Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Wir wollen ein eigenes Schutzprogramm für die mageren Flachland-Mähwiesen, ein FFH-Lebensraumtyp, der uns wirklich zwischen den Fingern hindurchrinnt, der verschwindet und für den Sie nichts, aber

auch gar nichts tun. Deshalb dieser Antrag; wir brauchen hierfür ein Schutzprogramm. Im Paartal sind im Vergleich zum Standarddatenbogen, wo noch 558 Hektar gemeldet sind, bei dem jetzt erstellten Pflegeplan noch ganze 18,5 Hektar übrig.

Das ist Naturschutz à la CSU in Bayern. Europaweit geschützte Lebensräume verschwinden einfach. Deshalb brauchen wir dringend und zwingend dieses Schutzprogramm für diese Lebensräume.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir fordern auch, dass die im Arten- und Biotopschutzprogramm vorgeschlagenen Naturschutzgebiete, Landschaftsbestandteile etc. jetzt endlich unter Schutz gestellt werden. Bei den Schutzgebieten liegen wir im deutschlandweiten Vergleich allenfalls im Mittelfeld, eher in der unteren Hälfte. Da besteht ganz gewaltiger Handlungsbedarf. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag und zu allen zehn Anträgen insgesamt.

Was den Natur- und Artenschutz in Bayern anbelangt, ist es nicht mehr fünf vor zwölf, sondern eins vor zwölf. Sorgen Sie dafür, dass Sie noch vor High Noon in die Gänge kommen, meine Damen und Herren von der CSU!

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schorer-Dremel von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung hat bereits 2008 mit der Bayerischen Biodiversitätsstrategie einen neuen Rahmen für den Naturschutz in den kommenden Jahrzehnten gesetzt. 2014 wurde die Biodiversitätsstrategie durch das zusätzliche Biodiversitätsprogramm Bayern 2030 deutlich ergänzt. 180 konkrete Umsetzungsmaßnahmen sorgen für eine klare Strategie. Die Ausrichtung des Biodiversitätsprogramms bis 2030 zeigt, dass der Erhalt der Arten- und Lebensraumvielfalt auch langfristig im Fokus der Staatsregierung und ihrer Politik stehen wird. Der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist eine der zentralen Zukunftsaufgaben. Dazu bekennen wir uns, und dafür tun wir auch ziemlich viel. Aber wir brauchen – auch das muss man sagen – einen langen Atem.

Mit der Umsetzung des Biodiversitätsprogramms 2030 wurde bereits umfassend begonnen. Auch das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

hat seine Bemühungen deutlich verstärkt. Beispielsweise haben wir mit über hundert Artenhilfsprogrammen und dem Aktionsprogramm Bayerische Artenvielfalt bedrohte Arten wie zum Beispiel die Kleine Hufeisennase und das Bayerische Löffelkraut gerettet. Über 400 BayernNetzNatur-Projekte haben entscheidend zur Verbesserung des Biotopschutzes und des Biotopschutzverbundes beigetragen.

Es stehen große Aufgaben vor uns, wie die aktuelle Debatte über den Rückgang der Insekten zeigt. Insofern ist es nicht verkehrt, wenn wir hier mit gemeinsamen Vorschlägen in die Zukunft schauen. Aber – das möchte ich vorausschicken – wir müssen uns diese Vorschläge der Opposition im Detail anschauen und überlegen, wie sie sinnvoll umzusetzen sind, und vor allem wie es mit der Umsetzbarkeit aussieht. Dazu haben wir uns auch im Ausschuss schon ausgiebig ausgetauscht. Im Folgenden werde ich zu fünf Anträgen Stellung nehmen, den Rest wird mein Kollege Martin Schöffel übernehmen.

Zu Antrag I, "Aktualisierung der Roten Liste der Wildbienen Bayerns": Die letzte Version der Roten Liste gefährdeter Bienen aus Bayern stammt aus dem Jahr 2003. Da sind wir uns einig: Eine Aktualisierung ist daher dringend notwendig. Aber gerade weil die Bayerische Staatsregierung auf aktuelle Rote Listen zurückgreifen möchte, hat man bereits vor geraumer Zeit beim Landesamt für Umwelt eine Aktualisierung in Auftrag gegeben. Das LfU überarbeitet derzeit die Rote Liste für alle bedrohten Tierarten. Wir haben den Antrag deswegen dahingehend gemeinsam geändert, dass das LfU beauftragt wird, die Rote Liste zu den Wildbienen vorrangig fertigzustellen. Deshalb haben wir den Antrag insofern geändert und vorgeschlagen, bei der Aktualisierung der Roten Liste die Wildbienen vorzuziehen. Diesem Antrag haben alle zugestimmt.

Zu Antrag Nummer IV, "Forschung Klimakatastrophe und Biodiversität – Neuorientierung des Schutzgebietsregimes": Der Klimawandel ist eine große Bedrohung für heimische Arten und unsere Biotope. Deswegen werden in Bayern seit vielen Jahren Forschungsprojekte durchgeführt, die sich dem tatsächlichen Gefahrenpotenzial des Klimawandels und möglichen Gegenmaßnahmen widmen. Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat wichtige Vorhaben im Rahmen der Klimaforschung befördert. Die Ergebnisse können wir alle unter anderem im "Klima-Report Bayern 2015" nachlesen.

