Protokoll der Sitzung vom 18.09.2018

Lassen Sie mich die Zahlen vorlesen. Wir sind 2008 gewählt worden. Davor gab es 61 Millionen Euro an ÖPNV-Zuweisungen. 2008 waren es 50,2 Millionen, 2009 50,4 Millionen, 2010 50,6 Millionen, 2011 50,5 Millionen. So geht das bis 2017. Und dann spricht der Kollege Rotter davon, wie kraftvoll hier investiert wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie zu: In der Zeit hat der Freistaat Bayern 40 % mehr Geld eingenommen. Und Sie haben es geschafft, dem ÖPNV keinen Euro mehr zu geben. Damit übertragen Sie die Aufgaben den Landkreisen und den Gemeinden. Sich hier hinzustellen und zu sagen, wie kraftvoll man Verkehrspolitik macht, ist mehr als lächerlich.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das lasse ich so nicht stehen, und das geht so auch nicht durch. Man arbeitet sich an den Zahlen ab. Jetzt ist ein Haushaltsjahr, und jetzt werden auf einmal 400 Millionen draufgepackt. Das ist ja klar. Es geht um eine Wahl. Und vor der Wahl möchte man sich draußen schön sehen lassen und dies auch verkünden.

Lieber Herr Kollege Eberhard Rotter, ich schätze Sie, ich schätze dich sehr. Wir haben in der Debatte im Wirtschaftsausschuss in den letzten zehn Jahren immer gerungen. Aber wenn man das 400-MillionenProgramm anschaut, um was geht es denn? – Um die Förderung von Tram- und U-Bahn-Fahrzeugen. Es geht um Elektrobusse, um Flottenförderung. Es geht um ein kostenfreies Ticket für den MVV. Ich möchte einmal wissen: Wo bleibt denn da der ländliche Raum? Wo bleibt denn da eine Leistungsverdichtung im ländlichen Raum? Wo bleibt denn da überhaupt ein Angebot?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn man hier in Rekordhaushaltsjahren eine solche Debatte führt, dann, bitte schön, auch mit dem Engagement von Rekordhaushaltsjahren, um die Gemeinden und den ÖPNV so zu stärken, wie sie es verdient haben.

Nun zur Luftreinhaltung. Wir werden später bei den Dringlichkeitsanträgen wieder darüber diskutieren – darauf freue ich mich –, ob die SPD jetzt endlich ihre Meinung ändert. Sie wollen doch die Fahrzeughersteller auch nicht in die Verantwortung nehmen.

(Natascha Kohnen (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Bis jetzt war es zumindest so.

(Florian von Brunn (SPD): Herr Glauber, auf welchem Planeten leben Sie eigentlich?)

Ich freue mich auf die Debatte über den Dringlichkeitsantrag. Vielleicht ist es ja heute anders, und wir nehmen die Fahrzeughersteller jetzt in die Pflicht. Die Staatsregierung hat es bisher nicht getan, und Berlin hat es auch nicht getan.

(Florian von Brunn (SPD): Lesen Sie Zeitung, Herr Kollege?)

Ich wäre froh, würden wir hier im Haus die Fahrzeughersteller endlich in die Pflicht nehmen; denn sie sind dafür zuständig und niemand anders. Wer im Datenblatt etwas anderes ausweist als festgestellt, muss auch die Verantwortung dafür übernehmen.

(Florian von Brunn (SPD): Das war eine glatte Falschaussage!)

Wir als FREIE WÄHLER fordern eine ordentliche Finanzierung des ÖPNV.

Sie stehen auch für die Stammstrecke, Kollege von Brunn. Wer für die Stammstrecke steht, hat den Landkreisen und Gemeinden 500 Millionen vorenthalten.

(Florian von Brunn (SPD): Das ist totaler Quatsch!)

Sie sind mit der Staatsregierung dafür verantwortlich, dass wir 500 Millionen auf einem Konto angespart haben und nicht den Kreisen und nicht den Gemeinden für den ÖPNV geben. Ich sage Ihnen auch ganz genau, warum: weil wir für den Bund 1,5 Milliarden vorfinanzieren. Verkehrsminister Dobrindt ist nach Bayern gekommen, hat mit dem Ministerpräsidenten einen Vertrag unterschrieben, ohne einen Euro in der Tasche, zulasten unserer Landkreise, zulasten unserer Gemeinden, zulasten des ländlichen Raums. Wer solche Verträge unterschreibt und damit die ÖPNVMittel bindet – 1,5 Milliarden des Bundes finanzieren wir vor –, der braucht in diesem Hause nicht zu sagen, er hebe die Hand für den ländlichen Raum. Der Bund hätte kommen und die 1,5 Milliarden mitbringen müssen, nichts anderes.

