Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Leider kündigt sich auch hier schon wieder ein LobbyAlleingang des Herrn Schmidt an, im Dienste und zum Gefallen der Agrochemiekonzerne.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, Natur- und Artenschutz sind kein Hemmschuh; denn nur einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung gehört die Zukunft.

Noch wichtiger aber ist der Schutz unserer eigenen Lebensgrundlagen. Das lässt sich nirgends besser erläutern als bei dem brandgefährlichen Thema Bienen- bzw. Insektensterben. Um fast 80 % ist die Biomasse an Fluginsekten nach einer aktuellen wissenschaftli

chen Studie in Nord- und Nordwestdeutschland zwischen 1989 und 2015 zurückgegangen. Auch aus Bayern gibt es entsprechende Hinweise. Forscher der Zoologischen Staatssammlung haben festgestellt, dass die bayerischen Schmetterlingsbestände in den letzten 50 Jahren im Durchschnitt um 90 % eingebrochen sind. Die Folgen davon können fatal sein; denn drei Viertel aller Nutzpflanzen werden weltweit von Insekten bestäubt. Sterben die Bienen und andere bestäubende Insekten, gibt es diese Bestäubung nicht mehr. Dann gibt es zum Beispiel auch viel weniger Äpfel, Pflaumen oder Tomaten. Bei den Wildpflanzen sind es sogar fast 90 %, die auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen sind.

Insekten haben auch noch andere wichtige Rollen im Ökosystem. Sie sind nicht nur Bestäuber, sondern sind auch Aas- bzw. Dungfresser und auch Nahrungsquelle für andere Tiere. Sterben die Insekten, dann verhungern auch andere Tiere; das betrifft Fische, Vögel, Fledermäuse, Mäuse und sogar Igel.

Als mögliche Ursachen für das Insektensterben nennen Wissenschaftler den Verlust an Lebensraum und den ungebremsten Einsatz von Dünger und Pestiziden. Es ist dringend notwendig, dass hier endlich schnell weitere Daten auch in Bayern erhoben werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokraten haben dazu kürzlich selbst einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, damit dies passiert. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass jetzt endlich gehandelt wird, nach einem grundsätzlichen Prinzip des europäischen Umweltrechts und auch des deutschen Umweltrechts, nämlich nach dem Vorsorgeprinzip.

Das Artensterben – das attestieren auch die Vereinten Nationen – ist inzwischen ein weltweites Problem. Forscher gehen davon aus, dass die globale Aussterberate pro Jahr derzeit etwa tausendmal höher liegt als die natürliche Aussterberate. Deswegen ist es dringend geboten, liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Natur- und Artenschutz endlich auch in Bayern die notwendige Bedeutung zukommen zu lassen – für die Erhaltung unserer eigenen natürlichen Lebensgrundlagen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu tragen auch die heute vorliegenden Anträge der GRÜNEN bei, denen wir gerne in allen Punkten zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Kraus von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Guten Morgen beinand! Sehr geehrtes Präsidium, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin angenehm überrascht, dass doch scho so vui Leit do san. Gestern Nacht habe ich vermutet, dass wir heute vielleicht vor noch leereren Rängen sprechen müssten.

(Volkmar Halbleib (SPD): Bei so guten Rednern doch nicht!)

Nun zum Thema! Bereits zum zweiten Mal in nur wenigen Monaten unterhalten wir uns hier im Hohen Hause über den Naturschutz in Bayern.

Im vergangenen September haben wir uns über die Interpellation der SPD ausgetauscht und dabei natürlich sehr lebhaft diskutiert. Die zehn Anträge der GRÜNEN, über die wir jetzt sprechen, waren damals schon ein großer Teil dieses Themas. Viele dieser Anträge sind richtig und sinnvoll. In einigen Bereichen muss dringend etwas getan werden.

Nun zu den einzelnen Anträgen. Ich begrüße ebenfalls, dass die CSU dem ersten Antrag zur Aktualisierung der Roten Liste der Wildbienen Bayerns zugestimmt hat. Herr Kollege Magerl hat es schon erwähnt: Wir alle haben heute vor uns einen Landtagshonig stehen. Woher kommt dieser Honig? – Natürlich von den Bienen. Das ist uns allen bewusst. Das Bienensterben ist ein erschreckendes Thema. Deshalb stimmen die FREIEN WÄHLER diesem Antrag zu.

