Protokoll der Sitzung vom 30.05.2017

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Hier geht es um Verbraucherschutz!)

Ich fordere Sie auf, mit uns gemeinsam daran zu arbeiten, das Veterinärwesen und die Lebensmittelüberwachung weiter zu verbessern.

(Beifall bei der CSU – Florian von Brunn (SPD): Deswegen haben wir sinnvolle Änderungsanträge gestellt!)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Kollege Arnold.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen Beißwenger und Flierl, die Verbraucher haben das Anrecht auf umfassende

Aufklärung. Vor allen Dingen haben sie das Recht auf angemessene Ahndung von Fehlverhalten. Dazu müssen die Behörden den gesetzlichen Rahmen ausschöpfen.

(Beifall bei der SPD)

Das bedeutet grundsätzlich, dass das von der CSU üblicherweise postulierte Credo "Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht" in keinem Fall in Opportunitätserwägungen einfließen darf. In Bezug auf die Frage, ob in diesem Fall Bußgelder für das Begehen von Ordnungswidrigkeiten verhängt werden, hat sich das Ermessen auf null reduziert. Die öffentliche Gesundheit darf nicht zur Spielwiese derartiger Erwägungen werden.

Wir beklagen, dass die Eigenkontrollen mangelhaft gewesen sind und dass der Lebensmittelunternehmer Informationen nicht weitergegeben hat. Meines Wissens ist in dem Verfahren in erster Instanz eine Strafe verhängt worden. Das ist die eine Seite der Medaille.

Wir dürfen aber die andere Seite, auf die Frau Kollegin Steinberger aufmerksam gemacht hat, nicht außer Acht lassen: Es gibt Sachverständigenbüros, die nahezu im öffentlichen Bereich mit vermeintlichen Gefälligkeitsgutachten werben. Dieses Phänomen dürfen wir nicht akzeptieren. Der Gesetzgeber hat übrigens schon entsprechende Vorschriften erlassen. So heißt es in § 44 Absatz 4a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, dass der Verantwortliche eines Labors, sofern er Grund zu der Annahme hat, dass das Lebensmittel einem Verkehrsverbot unterliegt, die zuständige Behörde zu unterrichten hat. Diese Verpflichtung besteht also bereits.

Ich stelle fest: Wenn die Labore – im vorliegenden Fall waren es zwei – richtig gearbeitet, das heißt, die Ergebnisse weitergegeben hätten, dann wären die Behörden über die Situation in dem Unternehmen informiert gewesen. Privat beauftragte Labore haben die Pflicht, entsprechende Informationen weiterzuleiten. Soweit ein Verantwortlicher des Labors dieser unabdingbaren Pflicht nicht nachkommt, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Das Gesetz sieht hierfür einen Bußgeldrahmen von bis zu 20.000 Euro vor.

Wenn sich Ihre Wut und Ihre Aktionen gegen die Sachverständigenbüros richten, dann frage ich Sie, ob von diesem Rechtsrahmen überhaupt Gebrauch gemacht worden ist, das heißt, ob die Sachverständigenbüros tatsächlich die entsprechende Härte des Gesetzes zu spüren bekommen haben. Es stellt sich übrigens auch die Frage, ob 20.000 Euro der geeignete Rahmen sind oder ob dieser im Hinblick auf die Brisanz und die Gefährlichkeit derartiger Unterlassungen vielleicht massiv erweitert werden sollte.

(Beifall bei der SPD)

Das Handeln, das wir in diesem Zusammenhang einfordern, dient dem Verbraucher nicht nur dadurch, dass begangenes Unrecht geahndet wird, sondern es ist auch wichtig für die Generalprävention. Jeder muss wissen, dass mit Gefälligkeitsgutachten und sonstigen Pflichtverletzungen nicht so leicht Geschäfte zu machen sind. Jeder muss wissen, dass die Vorgänge transparent abzulaufen haben. Jeder muss wissen, dass auch "Eigengutachten" und "Eigenkontrollen" Gegenstand des Ordnungswidrigkeiten- und sogar des Strafrechts sind.

