Protokoll der Sitzung vom 08.04.2014

Es ist richtig: Wir stellen fest, dass immer mehr psychiatrische Leistungen nachgefragt werden. Die Menschen fordern zunehmend mehr Hilfe an. Darauf haben wir zu achten. Wir müssen alles tun, um den Menschen diese Hilfe zukommen zu lassen. Das sehen Sie in beeindruckender Weise auch in unserer Antwort auf die Interpellation; denn die hohe Qualität der psychiatrischen Versorgung in Bayern darf im Interesse der Patientinnen und Patienten nicht zerredet werden. Es geht um die bestmögliche Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger in Bayern.

Ich appelliere an alle Verantwortlichen, sich dieser so wichtigen Aufgabe gemeinsam zu widmen. Wir haben die 1.000 Fragen der SPD auf 467 Seiten gerne beantwortet, in denen wirklich viele Informationen enthalten sind. Ich kann dem Ausschuss nur anbieten, dass wir nochmals intensiv darüber diskutieren, wenn dieser Wunsch besteht; denn wir sind keinesfalls desinteressiert – im Gegenteil, auch ich möchte eine gute Versorgung für die Menschen in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 a auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Jürgen Mistol u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung der Bayerischen Bauordnung (Drs. 17/1047) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragssteller begründet. Erster Redner ist Herr Kollege Mistol.

Herr Staatssekretär, hören Sie bitte das Telefonieren auf, denn es ist Handyverbot. Außerdem ist es unhöflich. Sie haben schon telefoniert, als die Staatsminis

terin am Rednerpult war. Das macht man nicht, als Mann schon gar nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, mit unserem Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens stärken wir die kommunale Ebene, weil zukünftig dort entschieden werden soll, ob es eine Stellplatzverordnung für Autos überhaupt braucht. Zweitens senken wir die Kosten für den Wohnungsbau; das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, mir ist bewusst, dass Sie eher zur Auto-Fraktion gehören. Doch auch zu Ihnen dürfte längst vorgedrungen sein, dass in unserer modernen Mobilitätsgesellschaft ein eigener Pkw immer mehr an Bedeutung verliert und weiter verlieren wird.

Eine Studie, die f/21, die das "Büro für Zukunftsfragen" erarbeitet hat, geht noch weiter – Zitat: "Der Automarkt in industrialisierten Ländern wie Deutschland ist gesättigt." So lautet die zentrale These. 48 % der Großstadtbewohner in Deutschland sind überzeugt, dass Carsharing wichtiger wird. Das hat eine repräsentative Umfrage der BHW-Bausparkasse ergeben. Herr Kollege Huber, 60 % erwarten, dass in Zukunft mehr Abstellräume für Fahrräder als für Autos gebraucht werden. Wie Sie sehen, gibt es eine klare Tendenz hin zu weniger motorisiertem Individualverkehr.

Gerade deshalb, weil Bayern ein Flächenstaat ist, gestaltet sich die Parksituation für Fahrräder, Motorräder und Autos in großen und kleinen Gemeinden, in Ballungsräumen und ländlichen Räumen sehr unterschiedlich. Daher ist die gesetzliche Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen gemäß Artikel 47 der Bayerischen Bauordnung, die übrigens auf die Reichsgaragenordnung von 1939 zurückgeht, im wahrsten Sinne des Wortes von anno dazumal. Es ist an der Zeit, die Bauordnung in dieser Hinsicht endlich einmal zu entstauben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bislang ist darin geregelt, dass bauliche Anlagen, bei denen Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, nur dann errichtet werden dürfen, wenn Stellplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind.

(Zuruf von der CSU: Das ist gut so!)

Was eine ausreichende Anzahl ist, wird in der Garagenstellverordnung umfassend geregelt, egal ob es sich um ein Einfamilienhaus, um einen Minigolfplatz, einen Friedhof oder eine Gaststätte handelt, Herr Kollege Ländner. Die erforderliche Anzahl an Stellplätzen muss vorhanden sein. Überall dort, wo gebaut wird, muss also der Nachweis erbracht werden, dass Autos dort oder in der näheren Umgebung tatsächlich parken können. Was im ländlichen Raum aufgrund der günstigeren Platzverhältnisse in der Regel problemlos umzusetzen ist, wird in Städten oft zu einem Problem, insbesondere beim städtebaulich gewollten Reihenhaus- und Geschosswohnungsbau.