Die letzte Version der Roten Liste stammt aus dem Jahr 2003. Seitdem ist sehr viel passiert. Aktuelle Listen sind eine Arbeitsgrundlage, auf der wir aufbauen können. Nur auf der Grundlage richtiger und aktueller Zahlen können Handlungsempfehlungen abgegeben werden. Das gilt auch für die Aktualisierung der gefährdeten Bodenorganismen. Darum geht es im nächsten Antrag. Von unserer Seite kündige ich die Zustimmung zu diesem Antrag an.

Auch wenn nach Auskunft des Naturkundemuseums in Görlitz nur zwei von 47 Regenwurmarten gefährdet sind, erscheint es doch mehr als sinnvoll, dass darüber genauere Untersuchungen seitens der Staatsregierung durchgeführt werden. Mir ist wichtig: Ein Großteil der Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Diese Flächen müssen in den Hochwasserschutz einbezogen werden. Herr Kollege Dr. Magerl, Sie kennen Herrn Braun, der in der Nähe von Freising Versuche durchgeführt hat. Ein guter landwirtschaftlicher Boden

kann bis zu 800 Liter Wasser aufnehmen. Sollten wir es schaffen, die Böden in dieser Richtung noch besser zu nutzen, würde uns das für den Hochwasserschutz sehr viel bringen.

Die pauschale Ausweisung von Naturschutzgebieten, die im nächsten Antrag gefordert wird, lehnen die FREIEN WÄHLER jedoch ab. Laut den Unterlagen gibt es in Bayern mittlerweile 398 Naturschutzgebiete. Diese Zahl ist aus unserer Sicht ausreichend. Viel bedeutsamer und nachhaltiger wäre es, alles dafür zu tun, diese ausgewiesenen Gebiete entsprechend zu pflegen, um den hohen Wert dieser Flächen zu erhalten. Des Weiteren muss dafür Sorge getragen werden, dass zum Beispiel die bestehenden Ausgleichsflächen, die einen hohen Beitrag zur Biodiversität leisten, nicht aus der Nutzung genommen werden und dann verkümmern. Hier müssen wir wirklich ansetzen.

Der nächste Antrag beschäftigt sich mit den Themen Forschung und Klimakatastrophe. Auch zu diesem Antrag Zustimmung von den FREIEN WÄHLERN, wie bereits im Ausschuss angekündigt. Der Erhalt der biologischen Vielfalt über die Bayerische Biodiversitätsstrategie ist uns sehr wichtig. Diese Zielsetzung sollte in verschiedenen Arbeitsgruppen umgesetzt werden. Einer Intensivierung dieser Arbeit und einer weiteren Erforschung dürfte nichts entgegenstehen. Deshalb, ich habe es erwähnt, Zustimmung zu diesem Antrag.

Zur Aktualisierung der Biotopkartierung Bayern: Auch diesem Antrag stimmen wir zu. Nebenbei bemerkt, Sie dürfen sich freuen, dass wir so vielen Anträgen zustimmen. Wir FREIEN WÄHLER sind der Ansicht, dass aktuelle Daten Grundlage für die weiteren Entscheidungen sein müssen. Daher muss die bayernweite Biotopkartierung aktualisiert werden. Die Karten dürfen nicht veraltet sein. Die Landkreise – wir kennen die Liste –, die diese Kartierung noch nicht umgesetzt haben, sind aufgefordert, die Erfüllung dieser Aufgabe durch mehr Personal zu unterstützen.

