom 10.05.2017

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Die Frau Kollegin Brendel-Fischer hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Zacharias, ich frage Sie: Welches Bild haben Sie eigentlich von den Führenden an unseren Universitäten, sprich von den Präsidentinnen und Präsidenten und von den Hochschulleitungen im Hinblick auf Demokratieverständnis und im Hinblick auf die Möglichkeit, den Studierenden auch die Chance der Partizipation bei Entscheidungen zu geben? Alle Universitäten und Hochschulen stehen doch heute in einem Wettbewerb. Welche Hochschulleitung erlaubt es sich denn, undemokratische Optionen zu eröffnen, auch im Hinblick auf die Studierendenschaft, wozu wir heute einen anderen Tagesordnungspunkt hatten? Welches Bild schwebt da in Ihrem Kopf? Wir haben ein anderes.

Danke schön, Frau Kollegin. – Frau Kollegin Zacharias, Sie haben das Wort.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Ach, Frau Kollegin; Sie haben gar kein Bild. Sie haben überhaupt keine Ahnung, wovon Sie gerade gesprochen haben.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf Ihnen sagen: Ich bin gerade in das Kuratorium der Universität Bayreuth berufen worden. Darin sitzen großartige Leute. Das ist eine große Ehre. Ich habe höchste Achtung vor der Leistung der Präsidentinnen und Präsidenten und aller in den bayerischen Hochschulleitungen und Universitätsleitungen. Es fehlt aber noch etwas, nämlich die größte Gruppierung, die der Studierenden. Frau Brendel-Fischer, ich frage zurück: Welches Bild haben Sie – wenn Sie eines haben; vielleicht haben Sie auch nur ein Foto –, welche Idee haben Sie davon, was junge Menschen können? Sie unterstellen den jungen Menschen nämlich, dass sie nichts können. Für mich ist das das Erbärmlichste. Das finde ich traurig.

(Beifall bei der SPD – Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Schwach, sehr schwach!)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Kollege Westphal von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits bei der Ersten Lesung bzw. auch bei der Diskussion im Ausschuss bleibt es dabei, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Ich möchte noch einmal die Gründe dafür anführen, dass wir bei dieser Haltung bleiben.

Erstens. Ich habe heute schon einmal in einem anderen Zusammenhang gesagt, dass wir bereits bislang umfangreiche Mitwirkungsmöglichkeiten für unsere Studierenden an unseren Hochschulen haben. Die verfassungsrechtliche Grundlage in Artikel 138 Absatz 2 Satz 2 unserer Verfassung wird durch Regelungen im Hochschulgesetz umgesetzt, wonach die Studierenden in den gewählten Gremien der Hochschule mitwirken können – im Senat und im Hochschulrat bzw. in eigenen Studierendengremien wie etwa dem Studentischen Konvent. Dort können die Studierenden sehr wohl ihre Sicht der Dinge in die Diskussion einbringen. Bereits deswegen ist dieser Gesetzentwurf nicht notwendig.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Hochschulleitung für eine langfristige, perspektivische Steuerung der Hochschule und für eine zukunftsorientierte Entwicklung derselben verantwortlich ist. Dazu bedarf es eines umfassenden Überblicks über den Fortgang und die Fortentwicklung der Hochschule in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Dafür ist eine personelle Kontinuität ganz besonders wichtig.

Zweitens. Die Arbeit in der Hochschulleitung – auch darauf haben wir immer wieder hingewiesen – bringt auch eine umfangreiche zeitliche Belastung mit sich, sei es die eigentliche Leitungsfunktion, sei es die Arbeit in übergeordneten Gremien bis hin zu repräsentativen Aufgaben. Diese zeitliche Belastung ist zweifelsohne ein Nachteil im Studium, und zwar unabhängig davon, ob die Arbeit – in Anführungszeichen – "nebenher" erledigt wird oder in einer Phase der Freistellung.

Drittens. Es ist auch durchaus problematisch, wenn man sich vor Augen hält, dass Studierendenvertreter nicht in einem Dienstverhältnis zum Freistaat Bayern stehen würden, sondern letztendlich Interessenvertreter sind. Damit erscheint es auch problematisch, ihnen Mitverantwortung für staatliche Mittel anzuvertrauen.

