Protokoll der Sitzung vom 25.02.2014

Zudem wirft der Gesetzentwurf abgesehen von der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Problematik mehr Fragen auf, als er Antworten liefert. So ist schon völlig unklar, was eigentlich Angelegenheiten von grundlegender und gesamtbayerischer Bedeutung sein sollen. Ihrem Gesetzentwurf kann man lediglich entnehmen, Herr Kollege Piazolo, dass Gesetzesvorhaben nicht darunter fallen können. Also müssen sie etwas anderes sein. Nun ist aber der Landtag in allererster Linie Gesetzgeber und ansonsten Kontrollorgan gegenüber der Staatsregierung. Was also ist im Rahmen der Zuständigkeit des Landtags eine Angelegenheit von grundlegender und gesamtbayerischer Bedeutung? Das können nur Akte der Exekutive sein; was denn sonst, wenn schon nicht Gesetzgebung? Dafür ist wiederum in allererster Linie die Staatsregierung zuständig und nicht der Bayerische Landtag, sodass die Frage zu beantworten ist, worauf Sie denn eigentlich abzielen, meine Damen und Herren.

Völlig unklar ist außerdem, wer bestimmt, ob eine Angelegenheit von grundlegender und gesamtbayerischer Bedeutung ist. Wer bestimmt das? Wir können es Ihrem Gesetzentwurf nicht entnehmen.

Ebenso unklar sind die Vorschriften zur Bindungswirkung des Ergebnisses einer Volksabstimmung. Sie schreiben, die Entscheidung soll im Ziel verbindlich sein, nicht aber in der Umsetzung. Was gilt denn nun, meine Damen und Herren? Fraglich ist schon, für wen das Ergebnis verbindlich sein soll: für die Staatsregierung, für den Landtag oder für beide? Kann eine Abstimmung die Staatsregierung und den Landtag auf der Basis des geltenden Verfassungsrechts binden, ja oder nein? Auch darauf geben Sie keine Antwort. - Ich

muss leider schon zum Ende kommen, wie ich gerade sehe; deswegen nur noch wenige Anmerkungen:

Zumindest eigenartig und aus unserer Sicht nicht überzeugend und durchaus erklärungsbedürftig ist auch Ihr Vorschlag, dass das Initiativrecht zwar bei der Mehrheit des Landtags und der Staatsregierung liegen soll, nicht aber bei der Minderheit. Wenn es bei der Staatsregierung liegen soll, kann ich mir schon vorstellen, welcher Art diese Abstimmung sein könnte. Das könnten letztendlich nur Jubelabstimmungen sein, die man sich bestellt. Das wollen wir nicht; deswegen haben wir einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht.

Ich kann mich noch an Ihre fast schon hämischen Ausführungen zu unserem Gesetzentwurf erinnern. Das war ein Gesetzentwurf auf einfachgesetzlicher Basis, der ohne Verfassungsänderung ausgekommen ist. Schließlich haben wir erst vor wenigen Monaten fünf Verfassungsänderungen über die Einführung von Volksbefragungen beschlossen. Ich hoffe, dass Sie nun verstehen, warum wir unseren Gesetzentwurf so und nicht anders vorgelegt haben und warum wir Ihren Gesetzentwurf mit großer Skepsis betrachten. Den heutigen Äußerungen von Frau Guttenberger entnehme ich, dass sich die Staatsregierung offensichtlich dem Vorschlag der SPD annähert. Das würde uns freuen; dann können wir über alles gemeinsam diskutieren. Jedoch glaube ich nicht, dass Ihr Gesetzentwurf eine Mehrheit finden kann.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schindler, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Aiwanger hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Schindler, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie heute das Hauptziel verfolgt haben, unseren Gesetzentwurf zu zerreden und davon abzulenken, dass die SPD seit Jahren und Jahrzehnten immer mehr Volksbeteiligung fordert, aber dann, wenn es um konkrete Schritte geht, zurückzuckt? Nun sind Sie auf Bundesebene Mitglied in einer schwarz-roten Koalition, doch auch dort sind Sie es bisher schuldig geblieben, Gesetzesvorstöße auf den Tisch zu legen, die mehr Volksbeteiligung ermöglichen. Wenn es konkret wird, zucken Sie zurück. Solange Sie der Opposition angehören, fordern Sie mehr Volksbeteiligung. Wenn es ernst wird, haben Sie plötzlich Angst vor dem Volk.