(Florian von Brunn (SPD): Kein einziger vernünftiger Vorschlag zur Verkehrspolitik von Ihnen!)

Noch einmal: Keine Augenwischerei! Die Zahlen besagen eines ganz klar: Sie haben über Jahre hinweg kein Augenmerk auf Gemeinden und Landkreise gelegt und haben nur die Metropolen gefördert. Das lassen wir als FREIE WÄHLER nicht durchgehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Florian von Brunn (SPD): Kein einziger Vorschlag! Null Substanz! Eine Bankrotterklärung Ihrer Verkehrspolitik!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Herr Kollege von Brunn, wenn ich richtig lese, stehen Sie auch noch auf der Rednerliste. Vielleicht ist jetzt, was Zwischenrufe angeht, etwas Zurückhaltung möglich. – Vielen Dank. – Jetzt darf ich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Kollegen Hartmann bitten. Bitte sehr, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht au- torisiert) Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die SPD-Fraktion, dieses wichtige Thema heute zu setzen, ein klassisches Landesthema, bei dem wir in Bayern wirklich einiges besser machen müssen.

Die einzige Gemeinsamkeit der Reden war, dass man herausgehört hat, dass sich jeder bewusst ist, dass Mobilität ein menschliches Grundbedürfnis ist, dem man in ganz Bayern gerecht werden muss.

Herr Kollege Rotter, ich schätze Sie wirklich. Sie haben Ihr Nachbarland Vorarlberg angesprochen. Vorarlberg macht doch genau das vor, was wir hier in Bayern brauchen: Dort gibt es seit 2014 ein 365-EuroTicket, ein verlässliches Bus- und Bahnangebot für die ländliche Region. Dort zeigt man doch, wie es geht, und sagt ganz deutlich: Erst das Angebot schaffen, dann kommt die Nachfrage, dann kommt meist noch der Wunsch der Menschen nach einem Ausbau des Angebots. Diesbezüglich ist hier in Bayern in den letzten Jahren gar nichts passiert. Das ist wirklich ein Armutszeugnis.

Sie denken Mobilität noch immer nur vom Auto und nicht von den Bedürfnissen der Menschen in unserem Land her.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNE wollen eine Mobilitätsgarantie für ganz Bayern, das heißt ein Bus- und Bahnangebot in wirklich jeder Ortschaft von fünf Uhr in der Frühe bis Mitternacht und an jedem Werktag. Das wäre ein Angebot, auf das sich die Menschen verlassen könnten, ein Bus- und Bahnangebot auch für die Ortschaften – Natascha Kohnen hat es angesprochen –, in denen der Schulbus das einzige öffentliche Verkehrsmittel ist. In den Sommerferien fährt der Schulbus gar nicht. Das heißt, dass die älteren Menschen in diesen Ortschaften im wahrsten Sinne des Wortes festsitzen, wenn sie nicht mehr Auto fahren können oder wollen. Insoweit müssen wir endlich ein Angebot schaffen, und zwar im ganzen Land. Von Lindau bis Hof muss das mit einer Mobilitätsgarantie abgedeckt werden, auf die sich die Menschen in Bayern verlassen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Rotter hat es angesprochen: Nur 37 Landkreise haben Nahverkehrspläne vorgelegt. Wir haben ganz konkret beantragt, dass das alle Landkreise tun müssen. Wir müssen durchaus einmal den Mut haben, etwas verbindlich vorzugeben. Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass es in manchen Regionen funktioniert. Anderswo funktioniert es gar nicht. Wir müssen doch das ganze Land im Blick haben. Da muss man ein bisschen mehr Mut haben, entschlossen sein, wenn man den ÖNPV, das Bus- und Bahnangebot im ganzen Land, voranbringen möchte.

Nun zum Thema Elektrifizierung. Ich konnte gar nicht glauben, was Sie dazu gesagt haben. Soweit ich weiß, fahren Sie häufig so wie ich die Strecke München – Lindau. Wie lange wurde über die Elektrifizierung der Bahnstrecke Lindau – Zürich diskutiert!

