Protokoll der Sitzung vom 10.04.2018

Wir kommen da zu ganz anderen Ergebnissen als Sie. Hören wir die offizielle Anfrage unseres Fraktionsvorsitzenden Rinderspacher: 2015 waren in Bayern 2.472 Stellen nicht besetzt, 2016 waren 2.545 Stellen nicht besetzt, und jetzt, im "KanterJahr", im Superjahr, sind es gerade einmal 2.161 – Jahr um Jahr fehlen mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in der Fläche! Jetzt kommen Sie daher und sagen, mit 1.000 Grenzpolizeibeamten würde das Sicherheitsgefühl der bayerischen Bevölkerung insoweit gestärkt. Das ist immer noch nur die Hälfte dessen, was derzeit in den Inspektionen nicht besetzt ist. Dort sind immer noch jene Kolleginnen und Kollegen, die auch von Frau Gottstein angesprochen worden sind, die überproportional viel arbeiten und Überstunden machen. Diese Kolleginnen und Kollegen hätten sich in diesem Zusammenhang ebenfalls unmittelbare

Unterstützung gewünscht. Das ist ein Punkt, den man hier schon einmal anmerken muss.

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch die Frage, ob eine Grenzpolizeiinspektion das geeignete Mittel ist. Vielleicht sollte man einmal die Berufsorganisationen dazu fragen. Man hört von der Gewerkschaft der Polizei und von der Deutschen Polizeigewerkschaft dazu nichts Gutes, weil nur ein neuer Wasserkopf, eine neue Behörde mit Laufbahnen installiert werden wird. Es muss Logistik sichergestellt werden, es müssen Büroräume bereitgestellt werden. All das ist bereits jetzt teilweise durch die Abordnung, den Vertrag zwischen Bundes- und Landespolizei, gewährleistet. Bayerische Polizisten machen als Fahnder hervorragende Arbeit und ergänzen in diesem Zusammenhang die Arbeit der Bundespolizei. Das Zusammenspiel vor Ort ist hervorragend. – So ist es mir gesagt worden.

So verwundert es nicht, dass der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei sagt: Eigentlich ist es ein Misstrauensvotum gegenüber unserer Arbeit, denn wir machen bereits heute professionelle und vernünftige Arbeit. Warum soll hier ohne Not eine neue Institution kommen, die in keiner Weise die Mängel beheben kann, die ich soeben beschrieben habe?

(Beifall bei der SPD)

Wir haben genau dieselbe Situation bei der Strafjustiz und beim Justizvollzug. Sie wissen, wie das am Anfang war: Da sind bei den zahlreichen Haftbefehlen, die ausgestellt worden sind, auch die JVA Nürnberg und andere im Land einbezogen worden.

Das heißt mit anderen Worten: Peppen Sie ganz Bayern im Bereich des Justizvollzugs auf, und erwecken Sie hier nicht einen falschen Eindruck! Wir sind ein Flächenland und tragen dafür gemeinsam Verantwortung.

Ich komme zum vorgesehenen Bayerischen Landesamt für Asyl. Sie wissen doch selber, dass Sie sich auf die Fahne geschrieben haben, Bürokratie abzubauen. Sie haben sogar einen Beauftragten für Bürokratieabbau. Einen solchen gab es in Brüssel, und jetzt haben wir auch einen.

Was für eine Bürokratie bauen Sie denn auf? – Herr Innenminister, Sie haben 2015 die Zentralen Ausländerbehörden zelebriert, die mit neuem Personal ausgestattet worden sind. Der Kollege Straub ist stolz, dass im Jahr 2018 gerade 70 % der Stellen besetzt sind, und jetzt kommt in diesem – ich zitiere – positiven Trend noch eine neue Behörde hinzu, die all das

weiter verbessern soll, was hier überhaupt erst einmal gelernt werden muss.

Ich kann das nur so verstehen: Sie glauben, Sie müssten der Öffentlichkeit in irgendeiner Art und Weise einen Aktionismus präsentieren, mit dem alles anders und besser wird. Inhaltlich wird dadurch jedoch gar nichts besser; denn die Verwaltungswege werden nicht kürzer. Die Zuständigkeit für ein Asyl- bzw. Ausländerverfahren oder Abschiebehaft ist immer noch dort gegeben, wo der Ausländer seinen normalen Aufenthalt hat. Ob das in Hof ist oder in Fürth oder in Straubing, das ist egal. Sie müssen immer wieder zu den dortigen Gerichten gehen. Was nützt Ihnen da eine zentrale Behörde? Wie wollen Sie die unterschiedlichen Fragen nach der Zuständigkeit gerade in dieser wichtigen Phase so klären, dass das Ganze einigermaßen funktioniert?