Darüber hinaus geht es im Rahmen der Generalprävention darum, Rechtssicherheit nach außen kundzutun und – das ist entscheidend – verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Jedem muss klar sein, wohin ein Fehlverhalten führt.

Vor dem Hintergrund, dass laut Beteiligungsbericht der Freistaat Bayern Anteilseigner des betroffenen Unternehmens ist, müssen die bayerischen Behörden, auch die kommunalen Behörden und die Landratsämter, Klarschiff machen. Sie dürfen nicht die Spur des Anscheins aufkommen lassen, dass hier eine Krähe der anderen kein Auge aushacke. Es geht überhaupt nicht, dass dieser Eindruck entsteht.

Deswegen fordern wir Sie auf, von den Möglichkeiten, die Ihnen der Landtag und der Bundesgesetzgeber bereits eingeräumt haben, Gebrauch zu machen und sich dafür einzusetzen, dass der Bußgeldrahmen erweitert wird. Darüber sollten Sie uns ebenso transparent berichten wie darüber, wie die Verfahren gegen die Sachverständigenbüros ausgegangen sind bzw. ob solche Verfahren überhaupt eingeleitet worden sind. Wir können schon mit den vorhandenen Gesetzen Ergebnisse erzielen, ohne Nebelkerzen zünden zu müssen, etwa dadurch, dass Fragenkataloge eingefordert werden, die einen anderen Sachverhalt betreffen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist Frau Staatsministerin Scharf.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist das Land mit der höchsten Lebensqualität in Europa. Ich sage Ihnen auch, warum ich zu dieser Einschätzung komme: Wir genießen in Bayern ein hohes Maß an Sicherheit, an innerer Sicherheit, an sozialer Sicherheit und vor allem auch ein hohes Maß der Sicherheit bei Lebensmitteln.

(Florian von Brunn (SPD): Gammelfleisch, BSE, Müller-Brot und Sieber!)

Die Behörden in Bayern führen jedes Jahr 150.000 Betriebskontrollen durch. 99 % der Lebensmittel werden dabei als unbedenklich eingestuft. Jeder weiß aber, dass es eine totale Sicherheit nicht geben kann. Kein Innenminister wird eine Aufklärungsquote von 100 % erreichen können. Genauso wenig kann Ihnen ein Verbraucherschutzminister garantieren, dass bei behördlichen Stichproben alle vorhandenen Keime auch tatsächlich gefunden werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das suggerieren Sie aber.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Die wurden doch gefunden, Frau Ministerin!)

Langsam, der Reihe nach. – Sie wissen ganz genau, dass weder das Robert-Koch-Institut noch das Bundesinstitut für Risikobewertung in den Jahren 2013 und 2014 das Lebensmittel gefunden haben, durch das die Listeriose-Erkrankung ausgelöst wurde. Trotzdem stellen Sie in den Raum, die Behörden in Bayern hätten versagt. Sie erzählen damit den Menschen das Märchen einer Lebensmittelsicherheit, bei der der Staat eine vollkommene Keimfreiheit garantieren könnte.

(Florian von Brunn (SPD): Der Verantwortliche für die Ausführung ist der Freistaat Bayern! Das ist ein Ablenkungsmanöver! Ein Blick ins Grundgesetz zeigt die Kompetenz!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit diskreditieren Sie all jene, die in unserem System der Eigenkontrolle und der staatlichen Kontrolle ihrer Verantwortung gerecht werden. Das ist unredlich. Die Behörden führen Stichproben durch. Tun Sie also nicht so, als könnte eine komplette Produktion überwacht werden! Das wäre so, als ob ein Schleierfahnder auf der Autobahn jedes einzelne Auto kontrollieren könnte.

