Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Ruth Waldmann, Ruth Müller u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Krankenhausgesetzes (Drs. 17/21463) - Erste Lesung
Begründung und Aussprache werden miteinander verbunden. Somit hat die SPD-Fraktion 11 Minuten Redezeit. Ich eröffne zugleich die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Ich erteile nun der Frau Kollegin Petersen von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns und wahrscheinlich auch Sie alle beschäftigt die Frage: Wie kann die stationäre medizinische Versorgung in allen Regionen jetzt und auch künftig sichergestellt werden?
Die Beantwortung dieser Frage ist umso dringlicher, als die Probleme zunehmend offenkundig werden. Immer mehr Krankenhäuser schreiben rote Zahlen, Geburtsstationen schließen, das Personal ist überlastet. Das heißt, die Landespolitik ist gefordert; denn die Sicherstellung der Krankenhausversorgung ist ein Teil der Daseinsvorsorge – so ist es im Grundgesetz in Artikel 20 geregelt – und Aufgabe der Länder.
In Bayern hat man diesen Auftrag den Landkreisen und kreisfreien Städten übertragen. So ist es in der Landkreisordnung im Artikel 51 zu lesen. Das heißt aber nicht, dass sich die Staatsregierung damit bequem zurücklehnen könnte. Sie nimmt das zwar als Begründung für eine ausgesprochen defensive Krankenhauspolitik in Bayern und nutzt ihre gesetzgeberischen und planerischen Möglichkeiten viel zu wenig. Das Argument, die Gesundheitspolitik sei irgendwie doch überwiegend Bundesangelegenheit und im Krankenhausbereich mangele es den Ländern an Kompetenzen, kann in zweifacher Hinsicht nicht überzeugen.
Zum einen attestiert sich die Staatsregierung gerne eine grundsätzliche Allzuständigkeit. Wir denken etwa an die geplante eigene Grenzpolizei oder an ein Landesamt für Asyl. Für beides ist originär der Bund zuständig.
Zum anderen haben gerade in der Krankenhauspolitik auch die Bundesländer ein gewichtiges Wort mitzureden. Das beruht auf dem dualen System der Krankenhausfinanzierung. Die Betriebskosten werden von den Krankenkassen über die Fallpauschalen gezahlt, für die Investitionskosten hingegen sind die Bundeslän
der zuständig. Hier muss man leider feststellen, dass Bayern zu wenig an Investitionsförderung zahlt. Beispielsweise werden Küchen oder auch Apotheken in Krankenhäusern mit dem Argument nicht mitfinanziert, beides könne man als eigenständige Bereiche outsourcen.
Für ein Krankenhaus, das in sein Gebäude investieren muss, bedeutet das, dass es einen Teil seiner Investitionskosten über Betriebskosten finanzieren muss, das heißt, über Geld, das eigentlich für die Pflege gedacht ist. Dieses Geld fehlt in der Pflege – und das, obwohl eine Pflegekraft in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eh schon die meisten Patienten betreuen muss. Diese Situation ist nicht akzeptabel;
denn darunter leiden sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Pflegekräfte, die ihre Arbeit ja gut machen wollen. Da Bayern an der dualen Finanzierung nichts ändern will, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelten Qualitätsindikatoren aber nicht übernimmt, gilt es, die Landeskompetenzen zu nutzen, um Qualität und regionale Versorgung gleichermaßen zu sichern. Das wollen wir mit diesem Gesetzentwurf bewirken.
Wir wollen eine deutlich ambitioniertere Krankenhauspolitik in Bayern und daher deren Zielsetzung wesentlich erweitern. Am wichtigsten ist uns dabei die Patientenorientierung. Die alltäglichen Abläufe im Krankenhaus können wesentlich patientenfreundlicher gestaltet werden, als es oft der Fall ist. Patienten brauchen ein Informations- und Beschwerderecht. Patientenfürsprecher gibt es nur in etwa einem Drittel der Krankenhäuser – und da sind es oft Krankenhausbeschäftigte. Wir möchten, dass Patienten überall einen Patientenfürsprecher als Ansprechpartner haben und dass diese unabhängig vom Krankenhausbetrieb sind.
