Protokoll der Sitzung vom 15.07.2014

Herr Mütze.

Frau Präsidentin, ich bin jetzt etwas überrascht, dass dies heute noch stattfindet – aber bitte, machen wir es.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin auch überrascht, dass wir diesen Antrag überhaupt behandeln.

Die FREIEN WÄHLER haben aber unseren Antrag hochgezogen. Vielen Dank dafür; das machen wir gerne. – Es ist etwas durcheinander; das macht aber nichts. Das kann ich nachvollziehen; Sie alle sind ja wegen heute Abend etwas nervös.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Bundes- und Europaausschuss hat die CSU diesem Antrag nicht zugestimmt. Ich will für die anderen Kolleginnen und Kollegen sagen, worum es überhaupt geht. Sie wissen, dass wir gerade ein großes Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten verhandeln, bekannt unter dem Namen TTIP. Es gibt aber auch einen Vorläufer -

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Mütze, bitte eine Sekunde! Wenn Sie sich unterhalten möchten, gehen Sie bitte hinaus; das ist kein Problem. Wenn aber hier vorne ein Redner spricht, haben wir ihm mit Respekt zu begegnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Genau. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Das ist ja auch kein ganz unwichtiges Thema. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht also um ein – in Anführungszeichen – kleineres Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU, genannt CETA. In diesem kleineren Freihandelsabkommen findet sich etwas, was sich auch im TTIP findet, nämlich der Investorenschutz. Das bedeutet: Investoren dürfen im Endeffekt Länder verklagen, wenn sie ihre Investition nicht ausreichend geschützt sehen.

Wir haben schon öfter darüber diskutiert, ob dies bei juristisch hoch entwickelten Ländern sinnvoll oder unsinnig ist. Ich will jetzt kein Land beleidigen, nicht dass etwa der Konsul der Zentralafrikanischen Republik zu mir kommt. Aber ich kann mir vorstellen, dass man sich rückversichern will, wenn man im Südsudan eine Investition vornimmt, damit die Investition nicht irgendwann verloren geht. Bei Kanada und bei der Europäischen Union muss man sich diese Sorge wohl nicht machen. Daher sind wir der Meinung, dass es diesen Investorenschutz nicht braucht.

Letzten Freitag ist im Bundesrat ein Entschließungsantrag des Landes Baden-Württemberg mit der Stimme Bayerns einstimmig angenommen worden. Ich habe gesehen, dass der Justizminister sogar bei der Debatte auf dem Podium saß und sie von dort aus verfolgt hat. Was wurde dort einstimmig angenommen? Es ging darum, dass man einen Investorenschutz im TTIP-Abkommen nicht möchte und dass sich der Bundesrat einstimmig dafür ausgesprochen

hat, dass dieses Investorenschutzabkommen aus dem TTIP-Abkommen herausgenommen wird.

Interessanterweise findet sich diese Klausel auch im CETA-Abkommen. Die CSU hat im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen in den letzten Wochen vorgebracht, zum CETA-Abkommen könne man sich noch nicht äußern, weil man darüber noch nichts wisse. – Liebe Kollegen, ich habe mich fünf Minuten lang an den Computer gesetzt und über das CETA-Abkommen recherchiert. Man kann sehr wohl etwas darüber finden, wenn man dies möchte. Dazu gab es eine Anhörung im Bundestag, und in einem Papier aus dem kanadischen Parlament wird genau das aufgeführt, was zu dem CETA-Abkommen verhandelt werden soll. Man konnte also Näheres erfahren, wenn man es wollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, hier sind Sie nicht stringent. Wir wissen ja schon länger, dass Sie hier so reden und dort anders abstimmen. Der entscheidende Punkt ist: Durch die Hintertür können US-amerikanische Firmen über ihre kanadischen Tochterfirmen in der Europäischen Union klagen, wenn sie ihre Investition hier in der Europäischen Union gefährdet sehen; und Sie haben sich nicht dazu verhalten. Das verstehe ich nicht. Sie bringen vor, dass Sie eine Investorenschutzklausel im TTIP-Abkommen nicht wollen, aber im CETA-Abkommen die Gefahr nicht sehen. Ich verstehe Ihre Begründung nicht und weiß nicht, warum Sie hier nicht zugestimmt haben. Es geht genau um dasselbe Thema. Es geht um den Investorenschutz, um Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, um Gerichte, die keinerlei demokratische Legitimation haben. Dabei handelt es sich um kleine Gremien mit drei Personen, die sich in einem Hotel irgendwo in London treffen und darüber entscheiden, ob ein Land Millionenzahlungen an ein Unternehmen leisten muss. Sie sagen, Sie hätten dazu keine Meinung und könnten sich dazu nicht äußern. – Das kann nicht angehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wehret den Anfängen! Was im CETA-Abkommen festgeschrieben wird, wird im TTIP-Abkommen weitergeführt. Wer das CETA-Abkommen nicht ablehnt, befürwortet die Grundlagen, die im TTIP-Abkommen letztendlich ausgeführt werden.

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Ende.