Beim Antrag zum Schutz der mageren FlachlandMähwiesen befinden sich die FREIEN WÄHLER etwas in der Mitte. In den letzten Jahren ist die Zahl dieser Wiesen durch Umbruch, Aufdüngung und Nutzungsintensivierung extrem stark zurückgegangen, trotz verschiedener Förderungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzprogramms. Der Erhalt dieser Flächen ist ein gesellschaftliches Anliegen und sollte nicht allein zulasten der Praktiker und der Eigentümer vor Ort gehen. Finanzielle Anreize und der Ausgleich möglicher Verluste sind daher notwendig, damit wir wieder mehr Landwirte für diese Programme gewinnen. Wir lehnen jedoch ein Gesetz für den Schutz des Biotoptyps "Magere Flachland-Mähwiesen" ab. Des

halb enthalten wir uns zu diesem Antrag der Stimme. Das muss auch einmal möglich sein.

Zum Antrag "Keine Pestizide in Naturschutzgebieten": Wir FREIEN WÄHLER setzen uns für einen maßvollen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln ein. Deswegen sind wir für ein zeitnahes Verbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat, das in der letzten Zeit sehr berühmt geworden ist. Wir halten jedoch ein Komplettverbot von Pestiziden in Naturschutzgebieten nicht für sinnvoll. Jeder von uns kennt Regionen, in denen die Insekten überhandnehmen, zum Beispiel der Prozessionsspinner. An Seen oder Flussufern sind die Insekten zum Teil derart stark vertreten, dass der Tourismus darunter leidet. Hier muss eine Rückfallebene bestehen und der gezielte Einsatz dieser Mittel möglich sein.

Den Antrag zur Vervollständigung des Netzes der Naturwaldreservate lehnen wir ab. Tagtäglich werden Anstrengungen zum Erhalt und zur Pflege von Naturwaldreservaten unternommen. Die Vernetzung ist in den vergangenen Jahren erweitert worden. Bei uns steht jedoch der Grundsatz "Schützen durch Nützen" über allem. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

In dem Antrag auf Einrichtung eines Insektenmonitorings sehen wir einen wichtigen Schritt. Das ist ein guter Antrag, deshalb Zustimmung.

Jetzt wird meine Zeit etwas knapp. – Den zusammenfassenden Antrag, "Bayerns Beitrag zur weltweiten Artenvielfalt", unterstützen wir. Die Veröffentlichung sämtlicher Listen führt zu einer erhöhten Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Eine Berücksichtigung dieser Arten bei öffentlichen Vorhaben ist für das Ziel, Strategien für überlebensfähige Populationen zu entwickeln, durchaus sinnvoll. Deshalb unterstützen wir diesen Antrag.

Ich möchte betonen, dass es viele Handlungsfelder gibt, bei denen die Politik der Staatsregierung verbesserungsfähig wäre. Wir haben viele Möglichkeiten, den Natur- und Artenschutz in Bayern zu verbessern, ohne dabei die Bevölkerung oder die Grundstückseigentümer zu beeinträchtigen, und das sind nicht nur Landwirte. Jeder von uns weiß, dass von den Teilungen und Realteilungen zu einem Großteil Grundstücke von Leuten betroffen sind, die nicht in der Landwirtschaft tätig sind. Das dürfen wir in der ganzen Diskussion nicht vergessen.

Ich möchte noch ein paar Anmerkungen zum Redebeitrag des Herrn Kollegen Florian von Brunn machen. Sie haben von einem unbegrenzten Einsatz von Düngern und Pestiziden gesprochen. Dazu muss ich sagen: Der Naturschutz ist wichtig. Darüber brauchen wir nicht zu reden. Lebensmittel sind aber auch wich

tig. Der beste Naturschutz nützt nichts, wenn wir keine Lebensmittel haben, um unsere Bevölkerung ernähren zu können. Wir wissen, wie viele Bürger ein Landwirt vor 100 Jahren, vor 50 Jahren oder vor 20 Jahren ernährt hat und wie viele er heute ernährt. Die Zahl der Landwirte sinkt, die Bevölkerung wächst. Die Lebensmittel sind gesund. Das beweisen Studien, die uns aufzeigen, wie alt wir inzwischen werden können, dank gesunder Lebensmittel und der Versorgungssicherheit. Bitte dreschen Sie nicht wieder pauschal auf die Landwirtschaft ein.

Herr Kollege, darf ich Sie an die Zeit erinnern?

