Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Eingaben betreffend Lehrersituation an den Grundschulen am bayerischen Untermain und an den Grundund Mittelschulen im Bereich des Schulamtsbezirks Miltenberg (BI.0004.17, 0005.17, 0006.17, 0007.17, 0008.17 und 0011.17)

Der Ausschuss für Bildung und Kultus hat sich mit den Eingaben in seiner Sitzung am 20. Februar 2014 befasst. Er hat beschlossen, die Eingaben gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären. Den Petentinnen und Petenten sind die Stellungnahmen der Staatsregierung sowie ein Protokollauszug zu übersenden. Die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat gemäß Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingabe auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen.

Ich eröffne hiermit die Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion vereinbart. Die Fraktionen der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER haben namentliche Abstimmung beantragt.

Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Fahn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es kommt nicht sehr häufig vor, dass Petitionen ins Plenum hochgezogen werden. Wir machen uns das bestimmt nicht leicht. Wenn es aber um so wichtige Dinge geht, die Schüler, Lehrer und Eltern betreffen, dann ist es richtig, dieses Thema auch hier im Plenum noch einmal zu besprechen, zumal 3.370 Eltern vom bayerischen Untermain die Petitionen zur Verbesserung der Lehrerversorgung am Untermain unterschrieben haben. Auch der Personalrat steht einstimmig dahinter und sagt: Die Lehrerversorgung am bayerischen Untermain ist untragbar. Es ist also wichtig, dass dieses Thema im Hohen Haus einmal besprochen wird.

Seit vielen Jahren ist die Region Bayerischer Untermain gegenüber den anderen Regionen in Bayern benachteiligt. Die Lehrer, die eigentlich vor Ort bleiben müssten, werden zum großen Teil nach Oberbayern geschickt und fehlen.

Die zentralen Forderungen der fünf Petitionen lauten: Erstens. Die Beamtenquote am Untermain soll dauerhaft auf mindestens den bayerischen Durchschnitt erhöht werden.

Zweitens. Rückkehrmöglichkeiten für Lehrkräfte, die zum Beispiel nach Oberbayern versetzt wurden, aber wieder zurück wollen, sollen geschaffen werden.

Drittens geht es um Angestelltenverträge mit einer Mindestbefristung von zum Beispiel zwei Jahren, damit die Lehrkräfte länger an einer Schule bleiben können und nicht immer gleich nach einem Jahr wieder versetzt werden. Insbesondere an Grundschulen ist es sehr wichtig, dass in den Klassen eins, zwei, drei und vier der Lehrer nicht gewechselt wird.

Ich nenne einige Fakten, die das unterstreichen. Bayernweit liegt die Beamtenquote bei rund 96 %. Das heißt, 4 % aller Lehrer in Bayern haben befristete Arbeitsverträge. Das ist der Durchschnittswert. Am Untermain, insbesondere im Landkreis Miltenberg, sind es in den letzten zehn Jahren immer mehr gewesen, mindestens 8 %. Es waren aber auch schon 12 % und 14 %. Der Personalrat schreibt: Bis zu 20 % aller Lehrkräfte an einzelnen Schulen und bis zu 40 % aller beschäftigten Lehrer müssen jährlich ausgetauscht werden. Kaum eine Region in Bayern steht schlechter da. Im aktuellen Schuljahr arbeiten 36 Lehrer auf Angestelltenbasis.

Deshalb muss hier etwas passieren, meine Damen und Herren. Deswegen behandeln wir diese Eingabe im Plenum.

Wir haben eine große Lehrerfluktuation. Das habe ich schon gesagt. Nach § 6 der Lehrerdienstordnung sollen die Lehrer grundsätzlich bleiben. Sie werden im Prinzip aber immer ausgetauscht. Die Ausnahme ist am Untermain zur Regel geworden. Es kann nicht sein, dass die Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse in jedem Jahr einen neuen Lehrer bekommen. Das ist eine ungute Situation.

Das Kultusministerium versetzt die besten Lehrer vom Untermain nach Oberbayern.

(Inge Aures (SPD): In Oberfranken auch! Nicht nur am Untermain!)