Frau Präsidentin, Sie haben mir vorher dankenswerterweise gegenüber den Kollegen ein bisschen Luft verschafft. Ich habe mir erlaubt, diese Sekunden draufzulegen.

Aber jetzt sind sie vorbei.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, es geht um die Verhandlungen über den Investorenschutz im CETA-Abkommen. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen und sich stringent mit einer Zunge und nicht mit drei Zungen zu äußern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön. Frau Kollegin Wittmann, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Mütze, in der politischen Auseinandersetzung macht es sehr viel Sinn, nur zu zitieren, was wirklich gesagt wurde. Wenn man selbst nicht anwesend ist und sich die Mühe nicht macht, den Wortlaut später nachzuvollziehen, macht es Sinn, wenigstens sinngemäß zu zitieren. Aber wenn man überhaupt nicht weiß, was die anderen gesagt haben, dann redet man nicht darüber. So habe ich es gelernt.

Das Thema CETA haben wir im Europaausschuss behandelt. Dort haben wir sehr differenziert darüber diskutiert, was das mit Kanada zu schließende Abkommen CETA vom TTIP-Abkommen unterscheidet. Der erste gravierende Unterschied besteht darin, dass Kanada nach dem Pro-Kopf-Einkommen der Einwohner das viertreichste Land der Welt ist und seine Märkte für uns ein großes Erschließungspotenzial aufweisen, weil der Anteil des Exports aus der Europäischen Union dorthin bislang sehr gering ist und im einstelligen Prozentbereich liegt. Außerdem ist dieses Land in der Lage, uns aufgrund der von ihm angebotenen Rohstoffe, Dienstleistungen, Fabrikate und Produkte einschließlich landwirtschaftlicher Produkte eine Kompensation zu dem zu bieten, was wir in Deutschland nicht haben. Das wird deutlich, wenn wir an Rohstoffe, die Vorkommen bei uns und an das wechselseitige Know-how denken.

Der langen Rede kurzer Sinn: Mit Kanada ergibt sich die Chance auf ein wirtschaftliches Abkommen, bei dem, ausgehend von Deutschland und der gesamten Europäischen Union, beide Seiten äußerst nachhaltig profitieren können. Das wird von niemandem bezweifelt. Kein einziger Kritiker behauptet wie beim TTIPAbkommen, es gebe bestimmte Standardprobleme. Gerade bei CETA gelten die diesem Abkommen innewohnenden Chancen als außergewöhnlich. Deshalb erscheinen sie es wert, verfolgt zu werden. Vor diesem Hintergrund macht es sehr viel Sinn, differenziert

abzuwägen und zu überlegen, welch großes Risiko ich mit Kanada eingehen kann. Das Rechtssystem dieses Landes fußt im Übrigen im Unterschied zu dem der USA auf dem englischen Rechtssystem. Das kanadische Rechtssystem hatte dieselben Entwicklungslinien wie das englische und beruht teilweise noch auf dem römischen Recht. Vielleicht wissen Sie das, Herr Kollege Mütze. Unsere Möglichkeiten sind dort also viel größer, und wir sehen in einem gegenseitigen Abkommen mit Kanada noch viel größere Chancen.

In Ihrem Antrag haben Sie kurz und plump Ihre Haltung aufscheinen lassen, dass überall dort, wo es einen Investorenschutz geben soll, von vornherein keine Vereinbarung getroffen wird. Genau so ist Politik nicht zu machen, schon gar nicht in Bezug auf auswärtige Beziehungen.

Zum Investorenschutz brauchen wir endlich eine Formulierung, mit der wir umgehen und in weitere Verhandlungen gehen können. Das betrifft sowohl das Freihandelsabkommen mit Kanada, in der Folge aber auch das deutlich umstrittenere Freihandelsabkommen mit den USA. Vor diesem Hintergrund sehe ich eine sehr große Chance darin, zunächst die Formulierungen beim CETA-Abkommen abzuwarten. Im Übrigen ist dort keineswegs sehr vieles geheim. Wir wissen sehr viel über das CETA-Abkommen. Herr Kollege Mütze, ich behaupte, ich weiß darüber mehr als Sie.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

- Das behaupte ich einfach; wir können es gerne einmal durchspielen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Zeigen Sie es!)

- Jederzeit. – Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass wir das Abkommen durchformulieren lassen, die Formulierungen mit unseren Partnern innerhalb der Europäischen Union durchgehen und dann eine Art Blaupause zur Verfügung haben, wie wir uns zum Investorenschutz verhalten und wie wir uns künftige Freihandelsabkommen und die Verhandlungen darüber vorstellen.

Vor diesem Hintergrund können wir auch deutlich rechtssicherer in die TTIP-Verhandlungen gehen. Ich glaube, das ist die große Chance. Deswegen fordere ich dazu auf, keine plumpen Ablehnungen vorzubringen, ohne sich mit dem Thema inhaltlich zu befassen. Ein differenziertes Vorgehen ist angebracht, und das tut die CSU. Ich glaube, wir tun in diesem Zusammenhang gut daran, Ihren Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Herr Professor Peter Paul Gantzer.

