Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

(Thomas Kreuzer (CSU): Sie reden um das Thema herum, Frau Gottstein!)

Ich habe 13 Minuten und jetzt noch 10 Minuten und 16 Sekunden, da müssen Sie mich jetzt einfach anhören.

(Lebhafter Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Heiterkeit bei der SPD – Thomas Kreuzer (CSU): Hoffentlich kommen Sie irgendwann zum Thema!)

Heute ist um wichtige Themen schon ganz anders herumgeredet worden, und es wurde dann auf einmal so getan, als würden wir uns verwehren, dass ein christliches Symbol aufgehängt wird. Wir haben uns aber dagegen verwehrt, dass mit diesem christlichen Symbol Schindluder getrieben wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Uns geht es auch darum, dass, wenn wir diesem Antrag zustimmen – – Wir werden uns enthalten, weil es, wie gesagt, um zwei Seiten der Medaille geht. Auch Sie enthalten sich manchmal zu Recht. In dem Moment, in dem wir mit Befremden feststellen, was in diesem Fall den GRÜNEN und der SPD vorgeworfen wird, würden wir auch andere, denke ich, sehr stark verunglimpfen, die ebenfalls in diesem Bündnis sind, und das sind sehr wohl anerkannte Organisationen: ver.di, "München ist bunt! e. V." – das ist bestimmt eine Organisation, der man nichts Falsches vorwerfen kann –, Fanprojekt München, Münchner Flüchtlingsrat,

(Zuruf des Abgeordneten Tobias Reiß (CSU))

Umweltinstitut München, Bayerischer JournalistenVerband e. V. – alles Institutionen bzw. Verbünde, denen wir sonst sehr wohlwollend gegenüberstehen und denen wir letztendlich nichts Böses nachweisen können. Auch sie sind in diesem Bündnis, und wenn

wir Ihrem Antrag zustimmen würden, dann würden wir deren Entscheidung, in diesem Bündnis zu sein, für falsch halten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ihr Antrag dient doch – das haben Sie, Herr Kollege Kreuzer, letztlich auch gesagt – vordergründig bestimmt auch dazu, diejenigen in die Ecke zu stellen, die sich ernsthaft mit diesem PAG auseinandersetzen und die ernsthaft darüber diskutieren. Wir FREIEN WÄHLER setzen uns mit diesem neuen Polizeiaufgabengesetz auch ernsthaft auseinander und versuchen sachlich, die Vor- und Nachteile herauszuarbeiten. Allerdings sind auch wir in diesem Zusammenhang schon der Lüge bezichtigt worden, und wir lügen hier sicher nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich habe vorher gesagt, dass dieser Antrag zwei Seiten hat, und die andere Seite richtet sich natürlich schon an die Kolleginnen und Kollegen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir FREIEN WÄHLER haben uns diesem Bündnis nicht angeschlossen, obwohl wir in vielen Dingen bei dieser Kritik übereinstimmen, weil es ab einem bestimmten Punkt natürlich schon auch um die Glaubwürdigkeit geht. Ich schließe mich Ihrer Kritik zum Teil an: Auch für mich leidet die CSU extrem in ihrer Glaubwürdigkeit, weil sie sich auf der europäischen Ebene mit einem Viktor Orbán gemeinmacht und das gegen meine Grundsätze verstößt.

Hier ist es aber eben auch so: Sie haben in diesem Bündnis "noPAG" eine Satzung, in der es heißt:

Organisationen und Einzelpersonen mit rassistischen, sexistischen, antisemitischen oder homophoben Zielen werden nicht

in das Bündnis –

aufgenommen. In strittigen Fällen entscheidet das Plenum. Es soll ein Plenum mindestens einmal pro Monat stattfinden.

Allerdings ist kein Wort davon zu lesen, dass auch Linksextremisten oder überhaupt Extremisten ausgeschlossen würden, und von dem her ist das natürlich, denke ich, schon bedenklich. Wir haben Ihre Liste wirklich studiert. Wir haben noch einmal in der Liste des Verfassungsschutzes nachgesehen; das ist verständlich bzw. selbstverständlich, wenn man sich mit so einem Antrag beschäftigt. Es sind antifant, die MLPD, die DKP München oder die Rote Hilfe dabei, die teilweise eben sehr wohl vom Verfassungsschutz beobachtet werden, und wir haben hier schon Beden

ken. Aus unserer Sicht ist es problematisch, dass sie nicht aus dem Bündnis ausgeschlossen wurden, was die Satzung hergäbe, wenn in ihr Linksextremisten und Extremisten definiert würden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Von dem her ist auch unsere Meinung: Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel. Wir haben uns dafür entschieden, uns mit diesem PAG auseinanderzusetzen und letztendlich vielleicht auch durch Änderungsanträge noch einmal zu versuchen, manches zu mildern.