Der Pflichtunterricht kann gerade noch abgedeckt werden. Das ist insgesamt zu wenig. Wenn Lehrerinnen schwanger werden oder krank sind, dann bricht an vielen Schulen am Untermain das reine Chaos aus. Zum Teil werden Klassen nach Hause geschickt, Deutschkurse usw. fallen aus.

Das Kultusministerium hat die Situation in diesem Schuljahr leicht verbessert. Das Problem war allerdings, dass das Loch an anderen Stellen wieder neu aufbrach, zum Beispiel im Landkreis Schweinfurt. Wegen Krankheit von Lehrern wurden Klassen für eine Woche nach Hause geschickt.

Der Elternbeirat fordert, dass ein Zweijahresvertrag angeboten wird. Das geht nach § 14 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes. Das Kultusministerium sagt Nein.

Die Forderungen des Personalrates sind richtig und notwendig. Lehrkräfte, die nach der zweiten Ausbildungsphase oder über die Warteliste die Einstellungskriterien erfüllen und in der Region bleiben wollen, sollen bleiben können, unabhängig vom Familienstand. Das ist ganz wichtig und auch notwendig. Dafür müssten wir im Bayerischen Landtag einen Antrag stellen.

Diese Petitionen sind nur die Spitze des Eisbergs. Gerhard Bleß, Bezirksvorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, hat die verfehlte Einstellungspolitik des Kultusministeriums in Unterfranken letzte Woche scharf kritisiert. Von 255 dort ausgebildeten Lehrern erhalten in Unterfranken nur 48 eine Stelle, 71 wurden nach Oberbayern versetzt und 136 wurden arbeitslos. Insbesondere am Untermain ist eine effektive Schulentwicklung nicht mehr möglich. Wir müssen etwas tun, meine Damen und Herren. Wir fordern das Kultusministerium auf, nicht darzulegen, wie es nicht geht oder warum es nicht geht, sondern zu sagen, wie es geht. Die Vertreter des KM sagen immer, es müssen Maßnahmen ergriffen werden, aber sie haben bisher noch nicht gesagt, welche das sind.

Die Situation am Untermain hat sich, wenn überhaupt, nur graduell verbessert. Deshalb fordern wir, dass die Petitionen nicht für erledigt erklärt werden, sondern wir fordern nach § 80 Nummer 3 der Geschäftsordnung Berücksichtigung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Kollege Dr. Fahn. Für die CSU-Fraktion hat sich Frau Kollegin Trautner gemeldet. – Bitte schön.

Sehr geehrter Her Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es heute schon an anderer Stelle gehört: Jeder dritte Euro des bayerischen Haushalts fließt in die Bildung. Ich finde, das ist nicht normal, sondern beachtlich.

(Beifall bei der CSU)

Dennoch kann es in einzelnen Bereichen zu besonderen Herausforderungen kommen, auf die man dann reagieren muss. Genau das haben wir im Fall Untermain auch getan.

Ich begrüße natürlich den engagierten Einsatz von Lehrkräften und Eltern vor Ort. Hier im Hause hat sich ebenfalls eine große Zahl von Kollegen eingesetzt. Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die Lehrerversorgung in ganz Bayern in angemessenem Maße gewährleistet ist. Sie muss sich jeweils am regionalen Bedarf orientieren und steht vor dem Hintergrund des demografisch bedingten Rückgangs der Schülerzahlen. Während die Schülerzahlen in Oberbayern von 2002 bis 2013 um 14,2 % zurückgingen, sanken sie im gleichen Zeitraum in Unterfranken um 33,9 %. In den Grund- und Mittelschulen im Regierungsbezirk Unterfranken ist im letzten Schuljahr ein Schülerrückgang von rund 2.100 Schülern zu verzeichnen. Wenn man den bisher geltenden Verteilerschlüssel zugrunde legen würde, dann hätte dieser Schülerrückgang einen Abbau von 100 Lehrerstellen zur Folge haben müssen. Doch trotz dieser rückläufigen Zahl ist die Zahl der Grund- und Mittelschullehrer sogar leicht gestiegen. Das liegt daran, dass Landkreise mit einer kleinteiligen Schulstruktur und einem signifikant hohen Schülerrückgang mit dem sogenannten Demografiezuschlag unterstützt werden. So sind für dieses Schuljahr acht Vollzeitstellen für den Erhalt kleiner Grundschulen und zehn Vollzeitstellen als Budgetzuschlag für Grundschulen für die Regierung von Unterfranken geschaffen worden. Bayernweit sind in den vergangenen fünf Jahren, das wurde auch schon gesagt, 96 % der Beschäftigungsverhältnisse unbefristet vergeben worden. Schulübergreifend hat der Regierungsbezirk Unterfranken hier sogar eine unbefristete Beschäftigungsquote von 96,9 % vorzuweisen. Dies ermöglicht Planungssicherheit und bildet die Grundlage für ein hohes Maß an Kontinuität.

