Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

(Zurufe von den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Kommen Sie doch einmal zu mir; ich zeige Ihnen Gewerbegebiete, auf denen landwirtschaftliche Nutzung stattfindet. Das geschieht so lange, bis dort Nutzung in gewerblicher Art stattfindet.

Für Wohngebiete gilt das Gleiche. Nach Ihrer Diktion dürfte ich keinen Flächennutzungsplan vorlegen, in dem aufgezählt ist, wo Wohngebiete bzw. Gewerbegebiete stattzufinden haben.

(Ludwig Hartmann (GRÜNE): Ihre Politik schafft keinen echten Baugrund!)

Ganz ehrlich: Ihre Aussage, dass München in den nächsten Jahren für seine Entwicklung keine zusätzlichen Flächen mehr brauchen wird, teile ich nicht. Das widerspricht sehr der Lebenserfahrung der letzten 20 Jahre.

(Beifall bei der CSU)

Danke sehr, Herr Staatssekretär. – Nächste Zwischenbemerkung: Herr Kollege von Brunn.

Herr Staatssekretär, Ihr Auftritt ging weit an der Sache vorbei. Er diente allein der Irreführung der Öffentlichkeit und war Schönfärberei. Das fängt schon bei den statistischen Zahlen an. Sie lassen locker den Alpenanteil wie auch die Mittelgebirge weg und vergleichen damit Äpfel mit Birnen. Das zeigt, wie Sie tatsächlich denken. Die Menschen in Bayern sehen doch, was in ihrer Landschaft passiert. Wollen Sie die alle für dumm verkaufen?

Der Punkt ist doch, dass Sie einst eigene Ziele in Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und in Ihrem Biodiversitätsprogramm definiert haben. Aber was Sie heute erklärt haben, bedeutet, dass diese Ziele für Sie nicht mehr gelten. Sie verabschieden sich davon und setzen darauf, dass Bayern weiterhin das Land mit der größten Steigerung beim Flächenverbrauch ist. Dies ist Ihnen alles offensichtlich egal, und das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Wenn ich jetzt so polemisch antworten wollte, wie Sie eben geredet haben, würde ich sagen, Ihre Zwischenbemerkung ist ein Armutszeugnis. Ich habe nie behauptet, dass ich darauf setze, sondern habe vielmehr erklärt, woher das alles kommt. Wenn Sie sagen wollen, dass in Bayern die Bevölkerungszahl nicht mehr wächst, dann brauchen wir diese Überlegungen nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Ihre Aufgabe ist es doch, den Kommunen Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen. Ihre Idee ist es aber, die Kommunen sollten einen Flächenausverkauf an die Städte machen, die Flächen benötigen.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Das ist so nicht unsere Idee! Das ist Quatsch!)

Ich meine den Herrn von Brunn, der eben eine Frage gestellt hat. Meine Idee zielt auf die Entwicklung der Kommunen ab, wie sie von den Menschen vor Ort als richtig betrachtet wird.

(Florian von Brunn (SPD): Ungebremster Flächenverbrauch! Davon ist die Rede!)

Ich verwies gerade auf unsere Idee. Ansonsten ist die Diskussion so ideologisch besetzt, dass man nicht mit Sachargumenten arbeiten kann. Selbst statistisch richtige Zahlen werden von Ihnen als falsch, als unfaktisch bezeichnet.

(Florian von Brunn (SPD): Ihre Alternativen sind lachhaft!)

Ich brauche keine Belehrungen in dieser Hinsicht. Ich kann Statistiken gut lesen. Bayern ist um eine Million Menschen gewachsen, und wenn Sie das kritisieren wollen, tun Sie es. Aber es hat nichts mit der Idee zu tun, die kommunale Selbstverwaltung umzusetzen.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Darauf kommt es an, und darauf setzen wir.

(Beifall bei der CSU)

Danke sehr, Herr Staatssekretär. – Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft und Medien, Infrastruktur, Bau und Verkehr, Energie und Technologie als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Es ist so beschlossen.