In diesem Bündnis geht es, denke ich, zu sehr um Polarisierung, und es sollte sich unserer Meinung nach wirklich eine andere Satzung geben. Gerade wer, wie gesagt, im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Ich habe heute schon einmal gesagt, es gibt doch viel Scheinheiligkeit. Vorhin hat es dann in der Gegenrede geheißen: Sie sind es vielleicht selber. – Ich weiß es nicht. Ich bemühe mich, es nicht zu sein. Die meisten oder viele haben mich jetzt zehn Jahre hier erlebt. Ich habe schon versucht, zu bestimmten Grundsätzen zu stehen. Eine Enthaltung ist in diesem Fall auch etwas, und das wollen wir uns nicht lächerlich machen lassen. Wir sehen auf beiden Seiten eine gewisse Berechtigung und auf beiden Seiten aber auch, dass wir es nicht verstehen, deswegen unsere Enthaltung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Hubert Ai- wanger (FREIE WÄHLER): Bravo!)

Frau Gottstein, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Der Kollege Kreuzer hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.

(Thomas Kreuzer (CSU): Ich habe das einmal erwogen, aber nachdem Frau Gottstein dann doch zum Thema gekommen ist, lasse ich es sein! – Heiterkeit bei der CSU)

Okay. Ich hatte nur die Information, dass das der Fall sein würde. Gut. – Danke schön noch einmal, Frau Gottstein. – Jetzt kommen wir zur Kollegin Schulze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! 1.300 Personen in Erlangen, 1.300 Personen in Nürnberg, 4.000 Personen in Würzburg, 5.000 Personen gestern Abend in Regensburg – so viele Menschen demonstrieren seit ein paar Wochen friedlich, aber konsequent gegen das PAGNeuordnungsgesetz, weil sie eben keine Lust auf den CSU-Überwachungswahn haben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf der Abgeordne- ten Ingrid Heckner (CSU))

Weil diese Menschen den Rechtsstaat verteidigen, weil sie unsere Demokratie schützen wollen und weil sie Sicherheit und Freiheit möchten, gehen sie für eine gute personelle Ausstattung der Polizei und gegen das verfassungswidrige Gesetz der CSU auf die Straße. Das Schöne ist: Es sind in den nächsten Wochen noch mindestens sechs weitere Demonstrationen in ganz Bayern geplant. Das alles ist gut, und das alles unterstützen wir GRÜNE aus vollstem Herzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Und was macht jetzt die CSU? – Anstatt den Protest anzuhören, anstatt die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen und die vielen neuen verfassungswidrigen Eingriffsbefugnisse wieder aus dem Gesetz herauszunehmen, diskreditieren Sie den breiten zivilgesellschaftlichen Protest. Das finde ich, ehrlich gesagt, schäbig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Bündnis "noPAG" in München, das Sie angesprochen haben, ist ein bunter Zusammenschluss ganz verschiedener Organisationen und Parteien: Vom Bayerischen Journalisten-Verband über den Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. bis hin zu Gewerkschaften, Parteien und Jugendorganisationen haben sich all diese Organisationen

(Tobias Reiß (CSU): Und bekannte linksextremistische Organisationen!)

das Ziel auf die Fahnen geschrieben, ein großes zivilgesellschaftliches Zeichen gegen den CSU-Überwachungswahn zu setzen. Und genau dafür organisiert das Bündnis jetzt eine große Demo am 10. Mai in München. Der Protest dort wird, genauso wie in allen anderen Städten bisher, bunt und friedlich sein. So hat es der Sprecher des Bündnisses bei der Pressekonferenz ganz klar und deutlich formuliert. Ich war selber da und habe es mit eigenen Ohren gehört. Ich möchte, um Sie vielleicht zu beruhigen, aus der Pressemitteilung der Polizei in Würzburg vom letzten Samstag zitieren. Zitat der Polizei: "Insgesamt verlief die gesamte Versammlung friedlich und störungsfrei." – Warum regen Sie sich auf? Warum regen Sie sich auf, dass Menschen ihr Recht der Demonstrationsfreiheit wahrnehmen und auf die Straße gehen? – Das stört Sie halt, weil sie gegen ein Gesetz von Ihnen auf die Straße gehen. Aber dann bringen Sie nicht so sinnlose Gesetze ein, dann muss man auch nicht dagegen demonstrieren.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf der Abgeordne- ten Ingrid Heckner (CSU))

Herr Kreuzer, Sie haben in Ihrem Redebeitrag gemeint, eine Politikerin der GRÜNEN habe in Würzburg Desinformationen verbreitet. Ich war selber auf der Demo in Würzburg und weiß noch genau, was ich gesagt habe. Ich bin innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der GRÜNEN hier. Wir diskutieren dieses Thema in den Ausschüssen zum Glück rauf und runter, und ich habe natürlich nur Dinge gesagt, die in diesem Gesetz so drinstehen.

