Protokoll der Sitzung vom 07.05.2014

Auf der anderen Seite gibt es das Ruhebedürfnis der Anwohner. Aufgrund der unterschiedlichen bzw. unklaren Regelungen kam es in den vergangenen Jahren in einigen Städten immer wieder zu Streitigkeiten. In Biergärten, die sich fast ausschließlich in Oberbayern befinden, können die Gäste in bayerischer Gemütlichkeit bis 23.00 Uhr sitzen bleiben; Grundlage ist die Bayerische Biergartenverordnung. In Franken, wo es nach dieser Verordnung die Tradition der Biergärten nicht gibt, ist das nicht möglich. Eine Unterteilung des Freistaates in Altbayern und Franken ist aber,

was diese Frage angeht, überhaupt nicht gerechtfertigt. Das sage ich Ihnen übrigens als Franke mit niederbayerischem Migrationshintergrund.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN – Zurufe bei der CSU: Oh!)

In der Antragsbegründung wird zwar auf die Gustavstraße in Fürth Bezug genommen. Sie machen es sich aber zu einfach, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn Sie diesen Antrag mit der Behauptung, die Probleme gebe es nur in der Gustavstraße, ablehnen. Mir liegt ein Schreiben des Bayerischen Städtetages vor, der sich in dieser Angelegenheit an den bayerischen Umweltminister Marcel Huber gewandt hat; Kollege Arnold hat es schon erwähnt. Darin heißt es – ich zitiere wörtlich –:

Die Entschärfung der Konflikte in den Städten könnte daher erreicht werden, wenn der Freistaat von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen und eine der Biergartenverordnung von 1999 entsprechende Regelung erlassen würde, wonach die Bewirtung im Außenbereich auch bis 23 Uhr erlaubt sein soll.

Dieses Problem ist mitnichten nur eines der Stadt Fürth, sondern es tritt in zahlreichen Städten auf.

Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach ist in Fürth ein Betrieb der Außengaststätten nur bis 22.00 Uhr möglich. Sollte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Ansbacher Urteil bestätigen, dürfte dies von einzelnen Bürgern und zahlreichen anderen Kommunen zum Anlass genommen werden – diese Befürchtung teilen wir –, die Sperrung der Außengaststätten nach 22.00 Uhr gerichtlich zu erstreiten.

Nach § 23 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist es der Bayerischen Staatsregierung jederzeit möglich, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen. Das wurde von den Kolleginnen und Kollegen der CSU in den Ausschüssen auch nicht bestritten. Sie machen es sich, wie gesagt, zu einfach, wenn Sie diesen Antrag unter Verweis darauf, keine weitere Bürokratie schaffen bzw. diese vermeiden zu wollen, ablehnen. Gesetzgebungskompetenz ist keine Einbahnstraße. Wenn Handlungsbedarf festgestellt wird – dieser wird auch vom Bayerischen Städtetag gesehen –, dann muss man entsprechend nachsteuern.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Offensichtlich hatten Sie vor der Kommunalwahl massive Probleme, einem vernünftigen Antrag der Kolleginnen und Kollegen der SPD zuzustimmen. Aber Fürth hat seinen Oberbürgermeister gewählt, und auch im restlichen Bayern sind die Kommunalwahlen beendet. Deswegen: Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem Antrag zu! Wir werden es auch tun.

Zusammenfassend möchte ich Folgendes feststellen: Natürlich gilt es einen Ausgleich zu finden zwischen den Schutz- bzw. Ruhebedürfnissen der Anwohner und den Bedürfnissen der Menschen, die abends länger in einer Freiluftgaststätte sitzen wollen. Mit einer Verordnung, die den Betrieb von Freiluftgaststätten bis 23.00 Uhr erlaubt, könnten wir einen entsprechenden Ausgleich finden. Das würde Rechtssicherheit für beide Seiten bedeuten. Deswegen werden wir dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Ganserer. – Als Nächster hat sich Staatsminister Dr. Marcel Huber zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Freischankflächen in Bayern bis 23.00 Uhr geöffnet lassen – das klingt sympathisch; darin sind wir uns einig. Lebensfreude pur! Grün, Rot und FREIE WÄHLER sind sich einig – klasse!