Es braucht ein professionelles Entlassungsmanagement, gerade auch im Hinblick auf ältere Patienten, wenn eine Anschlussbetreuung oder eine Reha notwendig ist. Patienten haben Anspruch auf soziale und seelsorgerliche Betreuung. Außerdem ist den besonderen Bedürfnissen von Kindern, von älteren Menschen, von Menschen mit Behinderung oder von Migranten in den Krankenhäusern Rechnung zu tragen.
Ein zweiter Punkt besteht für uns in der Qualitätsorientierung. Hier geht es sowohl um die Struktur- als auch um die Prozessqualität. Dazu braucht es Regelungen zur Personalmindestzahl. Das soll in Form
einer Rechtsverordnung geschehen, die im Einvernehmen mit den unmittelbar an der Krankenhausplanung Beteiligten erstellt wird und die dem Stand der Wissenschaft entspricht. Die Personalmindestzahlen sollen übrigens auch für Hebammen gelten. Über das Thema "Hebammen" haben wir hier schon des Öfteren diskutiert.
Wichtig ist uns auch eine kollegiale Betriebsleitung in Krankenhäusern, das heißt: Ärztliche Leitung, Pflegedienstleitung und kaufmännische Geschäftsführung müssen gleichberechtigt sein.
Es braucht Konzepte zum Umgang mit berufsbezogenen Belastungen, unter denen Krankenhausbeschäftigte vielfach leiden. Wir brauchen überdies Konzepte zum Umgang mit antibiotikaresistenten Erregern.
Ein dritter Punkt ist eine transparente und qualitätsorientierte Krankenhausplanung. Grundlage für diese Planung muss ein Bedarfsgutachten sein. Zu beteiligen ist auch der Landtag, dem die Planungen regelmäßig vorzulegen sind. Wir benötigen ein erweitertes Anhörungsrecht von Interessengruppen sowie eine klare Definition von Versorgungszielen. Worum soll es bei der Krankenhausplanung gehen? Was ist unser Ziel?
Des Weiteren brauchen wir mehr Kompetenzen im Krankenhausplanungsausschuss. Die Notfallversorgung für alle muss gewährleistet sein, ebenso eine regional ausgeglichene Krankenhausverteilung, also eine möglichst wohnortnahe Versorgung mit Krankenhäusern.
Um dies zu erreichen, ist viertens auch eine deutliche Erhöhung der staatlichen Investitionsförderung notwendig. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus hat den jährlichen Investitionsbedarf in Bayern aktuell mit 999 Millionen Euro beziffert. Selbst durch die Erhöhung, die im Wahljahr erfolgt ist, sind das immer noch 333 Millionen Euro mehr, als die Staatsregierung für die Investitionen zur Verfügung stellt. Da ist also noch einiges an Luft nach oben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Krankenhäuser sind keine Wirtschaftsbetriebe. Die Patientinnen und Patienten befinden sich in einer Ausnahmesituation, die von Ängsten und Hoffnungen und vor allem von Hilfsbedürftigkeit geprägt ist. Wenn sich Patienten nicht mehr trauen, nach der Krankenschwester zu klingeln, weil diese sowieso schon total im Stress ist, dann läuft etwas gewaltig schief in unseren Krankenhäusern.
Wir wollen Rahmenbedingungen, die gute Pflege möglich machen, und hoffen dabei auf Ihre Unterstützung. Vielen Dank.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Radlmeier von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Werter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der SPD zum Bayerischen Krankenhausgesetz verfolgt anerkennenswerte Ziele, aber auch hier gilt: Gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht.
Eine Anmerkung vorweg: Der Freistaat Bayern – das wissen wir alle – ist ein starker Partner der Krankenhäuser, der seiner Verantwortung in der Krankenhausbaufinanzierung umfassend gerecht wird. Er ist sich dieser Verpflichtung sehr bewusst. Lassen Sie mich eine Zahl nennen: Seit 1972 hat der Freistaat etwa 1.200 größere Bauvorhaben finanziert, und zwar mit über 23 Milliarden Euro.