Viertens. Die jetzige Regelung bietet ein großes, ein hohes Maß an Flexibilität für die Hochschulen. Wir haben die Abweichungsverordnungen gemäß Artikel 106 Absatz 2 des Hochschulgesetzes, wodurch, angepasst an die jeweilige Struktur der Hochschule und unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten, Lösungen gefunden werden können und eben keine einheitlichen Strukturen übergestülpt werden müssen. Artikel 24 des Bayerischen Hochschulgesetzes gibt auch die Möglichkeit, Studierende in die Erweiterte Hochschulleitung aufzunehmen. Schließlich sollte man auch berücksichtigen, dass größere Gremien nicht immer effektiver arbeiten, sondern dass häufig das Gegenteil der Fall ist.

Abschließend noch ein Hinweis, weil auch die Situation in den anderen Bundesländern angesprochen worden ist: Sachsen, Niedersachsen, MecklenburgVorpommern und Nordrhein-Westfalen haben in ihre Hochschulgesetze entsprechende Regelungen aufgenommen. Wie viele Hochschulen haben in diesen Bundesländern solche Regelungen umgesetzt? – Keine. Auch das zeigt, wie groß in diesem Bereich der Bedarf für derartige Regelungen ist.

Ich fasse abschließend zusammen: Der Gesetzentwurf ist abzulehnen. Er ist nicht zielführend und nicht notwendig. Wir haben bereits bislang umfangreiche Mitwirkungsmöglichkeiten. Wir haben Strukturen, die sich bewährt haben. Es besteht schlicht und einfach kein Bedarf für eine derartige Regelung.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Westphal. – Nächste Wortmeldung: Kollege Prof. Piazolo. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, heute ist kein guter Tag für die Studierenden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Isabell Za- charias (SPD): Das kann man sagen!)

Zuerst ist versucht worden, die Verfasste Studierendenschaft zumindest in die Diskussion zu bringen. Ich glaube, es ging gar nicht darum, einen Gesetzentwurf exakt, also eins zu eins umzusetzen. Den GRÜNEN wäre das natürlich lieb. Uns wäre lieb, überhaupt zu diskutieren, wie man die Rechte der Studierenden insgesamt stärken kann.

Jetzt geht es eigentlich um einen relativ kleinen Aspekt: Es geht um die Möglichkeit, Studierende, so es eine Hochschule will, in die Hochschulleitung in der Form einzubinden, die die Hochschule für sich selbst

am besten findet. Es geht also nicht darum, etwas vorzuschreiben, sondern es geht darum, eine Möglichkeit aufzuzeigen.

Ich will – Frau Brendel-Fischer, Sie hatten das vorher auch angesprochen – den Punkt ansprechen, welches Bild man von Hochschulen hat. Ich will auch auf etwas eingehen, das wir im Hochschulausschuss immer erleben. Gerade die Kollegen von der CSU verweisen sehr häufig auf die Hochschulautonomie. Gerade in diesem Punkt, Frau Kollegin, wenn es also um die Rechte der Studierenden geht, wollen Sie aber der Hochschulleitung keine Autonomie einräumen oder ihr nicht zumindest die Möglichkeit geben, den Studierenden mehr Rechte zu geben.

Ich persönlich sage auch: Ich weiß nicht, ob es im Einzelnen immer zu einer Verbesserung führt, ob es immer perfekt ist, wenn die Studierenden in der Hochschulleitung mehr mitzureden haben. Man muss es aber ausprobieren. Man soll einfach einmal die Möglichkeit dazu geben. Mehr als scheitern kann man nicht. Ich glaube auch, dass Studierende in bestimmten studentischen Angelegenheiten näher am Thema sind.

Natürlich ist es so, lieber Kollege Westphal, dass ein Studium wahrscheinlich sogar unterbrochen werden müsste, weil die Aufgaben so intensiv und herausfordernd sind, dass Studierende sie nicht nebenbei machen können.