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Volkmar Halbleib (SPD): Und jetzt gibt es die Lösung!)

Und dann kommt diese Spaßbremse.

(Volkmar Halbleib (SPD): Jetzt können Sie einmal Profil zeigen! Der Ministerpräsident ist auch schon ganz neugierig!)

Es ist aus Ihrer Sicht anscheinend sehr einfach, diese Dinge zu regeln. Wenn man die Problematik genauer betrachtet, stellt man fest: Es ist durchaus nicht so einfach. Die "Süddeutsche Zeitung", die sich mit diesen Fragen immer sehr genau befasst, hat es am 7. Februar auf den Punkt gebracht: "Nachtruhe oder Nachtleben". Genau darum geht es.

Bayern ist ein Land, in dem die Menschen individuell sind. Es gibt 12,5 Millionen Individualisten, Originale, und jeder hat seine eigenen Vorstellungen von dieser Welt. Die einen sind so, wie es die meisten Vorredner beschrieben haben: Sie haben den ganzen Tag gear

beitet und wollen danach nur noch eines: in die Wirtschaft gehen, eine Halbe trinken und – gern auch laut – mit Freunden über die Dinge dieser Welt reden.

Es gibt aber auch andere; von denen hat heute noch niemand geredet, außer Kollege Hünnerkopf. Diese sagen sich: "Ich habe hart gearbeitet und hatte viel um die Ohren. Jetzt freue ich mich darauf, dass es zu Hause einmal richtig schön ruhig ist."

(Volkmar Halbleib (SPD): Und in Oberbayern ist das anders?)

Lassen Sie mich doch bitte ausreden. Herr Halbleib, hören Sie doch zu! Ich kann meine Rede nicht in einem Satz zusammenfassen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Ich mache immer die Zwischenrufe, damit Sie zur Sache sprechen!)

Die Schwierigkeit besteht darin, eine Balance zwischen diesen Interessen zu finden. In Bayern ist das sicherlich einfacher als in anderen Ländern; denn bei uns gilt das ungeschriebene Gesetz: "Leben und leben lassen!" Damit könnte man auch dieses Problem lösen. Jeder muss auch den anderen leben lassen. Dass das in der Praxis funktioniert, sieht man schon daran, dass wir bei Sportveranstaltungen, die auf der anderen Seite der Welt stattfinden, ein PublicViewing ermöglichen, auch wenn zu ganz unmöglichen Zeiten übertragen wird.

(Horst Arnold (SPD): Das war eine Bundesverordnung!)

Matthias Claudius hat schon vor 200 Jahren schön beschrieben, wie man so etwas angeht:

Die Freiheit besteht darin, dass man all das tun darf, was einem anderen nicht schadet.

Genau das müssen wir jetzt gewährleisten. Deswegen sollte man sich die Paragrafen und das gesamte Regelwerk genau anschauen. - Wenn Sie allerdings auf die Biergartenverordnung Bezug nehmen und behaupten, das sei für Franken anders geregelt als für Altbayern, dann irren Sie. Dort geht es um etwas ganz anderes. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. Ein Biergarten ist eine kulturell gewachsene Institution.

(Volkmar Halbleib (SPD): Nur in Oberbayern?)

Probieren Sie einmal aus, ob Sie in Ihrem Bistro mitgebrachte Nahrungsmittel verzehren dürfen. Diese Möglichkeit gehört zu einem Biergarten. Wer behauptet, er betreibe einen Biergarten, dies aber nicht ermöglicht, betreibt tatsächlich keinen Biergarten.

(Beifall bei der CSU)

Ein Biergarten, der unter diese Verordnung fällt, ist etwas anderes als aufgestellte Tische in der Fußgängerzone vor einem Pub oder einem Bistro. Das alles sind keine Biergärten.

(Horst Arnold (SPD): Unfug! – Volkmar Halbleib (SPD): Sie reden sich um Kopf und Kragen!)