Sie schaffen Verwirrung auf ganzer Linie, und die letzten Gutwilligen, die überhaupt noch dabei sind und versuchen, hier mitzuarbeiten, wissen nicht wirklich weiter. Die sogenannte Menschenrechtsklausel, die Sie, Herr Straub, eingeführt haben, um zu zeigen, dass wir ein Land der Gutwilligen sind, scheitert doch schon daran, dass niemand mehr weiß, wer überhaupt wofür zuständig ist. Mit einem ständigen "Ja, aber" können Sie das nicht bewerkstelligen. Die Stellen, die dazu notwendig sind, müssen nicht nur besetzt werden, sondern – und das ist das Entscheidende – sie müssen zudem kompetent besetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Diese Kompetenz ist das Entscheidende. Es wachsen doch keine Verwaltungsjuristen und Verwaltungsbeamten mit dieser Qualifikation auf den Bäumen, wo man sie ernten könnte, sondern die Leute müssen bereits jetzt dafür gewonnen werden. Wenn schon bei den Zentralen Ausländerbehörden nur 70 % der Stellen besetzt sind, wo wollen Sie denn die Leute herbekommen? Diese Euphorie über die Vermehrung von Fach- und Sachkompetenz in unserem schönen Bayernland muss man Ihnen nehmen, weil sie einfach nicht gerechtfertigt ist.

Genau dasselbe gilt für den Bereich der Fahndung bei der Polizei. Sie wollen 500 neue Fahnder einstellen. Die Fahndung ist ein anspruchsvoller Job. Die Leute müssen einen Umgang damit erlernt haben. Das ist nichts, was man von der Polizeischule her einfach so kann, sondern dieses Gespür muss trainiert sein. Also müssen Sie diese Leute doch wieder aus der Fläche abziehen. Auf unsere nächste Anfrage lautet dann vielleicht die Antwort, dass bei den Inspektionen 20 % der Stellen nicht besetzt sind.

Aus unserer Sicht ist das, was Sie hier veranstalten, alles nur Theater, um gewissen Bedürfnissen seitens der Bevölkerung nach Schlagworten gerecht zu werden. Inhalte füllen Sie damit jedenfalls nicht – im Gegenteil, Sie stärken subkutan noch das Gefühl, dass die innere Sicherheit Bayerns durch die Grenzsituation möglicherweise gefährdet sei. Lassen Sie hier doch bitte die Kirche im Dorf! Das ist doch nicht der Fall.

(Beifall bei der SPD)

Frau Gottstein, die Anker-Zentren sind im Koalitionsvertrag vereinbart, und zwar aus gutem Grund. Sie sind ein Kompromiss. In Ihrem Antrag fordern Sie, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern und zu ergänzen. Das muss doch erst mal in der Sache analysiert werden, und zwar zuständigkeitshalber vom Bundesaußenministerium. Das können wir durch Ihren Antrag nicht einfach übers Knie brechen.

Zudem fallen sichere Herkunftsländer nicht wie Früchte vom Baum, sondern sie bedürfen einer gewissen Struktur. Es macht zum Teil schon sehr betroffen, dass beispielsweise in Tunesien die Leute kein rechtsstaatliches Verfahren erhalten. Wenn es dann aber ein sicheres Herkunftsland wird, scheint Ihnen deren Schicksal egal zu sein. Wichtig ist, dass das Etikett stimmt. Auch das ist ein Punkt, den wir, wenn wir unsere Aufgabe im Sozialstaat humanistisch und ethisch ernst nehmen, so nicht durchgehen lassen können. Deswegen müssen wir Ihren Antrag ablehnen.

Was die anderen Punkte betrifft, haben die FREIEN WÄHLER gesagt, dass sie den CSU-Antrag ablehnen; deswegen werden wir dem Antrag der FREIEN WÄHLER zustimmen.