Damit nimmt der Freistaat eine Spitzenposition im Vergleich zu den anderen Ländern ein. Einen Investitionsstau wie in anderen Bundesländern gibt es im Freistaat Bayern nicht. Gemeinsam mit den Kommunen stellen wir auch die stationäre Versorgung sicher. Sie haben es angesprochen: Mit dem Nachtragshaushalt haben wir den Etat für 2018 auf 643 Millionen Euro erhöht.
Ich möchte Ihnen noch ein Zahlenbeispiel nennen: Derzeit sind insgesamt 137 Krankenhausprojekte mit einem Gesamtvolumen von über 2,5 Milliarden Euro zur Finanzierung vorgesehen. Diese konsequenten baulichen Investitionen belegen den besonderen Stellenwert, den der Freistaat einer qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung beimisst.
Ich kann nur für meinen Stimmkreis Landshut, die Stadt Landshut und den Norden Landshuts sprechen: Unsere Häuser werden gut unterstützt und gut gefördert. Ich weiß aus dem Kollegenkreis, dass das in anderen Regionen von Bayern genauso gehandhabt wird.
Mein Fazit: Alle Häuser modernisieren sich dank der Mittel aus dem Freistaat peu à peu. Fakt ist: Das bayerische System der Krankenhausfinanzierung funktioniert, und zwar genau so, wie es jetzt gehandhabt wird. Der Gesetzentwurf der SPD verfolgt gute
Ziele, aber die gute Absicht allein kann die handwerklichen Fehler nicht ausgleichen. Die geforderten Neuregelungen, die gerade angesprochen wurden, sind entweder bereits getroffen, betreffen die Bundesgesetzgebung, oder vorhandene Defizite werden nicht benannt. Das sind im Einzelnen drei Bereiche.
Erstens: der Widerspruch zu höchstrichterlicher Rechtsprechung. Der Betrieb eines Krankenhauses fällt unter den Schutz des Grundrechts auf freie Berufswahl und freie Berufsausübung. Das Bundesverfassungsgericht hat schon 2004 entschieden, dass für eine Planaufnahme nicht der planerisch wünschenswerte Bedarf maßgebend ist, sondern allein die tatsächliche Belegung. Es braucht dabei die Abstimmung mit den Antragstellern in jedem Einzelfall.
Zweitens. Der rechtliche Rahmen ist bereits gesetzt. Der Freistaat Bayern ist durch Artikel 20 des Grundgesetzes verpflichtet, die Krankenhausversorgung als Teil der Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Artikel 2 des Gesetzentwurfs ist schlicht überflüssig, weil bereits die bayerische Landkreisordnung den Sicherstellungsauftrag der Landkreise und der kreisfreien Städte regelt.
Zudem ist das von Ihnen geforderte Entlassmanagement ebenfalls bereits geregelt, nämlich im Sozialgesetzbuch. Außerdem ist es in dem am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Vertrag mit der Selbstverwaltung auf Bundesebene festgeschrieben. Auf diese Weise sind alle Krankenhäuser verpflichtet, für ihre Patienten ein standardisiertes Entlassmanagement sicherzustellen. Ausgangspunkt ist dabei der individuelle Bedarf des Patienten.
Sie haben noch das Thema "wirksame Antibiotika" angesprochen. Ja, wir brauchen sie – da hat die Kollegin recht –; aber auch das ist bereits geregelt, und zwar in der bayerischen Hygiene-Verordnung. Zielführend sind hier die Maßnahmen, die die CSU bereits angeschoben hat. Ich erinnere an das Antragspaket, das auf Vorschlag der CSU-Fraktion mit Bernhard Seidenath an der Spitze auf den Weg gebracht wurde.
Auch der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen wird weiter verstärkt. So soll die Staatsregierung in Zusammenarbeit mit dem LGL eine Antibiotikaresistenz-Datenbank für ganz Bayern aufbauen, um so einen umfassenden Überblick über die Situation im Bereich der Resistenz zu erhalten.