Danke schön. Herr Kollege Schindler, Sie haben das Wort.

Lieber Herr Kollege Aiwanger, ich schreibe es der Ihnen zuteil gewordenen Gnade des späten Eintritts in den Bayerischen Landtag zu, dass Sie die Anfänge nicht miterlebt haben und deswegen nicht wissen, dass Volksbegehren und Volksentscheide sozialdemokratische Erfindungen sind und dass wir seit 1946 bis heute keine Gelegenheit auslassen, die Möglichkeiten für Volksbegehren und Volksentscheide auszuweiten. Wir haben hier viele Gesetzentwürfe eingebracht. Wir bemühen uns auch auf Bundesebene darum.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Aber Sie haben noch kein Volksbegehren ins Ziel gebracht!)

Wir haben darüber erst vor wenigen Wochen diskutiert. Das Scheitern lag nicht an der SPD und auch nicht an der CSU, sondern an anderen, wie ich gehört habe. Wir bleiben dran. Wir haben im Übrigen auf Bundesebene auch eher als Sie, Herr Aiwanger, die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Darum erwarten wir auch Ergebnisse! Sie hätten die Chancen nutzen können!)

- Wir sind froh, dass Sie uns unterstützen.

Wir bleiben dran; Sie können sich darauf verlassen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Schindler. Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass die SPD zum Tagesordnungspunkt 3 namentliche Abstimmung beantragt hat. – Nun hat Frau Katharina Schulze von den GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Schindler, 1946 war ich zwar noch nicht geboren, aber glücklicherweise hat das Alter nichts damit zu tun, ob man in Sachen "direkte Demokratie" kompetent ist oder nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir zum aktuellen Thema. Im letzten Jahr hat Herr Seehofer in seiner Regierungserklärung mit blumigen Worten von mehr Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger gesprochen. Nun hat Frau Kollegin Guttenberger ausgeführt, auch die CSU möchte, dass die Bürgerinnen und Bürger mitsprechen. Ich frage die CSU-Fraktion: Wann liefert ihr denn ein Ergebnis, wann lasst ihr etwas verlauten?

Betrachten wir einmal, was bisher geschehen ist. SPD und GRÜNE haben im Januar im Plenum erste Vorschläge gemacht. Heute haben die FREIEN WÄHLER nachgezogen, aber von der CSU kommt wieder einmal nur heiße Luft und sonst gar nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Sehen wir uns den Gesetzentwurf näher an. Liebe FREIE WÄHLER, wir begrüßen es, dass ihr die Möglichkeit befürwortet, dass auch die Bevölkerung Volksabstimmungen initiieren kann. Folglich kann nicht nur der Landtag bestimmen, sozusagen eine Demokratie von oben, sondern auch das Volk kann demnach von unten Sachfragen auf das Tableau bringen. Trotzdem erkenne ich bei näherer Betrachtung des Gesetzentwurfs einige inhaltliche Punkte, über die wir noch diskutieren müssen. So verlangt ihr in eurem Gesetzentwurf, dass man nur über Angelegenheiten von grundlegender und gesamtbayerischer Bedeutung eine Volksabstimmung durchführen kann. Diese Bedingung halte ich für sehr unbestimmt. Mir wird nicht klar, was ihr damit genau meint. Vor allen Dingen fordert der Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER, dass über den Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfinden darf. Das geht uns GRÜNEN nicht weit genug.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir möchten, dass Bürgerinnen und Bürger auch über haushaltsrelevante Angelegenheiten mitentscheiden können. Immerhin gehen sie uns alle etwas an. Folglich soll die Bevölkerung auch dabei mitreden können.