Auf eine optimale Sicherheit für Bayerns Bürgerinnen und Bürger kann nur im Rahmen einer bayernweiten Lösung hingewirkt werden. Eine Grenzpolizei, die nichts anderes als Bürokratie schafft, wobei man zudem noch Verträge mit dem Bund aufkündigen muss – da haben Sie vielleicht Glück, dass Herr Seehofer der Bundesinnenminister ist –, bedeutet nichts anderes, als dass mindestens 185 Verwaltungsschritte nötig sind, um Sicherheit zu schaffen.

Würde man hingegen die derzeitigen Verhältnisse vor Ort stärken, was nur des guten Willens bedürfte und eine personelle Ausstattung erforderlich machen würde, die wir schon seit Jahr und Tag mit unseren Fachpolitikern im Innenausschuss und im Haushaltsausschuss beantragt haben, die Sie aber ständig abgelehnt haben nach dem Motto: Es läuft ja schon opti

mal, wäre das viel zielführender. Deswegen ist dieser Antrag ein Widerspruch in sich. Wir lehnen ihn ab.

(Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schulze vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Dringlichkeitsantrag möchte die CSU, dass der Landtag die Pläne der Staatsregierung begrüßt. Ganz ehrlich: ich begrüße die bayerische Grenzpolizei nicht, ebenso wenig ein eigenes Landesamt für Asyl oder die Anker-Zentren.

Eine bayerische Grenzpolizei ist Quatsch, und zwar aus mehreren Gründen. Lassen Sie mich Ihnen diese Gründe nochmals erklären.

Erstens. Zu einem vereinten Europa gehören keine Binnengrenzkontrollen. Das ist doch gerade das Schöne an Europa, dass wir keine Schlagbäume mehr haben. Wenn es gelegentlich zeitlich begrenzte Ausnahmen gibt, in denen Grenzkontrollen durchgeführt werden – das gilt noch bis Mai dieses Jahres, und danach soll es vorbei sein –, ist dafür doch die Bundespolizei zuständig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist gesetzlich so geregelt, und ich verstehe nicht, warum Bayern hier eine Extrawurst braten will. Am letzten Freitag war ich im Berchtesgadener Land unterwegs und habe dort unter anderem die Bundespolizei in Freilassing besucht. Sie machen ihren Job – bis zum Mai sind sie gesetzlich dazu verpflichtet – dort wirklich gut. Danach werden die Grenzkontrollen hoffentlich nicht weiter verlängert. Es hat absolut keinen Sinn, dass wir jetzt noch zusätzlich eine bayerische Grenzpolizei erhalten.

Das hat auch aus einem anderen Grund keinen Sinn – das haben wir hier schon mehrfach durchgekaut –, weil nämlich unsere bayerische Landespolizei überlastet ist. Es ist wirklich enorm, was die bayerischen Polizistinnen und Polizisten alles leisten. Sie haben einen riesigen Überstundenberg angehäuft, und sie haben es mit der Pensionswelle zu tun. Wir müssen schauen, dass wir das irgendwie gut hinbekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt wollen Sie eine bayerische Grenzpolizei einrichten. Da muss ich doch mal fragen: Woher sollen diese 1.000 Stellen denn kommen? Wenn Sie diese Stellen von woanders abziehen, um sie in die neue baye

rische Grenzpolizei zu bringen, dann fehlen sie doch dort. Wenn Sie dort 1.000 neue Stellen einrichten wollen, dann wird das erst in drei Jahren etwas, weil erst dann die neuen Polizistinnen und Polizisten ausgebildet sein werden. Auch das ist wieder reine Augenwischerei. Sie wollen damit vermeintlich Stärke symbolisieren. Dieses Symbols bedarf es aber nicht, weil in einem vereinten Europa gar keine Binnengrenzkontrollen vorhanden sein sollten.

Zweitens. Das Bayerische Landesamt für Asyl ist in meinen Augen ebenfalls ein typischer Söder-Aktionismus. Für Asylentscheidungen ist weiterhin das BAMF zuständig. Wir brauchen in unserem Land keine Doppelstruktur, und wir brauchen auch keine Ausweitung irgendwelcher Anker-Zentren. Beim Thema Asyl brauchen wir rechtsstaatliche Verfahren und ausreichende Verfahrensberatung, aber keine Abschiebelager. So einfach ist das!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zwei Dinge möchte ich allerdings auch begrüßen: Zum einen begrüße ich, dass der Antrag vorsieht, die Justiz besser auszustatten. Das ist sehr wichtig. Wir haben schon bei unserem ersten GRÜNEN-Polizeikongress formuliert, dass bei der Justiz nachjustiert werden muss. Wenn wir die Polizei besser ausstatten, was gut und richtig ist, muss natürlich auch die Justiz besser ausgestattet werden, damit dort nicht der Flaschenhals verstopft.

