Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Pohl. – Für die Staatsregierung hat sich nun noch Herr Staatssekretär Füracker zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich müssten wir die Sache nicht noch einmal erklären. Aber nach dem, was bis jetzt gesagt

worden ist, erscheint es mir wichtig, noch einmal auf ein paar Fakten hinzuweisen. Diese werden immer wieder vergessen. Bayern verbraucht nicht mehr Fläche, weil die Bayerische Staatsregierung unbedingt Gewerbegebiete ausweisen möchte, und auch nicht, weil wir in besonderer Weise Freundschaft mit der Asphaltwirtschaft geschlossen haben. Der Hauptgrund für den Flächenverbrauch in Bayern ist – hören Sie zu, sonst wissen Sie es wieder nicht –, dass Bayern jeden Tag wächst. Bayern wächst nicht flächenmäßig, sondern in der Anzahl der Menschen, die hier wohnen. München wächst in der Anzahl der Menschen, die hierherkommen. In den letzten 20 Jahren ist Bayern um etwa 1 Million Menschen größer geworden. 1995 hatten wir rund 12 Millionen Einwohner. Jetzt sind es rund 13 Millionen Einwohner. Einer mehr oder weniger wird nicht gezählt. Das ist Fakt. Die Menschen müssen irgendwo wohnen und irgendwo arbeiten. Die Menschen müssen mobil sein. Die Lebensqualität drückt sich auch in der Mobilität der Menschen aus.

(Florian von Brunn (SPD): Das ist ja genau der Anspruch an Sie!)

Das ist in der Tat so. Dieses Faktum bildet sich vor Ort ab. Flächen werden für Wohnungen und für das Arbeiten gebraucht. Dennoch hat Bayern mit 11,9 % – das ist jetzt schon so oft gesagt worden – den niedrigsten Anteil an Siedlungs- und Verkehrsfläche aller westlichen Bundesländer. Der Durchschnitt in Deutschland beträgt 13,7 %. In Bayern beträgt der Durchschnitt 11,9 %. 83 % der Fläche Bayerns sind landwirtschaftliche Fläche und Wald. Der Waldbestand hat in den letzten Jahren zugenommen. Fakt ist, dass in den Siedlungs- und Verkehrsflächen, die wir statistisch ausgewiesen haben, nicht alles befestigt oder geteert ist. Auch diese Zahl muss immer wiederholt werden, sonst glaubt es niemand: 5,41 % der Flächen in Bayern sind befestigt, geteert, betoniert oder mit Häusern und Straßen bebaut. Nicht alles, was wir unter Siedlungs- und Verkehrsfläche subsumieren, ist automatisch befestigt. Es gibt bei uns Gärten, Erholungsflächen und viele freie Flächen in Gewerbegebieten.

Frau Annette Karl, ich weiß ja nicht, wo Sie leben. Kommen Sie doch einmal zu mir! Ich mache seit 27 Jahren Kommunalpolitik. Ich zeige Ihnen ein Gewerbegebiet bei mir zu Hause. Ein ausgewiesenes Gewerbegebiet ist so lange nicht befestigt, wie niemand dort baut. Deswegen gibt es bei uns keine leer stehenden Gewerbegebiete. In den Gewerbegebieten meiner Heimat wird gepflügt und mit dem Mähdrescher Getreide geerntet, wenn dort keine Halle steht.

(Florian von Brunn (SPD): Das ist Schönfärberei!)

Das sind die Fakten. Fakten hört man natürlich nicht gern, weil man der Ideologie hinterherlaufen möchte. Bayern nimmt in Westdeutschland hinsichtlich versiegelter Flächen Gott sei Dank eher einen hinteren Platz ein. In Bayern sind 5,41 % und deutschlandweit 6,2 % der Fläche versiegelt. Im Landesentwicklungsprogramm ist tatsächlich auch der Grundsatz des Flächensparens verankert, nämlich in Kapitel 3.1. Das ist ein gesamtes Kapitel zum Flächensparen. Kapitel 3.2 beschäftigt sich mit der Innenentwicklung. Das steht alles da drin.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen aber auch eines sagen: In Bayern existiert die kommunale Selbstverwaltung. Wir möchten nicht bei allen Sachverhalten, die wir politisch regeln können, die grüne Verbots-, Vorschrifts- und Bürokratisierungsrhetorik anwenden. Ich traue den Bürgermeistern, den Kommunalpolitikern und den Menschen vor Ort am ehesten das Wissen zu, wie sie ihre unmittelbare Heimat gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Die wissen das. Jetzt kommen Sie daher. Wir wollen Gemeinden entwickeln, und die GRÜNEN wollen die Gemeinden ausverkaufen.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): So ein Schmarrn!)