Wir machen jetzt Mittagspause bis 13.50 Uhr. Das ist eine halbe Stunde. Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 13.18 bis 13.51 Uhr)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nach der Mittagspause nehme ich jetzt die Sitzung wieder auf.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zunächst rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Annette Karl, Natascha Kohnen u. a. und Fraktion (SPD) Zukunftsplan für den bayerischen Handel (Drs. 17/16958)

Ich eröffne die Aussprache. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Annette Karl.

Frau Präsidentin, liebe anwesende zehn Kollegen!

(Zuruf von der CSU: Elf!)

Danke für den Hinweis. – Am Dienstag haben in Bayern einige Tausend Beschäftigte des Einzelhandels gestreikt. Nun liegt es der SPD-Fraktion fern, sich in Tarifauseinandersetzungen einzumischen. Aber dieser Streik wirft ein Schlaglicht auf eine Branche, die inmitten der prosperierenden Wirtschaft Bayerns mit erheblichen Problemen zu kämpfen hat. Diese Branche mit 100.000 Unternehmen und mehr als 700.000 Beschäftigten gehört zu den großen in Bayern. Trotzdem ist sie aus dem Fokus der Staatsregierung in Bayern geraten.

Die Staatsregierung kümmert sich um den Maschinenbau, um die Chemie und um die Automobilindustrie. Sie trägt diese Branchen sozusagen auf einem goldenen Tablett durch die Gegend. Die Dienstleistungsbranche und der Handel finden dagegen kaum Beachtung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle müssen uns doch Sorgen darüber machen, dass im Handel 70 % der Beschäftigten von Altersarmut bedroht sind. Wir haben heute viel über die soziale Lage in Bayern gehört. Dazu gehört aber auch ein Blick auf die soziale Lage der Menschen im Handel, vor allem der Frauen, die größtenteils teilzeitbeschäftigt sind und an die maximale Anforderungen im Hinblick auf die Flexibilität gestellt werden.

Es ist kein Einzelfall, dass Frauen in einem Supermarkt wieder weggeschickt werden, wenn morgens wenig zu tun ist, um dann am Nachmittag angerufen zu werden, weil sie in der Stoßzeit arbeiten sollen. Diese Frauen können kaum ihre Arbeitszeit planen oder ihre Kinderbetreuung organisieren. Das ist eine wahnsinnige Belastung, und das alles für eine Entlohnung, die direkt in die Altersarmut führt. Der Einzelhandel berührt jeden Tag das Leben der Menschen. Schließt der Laden im Ort, stirbt damit auch ein Stück Lebensqualität.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erleben im Einzelhandel einen gigantischen Strukturwandel. Während große Unternehmen wie Amazon ihre Umsätze und Gewinne immer mehr steigern, haben kleine und mittlere Unternehmen mit massiven Problemen zu

kämpfen. Ich nenne nur den ständig zunehmenden Online-Handel und das Ausbluten der Innenstädte. Im Dorf schließt der Lebensmittelladen, und in den Städten schießen Filialen von Konzernen wie H & M und ZARA wie Pilze aus dem Boden. Während familiengeführte Unternehmen verschwinden, werden die Innenstädte völlig austauschbar, genauso wie es das Warenangebot wird.

Es gibt vereinzelte Versuche, dem Lädensterben auf dem Lande entgegenzuwirken, zum Beispiel durch die Unterstützung von Dorfläden oder das eDorf im Stiftland im Landkreis Tirschenreuth, wo es gilt, innovative Nahversorgungskonzepte rund um den im Dorf existierenden Dorfladen zu entwickeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind jedoch Einzelaktionen und Stückwerk. Was fehlt, ist ein schlüssiges Konzept für diesen wichtigen Baustein für gleichwertige Lebensbedingungen.