(Zurufe von der CSU)

Bevor Sie sich weiter aufregen, möchte ich noch kurz an eine Sache erinnern: Vor ein paar Jahren gab es in München ein breites Bündnis von demokratischen und gesellschaftlichen Kräften, Kirchen, Gewerkschaften etc., das sich gegen ein Bürgerbegehren eingesetzt hat, mit dem die Partei "DIE FREIHEIT" das geplante Islamzentrum des Penzberger Imams Benjamin Idriz verhindern wollte. Einer dieser Bündnispartner waren Ihre CSU-Kolleginnen und -Kollegen aus dem Münchner Stadtrat. Wer war noch mit in dem Bündnis? – Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, VVN-BdA. Diese Organisation diskreditieren Sie jetzt mit Ihrem Dringlichkeitsantrag, und bei einer anderen Sache hat die CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat mit ihr zusammengearbeitet. Das passt doch irgendwie alles nicht zusammen, was Sie heute und hier sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann mir diesen Antrag heute nur so erklären, dass Sie Angst haben, weil eine Landtagswahl vor der Tür steht

(Manfred Ländner (CSU): Immer derselbe Quatsch!)

und Sie erneut übersteuert haben und über das Ziel hinausgeschossen sind, weil Sie in Ihrem Überwachungswahn etwas ganz Zentrales vergessen haben: Wir hier in Bayern sind ein Freistaat. Freiheit gehört zum bayerischen Lebensgefühl genauso dazu wie das Glück, im sichersten Bundesland in Deutschland leben zu dürfen. Erst gestern konnten wir im Innenausschuss die vorzügliche Kriminalstatistik besprechen. Ich möchte hier und heute noch einmal ein herzliches Dankeschön für die gute Arbeit der bayerischen Polizei, der Rettungskräfte und der Feuerwehr sagen. Dass wir in einem so sicheren Bundesland leben, liegt an deren guter Arbeit. Deswegen müssen wir Polizei, Rettungskräfte und Feuerwehr gut unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Tobias Reiß (CSU))

Deshalb können Sie gewiss sein: Wir GRÜNE werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen, dass unsere Sicherheitsbehörden ihre Arbeit gut machen können. Gleichzeitig werden wir dafür sorgen, dass die Bürgerrechte gewahrt bleiben, weil man beides gleichzeitig machen kann.

Wir haben schon bei der ersten Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes als einzige Fraktion gegen das Gesetz gestimmt und klagen jetzt vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Wir werden auch der zweiten Novellierung nicht zustimmen und wieder vor Gericht ziehen;

(Zuruf des Abgeordneten Ernst Weidenbusch (CSU))

denn die Freiheit stirbt bekanntermaßen scheibchenweise, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir werden zusammen mit vielen anderen nicht zulassen, dass die CSU immer weiter Scheiben von unserer Freiheit abschneidet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Jetzt hat sich der Kollege Kreuzer zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Kreuzer.

Ich müsste jetzt den Antrag wieder vorlesen, aber ich schenke mir das, weil Sie es ja vorher gehört haben. Ich sage nur die Überschrift: "Keine gemeinsame Sache mit Linksextremisten und anderen verfassungsfeindlichen Organisationen machen – Appell an demokratische Parteien". Ich habe Ihnen sieben Organisationen aufgezählt, die im Verfassungsschutzbericht als extremistisch bzw. linksradikal erwähnt sind. Sie haben dazu nicht Stellung genommen. Das Ziel des Antrags ist nicht, das PAG zu diskutieren. Das werden wir tun. Ziel ist auch nicht, Demonstrationen zu verhindern. – Das ist das gute Recht der Leute. Ich frage Sie: Halten Sie es für angebracht, dass man sich mit Verfassungsfeinden verbündet und Seite an Seite demonstriert und marschiert? Oder halten Sie es für demokratische Parteien nicht für richtig, sich mit Extremisten zu verbünden? Das ist die Frage, und dazu will ich eine klare Stellungnahme.