Des Weiteren gilt es, für die niedergelassenen Ärzte einen Leitfaden zu erstellen. Außerdem muss auch bei der Fortbildung der Ärzte und der Aufklärung der Öffentlichkeit angesetzt werden.
Artikel 20 des Gesetzentwurfs stellt zusätzliche Bedingungen für die Abrechnung von Wahlleistungen auf. Allerdings gilt auch hier – das möchte ich betonen – der Grundsatz: Bundesrecht bricht Landesrecht. Seit Langem gibt es zudem die Muster für Chefarztverträge von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die weitestgehend auch in der bayerischen Praxis eingeführt sind.
Drittens ist noch zu erwähnen: Gesetzgeberische Zuständigkeiten werden nicht eingehalten. Landesrechtliche Regelungen von Sachverhalten, die Auswirkungen auf die Betriebskosten der Krankenhäuser haben, sind nicht möglich, da laut Regelung im Grundgesetz das Vergütungsrecht in der ausschließlichen Kompetenz des Bundes liegt. Auch hier gilt: Der Entwurf entspricht nicht dem Grundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht".
Das betrifft auch die Artikel 12 betreffend die Anforderungen an den Sozialdienst und das Entlassmanagement und 15 betreffend die Mindestpersonalregelungen.
Die in Artikel 25 genannten Grundsätze der Förderung verletzen das Budgetrecht des Landtags, indem Berechnungen des Instituts für das Entgeltsystem als Grundlage des Haushaltsansatzes festgelegt werden.
Im Übrigen ist die Grundlage fachlich sehr fragwürdig. Das Modell ist in meinen und in den Augen der CSU sehr abstrakt und basiert auf einer nicht repräsentativen Datenbasis. Zudem liegen Werte zugrunde, ohne dass die Bedarfsnotwendigkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Sparsamkeit geprüft worden wären.
Die medizinische und pflegerische Versorgung der Menschen in Bayern ist auch der CSU-Fraktion ein sehr wichtiges Anliegen. Bayern liegt bei der Ärztedichte auf Platz eins der deutschen Flächenstaaten, und noch – ich betone: noch – ist die medizinische Versorgung in Bayern auch in der Fläche gewährleistet. Jedoch droht nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels sowohl in der Bevölkerung – das wissen wir alle, wir haben tagtäglich Diskussionen darüber – als auch unter den Ärztinnen und Ärzten für die Zukunft in manchen Gebieten ein Ärztemangel. Wir, die CSU-Fraktion, haben daher im Juni letzten Jahres 27 Anträge mit dem Tenor eingebracht, in Bayern den Medizinermangel zu verhindern. Kernstück des Antragspakets war auch die Einführung einer Landarztquote, nämlich bei einer entsprechenden Abiturnote ab dem Wintersemester 2018/19 5 % der Medizinstudienplätze an die Bereitschaft zu knüpfen, sich nach dem Studium im ländlichen Raum niederzulassen, aber natürlich auch in Krankenhäusern tätig zu sein.
Wie Sie wissen, haben wir in diesem Hohen Haus vor Kurzem auch den finanziellen Rahmen für das Zukunftsprogramm "Geburtshilfe" ermöglicht; denn wir brauchen auch morgen auf dem Gebiet der Geburtshilfe und durch Hebammen eine flächendeckende Versorgung. Liebe Kollegin, da haben Sie recht. Wir werden demnächst in diesem Haus über unser Antragspaket zur Pflege reden. Uns ist bewusst: Wir müssen bei der Pflege die Rahmenbedingungen verbessern, damit wir mehr Menschen für die Pflege begeistern können. Hieran arbeiten wir intensiv.
Ja, einen kleinen Moment. – Abschließend möchte ich sagen: Es ist mir und uns, der CSU, wichtig, dass wir unsere hervorragende Krankenhausversorgung nicht schlechtreden. Wir wollen die Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser weiter verbessern. Im Gesundheitsausschuss haben wir dieses große Anliegen bereits diskutiert und werden wir uns weiter mit dem Thema beschäftigen.