Lassen Sie mich die Zahlen nennen. Sie erwecken jetzt den Eindruck, als könne man jede Gastronomie, die draußen stattfindet, gleich behandeln. Es gibt Pi mal Daumen 60 Biergärten in Bayern und Tausende von Gastronomiebetrieben, die Freischankflächen wollen. Einige der 60 Biergärten gibt es seit Jahrhunderten, und die Menschen vor Ort wissen, dass dort bestimmte Regeln gelten. Man kann nicht das, was in manchen Innenstädten los ist, zum Maßstab nehmen; das ist schlicht und ergreifend nicht übertragbar.

(Beifall bei der CSU)

Schauen Sie nur einmal, welche Probleme manche Bürgermeister in ihren Fußgängerzonen haben. Wenn die Innenstädte an schönen Tagen im Sommer bloß noch Partymeilen sind, dann wollen die Menschen dort nicht mehr wohnen. Das Ergebnis sind Innenstädte, in denen es bloß noch Geschäfte und Gastronomiebetriebe gibt. Das Problem müssen wir angehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, den Vorschlag, es so zu machen wie in anderen Bundesländern, haben sich schlaue Menschen angeschaut. Ich bin nur einfacher Tierarzt. Hoch schlaue Juristen haben festgestellt, dass eine einfache, wasserdichte rechtliche Lösung nicht greifbar ist. An dieser Stelle muss ich Ihnen auch etwas sagen: Ich war besonders von den GRÜNEN irritiert. Wenn es um Biergartenlärm geht, ist alles ganz easy. Wenn Lärm gleicher Lautstärke und zur selben Zeit anderer Herkunft ist, zum Beispiel von einem Verkehrsmittel, ist die Hölle los.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen einen gerechten Ausgleich finden. Die Biergartenverordnung für die wenigen echten Biergärten, die etwas anderes sind, findet in der Bevölkerung allerseits Akzeptanz. Um nicht eine Vielzahl neuer Konflikte in der Bevölkerung zu provozieren, sollten wir uns damit begnügen, die gängige Rechtslage bestehen zu lassen.

(Beifall bei der CSU – Horst Arnold (SPD): Die Konflikte sind schon da!)

Bitte bleiben Sie am Redepult. Es liegen zwei Zwischenbemerkungen

vor. Die erste Zwischenbemerkung kommt von Herrn Scheuenstuhl.

Herr Minister, ich verstehe das nicht. Sie sprechen sich für den Lärmschutz aus. Ich glaube, niemand ist dagegen, dass die Leute abends ihren Feierabend in Ruhe genießen. Ich frage mich jedoch: Warum gibt es die Bayerische Biergartenverordnung? Diese erlaubt den doppelten Lärm, und der Zuschlag ist weg. Sie müssen mir den Unterschied zwischen einem bayerischen Biergarten nach der Biergartenverordnung und der Freischankfläche, die sich übrigens nicht nur auf Franken bezieht, erklären. Der Unterschied besteht nur darin, dass man in den Biergärten das Essen umsonst verzehren darf. Sie behaupten, dies sei der einzige Grund, warum man in einigen Bereichen zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr draußen sitzen darf und in anderen Bereichen unserer schönen Heimat nicht. Das haben Sie bis jetzt nicht erklären können. Sie könnten höchstens sagen: Es ist ein Sündenfall, dass man das gemacht hat. Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz kann man Ausnahmen machen. Woanders suchen wir auch nach Ausnahmen. An dieser Stelle brauchen wir keine erfinden, es gibt sie bereits. Sie haben es bereits genutzt. - Uns liegt jetzt im Petitionsausschuss eine Beschwerde – Herr Kollege Hünnerkopf weiß das – über einen Biergarten in München vor. Die Anlieger beschreiben genau das, was Sie geschildert haben. Ich bin gespannt, wie Sie sich entscheiden werden.

Herr Staatsminister, bitte schön.

Sie wissen nicht wirklich, was ein Biergarten ist.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Das steht in der Biergartenverordnung! – Beifall bei der SPD)

Ich erkenne Ihren Versuch, die Privilegien der Biergärten abzuschaffen.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Das habe ich nicht gesagt!)

Ich kenne diese Petition nicht. Das werden wir sehen. Ich muss mir diese Petition anschauen. Wir werden auch dort versuchen, ein vernünftiges Mittelmaß zu finden.

(Inge Aures (SPD): Wir machen eine Volksbefragung! – Beifall bei der SPD)