(Beifall bei der CSU – Harry Scheuenstuhl (SPD): Es wurde doch etwas gefunden!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte den Sachverhalt noch einmal im Einzelnen darstellen. Wir haben das in diesem Hohen Haus schon mehrfach getan. Ich beginne bei den behördlichen Kontrollen im Jahr 2012. Zwischen 2012 und 2015 wurden insgesamt 15 amtliche Proben von Produkten der Firma Sieber genommen. Bei allen 15 Proben waren die Befunde negativ.

(Florian von Brunn (SPD): Das sollte zu denken geben!)

Ein solcher Negativbefund ist auch nichts Ungewöhnliches. Herr von Brunn, Sie müssten sich hier einmal auf den neuesten Stand bringen oder sich Fachwissen aneignen.

(Beifall bei der CSU – Harry Scheuenstuhl (SPD): Sie haben ein großes Fachwissen! Ihr Fachwissen ist bekannt!)

Listerien sind Nischenkeime, die oft nicht nachgewiesen werden können, obwohl sie in einem Betrieb vorhanden sind. Im März 2016 gab es dann einen Treffer: Listeriennachweis auf einem SieberWacholderwammerl im Einzelhandel. Dieser Treffer wurde übrigens im Rahmen eines Kontrollprogramms erzielt, das unsere Behörden durchgeführt haben. Der Befund lag deutlich über dem Grenzwert. Die Behörden konnten somit handeln; und das haben sie auch getan.

Nun zu den behördlichen Maßnahmen seit März 2016: Die Behörden haben nach dem Listerienbefund mit den erforderlichen Maßnahmen reagiert. Sie haben eine öffentliche Warnung auf Lebensmittelwarnung.de ausgesprochen und die betroffenen Chargen zurückgerufen. Die Maßnahmen im Betrieb wurden überwacht. Zusätzlich hat das LGL die Listerien auf dem Wacholderwammerl an das Bundesinstitut für Risikobewertung geschickt. Das Ergebnis lautete: Die Isolate konnten dem Krankheitsgeschehen in Süddeutschland zugeordnet werden. Wir haben sofort reagiert und sind mit diesem Ergebnis rausgegangen. Es gab Betriebskontrollen der Spezialeinheit, des Landratsamts und der Regierung. Die Behörden haben Dutzende von Proben genommen und binnen einer Woche alles ausgewertet. Am 27. Mai kam dann die Meldung des LGL, dass auch auf Wurstwaren Listerien gefunden worden sind.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit lagen hinreichende Anhaltspunkte vor: Von den Erzeugnissen kann eine Gefährdung für die Gesundheit ausgehen. Am 27. Mai lag der Befund vor, und wir haben die Öffentlichkeit am gleichen Tag bayernweit darüber informiert, dass vor Fleisch- und Wurstwaren der Firma Sieber gewarnt werden muss. Darin wurden wir übrigens in einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts München, die der Unternehmer angestrebt hatte, bestätigt. Das Landratsamt hat außerdem angeordnet, die in Verkehr befindlichen Waren zurückzurufen, und es dem Betrieb untersagt, weitere Waren in den Verkehr zu bringen. Das ist ein schnelles, kompetentes und klares Handeln im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes.

(Beifall bei der CSU)

Das Verwaltungsgericht hat unser Vorgehen im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes bestätigt.

Nun zur Verantwortung des Unternehmers und zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen: Die EU-Gesetzgebung ist hier völlig klar. Die Verantwortung für die Sicherheit der Produkte liegt beim Lebensmittelunternehmer. Er ist dafür zuständig, dass die Lebensmittel den Anforderungen des Lebensmittelrechts entsprechen. Er muss Eigenkontrollen durchführen und die Behörden informieren, wenn bei den Eigenkontrollen Listerien jenseits des zulässigen Grenzwertes festgestellt werden.