Hier geht es nur darum, Möglichkeiten einzuräumen. Dazu sagen wir FREIE WÄHLER: Das unterstützen wir. Wir wollen einfach den Universitäten sagen können: Wenn ihr es für richtig haltet, dann probiert es doch aus. Wenn es nicht läuft, kann man es nach zwei, drei Jahren auch wieder beenden. Ich glaube, ein großer Schaden würde dadurch nicht entstehen. Insofern ist die Intention richtig.

Ich will der CSU-Fraktion und der Staatsregierung noch die Anregung mit auf den Weg geben, wenn, was anscheinend auch der Fall sein wird, heute beide Gesetzentwürfe abgelehnt werden, sich doch selbst die Frage zu stellen, wie man Studierenden im Bereich der Hochschulen mehr Rechte geben kann, wie man sie mehr einbinden kann, wie man sie demokratisch besser beteiligen kann; denn ich kann mir auch vorstellen, dass selbst die CSU-Fraktion und die Staatsregierung der Meinung sind, dass in Zukunft auch an den Hochschulen die Studierenden mehr Rechte haben und mehr bestimmen können sollten, als das bisher der Fall ist. Es ist kein Ausweis eines großen oder weit entwickelten Demokratieverständnisses, wenn Bayern das Bundesland in Deutschland ist, in dem die Studierenden die wenigsten Rechte

haben und in dem die Regierenden den Studierenden in diesem Bereich anscheinend am wenigsten zutrauen.

Insofern wollen wir – da sind wir als FREIE WÄHLER gerne dabei – die Diskussion über demokratische Mitbestimmung an den bayerischen Hochschulen, eine wichtige Diskussion, noch einmal eröffnen. Ich freue mich auf die Gespräche in den nächsten Wochen und Monaten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke sehr, Kollege Piazolo. – Frau Kollegin Osgyan vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorhin wurde schon einmal gesagt: Heute hätte eigentlich ein guter Tag für die Demokratie an bayerischen Hochschulen sein können. Ich glaube, wir müssen noch etwas darauf warten, dass dieser gute, dass dieser vorausschauende Tag wirklich kommt. Ich muss sagen: Ich bin schon etwas enttäuscht, dass wir jetzt das zweite Mal über mangelnde Demokratie an bayerischen Hochschulen sprechen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass Erwachsene, dass Studierende ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen dürfen, ist eigentlich klar. Das ist ein Kernanliegen der Demokratie. Deswegen brauchen wir eine Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft. Ich bin doch etwas über die Argumente oder Nichtargumente enttäuscht, mit denen das heute vom Tisch gewischt wurde.

Nichtsdestoweniger brauchen wir auch in den hochschulinternen Gremien mehr Mitbestimmung in der akademischen Selbstverwaltung. Wir wissen, dass das die zweite Säule der Mitbestimmung und die zweite Säule der Demokratisierung der Hochschulen ist. Deswegen begrüße ich den Gesetzentwurf der SPD ganz ausdrücklich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In den letzten Jahren sehen wir eine zunehmende Entwicklung hin zur unternehmerischen Hochschule. Das möchte ich an dieser Stelle überhaupt nicht bewerten. Im Zuge dessen wurde den Hochschulleitungen aber im Sinne des Wissenschaftsmanagements immer mehr Macht übertragen. Das macht auch Sinn. Darüber thront nur noch der Hochschulrat als Aufsichtsrat. Wir haben von der Seite der CSU immer wieder gehört, es gäbe doch bereits genug Mitbestim

mung für die Studierenden. Ich kann es mir nur mit mangelndem Wissen oder mit Absicht erklären: Hier wird völlig außer Acht gelassen, dass die Studierenden gerade in denjenigen Gremien, die in den letzten Jahren größere Machtfülle bekommen haben, entweder gar nicht oder nur sehr unterrepräsentiert vertreten sind. In den Hochschulleitungen sind die Studierenden gar nicht und in den Hochschulräten nur mit ein bis zwei Sitzen vertreten. Das kann bei diesen relativ großen Gremien doch nicht sein. Wenn man das Zahlenverhältnis betrachtet, sieht man: Es handelt es sich hierbei um eine schleichende Entdemokratisierung der bayerischen Hochschulen.