Ja, auch die Polizei muss besser ausgestattet werden; ich hatte den Überstundenberg und die anstehende Pensionswelle schon angesprochen. Dazu gehört, dass wir vor allem die Ausbildungsorte sowie die Ausbilderinnen und Ausbilder unterstützen und stärken; denn wenn wir so viele neue Polizistinnen und Polizisten einstellen, müssen sie auch irgendwo ausgebildet werden. Wir wissen, dass sie erst in drei Jahren mit ihrer Ausbildung fertig sind. Bis dahin braucht unsere bayerische Landespolizei dringend Entlastung. Wie bekommt sie Entlastung?– Indem wir sie von unnötigen Aufgaben entlasten. Wie entlasten wir sie von unnötigen Aufgaben? – Indem wir sie nicht bei solch unsinnigen Dingen wie Grenzkontrollen einsetzen. Wir sollten die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten eher darin unterstützen, dass sie die Aufgaben, für die sie zuständig sind, gut erfüllen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen. Dieser Antrag trieft von Ihrer eigenen Widersprüchlichkeit. Auf der einen Seite feiern Sie sich und sagen, Bayern sei das sicherste Bundesland. Wir haben erst vor Kurzem die Zahlen gehört; diese sind wunderbar. Das liegt unter anderem an der guten Arbeit der Poli

zei, der Rettungskräfte, der Feuerwehr, aber auch an einer starken Zivilgesellschaft. Das ist gut. Aber gleichzeitig formulieren Sie einen Antrag, in dem Sie die optimale Sicherheit fordern. Anstatt sich in diesem Antrag ein bisschen weiter aus dem Fenster zu lehnen und zu überlegen, was eine starke Polizei noch zusätzlich bräuchte, schreiben Sie wieder Asylthemen hinein, als würden Sie unterstellen, dass Asylbewerber per se ein Sicherheitsproblem sind. Das finde ich wiederum schäbig. Das geht nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie noch etwas hätten schreiben wollen, hätte ich noch gerne Themen wie die Stärkung der europäischen Zusammenarbeit gelesen. Wir wissen alle, dass wir die europäische Zusammenarbeit stärken müssen, weil Terror und Kriminalität nicht an Ländergrenzen Halt machen. Natürlich darf es dann auch die Bekämpfung nicht tun.

Im Antrag hätte auch etwas zu einer besseren Ausstattung der IT-Spezialistinnen und IT-Spezialisten bei der Polizei stehen müssen, weil dies das große Thema ist, bei dem wir in der inneren Sicherheit vorangehen müssen.

Im Antrag hätte auch etwas davon stehen müssen, dass man mehr gegen Übergriffe gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, gegen Feuerwehrleute und Rettungskräfte machen möchte; denn innere Sicherheit bedeutet auch Prävention, Deradikalisierung und Vorsorge, wie wir GRÜNEN jedenfalls wissen. Auch dazu hätten noch eine paar Takte in den Antrag gehört.

In der jetzigen Formulierung können wir dem Antrag auf gar keinen Fall zustimmen, weil er die Weichen falsch stellt. Daher lehnen wir Ihren Antrag und damit Ihre bayerische Grenzpolizei vehement ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Das Wort hat nun Herr Staatsminister Joachim Herrmann. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir uns wenigstens darin einig sind, dass Bayern nach wie vor das sicherste aller 16 Bundesländer ist. Das verdanken wir in der Tat einem guten zivilen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Das verdanken wir auch dem großartigen Engagement der bayerischen Polizei. Aber es scheint vielleicht auch etwas damit zu tun zu haben, dass das Grundkonzept des Einsatzes, der Ausstattung, des

personellen Umfangs und der rechtlichen Grundlagen der bayerischen Polizei seit Jahrzehnten von der CSU im Bayerischen Landtag und der Staatsregierung in den politischen Rahmenbedingungen bestimmt werden.