Der bayerische Durchschnitt in Bezug auf befristete und unbefristete Verträge ist im Landkreis Aschaffenburg bereits erreicht worden. Auch im Landkreis Miltenberg wurden große Fortschritte erzielt. Die Quote hat sich dort von 89 % auf 94 % erhöht. Das Ministerium strebt eine Angleichung an den bayernweiten Schnitt von 96 % an. Die Zahl der befristet angestellten Lehrkräfte wurde dort von im Vorjahr 53 auf 27 reduziert. Da kann man doch nur sagen: Diese Region erfährt eine gute Entwicklung. Das behalten wir im Auge und fahren so fort.

(Beifall bei der CSU)

Mit Blick auf das Untermaingebiet ist es natürlich das Ziel, dass die Lehrkräfte, die dort unterrichten, möglichst auch dort bleiben. Versetzungswünschen wurde

deshalb nur nach ganz strengen sozialen Kriterien entsprochen. Andererseits sind aktuell 24 Bewerber auf eigenen Wunsch von Oberbayern nach Unterfranken zurückversetzt worden. Bewerber mit Kindern sollen möglichst in die Heimatregion zurückkehren können, wenn sie dies wünschen. Ein generelles Rückkehrrecht kann aus Gründen der Gleichbehandlung natürlich nicht eingeräumt werden.

Im Mittelpunkt unserer Überlegungen müssen selbstverständlich die Schülerinnen und Schüler stehen. Deshalb besteht Konsens, dass eine Kontinuität der Klassenführung von zwei Jahren so wichtig ist. Mit der Schaffung zusätzlicher unbefristeter Stellen wird dieses Ziel schrittweise erreicht.

Klar ist aber auch, dass Ausnahmen, bedingt durch Versetzungen, Beförderungen oder Beurlaubungen weiterhin gesetzlich möglich sein müssen. Zweijährige Verträge garantieren nicht zwingend eine zweijährige Bindung an die Klasse. Das sollte so sein, aber flexible Reaktionen auf Rückkehrer müssen weiterhin möglich sein. Beurlaubungen und Teilzeitverträge wurden aufgrund der hohen Fluktuation nur schuljahresweise ausgesprochen. Hier besteht ein sachlicher Befristungsgrund für die Ersatzkraft. - Ein weiteres Anliegen ist eine ausreichende Mobile Reserve. Der Freistaat hat trotz sinkender Schülerzahlen eine weitere Aufstockung während des Schuljahres vollzogen.

Zudem wurde die Beschränkung der Nachbesetzung durch ein festgelegtes Kontingent aufgehoben. Seit dem Jahr 2012 werden alle Lehrkräfte, die bis Februar ausscheiden, in vollem Umfang ersetzt. Spürbare Verbesserungen für die Region sind also offensichtlich und werden weiterverfolgt. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin, wir haben eine Zwischenbemerkung des Kollegen Dr. Fahn.

Frau Trautner, Sie haben gesagt, die Zahl der befristeten Verträge sei von 53 auf 27 zurückgegangen. So schreibt es das Kultusministerium. Sie haben aber nicht die noch dazugekommenen Gymnasiallehrer dazugezählt. Ich habe mir vom Schulamt alle Verträge zeigen lassen. Dann kommt man nicht auf 27, sondern auf 36. Darum ist die Situation längst nicht so rosig, wie Sie sie beschreiben.

Das Kultusministerium rechnet nicht die Gymnasiallehrer dazu.

Sehr geehrter Herr Kollege, auch ich habe mich erkundigt; Sie hatten das schon im Ausschuss gesagt. Sie haben schlicht und ergreifend die Mobile Reserve dazugezählt.

