ich bitte um etwas mehr Ruhe – über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – das ist die Drucksache 17/17173 – abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Frau Claudia
Stamm (fraktionslos). Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Nun rufe ich zur namentlichen Abstimmung den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/17552 auf und eröffne die Abstimmung. Fünf Minuten!
Die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Wir zählen außerhalb des Sitzungssaales aus. Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen. Bevor ich den nächsten Punkt aufrufe, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bezüglich des Antrags – –
Ich bitte doch um etwas Ruhe! – Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bezüglich des Antrags der Abgeordneten Harry Scheuenstuhl, Klaus Adelt, Stefan Schuster und Fraktion (SPD) betreffend "Zukunftsprogramm Westmittelfranken", Drucksache 17/16204, bekannt: Mit Ja haben 55 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 86 gestimmt; Stimmenthaltungen: 15. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Harald Güller, Horst Arnold u. a. und Fraktion (SPD) Sonderweg bei der Erbschaftsteuer beenden (Drs. 17/18270)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Mütze u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rechtssicherheit bei der Erhebung der Erbschaftsteuer wiederherstellen (Drs. 17/18251)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und bitte den ersten Redner, Herrn Dr. Kränzlein, zum Rednerpult.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Erbschaftsteuer ist immer ein sehr emotionales Thema. Wenn wir uns erinnern: Das Bundesverfassungsgericht hat das alte Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt, weil die übermäßige Verschonungsregelung für Firmenvermögen grundgesetzwidrig war. Dann hat die
GroKo einen Gesetzentwurf des Hauses Schäuble vorgelegt, der genau dem Rechnung getragen hat. Durch Intervention der CSU-Fraktion wurde dieser Entwurf dann noch einmal verwässert, und es wurde ein Erbschaftsteuergesetz in die Welt gesetzt, dem die SPD-Bundestagsfraktion ohne Koalitionseinbindung gar nicht hätte zustimmen können. Zur Handhabung des neuen Gesetzes haben die begünstigten Bundesländer einen gemeinsamen Anwendungserlass erarbeitet. 16 Bundesländer! Auch hier – das ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – ist die CSU ausgeschert und hat diesen Erlass in wesentlichen Teilen für die bayerischen Finanzbehörden aufgekündigt. Dagegen hat sogar der Bundesfinanzminister bei seinem bayerischen Kollegen Söder protestiert. So weit die augenblickliche Situation.
Bis heute fehlen immer noch die zu erarbeitenden Erbschaftsteuerrichtlinien, ohne die die Finanzämter in der Luft hängen, wenn sie Erbschaften steuerrechtlich behandeln müssen. Es ist ein Unding, was momentan gilt. Firmenvermögen werden in Deutschland völlig verschieden bewertet, je nachdem, wo die Steuer veranlagt wird. Sind die einen Erben in Bayern und die anderen nicht in Bayern, dann werden bei den Veranlagungen unterschiedliche Steuersätze erhoben. Die Steuerberater haben über ihre Berufsvertretungen deutlich erklärt, dass sie diese Handhabung und übrigens auch das Gesetz schon wieder für verfassungswidrig halten, weil eben die Verschonung so übermäßig ausgefallen ist.
Was will Bayern erreichen? Immer das Gleiche, man will Steuerflüchtlinge nach Bayern locken, um sich Sondervorteile herauszuschinden. Dafür nimmt man massiven Flurschaden in anderen Bundesländern in Kauf. Ein völliges Unding, das wir so nicht akzeptieren sollten!
Die beiden zu behandelnden Anträge zielen genau darauf ab, diesen unhaltbaren Zustand zu beenden und die Bayerische Staatsregierung anzuhalten, sich bundestreu und solidarisch zu verhalten. Wenn das nicht gemacht wird, dann prophezeie ich Ihnen, dass spätestens die Gerichte diesen bayerischen Sonderweg wieder aus der Welt schaffen werden.
Liebe CSU-Abgeordnete, ihr sollt euch durchaus vor Augen halten, dass Artikel 14 des Grundgesetzes nicht nur eine Eigentums- und Erbschaftsgarantie beinhaltet, sondern auch die Sozialbindung, die Verantwortung von Eigentum regelt. Wenn schon durch Arbeit verdientes Geld besteuert wird, muss erst recht leistungslos durch einen Erben erworbenes Vermögen
einer gerechten Besteuerung zugeführt werden. Das deutsche Steuerrecht ist sowieso recht maßvoll. Halten Sie sich einmal vor Augen, dass von 400 Milliarden vererbtem Vermögen dem Staat 6 Milliarden verbleiben. Da sind die Erträge aus der Tabaksteuer dreimal so hoch. Die Verschonung im Erbschaftsteuerrecht ist schon gigantisch.
Auch wir wollen weiterhin das Firmenvermögen nicht unverhältnismäßig besteuern, wenn es zur Erhaltung der Firma und für Investitionen in den Betrieb notwendig ist. Wir wollen Arbeitsplätze genauso schützen, aber wir wollen clevere Vermögensverschiebungen zwischen Firmen- und Privatvermögen verhindern. Wir wollen, dass von unproduktiven Firmenkonstruktionen, die sich ununterbrochen mithilfe von Steuerberatern zur Vermeidung von Erbschaftsteuer bilden, Abstand genommen wird.
