Protokoll der Sitzung vom 07.12.2017

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag und das darin thematisierte Projekt sind Beleg für das Versagen – eigentlich müsste man von Komplettversagen sprechen – von Staatsregierung und CSU in der Verkehrspolitik hier im Landtag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da wird etwas gefeiert, was es nicht zu feiern gilt. Im Antrag ist großspurig von Verbesserungen die Rede, wo man allenfalls von "Verschlimmbesserungen" reden kann. In Stichworten – ich fange mit der Zeitschiene an. Jahrelang ist gepredigt worden, die zweite Röhre werde 2010 in Betrieb gesetzt. Jetzt haben wir bekanntlich Ende 2017. Jetzt wird darüber geredet, dass die Fertigstellung, wenn sie überhaupt erfolgt, im Jahr 2026 sei. Ich und Herr Kollege Huber visieren eher das Jahr 2036 an. Dann gehe ich schon auf die 100 Jahre zu. Herr Huber, ich werde Sie noch zitieren. Eine Verbesserung des SPNV im Großraum München ist in all den Jahren nicht eingetreten, und es wird auch nichts passieren; wenn doch, dann nur ganz marginal, Herr Kollege Rotter. Das ist schlicht und ergreifend inakzeptabel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich darf ganz kurz die Genese der Kosten reflektieren. Damals im Jahr 2001 gab es die vergleichende Untersuchung Südring versus Röhre – 583 Millionen Euro. Im Jahr 2003 haben sich die Spitzen der Landeshauptstadt und die Staatsregierung auf das konkrete Projekt verständigt. Da war man bei knapp einer Milliarde Euro. Jetzt sind wir bei 3,5 Milliarden Euro –

nach oben offen. Man muss ganz klar sagen: Diese Gelder fehlen für Projekte in ganz Bayern. Das ist nach unserer Auffassung genauso inakzeptabel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme noch einmal kurz zur Zeitschiene. Ich zitiere aus dem Protokoll des Wirtschaftsausschusses vom 3. Februar 2011. Wir haben uns schon viel früher damit befasst. Das war eine sehr lange Sitzung, die extra in einem größeren Sitzungssaal stattgefunden hat, weil der Andrang so groß war. Wiedergegeben wird die Aussage eines Kollegen der CSU, der auch mal CSU-Vorsitzender war. Ich zitiere:

Die Staatsregierung müsse sicherlich Phantasie aufbringen, um den Olympiabezug der zweiten Stammstrecke weiter zu begründen; möglicherweise könne man im Tunnel Eisschnelllaufwettbewerbe stattfinden lassen. Bereits vor einem Jahr habe er, Huber, seine Zweifel zum Ausdruck gebracht, dass die zweite Stammstrecke bis zum Jahr 2018 fertiggestellt werde. Falls die Olympischen Spiele 2026 in München stattfänden, werde der Tunnel "vielleicht" fertiggestellt sein; bei Olympischen Spielen 2034 in München wäre die Chance noch höher.

Herr Huber, Glückwunsch! Sie waren damals schon ziemlich nah dran. Vielleicht wird sie im Jahr 2034 gebaut. Aber, wie gesagt, ob wir das noch erleben, ist fraglich.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie fabulieren in Ihrem Antrag von Verbesserungen für Pendler. Fakt ist, dass es werktags für Zehntausende von Pendlern zu massiven Verschlechterungen kommen wird. Für Fahrgäste von und zu 21 Stationen auf den Außenästen kommt es zu neuen und wenig attraktiven Umsteigezwängen, wenn sie beispielsweise zum Rosenheimer Platz, zum Isartor oder aber zur Hackerbrücke wollen. Ich kann es gerne aufzählen. Vielleicht trifft es auch den einen oder anderen Kollegen, ohne dass er das weiß. Das sind Freising, Pulling, Neufahrn, Eching, Lohhof, Unterschleißheim, Oberschleißheim, Feldmoching, Fasanerie, Moosach, Tutzing, Feldafing, Possenhofen, Starnberg, Starnberg-Nord, Gauting, Stockdorf, Planegg, Gräfelfing, Ebersberg und Grafing. Auf diesen Stationen haben wir werktags knapp 100.000 Ein- und Aussteiger. Das sind doch eine ganze Menge.