Wir erleben im Handel einen Ausstieg aus der Tarifbindung. Nur noch 30 % der Beschäftigten arbeiten in tarifgebundenen Betrieben. Das treibt die Lohnspirale nach unten, und zwar von einem sehr niedrigen Niveau aus. Deshalb fordern wir von der Staatsregierung, sich endlich auch für diese Branche einen Kopf zu machen. Deshalb haben wir heute diesen Berichtsantrag vorgelegt.

In diesem Dringlichkeitsantrag geht es um die Frage, wie kleine Geschäfte besser unterstützt werden können, um sich auf die technologischen Herausforderungen durch den Online-Handel einzustellen. Ist der Digitalbonus ein Instrument, das dabei helfen kann, oder brauchen wir etwas anderes? Der Digitalbonus hat das Problem, dass die Mittel dafür bereits ausgeschöpft sind, obwohl er auf vier Jahre angedacht war.

Was können wir tun, um in ganz Bayern ein hochwertiges Handelsangebot zu gewährleisten? Wie schaffen wir einen Beschäftigungspakt, bei dem Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam Lösungskonzepte für die problematische Situation der Beschäftigten erarbeiten? Wie kann die Staatsregierung eine Qualifizierungsinitiative auf den Weg bringen, die den Beschäftigten Zukunftsperspektiven bietet?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kurzum: Kümmern wir uns um die 700.000 Beschäftigten im Handel! Geben wir ihnen und auch den vielen kleinen und mittleren Unternehmen im Einzelhandel die Wertschätzung und Unterstützung, die sie verdienen.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Schwartz.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich ein gewisses Erstaunen ob der Tatsache zum Ausdruck bringen, dass ein Dringlichkeitsantrag dieses Inhalts gestellt wurde. Die erste Frage, die sich mir gestellt hat: Worin liegt wohl die Dringlichkeit? Haben sich die Antragsteller möglicherweise in der Form vertan und den falschen Kopf gewählt? Eine entsprechende Anfrage wäre wohl ebenso schnell beantwortet worden. Vielleicht werden aber mit dem hier gestellten Antrag andere Ziele verfolgt.

Noch eine Bemerkung vorweg: Wir werden, nachdem die SPD freundlicherweise von der gestrigen Form des Antrags einige Abstriche gemacht und den Antrag aufgrund einer Anregung angepasst hat, diesem Antrag zustimmen, weil es sich um einen reinen Berichtsantrag handelt. Sie geben uns nämlich damit eine Steilvorlage, um die Erfolge und Bemühungen der Bayerischen Staatsregierung einmal mehr darzustellen und kundzutun. Sie geben uns damit auch die Gelegenheit, eine klare Abgrenzung vorzunehmen, nämlich eine Abgrenzung davon, was der eine oder andere möglicherweise beabsichtigt. Ich meine damit eine Abgrenzung von Eingriffen in die Wirtschaft.

Wir verfolgen nicht den Ansatz, bei Preisen, Standortbestimmungen, Sortimenten, beim Marketing, bei Vertriebswegen und bei der Werbung Eingriffe vorzunehmen. Nach unserem Dafürhalten muss es das Anliegen der Bayerischen Staatsregierung sein, den Handel zu unterstützen, wenn es singuläre Ereignisse gibt oder wenn im Markt sehr schnell hereinbrechende Veränderungen erfolgen. Hier müssen wir eine Infrastruktur anbieten, nicht mehr und nicht weniger.

Der bayerische Mittelstand, auch der Handel braucht nicht überall die führende Hand des Staates. Sie hatten bereits mehrere Punkte angesprochen und anders bewertet, als wir das möglicherweise tun. Ich darf aber zwei oder drei herausgreifen. Am 28.04. dieses Jahres fand der Digitalkongress Bayern statt. Dabei wurde unter anderem auch noch einmal der Digitalbonus in extenso dargestellt. Anders als Sie dürfen wir aber konstatieren – und ich glaube, wir tun das mit der Mehrheit der Betroffenen –, dass es sich bei dem Digitalbonus um einen glänzenden Erfolg handelt.

(Annette Karl (SPD): Das habe ich doch gesagt! Deshalb ist kein Geld mehr da!)