Zum Teil können Stellplätze gar nicht oder nur mit hohem Aufwand auf dem Grundstück geschaffen werden, weil der Platz nicht ausreicht. Oft ist die Herstellung von Stellplätzen wirtschaftlich nicht zumutbar, oder das Grundstück kann durch die Parkplätze nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Für diese Fälle wurde die Möglichkeit der sogenannten Stellplatzablöse geschaffen. Genau hier liegt der Hund begraben; denn gerade in wachsenden bayerischen Städten und ihren Umlandregionen verzichten immer mehr Menschen aus ökonomischen, aber auch aus ökologischen Gründen auf ein eigenes Kfz. Carsharing, ein gut ausgebauter ÖPNV oder ein Fahrrad machen geld- und platzfressende Stellplätze mehr und mehr überflüssig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stattdessen führt ein Überangebot an Stellplätzen zu einer Subventionierung des Kfz-Verkehrs über die Wohnkosten. Diese Kosten sind nicht unerheblich. Bei Parkhäusern oder Tiefgaragenplätzen ist man schnell bei 10.000 Euro bis 25.000 Euro Baukosten pro Stellplatz. Auch die Ablösebeträge bewegen sich bei 6.000 Euro bis 13.000 Euro pro Stellplatz. Gleichzeitig beklagen viele Wohnungsbaugesellschaften bei den Stellplätzen einen erheblichen Leerstand. Beispielsweise läge bei der Städtischen Wohnungsgesellschaft GWG München die Miete bei 106 Euro pro Stellplatz, die erzielbare Miete aber nur bei 55 Euro. Der Rest muss über das Wohnen finanziert werden. Das verschärft die Situation in Städten mit knappem Wohnraum und steigenden Mieten zusehends.

Gerade im geförderten Wohnungsbau ist es ein Ärgernis, dass die Wohnkosten durch Stellplätze in die Höhe getrieben werden, die gar nicht gebraucht werden. Viele Sozialmieter besitzen nicht einmal ein Auto. Gleiches gilt für die Bauvorhaben von Genossenschaften neuen Typs, in denen sich oft Menschen organisieren, die alles andere als autoaffin sind.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wir brauchen dringend bezahlbaren Wohnraum. Mit unse

rem Gesetzentwurf wollen wir erreichen, dass die gesetzliche Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen entfällt, sofern sie über die Bereitstellung von Behindertenstellplätzen bei öffentlich zugänglichen Gebäuden hinausgeht. Stattdessen wollen wir den Gemeinden die Möglichkeit geben, durch eigene Satzungen bedarfsorientiert Stellplatzpflichten zu begründen und inhaltlich auszugestalten. In diesem Rahmen soll wie bisher die Erhebung und Verwendung von Stellplatzablösebeiträgen ermöglicht werden. Gleichzeitig wollen wir durch eine Ausweitung der Verwendungsmöglichkeiten der Stellplatzablöse zur weiteren Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und zu einer Verkehrsberuhigung, insbesondere in Wohngebieten, beitragen.

Mit dieser Regelung wird die kommunale Ebene gestärkt und ihr Gestaltungsspielraum erweitert. Hier kann Staatsminister Herrmann seinen vollmundigen Ankündigungen, den bayerischen Kommunen mehr Freiraum zu verschaffen, endlich einmal Taten folgen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass unser Ansatz praktikabel ist, zeigt ein Blick über den Tellerrand, beispielsweise nach Hessen oder Brandenburg.

Mit unserer Gesetzesinitiative verfolgen wir mehrere Ziele. Erstens. Wir wollen die Kosten beim Wohnungsbau vor allem im Interesse der Mieterinnen und Mieter spürbar mindern und zur Entschärfung der angespannten Situation auf dem bayerischen Wohnungsmarkt beitragen.

Zweitens. Wir wollen dort, wo in der Regel ausreichend Platz vorhanden ist und Stellplatznachweise unnötig sind, also auf dem Land oder in Randlagen, das bauordnungsrechtliche Verwaltungsverfahren vereinfachen.

Drittens. Wir wollen so eine individuelle Stadt- und Verkehrsplanung ermöglichen. Vor allem beenden wir damit die zwangsweise unterschwellige Subventionierung des Autoverkehrs. Stattdessen wollen wir autofreie oder zumindest verkehrsberuhigte Wohngebiete schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das verbessert die Lebensqualität in unseren Städten enorm und entspricht dem stadtplanerischen Grundsatz "Innen- vor Außenentwicklung".