Für Fahrgäste von fast einem Dutzend Stationen gibt es Taktverschlechterungen ausgerechnet zu den Stoßzeiten. Jetzt haben wir einen 10-Minuten-Takt, künftig soll es, wenn die zweite Röhre in Betrieb ist, nur noch einen 15-Minuten-Takt geben. Ich frage mich schon: Was helfen Züge untertags – da ist eigentlich

relativ wenig los –, wenn in den Stoßzeiten, nämlich zwischen halb sechs und neun in der Früh und zwischen halb vier und sieben abends, auf einmal der Takt sogar ausgedünnt wird? Das betrifft Stationen wie Langwied, Lochhausen, Neuaubing, Harthaus und Vaterstetten – alles Stationen, wo werktags zwischen 4.000 und 7.000 Menschen ein- und aussteigen.

Solche Taktausdünnungen werden wir nicht nur dort haben, wo die Express-S-Bahn durchrauscht. Sie sollen auch bei der regulären Kombination von S-Bahn und Regionalzügen kommen. Das trifft beispielsweise die Stadt Fürstenfeldbruck. Herr Kollege Bocklet – ich sehe ihn gerade nicht – hat im Wirtschaftsausschuss Krokodilstränen vergossen und gesagt: Hoppla, das ist ein Zug weniger in der Stunde. Wie soll ich das denn meinen Wählerinnen und Wählern verkaufen? Herr Fregin vom Innenministerium soll geantwortet haben: Wir können ja noch über Verstärkerzüge reden. – Kolleginnen und Kollegen, das ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Wenn durch die Neue Eisenbahn-Alpentransversale – NEAT, Gotthard und Lötschberg – und durch die Elektrifizierung mehr Fernverkehr auf den Gleisen stattfindet, wird es zu noch größeren Engpässen kommen. Über Verstärkerzüge zu fabulieren, ist alles andere als redlich. Gleiches gilt für das von mir geschilderte Beispiel mit den Express-S-Bahnen. In den Morgenstunden ist der Einsatz von Verstärkerzügen auch nicht möglich, weil die sogenannten Express-S-Bahnen irgendwo und irgendwann überholen müssen. Den Leuten wird wieder etwas versprochen, was schlicht und ergreifend nicht einzuhalten ist.

Herr Rotter, Sie haben sich und die Staatsregierung und meinetwegen auch die Bahn und die Bayerische Eisenbahngesellschaft gelobt: ein ganz großer Wurf, mehr Zugbestellungen. Noch einmal: Was helfen mehr Züge zu Zeiten, in denen sie definitiv nicht gebraucht werden? Das ist die ganz entscheidende Frage. Wenn Sie tatsächlich 30 Millionen Zugkilometer im Jahr mehr bestellen wollen, kostet das einen ordentlichen dreistelligen Millionenbetrag der Regionalisierungsmittel, die jetzt schon nicht ausreichen. Ich bin gespannt, wo und wie Sie diese Gelder abzwacken werden.

An dem Projekt ist jede Menge weitere Kritik zu üben. Ich will sie nur in Teilen und ganz kurz aufzählen: Erstens. Es gibt gravierende Mängel beim Brandschutz wie generell im Sicherheitskonzept.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Zweitens. Im Laufe der Planung sind wesentliche Punkte gestrichen worden. Das sind beispielsweise drei weitere Stationen. Das wären aber wichtige Ver

knüpfungspunkte gewesen, unter anderem der MaxWeber-Platz.

(Erwin Huber (CSU): Das habe ich doch jetzt schon fünfmal erklärt!)

Was aber noch viel schlimmer ist: Der Südast, die Abzweigung nach Giesing, die tatsächlich Sinn gehabt hätte, ist auch den steigenden Kosten zum Opfer gefallen. Herr Rotter, Sie haben davon gesprochen, dass eine Express-S-Bahn von Augsburg kommen soll. Seien Sie doch bitte ehrlich; denn aktuell ist die nicht von Augsburg aus geplant. Die soll nach der aktuellen Planung in Mering losfahren. Ich weiß nicht, ob das besonders berauschend ist.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Rotter (CSU))

Herr Rotter, Sie bzw. Ihre Fraktion träumen, Sie fabulieren, Sie machen falsche Versprechungen. Was aber das Schlimmste ist: Sie dilettieren zulasten der Fahrgäste und zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Runge, hier muss ich Sie leider an die Redezeit erinnern. Sie haben die Anzeige vor sich.

Das ist mir jetzt vier Jahre lang entgangen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wir haben aber eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen von Brunn. Dann haben Sie noch ein bisschen Redezeit. Bitte schön.