Ich bedanke mich und bin gespannt auf die Wortmeldung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. – Herr Kollege von Brunn hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Lieber Herr Kollege Kraus, ich habe gerade die Bundesumweltministerin von der SPD zitiert, die gesagt hat, dass eine falsche Landwirtschaftspolitik den Landwirtinnen und Landwirten das Leben schwer mache und sie zu betriebswirtschaftlichen Schlüssen verleite. Ich weiß nicht, ob Ihnen die Studien des Umweltbundesamtes bekannt sind. Würden Sie die Studie zur Pestizidminimierungsstrategie kennen, dann wüssten Sie, dass der Einsatz von Pestiziden um 50 % verringert werden könnte und dabei nur bei den wichtigsten Getreidearten Ertragseinbußen um die 8 % entstehen würden. Vielleicht können Sie dazu Stellung nehmen. Mich würde interessieren, ob Ihnen diese Fakten überhaupt bekannt sind.

Danke schön. – Herr Kollege Kraus, Sie haben das Wort.

Herr Kollege von Brunn, vielen Dank. Alle Studien kenne ich nicht auswendig, aber im Großen und Ganzen schon. Ich habe diesen Beruf gelernt und immer schon lebhafte Diskussionen geführt. Ich nenne als Beispiel die Kraut- und Knollenfäule bei den Kartoffeln, die Phytophthora infestans. Bei dieser Krankheit gab es Versuche, bei denen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert wurde. Das Ergebnis waren geringere Erträge, was durchaus vertretbar wäre.

Ich habe aber auch meine eigenen Erfahrungen gemacht. In einem Jahr, das witterungsbedingt sehr schlimm ist, bedeutet der Verzicht auf Pflanzenschutz

mittel, dass man nicht weniger Ertrag, sondern null Ertrag hat. Sobald die Infektionen in der Knolle sind, verfault die ganze Ernte in der Erde. Das kann auch nicht der Sinn und Zweck der Sache sein.

Wir alle sind uns einig, dass die jetzige Generation der Landwirte perfekt ausgebildet ist. Wir kennen die Ausbildungszahlen an den ökologischen Zentren. Gerade junge Landwirte gehen diesen Weg, und zwar nicht nur aus reinem Überlebensdrang oder weil sie meinen, mehr Geld verdienen zu können, sondern sie stehen mit Überzeugung dahinter. Ich bin zu 100 % der Überzeugung, dass die jetzige Generation der Landwirte mit Pflanzenschutzmitteln sehr verantwortungsvoll und sehr bewusst umgeht.

(Florian von Brunn (SPD): Wie wollen Sie das Insektensterben stoppen?)

Ich bitte aber, nicht wieder die ganze Schuld der Landwirtschaft zu geben und mit polemischen Schlagworten wie Ackergiften zu arbeiten. Die Landwirtschaft hat sicher ihren Teil zum Insektensterben beigetragen, aber nicht zu 100 %. Jeder Bürger hat in seinem ganz normalen Haushalt alle möglichen chemischen Mittel zum Putzen seiner Wohnung. Diese gelangen dann in die Kläranlagen. Ich könnte jetzt wieder Kollegen Magerl zitieren, der mir gesagt hat, welche Düfte man mitbekommt, wenn man am Speichersee steht, was also über die erste Kläranlage in München hinausläuft. Jeder muss sich also an die eigene Nase fassen, statt nur pauschal die Landwirtschaft zu verurteilen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Kollege Schöffel von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns in diesem Hohen Haus und auch im zuständigen Fachausschuss schon oft über das wichtige Thema Artenvielfalt und Biodiversität ausgetauscht. Die Kollegin Tanja SchorerDremel hat schon auf unsere Initiativen hingewiesen, die wir in diesem Bereich eingebracht haben. Es werden aber auch immer wieder die gleichen Dinge unverbesserlich vorgetragen, lieber Herr Kollege von Brunn.

(Zuruf des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Sie haben jetzt wieder Ihre gesamte Redezeit dafür verwendet, die bayerischen Bäuerinnen und Bauern

an den Pranger zu stellen und sie als die Alleinschuldigen für Artenverluste darzustellen.