Viertens. Wir wollen mit der Entscheidungskompetenz für kommunale Gremien eine öffentliche und transparente Entscheidung zu Stellplatzfragen herbeiführen.

Dadurch können die betroffenen Grundstückseigentümer, Mieter und Unternehmen unter Einbeziehung der Öffentlichkeit vorab Mobilitätskonzepte diskutieren. Zudem werden mögliche Stellplatzablösen nicht mehr still und leise in den Kämmereien gehortet, sondern werden transparent verwaltet und sollen insbesondere zur Förderung von Alternativen zum Autoverkehr, also für den ÖPNV, für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr verwendet werden.

Wie Sie sehen, Kolleginnen und Kollegen, bringt unser Gesetzentwurf eine Reihe von Vorteilen mit sich und entspricht ganz den Anforderungen an eine moderne Mobilitätsgesellschaft. Sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, noch nicht ganz überzeugt sein, freue ich mich schon auf lebendige Debatten im Ausschuss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Mistol. Der nächste Redner ist Herr Dr. Bernhard von der CSU.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Ausgangspunkt dieser Gesetzesinitiative der GRÜNEN ist zum einen, dass eine bedarfsorientierte Lösung für die Gemeinden geschaffen werden soll. Ich weiß nicht, ob Sie die jetzige Regelung einmal angeschaut haben. Danach haben die Kommunen längst die Möglichkeit, durch Satzung alles zu regeln. Sie können den Stellplatzbedarf auf null reduzieren oder erhöhen. Aus diesem Grund bräuchten wir Ihr Gesetz also wirklich nicht. – Es ist aus meiner Sicht ein bürokratisches Monster; allein für Artikel 47 wenden Sie eine ganze, eng beschriebene Seite auf. Das entspringt Ihrer Regulierungswut. Sie haben immer noch nicht begriffen – das geht vom Veggie-Day über null Promille bis zur Stellplatzabgabe -,

(Zuruf von den GRÜNEN)

dass man nicht alles regulieren soll, wie Sie das hier tun. Das ist doch hypotroph!

(Beifall bei der CSU)

Eine ganze Seite! – Also, Entschuldigung.

Als zweiten Ansatzpunkt haben Sie das Carsharing und den angeblichen Umstand gewählt, dass der Pkw-Verkehr geringer wird. Ich lebe hier in München und stelle fest, dass er ständig mehr wird. Alle Prognosen zeigen, dass der Pkw-Verkehr weiter ansteigen wird, weil die Leute, die ein Fahrrad haben – ich hab´ auch ein Fahrrad -, auch ein Auto haben. Darum ist die Annahme völlig irrig, der Pkw-Verkehr reduziere

sich. Deshalb ist es weiterhin wichtig, den ruhenden Verkehr auf diese Art und Weise aus dem öffentlichen Verkehrsraum entfernen zu können.

Im Übrigen ist auch die Kompetenzfrage zweifelhaft, insbesondere dort, wo Sie die Gemeinden ermächtigen wollen, hier eigene Entscheidungen im Einzelfall zu treffen. Das ist wohl kompetenzrechtlich überhaupt nicht möglich.

Dann haben Sie über die Kosten gesprochen. Wenn ich einmal die Münchner Situation betrachte: Wir haben eine rot-grüne Stadtregierung gehabt, möglicherweise haben wir sie wieder. Wissen Sie, was die Kosten treibt? – Dass die Landeshauptstadt München die Grundstücke zu Höchstpreisen verhökert, zu Preisen von 1.800 Euro pro Quadratmeter.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Das treibt die Kosten in die Höhe, nicht der Stellplatz.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen den Grundsatz nicht aufgeben, dass ein Mindestmaß an Stellplätzen zur Verfügung gestellt wird, wenn gebaut wird. Sie gängeln auch die Gemeinden, indem Sie alle möglichen Voraussetzungen schaffen, die die Gemeinden ermitteln sollen. Das ist wirklich bürokratisch bis zum Geht-nicht-mehr – grad, dass Sie nicht noch vorschreiben, wann der Stellplatz gejätet werden muss. Das fehlt gerade noch. Aber ansonsten gängeln Sie die Gemeinden in einer Art und Weise, die wir wirklich nicht wollen.