(Jürgen W. Heike (CSU): Sehr gut! – Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Trautner. Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Petersen das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Ich glaube, mit der Milch der frommen Denkungsart kommen wir nicht sehr viel weiter. Es handelt sich um sechs Petitionen, die die Elternbeiräte und Lehrer aus den Landkreisen Miltenberg und Aschaffenburg an den Landtag geschickt haben. Ihr gemeinsames Anliegen ist die Verbesserung der Lehrersituation, vor allem an den Grundschulen am bayerischen Untermain. Die Kritikpunkte sind keineswegs überholt, im Gegensatz zu dem, was meine Vorrednerin eben gemeint hat.

Da ist zum einen die hohe Fluktuation. 20 %, zum Teil sogar 40 % der Lehrer wechseln jährlich. Die Kinder leiden darunter. Wir reden von Grundschülern. Bei Erkrankung von Lehrern fallen Stunden aus. Klassen werden zusammengelegt. Die individuelle Förderung, die zwingend vorgeschrieben ist, wird gestrichen. Lehrer aus anderen Schularten werden eingesetzt. Die Gründe: Es gibt zu wenig Stammpersonal. Planstellen werden gekürzt. Zunehmend werden befristete Verträge abgeschlossen. Lehrer wandern nach Hessen ab. Das ist von Aschaffenburg oder Miltenberg nicht allzu weit entfernt, und Lehrer aus Unterfranken werden nach Oberbayern geschickt. Vor Ort fehlen sie dann. Was sagt das Kultusministerium dazu? Kurz gefasst: Im Prinzip ist alles in Ordnung, egal wie die Realität ausschaut. Deshalb werden die Forderungen abgelehnt.

Wie argumentiert das Kultusministerium? Die Zahlen hat Frau Trautner eben genannt. Der demografisch bedingte Schülerrückgang ist in Unterfranken deutlich höher als in Oberbayern. Deswegen werden in Oberbayern mehr Lehrer benötigt, und die Unterfranken müssen nach Oberbayern, weil, so das Kultusministerium, die Lehrerzuweisung zwingend den Schülerzahlen folgen muss. Die Frage ist: Wer zwingt und warum an Schülerzahlen orientiert, warum nicht an der Zahl der Klassen?

(Beifall bei der SPD – Volkmar Halbleib (SPD): Auf die Frage brauchen wir eine Antwort!)

Dass die Unterfranken nach Oberbayern müssen, liege daran, dass der Personalbedarf vorrangig vor den Einsatzwünschen der Lehrer zu berücksichtigen sei. Unterfränkische Heimatgefühle könnten leider nicht berücksichtigt werden.

(Volkmar Halbleib (SPD): Bedauerlich!)

Was die Abwanderung nach Hessen angeht, da sei man leider machtlos, wenn es den Leuten dort nun einmal besser gefalle. Die spannende Frage ist doch: Warum gehen Lehrerinnen und Lehrer aus Unterfranken nach Hessen? Doch wohl deshalb, weil sie dort bessere Arbeitsbedingungen vorfinden, weil sie dort einen sicheren Arbeitsplatz bekommen. Diese sind aber nicht vom Himmel gefallen, sondern politisch gewollt, wären also auch in Bayern machbar.

(Beifall bei der SPD)

Immerhin wurde vor der Landtagswahl die Beamtenquote am Untermain etwas erhöht. Es geht also, wenn man will. Aber gegen den jährlichen Lehrerwechsel sei man leider auch machtlos, weil zum Beispiel Lehramtsanwärter immer nur ein Jahr an einer Schule sein könnten. Das mag sein. Aber warum werden sie dann als Klassenleiter eingesetzt? Gerade in der Grundschule müssen sich die Kinder an ihre Lehrer gewöhnen können. Deshalb ist der ständige Wechsel zu vermeiden. Und das ist eine politische Aufgabe.

Die Mobile Reserve, sagt das Kultusministerium, sei jeweils bedarfsgerecht. Was heißt Bedarf? Ist der tatsächliche Bedarf an Lehrern vor Ort gemeint oder ist das gemeint, was das Kultusministerium als Bedarf vermutet? Offensichtlich Letzteres.