Klar. Das ist kein Schmarrn, Christian Magerl. Das entspricht den Tatsachen. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet auch kommunale Selbstverantwortung. Die Gemeinden haben Planungshoheit. Wenn beispielsweise die Landwirte sagen, wir verbrauchten zu viel Fläche, dann sage ich: Ja, ich bin selbst Landwirt, ich kenne mich damit aus. Am Anfang des Flächenverbrauchs steht der Flächenverkauf. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand für ein Gewerbegebiet enteignet worden wäre. Wenn man die Fläche nicht verkauft, bleibt sie landwirtschaftlicher Grund. Auch das muss man selbstkritisch konstatieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich achte das kommunale Planungsrecht sehr. Wir achten es sehr und wollen es ermöglichen. Und jetzt kommt von Ihnen die kluge Idee, dass sich finanzschwache Gemeinden nicht mehr entwickeln sollen; sie sollen ihre Flächenzertifikate verkaufen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ja, sie sollen also ihre Berechtigung auf Entwicklungsmöglichkeiten an München verkaufen. Welch kluge Idee zur Entwicklung des ländlichen Raums! Das ist geradezu skurril.

(Beifall bei der CSU)

München wird Zertifikate kaufen. Wir diskutieren dann, dass wir darauf achten sollten, dass sich niemand mehr in München ansiedelt, weil wir eine Entwicklung der ländlichen Räume brauchen. Wir reden von der Überhitzung in München, wir reden von Heimatstrategie dadurch, dass wir versuchen, die Menschen überall im Lande zu halten, und plötzlich soll ich dann diesen Menschen sagen: keine Bauplätze, meinetwegen im Landkreis Tirschenreuth; wir brauchen keine Entwicklungsmöglichkeiten für Gewerbegebiete mehr; verkauft eure Berechtigung nach München. – Das heißt doch, die Leute sollten nach München gehen, um dort zu arbeiten. Wir diskutieren hier Dinge, die sich widersprechen. Das ist kindisch, wenn nicht gar grotesk.

Und noch etwas möchte ich Sie fragen. Was tun Sie eigentlich, wenn niemand ein Flächenzertifikat verkauft? Dann kann die Stadt München überhaupt keine neuen Wohnungen mehr bauen, die Sie dort doch so anmahnen, weil die Fläche nicht mehr reicht.

(Ludwig Hartmann (GRÜNE): So ein Schmarrn!)

Ich meine, die Widersprüche sind so intensiv, dass man es kaum mehr versteht. Gott sei Dank stößt bei der SPD und auch bei den FREIEN WÄHLERN die kluge Idee, diesen Flächenzertifikatehandel in Bayern zu praktizieren, nicht auf Gehör. Insofern brauchen wir keine Sorge zu haben, dass dieser Gesetzentwurf in Kraft tritt, den wir aus den bekannten Gründen ohnehin nicht unterstützen. Das wird Sie nicht überraschen.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Es kommt auf die Mehrheiten an!)

Ich möchte Sie also dazu ermuntern, dieses Thema zu versachlichen. Ich komme damit auf den Anfang meiner Rede zurück: Wenn ein Land wie Bayern um eine Million Menschen wächst, muss man sich überlegen, wie man die Menschen qualifiziert unterbringen kann. Wir brauchen für sie berufliche Perspektiven und Möglichkeiten der Arbeit.