Da sich die Auswirkungen des Klimawandels nicht nur auf die Natur in Bayern beschränken, sind auch die Ergebnisse nationaler und internationaler Studien relevant. So ist zum Beispiel die Klimasensitivität von Tierarten bereits im Auftrag des Bundesamts für Na

turschutz auf nationaler Ebene beurteilt worden. Alle verfügbaren Erkenntnisse werden bei der Planung von Naturschutzmaßnahmen in Bayern bereits berücksichtigt.

Deswegen meinen wir, dass es nicht notwendig ist, mit einem weiteren bayerischen Forschungsprogramm die Auswirkungen des Klimawandels für alle heimischen Arten und Ökosysteme erneut und umfassend zu klären. Es gibt bereits bestehende Analysen zu diesem Thema, auf die wir zurückgreifen können. Aus unserer Sicht ist es wichtiger, das Geld in konkrete Gegenmaßnahmen zu investieren, als in neue Studien.

(Beifall bei der CSU)

Bayern konzentriert sich weiterhin auf eine angepasste Umsetzung von Schutzmaßnahmen und gegebenenfalls auf die spezifische Erforschung noch verbliebener offener Fragestellungen. Deswegen haben wir Ihren Antrag abgelehnt.

Zum Antrag V, "Aktualisierung der Biotopkartierung Bayern": Für vier Landkreise – Freyung-Grafenau, Neustadt an der Aisch, Dillingen und Weilheim-Schongau – ist diese bereits kurz vor der Fertigstellung. Es folgen Passau, Miltenberg, Erlangen-Höchstadt und Bayreuth.

Kürzere Aktualisierungszeiträume werden angestrebt, möglichst alle zehn Jahre. Aber auch da müssen wir realistisch sein: Die aktuellen finanziellen und personellen Ressourcen des LfU reichen leider nicht aus, um die Aktualisierung aller ausstehenden Landkreise bis 2020 abzuschließen. Man muss einmal schauen: Die Kosten für einen Landkreis liegen bei circa 300.000 Euro, in einem Alpenlandkreis deutlich höher. Dann brauchen wir zeitintensive, EU-weite Ausschreibungen. Ganz entscheidend wichtig ist auch, ob aktuell Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Wir brauchen die Biotopkartierung als zentrale Datengrundlage, das ist vollkommen richtig. Wir bitten aber um Verständnis dafür, dass der Umsetzung gewisse personelle und finanzielle Grenzen gesetzt werden. Es wird jetzt bereits ein Fortbildungsprogramm aufgelegt. Wir versuchen, das aufzugreifen.

Zu Antrag VI, "Blühende Wiesen bewahren – Schutz der mageren Flachland-Mähwiesen": Auch hier werden bei der Antragstellung zum Vertragsnaturschutz Flachland-Mähwiesen bereits voll berücksichtigt. Im Zuge der Neuauflage des VNP 2015 soll eine Erhöhung der Mittel für den Vertragsnaturschutz um 10 Millionen Euro erfolgen, das heißt, seit 2014 haben wir 25 % mehr Flächen, Tendenz steigend.

Unser vorhandenes Bayerisches Vertragsnaturschutzprogramm – VNP – reicht also vollständig aus.

Zu Antrag IX, "Einrichtung eines Insektenmonitorings in Bayerns Agrarlandschaft": Auch hier haben wir in der letzten Umweltausschusssitzung wichtige Weichen gestellt, um belastbare Grundlagen zu bekommen. Wir gehen hier aus unserer Sicht in die richtige Richtung, um langfristig ein Dauermonitoring zu etablieren.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, entscheidend wichtig ist, was im Detail machbar ist. Das haben wir bei den Anträgen ernsthaft geprüft. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege von Brunn von der SPD das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind der GRÜNEN-Fraktion sehr dankbar für die Anträge, die nicht nur notwendig sind, sondern auch die Gelegenheit bieten, dieses wichtige Thema zu diskutieren.

Und um einen Punkt aufzugreifen, der gerade zur Sprache kam: Im Gegensatz zu Bayern liegen im Bund sehr wohl Zahlen vor, die eine Gesamtschau auf das Problem ermöglichen. Als Beispiel nenne ich die Rote Liste der gefährdeten Biotope, die Barbara Hendricks im Mai dieses Jahres vorgestellt hat. Knapp zwei Drittel der Biotope in Deutschland sind gefährdet und drohen zerstört zu werden oder verloren zu gehen.

Auch sehr wichtig ist der Indikatorenbericht 2016, der für Deutschland eine mehr als negative Entwicklung für den Naturschutz und die Tier- und Pflanzenarten aufgezeigt hat.

