Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum dritten Punkt. Hier geht es um Themen, die rein dem Wahlkampf und Ihrer panischen Angst vor dem Machtverlust geschuldet sind. Sie bieten mit dem Landespflegegeld, mit dem Bayerischen Familiengeldgesetz und dem Baukindergeld Lösungen nach dem immer gleichen Motto an: Der einfachste Weg ist es, einen Wahlkampfgeldregen mit der Gießkanne über die Bevölkerung auszuschütten. Dann braucht man sich nämlich nicht die Mühe zu machen, etwas zu einzelnen Punkten zu sagen. Man muss kein klares Konzept vorlegen, wie die tatsächlich bestehenden Probleme gelöst werden können. Man muss sich später natürlich auch nicht daran messen lassen, ob man diese Konzepte umgesetzt hat. Man muss nur Geld auszahlen, den Rest regelt schon irgendwie der Markt.

Nein, das regelt nicht irgendwie der Markt. 1.000 Euro Landespflegegeld sind gut und schön. Die Probleme in der Pflege werden mit diesem Geld allein aber nicht gelöst. Natürlich gibt es Menschen, die sich eine zusätzliche Pflegeleistung nicht einkaufen könnten, wenn sie nicht diese 1.000 Euro zusätzlich hätten. Meistens geht es jedoch darum, dass die Pflegeleistung überhaupt nicht in der benötigten Qualität und Menge vorhanden ist. Hier müssen wir etwas tun, zum Beispiel die Pflegeleistungen ausbauen, und wir müssen beim Kostenersatzsystem etwas tun.

Ich sage es Ihnen aus eigener Erfahrung: Es ist kein Problem, eine Physio verschrieben zu bekommen, sondern das Problem besteht darin, einen Physiotherapeuten zu bekommen, der für die Eltern Zeit hat und vielleicht sogar die Zeit findet, zu den Eltern ins Haus zu kommen, wenn diese bewegungseingeschränkt sind. Da helfen 1.000 Euro Pflegegeld nicht. Wir brauchen Konzepte, wie sie die SPD mit mehreren Antragspaketen in dieser Legislaturperiode schon vorgelegt hat.

(Beifall bei der SPD)

Das Einkommen ist für die Menschen, die in der Pflege tätig sind, sehr wichtig. Wichtig sind aber auch die Arbeitsbedingungen. Wie kriegen wir es hin, dass die Arbeit nicht zu schwer ist? Wie kriegen wir es hin, dass nicht zu viele Überstunden anfallen? Wie krie

gen wir es hin, dass diese Leute einen geregelten Feierabend haben und nicht permanent Dienste am Wochenende schieben müssen? Das sind die Fragen, denen Sie sich mit diesem Haushalt hätten stellen müssen. Sie geben jedoch mit der Gießkanne Geld aus, um noch ein paar Stimmen für die Wahl einzufangen.

(Beifall bei der SPD)

Nun zum Bayerischen Familiengeld. Ja, auch das ist okay. Die Fragen, die sich jedoch stellen, lauten: Haben wir genügend Kita-Plätze? Weisen diese KitaPlätze die notwendige Qualität auf? Steht für diese Kita-Plätze genügend Personal zur Verfügung? Diese Fragen lösen Sie mit dem Bayerischen Familiengeldgesetz nicht. Wir wollen für die Kitas in Bayern eine Qualitätsoffensive. Wir wollen mehr Personal, eine bessere Ausstattung und vor allem eine Betreuung auch an Tagesrandzeiten. Das sind die Forderungen der SPD. Diese Forderungen haben Sie bei den Haushaltsberatungen wiederum abgelehnt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zum Thema Baukindergeld. Ja, auch das kann man machen. Sie verteilen hier mit der Gießkanne ein paar Tausend Euro. Die meisten Familien stehen aber nicht nur vor dem Problem, wie sie den Bau finanzieren, sondern auch vor dem Problem, wie sie überhaupt eine Baufläche bekommen. Sie stehen vor dem Problem, wo sie eine Wohnung kaufen können. Kolleginnen und Kollegen, dazu habe ich für die SPD bereits beim Thema Wohnungsbau einiges gesagt.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zur vierten Rubrik: die pure Effekthascherei. Das Bayerische Oberste Landesgericht wurde von Herrn Stoiber sehr kurzfristig abgeschafft. Jetzt wird es kurzfristig, ohne längere Planung, wieder eingeführt.

(Karl Freller (CSU): Dem habt ihr doch zugestimmt!)

(nicht autorisiert) Es wurde mal schnell auf drei Standorte verteilt. Das ist alles nett und schön. Da können wir auch mitgehen. Aber mit dem Aufbau einer modernen Justiz und der Ausstattung unserer Justiz mit genügend Personal hat das nichts zu tun. (Beifall bei der SPD)

Dieses Thema umgehen Sie mit dieser Maßnahme. Hätten Sie gesagt: Das ist ein wichtiger Baustein,

gleichzeitig statten wir aber unsere anderen Gerichte ordentlich aus, wäre das glaubwürdiger gewesen als diese Effekte, die Sie kurzfristig erreichen wollen.