(Markus Rinderspacher (SPD): Fast 40 Jahre!)

Fast 40 Jahre. Danke, Herr Kollege. Dann gab es ein Angebot aus der Schweiz zur Vorfinanzierung, weil der Freistaat trotz des vielen Geldes nicht in der Lage ist, ein bisschen Druck aufzubauen, damit es vorangeht. Und dann wurde in Bayern gebremst. Jetzt gerade wird gebaut. Das hätte man deutlich schneller haben können. 51 % der Bahnstrecken in Bayern sind elektrifiziert. Das zeigt, dass in den letzten Jahren gar nichts geleistet wurde. Das muss sich dringend ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zusammenfassend kann man sagen: Es gibt zwei Bereiche, die Ballungsgebiete und die ländlichen Regionen. Die Ballungsgebiete haben sicherlich andere Herausforderungen als die ländlichen Regionen, was ein neues Mobilitätskonzept angeht. Aber für beide gilt: Wir brauchen eine Mobilitätspolitik der langen Linien. Es hilft gar nichts, Einzelmaßnahmen hinauszuposaunen. Ein Gesamtkonzept brauchen wir.

Sie kündigen an, bis zum Jahr 2030 in den Ballungsgebieten ein 365-Euro-Ticket einzuführen. Vorarlberg als ländliche Region hat es dann bereits 16 Jahre. Das, was Vorarlberg in Österreich kann, muss doch Bayern auch locker schaffen können.

Ich möchte noch einen Punkt zu den Großstädten ansprechen, der mir persönlich ganz wichtig ist, weil dies zur Ehrlichkeit der Debatte gehört. Sie haben völlig recht, die Zahlen zeigen, dass immer mehr Menschen S-Bahnen, U-Bahnen und das Bussystem in den Ballungsgebieten nutzen. Das ist richtig, das entlastet die Straßen, sorgt für saubere Luft. Es ist genau richtig, dass das gemacht wird, und das muss man ausbauen. Aber in den Ballungsräumen ist der Raum begrenzt. Dort sind faktisch die Straßen der letzte Raum. Deshalb müssen wir so ehrlich sein und feststellen: Wenn wir Busangebote ausbauen wollen, muss der Verkehrsteilnehmer, der gerade am meisten Fläche braucht, das eine oder andere abgeben. Ich sage es einmal ganz konkret. Fahren Sie einmal von Salzburg mit dem Auto nach München hinein. Sie fahren praktisch auf einer zweispurigen Straße bis zum Isartor. Das muss der Vergangenheit angehören. Dorthin gehören eine Busspur, eine Fahrradspur, um den Rad-, den Fußgänger- und den Busverkehr in den Städten wirklich voranzubringen. Ein Busangebot

bringt gar nichts, wenn der Bus im Stau steht; denn dann wird er auch nicht genutzt.

(Zuruf von der CSU)

Das heißt für uns: In den nachverdichteten Gebieten, im Innenbereich der Städte, müssen die Autofahrer Platz freigeben für den umweltfreundlichen Rad- und Fußgängerverkehr und für das Bussystem.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CSU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Dr. Bernhard das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

(Florian von Brunn (SPD): Das ist heute der Tag der Abschiedsreden!)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sind uns doch alle in dem Ziel einig, den ÖPNV auszubauen. Darüber, dass dies dringend notwendig ist, haben wir doch keinen Streit. Aber zu sagen: "Das machen wir gleich alles kostenfrei", klingt natürlich stark nach: "Freibier für alle!"

(Florian von Brunn (SPD): In der Frage sind Sie ja Experten! – Natascha Kohnen (SPD): Schrittweise!)

Sie wissen doch selbst auch, dass das nicht möglich ist.

Der Ministerpräsident hat zwar den Vorschlag des 365-Euro-Tickets gemacht,

(Markus Rinderspacher (SPD): Das war nicht sein Vorschlag!)

aber um einem so gewaltigen Finanzbedarf gerecht zu werden, braucht man natürlich eine Zeitschiene. Das ist nicht gleich überall möglich, sondern dabei konzentriert man sich halt zunächst auf die Räume, in denen die Verkehrsprobleme besonders virulent sind. Ich denke, dass das auch richtig ist.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Es gibt halt keine Goldesel, Kolleginnen und Kollegen, sodass man sagen könnte, das geht alles gleich morgen. Wir können jetzt nicht ganz Bayern auf Nulltarif umstellen.