Der entscheidende Indikator für Artenvielfalt und Landschaftsqualität, der gebildet wird aus der Entwicklung von 51 Vogelarten, die die wichtigsten Landschafts- und Lebensraumtypen repräsentieren, dieser Indikator lag 1970 bei einem Wert von 107; im Jahr 1990 nur bei noch 77 und im Jahr 2013 bei 68. Das deutet an, welchen Verlust wir an Natur und Landschaft erlitten haben. Nach dieser wichtigen Kennziffer sind es um die 40 %.

Wenn Sie nun meinen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Probleme beträfen nicht Bayern, täuschen Sie sich gewaltig. Im Gegenteil! Wenn die Staatsregierung und die Regierungspartei CSU so

weitermachen wie bisher, müssen sie bald die Hand zum umweltpolitischen Offenbarungseid heben.

(Beifall bei der SPD)

Die ganz nüchternen Zahlen und Fakten aus Ihren eigenen Schubladen, meine Damen und Herren von der CSU, dokumentieren Ihr Versagen im Naturschutz und im Artenschutz. Ich nenne zum Beispiel die Daten aus dem Biodiversitätsprogramm Bayern 2030 von 2014. Ich zitiere wörtlich: "Die Zahl der Arten, die vom Aussterben bedroht sind, wächst weiter, und das nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in Bayern".

Von den Tieren, Pflanzen und Pilzen, die für die Roten Listen untersucht wurden – so Ihr Programm – sind über 40 % bedroht, und zwar – so die Staatsregierung wieder wörtlich – "trotz aller Schutzmaßnahmen". Nach diesen Daten hat Bayern bereits fast 6 % seiner Tierarten und 3,5 % seiner Pflanzenarten verloren.

Auch der Bericht über den Zustand des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 ist für Bayern erschreckend. Mehr als die Hälfte der bewerteten Lebensraumtypen und -arten befindet sich in einem ungünstigen oder schlechten Erhaltungszustand.

Die SPD-Fraktion hat in dieser Legislaturperiode eine große Anfrage, eine Interpellation, zum Zustand der Natur in Bayern gestellt. Die Antwort der Staatsregierung war erstaunlich offen. Ich rufe das gern in Erinnerung. Bezüglich der Artenvielfalt räumt die Staatsregierung in Bayern massive Defizite ein. Ich zitiere: "Der tiefgreifende Landschafts- und Nutzungswandel hatte enorme Verluste an Biodiversität zur Folge."

Es gebe zwar vereinzelt Erfolge, aber die eigenen Aktivitäten – so die Staatsregierung in ihrer Antwort – seien nicht ausreichend, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

In der Antwort auf unsere große Anfrage werden als Ursache von der Staatsregierung die Probleme der Intensivlandwirtschaft in einer für sie erstaunlich offenen Weise angesprochen. Ich zitiere immer wieder gerne aus der Antwort: "Der Nutzungswandel in der Landwirtschaft hat die Lebensgemeinschaften der offenen Kulturlandschaft verändert und an Arten und Individuen drastisch reduziert."

Auch der Rückgang des überwiegenden Teils der Arten der Roten Liste sei – so die Staatsregierung wörtlich – auf die intensive landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSUFraktion, wenn das von der Opposition kommen würde, würden Sie das – unbelehrbar wie Sie sind – lauthals bestreiten. Aber es kommt von Ihrem Ministerium, und insofern dürfte es Ihnen sehr schwerfallen, das einfach vom Tisch zu wischen.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch gerne die von Ihnen viel kritisierte Barbara Hendricks zitieren, und zwar aus ihrer Rede zum zehnjährigen Bestehen der nationalen Biodiversitätsstrategie im Mai 2017. Sie hat gesagt: "für mich war immer klar, dass den Landwirtinnen und Landwirten kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn sie aus betriebswirtschaftlichen Gründen den – für die biologische Vielfalt sehr abträglichen – Vorgaben der Agrarpolitik folgen."

Daraus folgt für die Umweltministerin, dass die Agrarpolitik neu ausgerichtet werden muss. Es muss mehr Naturschutz in der Landwirtschaft geben. Sie hat das im Jahre 2016 auf dem Deutschen Naturschutztag gesagt: "Eine natur- und umweltverträgliche Landwirtschaft muss sich lohnen. Sie muss konkurrenzfähiger sein als eine Landwirtschaft, die Vögel, Schmetterlinge, Wildbienen, blütenreiches Grünland und natürliche Auen verschwinden lässt."

Dazu gehört natürlich auch die deutliche Reduzierung des Dünger- und Pestizideinsatzes. Auch hier kann ich nur wieder auf Ihre Antwort auf unsere Interpellation verweisen. Zitat: "Ziel ist es, Dünge- und Pflanzenschutzmittel nur so viel wie unbedingt nötig und so wenig wie möglich einzusetzen."

Die CSU kann nun beweisen, ob es ihr damit ernst ist. Unterstützen Sie Barbara Hendricks und die Europäische Kommission bei dem europaweiten kompletten Verbot des schlimmsten Bienenkillers, der Neonicotinoide.

(Beifall bei der SPD)

Leider kündigt sich auch hier schon wieder ein LobbyAlleingang des Herrn Schmidt an, im Dienste und zum Gefallen der Agrochemiekonzerne.