Wir alle gönnen uns doch mehr Wohnraum je Einwohner. Wenn wir nun auch noch vorschreiben würden, einen Zertifikatehandel mit der Größe von Wohnflächen zu machen, könnte man in München beispielsweise überhaupt nicht mehr bauen. Ich glaube, wir sollten endlich aufhören mit diesen ideologischen Anwürfen und solchen Ideen, mit denen Sie beweisen wollen, dass irgendwer eine falsche Politik macht. Setzen Sie auf die kommunale Selbstverwaltung und darauf, dass die Menschen vor Ort am besten wissen, was mit ihrer Heimat geschehen soll. Weder ein

Staatssekretär noch die Landtagsabgeordneten wissen, was für die Kommunen das Beste ist. Das wissen die Menschen vor Ort selbst am besten.

Deshalb glaube ich, dass die Debatte um diesen Gesetzentwurf keine ertragreiche Diskussion sein wird.

(Beifall bei der CSU)

Danke sehr, Herr Staatssekretär. Bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. Wir haben noch zwei Zwischenbemerkungen. Die erste Zwischenbemerkung kommt vom Kollegen Hartmann. Bitte sehr.

(Vom Redner nicht au- torisiert) Herr Staatssekretär Füracker, versachlichen wir doch die Diskussion etwas. Der Bevölkerungszuwachs betrug seit 1992 9 %, der Flächenverbrauch stieg aber um 29 %. Damit geht die Schere doch deutlich auseinander. Da passt etwas nicht zusammen. Sie wollen die kommunale Selbstverwaltung in Bezug auf die Entwicklung des Außenbereichs erhalten. Wohin hat das geführt? Es gibt inzwischen 11.000 Hektar ausgewiesene Gewerbeflächen in Bayern. Das sind die Flächen, die freiwillig gemeldet werden, die aber kein Mensch kaufen möchte. Da wurde in den Flächenverkauf investiert, obwohl das wirklich nicht benötigt wurde.

Ein letzter Punkt. Ich bin erstaunt, wie wenig Sie sich mit dem Thema im Grunde befasst haben.

(Staatssekretär Albert Füracker: Ach so!)

Nehmen Sie einmal das Beispiel München. In diesem Ballungsgebiet kommt man pro Kopf mit verhältnismäßig wenig Fläche aus. München wird die letzte Region sein, die sich Rechte zusammenkaufen muss.

(Zuruf von der SPD: Alle Leute wollen doch nach München!)

Wo ist denn das größte Wohnbaugebiet in diesem Bereich? Das ist beispielsweise der Nockherberg. Das ist eine bebaute Fläche, die gar nicht darunter fällt. Sie reden von Nachverdichtung. Auch das fällt dort nicht darunter. Es geht im Grunde um die Ausweisung im Außenbereich und nicht darum, was im bebauten Gebiet passiert. Die Masse in München geschieht gerade im bebauten Gebiet, und das reicht völlig aus. Das ist ein gutes Instrument.

Sie haben die ganzen Maßnahmen aufgezählt und schreiben das alles richtig auf. Aber Ihre Politik der letzten Jahre ist am Ziel vollkommen vorbeigegangen. Sie haben den Flächenverbrauch kaum begrenzt, sondern im Gegenteil sogar angeheizt. Dem wollen

wir mit unserem Gesetzentwurf den Riegel vorschieben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatssekretär, bitte sehr.

Herr Hartmann gibt hier zu Protokoll, dass für das einwohnermäßige Wachstum in München in den nächsten Jahren keine zusätzlichen Flächen im Außenbereich mehr verbraucht werden.

(Ludwig Hartmann (GRÜNE): Das habe ich nicht gesagt! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Aber klar! München braucht keine Fläche mehr, hat er gesagt.

(Zurufe – Glocke der Präsidentin)

So hat es Herr Hartmann doch erklärt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das hat er nicht so er- klärt!)

So ist doch die Lage.

(Zuruf von den GRÜNEN: Wir werden das im Protokoll nachlesen!)

Das haben Sie nicht erklärt? Dann habe ich falsch gehört.

(Zuruf von den GRÜNEN: Es wird im Protokoll stehen!)

Beim Thema ländlicher Bereich haben Sie auch nicht zugehört, Herr Hartmann. Ich habe ausdrücklich gesagt, dass nicht jedes ausgewiesene Gewerbegebiet befestigt ist.

(Zurufe von den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)