Ich habe bereits die Bayerische Grenzpolizei und die Kavallerie genannt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, 200 Vierbeiner in den Haushalt hineinzuschreiben statt die doppelte Anzahl an Polizistinnen und Polizisten, die tatsächlich für die Menschen mehr Sicherheit bringen und Straftaten verhindern, das sind verschiedene Politikansätze.

(Beifall bei der SPD – Tobias Reiß (CSU): Wir bilden doch schon an der Kapazitätsgrenze aus!)

(nicht autorisiert) Ich komme zum Landesamt für Asyl und Rückführungen. Sie reden hier wolkig von 1.000 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im Haushalt sieht das Ganze schon anders aus, da Sie nämlich nur Stellen aus anderen Bereichen zusammenführen. Hier wählen Sie – nur für die Effekthascherei! – den völlig falschen Weg. Lassen Sie die heutigen Strukturen bestehen! Statten Sie die Strukturen, die sich mit der Entscheidung von Fragen zu Flüchtlingen, Asyl und Migration beschäftigen, besser aus! Geben Sie, wie es die SPD seit Jahren fordert, in diese Strukturen zusätzliches Personal hinein! Geben Sie auch genügend Personal in die bestehenden Strukturen zur Integration von Menschen aus anderen Ländern, von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern hinein! Geben Sie genügend Geld und Personal in diese Bereiche hinein! Begeben Sie sich nicht auf den Weg einer reinen Umorganisation, um wieder einmal ein Signal zu setzen. (Zuruf von der Staatsregierung: Völliger Schwachsinn!)

Ich darf an dieser Stelle den Antrag der GRÜNEN erwähnen. Diesen halten wir, die SPD, für falsch. Richtig ist die in dem Antrag enthaltene Forderung, das Landesamt für Asyl und Rückführungen so, wie es vorgeschlagen worden ist, nicht zu gründen. Falsch ist die Forderung, die dafür vorgesehenen 10,7 Millionen Euro einfach zu streichen. Diese Mittel müssen in die heutigen Strukturen hineingegeben werden. Wir brauchen mehr qualitativ gut geschultes Personal, damit schnell gute Entscheidungen getroffen werden. Wir brauchen genügend Geld zur Unterstützung und Integration von Migrantinnen und Migranten. Dazu gehören Sprachkurse, die zu einem möglichst frühen Zeitpunkt angeboten werden, und eine entsprechende berufliche Qualifikation, damit die Migrantinnen und Migranten möglichst früh in unseren Arbeitsmarkt integriert werden können; denn das ist das Beste für unsere Gesellschaft, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich diese vier Punkte zusammenfasse, komme ich zu dem Ergebnis: Mit diesem Nachtragshaushalt – es ist der 2. Nachtragshaushalt, gestrickt mit heißer Nadel nach der Regierungserklärung des neuen Herrn Ministerpräsidenten – wird eine Milliarde Euro verballert. In weiten Bereichen mangelt es an einer langfristigen Konzeption. Ohne nachhaltige Strukturentwicklung werden wir den Anforderungen, vor denen Bayern in zehn Jahren stehen wird, nicht gerecht.

(Karl Freller (CSU): "Verballert"? Für den Wohnungsbau!)

(nicht autorisiert) – Kollege Freller hat dazwischengerufen: "Für den Wohnungsbau!" Entschuldigung, aber wenn es um BayernHeim geht, sollte auch Ihnen in haushalterischer Hinsicht eines klar sein: Das ist kein neues Geld, sondern Mittel des Grundstocks werden umgewidmet. Das ist eine Forderung, die die SPD seit Jahren erhebt, Herr Kollege. Das hat mit der Milliarde gar nichts tun. Die Milliarde geben Sie für Bürgerbeauftragte und Sonstiges aus, aber nicht für den Wohnungsbau. So ordentlich sollten wir hier schon noch miteinander arbeiten, Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD)

"Bayern fit machen für eine gute Zukunft" sieht für die SPD anders aus. Dieser 2. Nachtragshaushalt ist die in Zahlen gegossene Beliebigkeit der Politik von Herrn Dr. Söder. Er ist ein Manifest politischer Fehleinschätzungen, von purem Populismus und halbherzigen Umsetzungen in den Bereichen Wohnen, Bildung, Pflege und öffentliche Sicherheit.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD legt seit Jahren an vielen Stellen konkrete Gegenprojekte vor. Über diese sind Sie mit der Arroganz Ihrer derzeitigen absoluten Mehrheit immer hinweggegangen. Sie können nicht erwarten – ich gehe davon aus, Sie werden es auch nicht erwarten –, dass die SPD Ihnen für diese Fehlallokation von Geld im Haushalt 2018 noch die Hand reicht. Wir lehnen den Nachtragshaushalt in der vorgelegten Form ab.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Pohl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem doppelten Dank beginnen: Zunächst einmal bedanke ich mich ganz

herzlich bei all denjenigen, die dafür verantwortlich sind, dass wir hier Geld ausgeben können, nämlich bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern im Freistaat, bei den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern, bei den sehr vielen fleißigen Menschen, die uns hier Gestaltungs- und Handlungsspielraum geben. Herzlichen Dank!