Herr Kollege Westphal, Sie haben jetzt schon zweimal gesagt, die Verfassung gebe lediglich vor, dass Studierenden eine Beteiligung nur dann zusteht, wenn es um ihre eigenen Angelegenheiten geht. Ich frage mich: Welche Fallgruppen können es denn sein, die einerseits die Hochschulleitungen betreffen und andererseits keine studentischen Angelegenheiten sind? Mir fallen da, ehrlich gesagt, nicht viele ein. Vielleicht können Sie mich in dieser Angelegenheit aufklären.

Aufgaben der Hochschulleitung sind die Verteilung von Mitteln, sind die Aushandlung von Zielvereinbarungen, betreffen die Hausordnung und die Evaluation oder Qualitätssicherung von Studiengängen. All diese Aufgaben betreffen die Studierenden ganz direkt. Ich denke, dass die Studierenden hier wirklich an den Leitungsentscheidungen beteiligt sein könnten. Wenn man also die Bayerische Verfassung zitiert, sollte man deutlich mehr Genauigkeit an den Tag legen.

Ich verstehe auch nicht, warum den Studierenden nicht zugetraut wird, die langfristige Entwicklungsperspektive der Hochschulen im Blick zu haben. Vielleicht haben die Studierenden nicht so viel Erfahrung. Vielleicht sitzen sie noch nicht so lange in den Gremien. Aber nehmen wir es, wie es ist: Hochschulleitungen werden gewählt. Auch Professorinnen und Professoren sind nicht davor gefeit, abgewählt zu werden oder eben nur eine bestimmte Zeit in der Leitung zu sein. Auch diese Mitglieder der Hochschulleitungen haben weniger Zeit für die Wissenschaft bzw. sie werden freigestellt. So könnte man es mit den Studierenden natürlich auch halten.

Sicherlich entsteht dadurch eine Belastung für die Studierenden, keine Frage. Aber der Gewinn, den Studierende haben, wenn sie gleichzeitig ihre Managementfähigkeiten unter Beweis stellen und für das ganze Leben lernen können, ist sicherlich ungeheuer. Ich denke, das kommt den Studierenden zugute. Jeder muss aber auch selber wissen, ob er sich ein solches Amt zutraut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Immer wenn gesagt wird, es gäbe umfangreiche Mitwirkungsmöglichkeiten, wird außer Acht gelassen, dass das nur in ganz beschränktem Maße der Fall ist. Studierende sind in den entsprechenden Gremien unterrepräsentiert oder gar nicht vertreten. Wenn ich dann die ganzen Argumente höre, die nur dazu dienen sollen, Studierende vor sich selbst zu beschützen, ist das für mich Paternalismus der übelsten Sorte. Solchen Paternalismus kann man jungen und entscheidungsfähigen Menschen nicht zumuten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie schon in der Ersten Lesung unterstützen wir GRÜNE deswegen den Gesetzentwurf der SPD betreffend "Studierende in die Hochschulleitung". Wir hatten am Anfang noch als Kritik angemerkt, dass der Gesetzentwurf nur eine windelweiche Kann-Bestimmung enthalte. Je länger ich aber über den Gesetzentwurf nachdenke, desto mehr finde ich diese KannBestimmung eigentlich ganz gut. Sie würde es nämlich Ihnen von der CSU erleichtern, über Ihren Schatten zu springen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Es ist nichts kaputt mit einer solchen Kann-Bestimmung. Die Hochschulen könnten sie anwenden oder nicht. Wir könnten es einfach mal ausprobieren. Ich bin mir sicher, wo es gewagt würde, hätte es Vorteile für unsere Hochschulen, für die Demokratie insgesamt und vor allem für die Studierenden, die ihre Belange sehr viel besser einbringen könnten. Springen Sie über Ihren Schatten! Das ist ein kleiner Schritt für Sie, aber ein großer Schritt für die Hochschulen.

(Beifall bei den GRÜNEN)