Eine Zwischenbemerkung ist super; denn dann kann ich noch den einen oder anderen Satz verlieren.

Lieber Herr Kollege Dr. Runge, wir haben jetzt die zweite Stammstrecke auf den Weg gebracht. Ich finde, sie hat durchaus Sinn; denn 80 % der Fahrgäste fahren nun einmal in die Innenstadt. Ich verstehe deshalb nicht ganz, warum die GRÜNEN die zweite Stammstrecke immer weiter bekämpfen. Damit machen Sie die Situation nicht besser. Fast habe ich den Eindruck, Sie werden die zweite Stammstrecke noch bekämpfen, wenn sie schon fertig ist. Dann werden Sie möglicherweise Anträge stellen, dass der Tunnel wieder verfüllt wird.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der SPD)

Darauf möchte ich antworten: So mancher hier nimmt es in Kauf, dass der Bau der zweiten Stammstrecke begonnen wird, selbst wenn diese in der Isar enden wird. Das ist durchaus möglich. Unseres Erachtens ist die zweite Stammstrecke nicht eine bloße "Verschlimmbesserung", sondern sie wird wirklich für massive Verschlechterungen sorgen. Ich habe bereits angedeutet, wie die Zeitschiene aussieht. Ich will jedenfalls nicht mehr 30 oder gar 40 Jahre warten müssen.

Noch ein Satz zu den beiden Anträgen von SPD und FREIEN WÄHLERN. Beim Antrag der FREIEN WÄHLER werden wir uns der Stimme enthalten, weil an das Projekt der zweiten Röhre angedockt wird. Zum Antrag der SPD: Sie glorifizieren dieses Projekt unreflektiert, wie Sie das immer getan haben.

(Florian von Brunn (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Wir werden den Antrag selbstverständlich ablehnen. Einen Hinweis kann ich mir nicht verkneifen: Ihr erhobener Zeigefinger in Richtung Berlin. Sie scheinen verdrängt zu haben, dass die SPD die Partei ist, die in den letzten Jahren mit Abstand am längsten in der Bundesregierung saß, und zwar 15 der letzten 19 Jahre. Die entscheidenden Ressorts, nämlich das Finanzministerium und das Verkehrsministerium, waren während des größten Teils dieser Jahre in Händen der SPD bzw. waren besetzt von Mannen der SPD.

(Florian von Brunn (SPD): Dobrindt und Ramsauer, die waren doch Verkehrsminister! Haben Sie das nicht mitbekommen?)

Sie müssen sich schon selbst an die Nase fassen, wenn Sie von einer unzureichenden Finanzausstattung aus Berlin sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Jetzt darf ich für die Staatsregierung Herrn Staatssekretär Eck das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hat Herr Kollege Rotter in seiner Eingangsrede über alles in feinen Details berichtet. Verschiedene Wortbeiträge haben mich aber dazu motiviert, einiges klarzustellen.

An erster Stelle zu Ihnen, lieber Herr von Brunn. Ich will ganz höflich bleiben, andernfalls würde ich sagen: unverschämt.

(Florian von Brunn (SPD): Jetzt haben Sie es doch gesagt!)

Sie behaupten, dass zwei Minister daran schuld seien, Herr Dobrindt und Herr Herrmann.

(Florian von Brunn (SPD): Und Herr Ramsauer auch!)

Herr von Brunn, das ist unbeschreiblich. Ich sage es hier an dieser Stelle: Wenn Sie es wünschen, bekommen Sie die Zahlen auch noch schriftlich geliefert. In der Bundesrepublik Deutschland werden Sie keine Stadt finden, wo das zugehörige Land so viele Millionen, Hunderte Millionen Euro, wenn man die letzten Jahre betrachtet, in den ÖPNV gesteckt hat.

(Florian von Brunn (SPD): Man merkt, Sie fahren nicht mit der S-Bahn, Herr Staatssekretär!)

Hören Sie doch zu, dann sagen Sie das das nächste Mal vielleicht nicht mehr!

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Florian von Brunn (SPD): Das war ja ein rauschender Applaus!)

Wenn Sie es wünschen, bekommen Sie diese Aufstellung sehr, sehr gerne.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass wir eine Metropolregion München nicht zweimal, dreimal oder viermal in Bayern haben. Wir sind eine Wachstumsregion, das ist ganz toll und ausgezeichnet. Mir fällt deshalb nur zu Herrn Kollegen Dr. Runge ein: Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.