Der zweite Dank geht an denjenigen, der heute seine letzte Haushaltsrede gehalten hat, den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Peter Winter. Ich sage dir ganz persönlich herzlichen Dank für fünf sehr kollegiale, gute Jahre. Es war eine gute Zusammenarbeit. Eine Lebensleistung, wie du sie in der Politik vollbracht hast, sollte man angemessen würdigen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Der Dank für die gute, konstruktive Zusammenarbeit gilt natürlich allen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss.

Die heutige Rede des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses war allerdings von Angriffen auf die FREIEN WÄHLER geprägt.

(Peter Winter (CSU): Das musste sein!)

Warum? Es verwundert nicht. Der Grund ist, dass – ich glaube, zum ersten Mal in der Geschichte von Meinungsumfragen – die Differenz zwischen den Werten der CSU und der FREIEN WÄHLER auf 30 Prozentpunkte zusammengeschmolzen ist. Wenn ihr so weitermacht, wird der Abstand weiter zusammenschmelzen, liebe Kollegen von der CSU.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Peter Win- ter (CSU): Das überlassen wir aber schon noch den Wählern?)

Ich sage auch sehr deutlich: Wer hier behauptet, wir würden eine Schuldenpolitik fordern, der sollte sich sehr bedeckt halten. Ich sage nur: Länderfinanzausgleich! In diesen fließen jedes Jahr 6 Milliarden Euro, die Hälfte davon an die Bundeshauptstadt Berlin. Das ist kein Beweis seriöser Finanzpolitik. Da habt ihr furchtbar schlecht verhandelt. Es kann nicht sein, dass 10 % unserer Haushaltsmittel für Länder draufgehen, die eigentlich in der Lage sein müssten, sich selbst zu unterhalten. Stellen Sie sich einmal vor, in Bayern müssten die Landkreise Rhön-Grabfeld, Freyung-Grafenau und Tirschenreuth Geld zahlen, weil die Landeshauptstadt München mit ihrem Budget nicht zurechtkommt. So absurd ist es mit diesem Länderfinanzausgleich. Deswegen glaube ich nicht, dass wir FREIE WÄHLER uns hier Vorhaltungen machen lassen müssen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir entscheiden heute über den 2. Nachtragshaushalt, und das wenige Monate nachdem der 1. Nachtragshaushalt verabschiedet wurde. Wie kann das sein? Normalerweise müsste man vermuten, in Bayern habe es einen Regierungswechsel gegeben, die Opposition habe die Macht übernommen und meine nun, sie müsse die Dinge anders gestalten, das heißt, einen echten Politikwechsel einleiten. Dabei hat nur der Finanzminister auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten Platz genommen. Sie hören richtig: der Finanzminister! Es ist nicht etwa ein CSU-Abgeordneter aus dem Europaparlament, der Herrn Seehofer abgelöst hat. Nein, der Finanzminister, derjenige, der für den 1. Nachtragshaushalt federführend Verantwortung trug, kippt diesen und sagt jetzt: Wir brauchen eine weitere Milliarde. Das, was wir damals gemacht haben, war Murks, war Stückwerk, war nicht genug. – Das ist die Botschaft, die diese Staatsregierung und diese Mehrheitsfraktion nach außen senden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zuruf von der Staatsregierung)

Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder war der Finanzminister damals zu schwach, seine Forderungen durchzusetzen, oder das, was damals gemacht wurde, war schlampig. Ich neige zu dem Zweiten; denn die CSU war in den vergangenen neun Monaten eigentlich nur damit beschäftigt, Personalien zu klären: Erst musste man den Ministerpräsidenten loswerden, den man vor vier Jahren gewählt hatte,

(Ingrid Heckner (CSU): Was Personalien angeht, sollten die FREIEN WÄHLER bei sich schauen!)

dann musste man noch in Berlin zündeln. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wenn ein Minister der Bayerischen Staatsregierung öffentlich äußert, die Kanzlerin – "die Merkel" – müsse weg, dann habe ich dafür keinerlei Verständnis.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Tobias Reiß (CSU): Das hat er so nicht gesagt!)

Ich sehe hier den Kollegen Freller, der schon länger dabei ist.

(Ingrid Heckner (CSU): Ist das noch eine Haushaltsrede?)

Ich sage mit großer Entschiedenheit: Man musste der CSU nicht immer zustimmen; aber die CSU stand jahrzehntelang für Verlässlichkeit und Stabilität.

(Tobias Reiß (CSU): Dafür steht sie auch in den nächsten Jahrzehnten!)

Man musste über die Inhalte nicht einer Meinung sein; zumindest auf Stabilität konnte man sich aber verlassen. Was ist heute? – Heute wird mit Ultimaten gearbeitet – gegen die eigene Kanzlerin, die man vor wenigen Monaten gewählt hat. Regieren, liebe Kollegen und Kollegen, heißt gestalten und nicht zündeln. Wer zündelt, der kann weder in Berlin noch in München gestalten. Sie mussten mit heißer Nadel einen Nachtragshaushalt auf den Tisch legen, weil Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten. Sie waren nämlich mit anderen Dingen beschäftigt.