Der Artikel 123 Absatz 3 der Bayerischen Verfassung hat Sie noch nie so richtig beeindruckt. Die Vermeidung von Riesenvermögen ist Ziel dieser Bestimmung. Das ist Verfassungsrecht.
Es gibt auf jeden Fall zu viele Möglichkeiten, Steuern zu vermeiden. Das gesamte Steuerberatungssystem ist darauf ausgerichtet, weniger Geld zu zahlen und sich nicht mehr zu engagieren …
Manche Reiche sind sich sehr wohl ihrer Verantwortung bewusst, aber hängen das nicht an die große Glocke. Andere … kümmern sich vor allem um Steuervermeidung und nutzen Lücken im Steuergesetz radikal aus …
Für mich steht die Frage im Vordergrund, wie wir unser Sozialsystem adäquat entwickeln. Der Kapitalismus hat die Eigenschaft, Geld nach ganz oben zu schmeißen. Insofern muss man es von dort nehmen.
Dieses Zitat stammt von einer Frau, die sozialdemokratischer Umtriebe nicht verdächtig ist. Dies hat Ise Bosch, die Enkelin des Firmengründers Robert Bosch, gesagt. Sie hat damit wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Da geht es nicht um Neidkomplexe, sondern einfach darum, dass Gerechtigkeit hergestellt wird, indem auch etwas von oben nach unten umverteilt wird, damit die Schere zwischen Reich und Arm, die viel zu weit offen ist, wieder ein Stück geschlossen wird. Stimmen Sie unseren Gesetzentwürfen bitte zu.
Frau Präsidentin! Lieber Kollege Kränzlein, jedes Wort, bis auf den letzten Satz – es sind keine Gesetzentwürfe, sondern Dringlichkeitsanträge, aber das macht Ihre Aussagen nicht falsch –, jedes Wort und jeden Satz, den Sie eben gesagt haben, kann ich unterstreichen. Deswegen müssen wir uns diesen Vorgang noch einmal genauer anschauen.
Vordergründig geht es um einen Erbschaftsteuererlass der Länder. Ich stelle fest, dass sich die Länder nach zwei Jahren Verhandlungen über die Erbschaftsteuerreform einigen. Die CSU stimmt dem Kompromiss im Bundesrat wie im Bundestag zu. Dann stellt die CSU in Bayern fest, dass wir es in Bayern trotzdem anders machen. Kollege Fackler hat bei der früheren Behandlung des Dringlichkeitsantrags erklärt, der Ländererlass widerspreche dem Geist des Kompromisses, die anderen Länder legten den Erlass falsch aus. Kollege Kränzlein hat damals schon festgestellt, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbstverständlich abweichende Anweisungen möglich seien, diese müssten aber regional begründet sein.
Wie lautet denn Ihre Begründung, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Es gibt keine Begründung außer der Aussage: Wir machen es in Bayern anders. Was lernen wir daraus? – Die CSU spielt in Bayern Bundespolitik, nimmt sich wichtig, plustert sich auf, blockiert und verhindert Lösungen, solange es geht – in diesem Fall sind es zwei Jahre –, und wird dann vertragsbrüchig, weil der Geist nicht stimmt. Unter diesem Aspekt muss man fast froh sein, dass die "Jamaika"-Verhandlungen gescheitert sind. Wer will denn mit Ihnen noch Vereinbarungen schließen, wenn man Ihnen nicht vertrauen kann? – Wir müssen immer damit rechnen, dass Sie uns von hinten ins Knie schießen, um dann im Nachgang zu sagen, für uns hat der Geist des Erlasses nicht gestimmt.
Wir GRÜNE sind mit dem gefundenen Kompromiss ganz und gar nicht zufrieden gewesen. Für uns GRÜNE gilt aber das, was Ihnen anscheinend egal ist: Vereinbarungen werden eingehalten. Auf unser Wort kann man bauen. Bei Ihrem Wort weiß man nie, woran man ist. Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie diese Einschätzungen ändern wollen, dann stimmen Sie heute beiden Anträgen zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition ist auf dem Holzweg. Wir schlagen den bayerischen Weg ein.
Dieser Weg hat schon oft zum Ziel geführt, weil es der richtige Weg ist und weil Bayern mit vielen Maßnahmen erfolgreicher ist.
(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Alle, die entgegenkommen, fahren falsch, das sagt jeder Geisterfahrer!)
Das Gesetz darf nicht nur in seinem Wortlaut gelten, sondern es muss auch nach dem Sinn und Zweck des Kompromisses ausgelegt werden. Das ist entscheidend. Dieser Kompromiss darf nicht durch die Hintertüre ausgehebelt werden. Das ist der maßgebliche Punkt in dem Erlass.
Es geht um eine angemessene und faire effektive Steuerbelastung. Es geht um den Schutz von Familienunternehmen, um den Schutz von Arbeitsplätzen, um eine betriebswirtschaftliche Sichtweise, und das ist keine Privilegierung. Wenn der Vollzug dem Kompromiss widerspricht, dann ist es eine Benachteiligung von Unternehmen. So schaut es aus. Die Verfassung, das Grundgesetz, sieht ein Recht auf Widerspruch vor.
Wenn ein Erlass gegen den parlamentarischen Willen geschaffen und damit ein Kompromiss aufgeweicht wird, spielen wir da nicht mit, Herr Kollege Halbleib. Läuft etwas falsch, ist der Widerspruch nicht nur ein Recht, sondern sogar eine Pflicht. Das wissen Sie auch.