Meine Kritik am Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER betrifft außerdem die Bedingung, dass es zwar eine Bindungswirkung geben soll, aber nur mit Umsetzungsspielräumen. Sie, Herr Piazolo, haben in Ihrem Redebeitrag vorhin ausgeführt, beispielsweise könne über eine dritte Startbahn abgestimmt werden, aber in der Frage, ob die Entscheidung dann umgesetzt wird, soll ein Umsetzungsspielraum bestehen. Da frage ich mich, wie das in der Praxis gehen soll. Wenn die Bürgerinnen und Bürger eine dritte Startbahn ablehnen und es hinsichtlich der Abstimmung einen Umsetzungsspielraum gibt, wird dann nur eine halbe Startbahn gebaut? Das erscheint mir kompliziert und schwierig. Deswegen fordern wir GRÜNEN: Eine Volksabstimmung muss eine absolute Bindungswirkung haben, sonst hat sie überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die aktuelle Gesetzeslage über Volksentscheide sieht ein dreistufiges Verfahren vor. Davon verabschieden sich die FREIEN WÄHLER, indem sie ein zweistufiges Verfahren verlangen. Zugleich fordern sie,

100.000 Menschen müssten unterschreiben, damit es überhaupt zu einer Abstimmung kommt. Ich habe keine Angst davor, Unterschriften zu sammeln. Die Opposition weiß, dass wir das gemeinsam mit unseren Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern sehr gut können. Ich nenne als Beispiele das Volksbegehren gegen Studiengebühren und das Bürgerbegehren der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER sowie Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern gegen die dritte Startbahn. Damals haben wir locker die benötigten Unterschriften gesammelt. Die Marke 100.000 halten wir GRÜNE jedoch für eindeutig zu hoch. Wir sehen die Gefahr, dass durch diese Regelungen Volksabstimmungen nur ein Recht sind, das auf dem Papier steht. Die Hürde ist aber eigentlich zu hoch, als dass Bürgerinnen und Bürger mit ihren Wünschen und Bedenken eine Volksabstimmung initiieren. Darum fordern wir eine Absenkung der Zahl der Unterschriften, die für eine solche Volksabstimmung benötigt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Prinzipiell halten wir es für charmant, sich über ein zweistufiges Verfahren Gedanken zu machen, also zusätzlich zu dem dreistufigen Volksentscheid eventuell einen zweistufigen einzuführen. Allerdings ist mir nicht ganz klar, warum wir nicht die Punkte beim Thema Volksentscheid verändern. Wieso führen wir ein weiteres Instrument ein, statt bei den Volksentscheiden gewisse Dinge zu ändern? Wir GRÜNE haben verschiedene Vorschläge, die wir immer wieder aufs Tableau gebracht haben und auch weiterhin aufs Tableau bringen werden, bis sie endlich umgesetzt sind und in diesem Land mehr Bürgerbeteiligung verwirklicht wird. Wir möchten zum Beispiel, dass die Eintragungshürde für Volksentscheide von 10 auf 5 % gesenkt wird. Außerdem sollte auch über haushaltsrelevante Fragen abgestimmt werden können. Schließlich sollte auch der Landtag einen Volksentscheid auf den Weg bringen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insgesamt läuft die Debatte in die richtige Richtung. Aus den Reihen der Opposition haben wir neue Ideen gehört, wie direkte Demokratie gelebt werden kann. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss. Vor allem freue ich mich auf die konkreten Vorschläge der CSU-Fraktion, damit sie endlich aus ihrem "Mehr-Bürgerbeteiligungs-Modus" und der Aktivierung in Sprechchören herauskommt. Sie sollten endlich einmal etwas anpacken, umsetzen und einen konkreten Vorschlag dazu machen. Ich freue mich auf die Debatte und bin schon sehr gespannt.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Danke schön, Frau Kollegin. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich dagegen nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Volkmar Halbleib, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD) zur Durchsetzung eines Mindestlohns in Bayern und zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestlohn bei öffentlichen Auftragsvergaben in Bayern (Drs. 17/58) - Zweite Lesung