Frau Präsidentin, Kollegen und Kolleginnen, liebe Frau Wittmann! – Sie ratschen schon wieder. Als ich das letzte Mal geredet habe, hat sie geratscht; jetzt ratscht sie schon wieder.

(Zurufe aus der SPD)

Hallo! Bitte Ruhe auf der Regierungsbank. Sie haben heute Abend genügend Zeit für Besprechungen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, wer den Antrag genau liest, sieht, dass es nicht ein Anti-CETA-Antrag ist, sondern dass er sich wieder grundlegend mit der Schiedsgerichtsbarkeit und in diesem Zusammenhang mit dem Investorenschutz beschäftigt. Liebe Frau Kollegin Wittmann, wenn ich Ihre Argumentation höre, erinnere ich mich: Vorletzte Woche haben wir noch gemeinsam einen Antrag erarbeitet, dass wir TTIP jedenfalls bezüglich der Einführung einer Schiedsgerichtsbarkeit ablehnen. Da waren wir einer Meinung, dass dieses nicht in den TTIP-Vertrag einfließen kann. Dasselbe ist letztlich bei CETA der Fall. Ich verstehe jetzt Ihre Argumentation nicht. Ich kenne Sie ja inzwischen durch unsere gemeinsamen Verhandlungen so gut, dass ich sehe, dass Sie hier nur rumgeeiert sind.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Ich habe die Protokolle von den beiden Ausschüssen noch einmal nachgelesen. Ich kenne Sie als klar denkende Juristin und Pflegerin des Rechts, wie eine Rechtspflegerin.

(Zurufe von der CSU – Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Rechtspflegerin, was ist das?)

Ich kann daher Ihre Argumentation nicht nachvollziehen; denn wir haben vorletzte Woche ausführlich diskutiert und einen ganz tollen Antrag erarbeitet. Wir haben uns ganz klar gegen jegliche Schiedsgerichtsbarkeit im Zusammenhang mit Amerika positioniert. Und noch eines: Ich habe jetzt einmal ganz schnell Ihre Lebensläufe durchgeblättert. Mindestens ein Drittel der CSU-Fraktion sind Juristen.

(Zurufe aus der CSU: Ja und?)

Jeder Jurist weiß doch eigentlich, was ein Schiedsgericht ist, und weiß, wie gut unsere Gerichtsbarkeit funktioniert, und weiß – na ja, in Bayern haben wir im Augenblick ein paar Abstriche –, dass unsere Gerichtsbarkeit grundsätzlich hervorragend und weltweit anerkannt ist. Dasselbe gilt für Kanada. Ich habe aber den Eindruck, Sie trauen den kanadischen Gerichten nicht. Das gilt ja auch umgekehrt. Das heißt, dass sich auch Kanada der Schiedsgerichtsbarkeit unterwirft. Wir haben ein Abkommen mit Quebec, eine ganz tolle, funktionierende Partnerschaft. Wer schon einmal drüben war – ein Großteil des Parlaments war das schon -, hat gesehen, dass Quebec und natürlich ganz Kanada eine hervorragende Gerichtsbarkeit haben.

Es gibt also überhaupt keinen Grund, diesen Antrag der GRÜNEN abzulehnen, die sich hier mit einem Problem beschäftigen, das wirklich nicht nur emotional, sondern vor allem auch juristisch von großer Bedeutung ist. Deswegen schreibe ich Ihnen Folgendes in Ihr Stammbuch hinein, liebe Kollegen und Kolleginnen: Sie hatten einen Spitzenkandidaten, JeanClaude Juncker. Jean-Claude Juncker ist heute zum Kommissionspräsidenten gewählt worden. Er hat am 09.07., also jetzt gerade, bei einer Anhörung in Brüssel Folgendes dazu gesagt: In diesen Verträgen darf es bei den Standards zur Gesundheit, sozialen Sicherung, Datensicherheit, Lebensmittelsicherheit und zum Umweltschutz keine Kompromisse geben. Seines Erachtens bedürfe es keines Investitionsschutzes, da die Rechtssicherheit auf beiden Seiten des Atlantiks ausreichend sei.

(Beifall bei der SPD)

So Ihr Spitzenkandidat bei den Europawahlen, so der neue Kommissionspräsident. In diesem Zusammenhang kann ich die Argumentation der CSU nicht nachvollziehen. Was Sie in den beiden Ausschüssen gesagt haben und was Sie jetzt gesagt haben, Frau Wittmann, entspricht nicht den Tatsachen und entspricht nicht dem, was wir wollen. Wir wollen unsere staatliche Gerichtsbarkeit erhalten. Wir wollen keine Schiedsgerichtsbarkeit. Deswegen verstehe ich jetzt nicht, warum Sie diesen Antrag ablehnen wollen. Bitte folgen Sie Ihrem Kandidaten Juncker.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Bitte, Herr Kollege Dr. Fahn! – Nach fünf dürfen wir nicht mehr abstimmen. Reden dürfen Sie noch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin im Europaausschuss und habe die Diskussion gut verfolgt.