Damit komme ich zu den privaten Laboren. Auch sie stehen in der Pflicht. Sie müssen nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch positive Kontrollergebnisse den Behörden melden, wenn das untersuchte Lebensmittel einem Verkehrsverbot unterliegen könnte. Das sind klare Verpflichtungen, und das ist eine klare Verantwortung gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das ist auch gut so.

(Florian von Brunn (SPD): Was sind die Verpflichtungen der Staatsregierung? – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Beschwichtigung!)

Im Fall Sieber hat das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen die Staatsanwaltschaft routinemäßig eingeschaltet. Nach den Ermittlungserkenntnissen der Staatsanwaltschaft wurden bei Eigenkontrollen dreimal Werte von teils über 100 koloniebildenden Einheiten Listerien festgestellt. Von diesen Proben haben die Behörden selbst erst durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im März 2017 erfahren. Nach derzeitigem Kenntnisstand hat der Unternehmer also gegen seine Pflicht verstoßen, die Behörden zu informieren. Er wurde auch in erster Instanz zu einer Geldstrafe wegen des fahrlässigen Inverkehrbringens gesundheitsschädlicher Lebensmittel verurteilt. Ergänzend sei noch gesagt, dass sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung gegen dieses Urteil Berufung eingelegt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die weitere gerichtliche Aufarbeitung muss jetzt abgewartet werden, gerade im Hinblick auf die beteiligten Labore. Wir beobachten das Strafverfahren gegen die Unternehmer sehr genau und behalten uns vor, gegen die Labore weitere Maßnahmen einzuleiten. Wichtig ist mir die Feststellung: Nach heutigem Kenntnisstand hat der Unternehmer gegen seine Pflicht verstoßen. Die Behörden haben eindeutig und konsequent gehandelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie kennen den Spruch: "Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein." Deswegen werden wir die Lebens

mittelüberwachung in Bayern in eine gute Zukunft bringen. Wir wollen sie ab dem 1. Januar 2018 durch eine neue zentrale Kontrollbehörde ergänzen, die die Kontrolle und den Vollzug bei komplexen Betrieben übernehmen soll. Davon sind bayernweit ungefähr 800 Betriebe betroffen. Geflügelgroßbetriebe wie die Firma Bayern-Ei sowie die Firma Sieber wären in die Zuständigkeit dieser neuen Behörde gefallen. Aus meiner Sicht ist diese neue Behörde ein qualitativer Sprung, weil dort interdisziplinäre Kontrollteams mit Experten aus verschiedenen Bereichen dafür sorgen, dass eine Kontrolle auf Augenhöhe stattfinden kann. Im Doppelhaushalt 2017/2018 haben wir für diese Behörde 70 neue Stellen und vier Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen 20 Stellen vom LGL. Das ist eine starke Reform, die in Bayern eine noch stärkere Lebensmittelüberwachung möglich machen wird. Meine Empfehlung an die Kolleginnen und Kollegen der SPD: Wenn Sie es mit der Lebensmittelüberwachung ernst meinen, dann stimmen Sie unserem Gesetzentwurf in der Zweiten Lesung bitte zu.

(Beifall bei der CSU – Florian von Brunn (SPD): Wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zusammenfassen: Die Behörden haben die Firma Sieber rechtzeitig und regelmäßig kontrolliert. Sie haben nach dem Fund von Listerien schnell und wirksam gehandelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass wir uns im Wahlkampf befinden. Für Herrn von Brunn gilt das schon etwas länger als für manch anderen in diesem Raum. Allerdings schuldet auch eine Opposition den Menschen im Land ein Mindestmaß an politischer Ehrlichkeit. Dazu fordere ich Sie auf. Bundespräsident Steinmeier hat zu Recht davor gewarnt, mit zunehmend aggressiven Aversionen gegen die Fakten aufzuwarten.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 a auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes (Drs. 17/17055) - Erste Lesung

Den Gesetzentwurf begründet Herr Staatssekretär Hintersberger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Blinde Menschen sind in ganz