Von der SPD ist zu diesem Gesetzentwurf namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierfür eine Redezeit von acht Minuten pro Fraktion vereinbart. Als Erster hat Herr Kollege Bernhard Roos von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege, Sie sind dran.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben deswegen namentliche Abstimmung beantragt, weil sich immer auffällig viele Kolleginnen und Kollegen, namentlich der CSUFraktion, verdrückt haben und einer Abstimmung zu diesem Thema ferngeblieben sind.

(Erwin Huber (CSU): Das gibt es gar nicht!)

- Das kann überhaupt nicht sein. Herr Huber, es ist klar, dass Sie hier diesen Zwischenruf machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, es ist nicht das erste Mal, dass sich der Bayerische Landtag, dieses Hohe Haus, mit dem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn auf Antrag der SPD beschäftigt. Ich will einwerfen, dass ich für die Kollegin Annette Karl, die Vorsitzende des Arbeitskreises "Wirtschaft" in der SPD-Fraktion, spreche, die heute stimmlich nicht dazu in der Lage ist. Ich werde versuchen, das weitestgehend auszugleichen. Die Thematik ist mir als Gewerkschafter wohlvertraut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, blicken wir nach Süden, nach Rom, wo derzeit die Kardinäle beraten, wie sie den Kurs der Kirche ändern. Es würde nicht schaden, wenn gerade die sogenannte christliche Fraktion auf der rechten Seite dem mehr Aufmerksamkeit zollen würde, was uns Papst Franziskus zur Freude am Evangelium zu sagen hat.

(Ingrid Heckner (CSU): Die "sogenannte" christliche Fraktion?)

Ich zitiere: "Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit." Diese Mehrheit, die von dem, was sie verdient, nicht leben kann, gibt es auch bei uns in Bayern. Wir haben Antworten. Herr Kollege Franz Schindler hat betont, dass es schon seit 1946 in der Bayerischen Verfassung den Artikel 151 Absatz 1 gibt, der die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dem Gemeinwohl unterwirft. In Artikel 169 Absatz 1 steht - ich zitiere erneut -: "Für jeden Berufszweig können Mindestlöhne festgesetzt werden, die dem Arbeitnehmer eine den jeweiligen kulturellen Verhältnissen entsprechende Mindestlebenshaltung für sich und seine Familie ermöglichen." Das gilt noch immer. Im Jahr 2008 haben der Deutsche Gewerkschaftsbund in Bayern und die SPD einen gemeinsamen Gesetzentwurf über ein Volksbegehren eingebracht.

Diese Verweigerung durch die CSU kostet den Fiskus, den Steuerzahler, alljährlich etwa 175 Millionen Euro. Jetzt könnte man sagen: Das zahlt nicht der Freistaat aus seinem Säckel, die Bundesagentur für Arbeit stockt hier auf. Manche Wechselwirkungen treffen aber auch die Kommunen in Bayern. Darum wäre es nachgerade lästig und ärgerlich, wenn dies so stehen gelassen würde. Gute Arbeit braucht guten Lohn!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in wenigen Tagen, am 8. März, ist der Internationale Frauentag. Frauen sind in erster Linie betroffen; gerade bei ihnen wird besonders lässig mit der Lohngestaltung umgegangen. Deshalb müssen wir hier mehr tun.

(Beifall bei der SPD)

- Danke schön. Ich erwarte mir aber nicht nur von den Damen in diesem Hause Applaus, sondern auch von den Herren.

(Jürgen W. Heike (CSU): Da haben Sie Pech gehabt!)