Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Dr. Sepp Dürr u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Neonazi als Richter auf Probe am Amtsgericht Lichtenfels (Drs. 17/3360)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Petra Guttenberger, Ingrid Heckner u. a. und Fraktion (CSU) Bericht über die Umstände der Einstellung eines mutmaßlich rechtsradikalen Richters am Amtsgericht Lichtenfels und Prüfung von Maßnahmen (Drs. 17/3365)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Peter Meyer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Informationsaustausch bayerischer Behörden im Zusammenhang mit der Einstellung eines Proberichters mit rechtsextremem Hintergrund (Drs. 17/3391)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erster hat Herr Kollege Schindler das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In den verbleibenden drei Minuten und sechs Sekunden ist es mir nicht möglich, dieses Thema auch nur einigermaßen umfassend - so, wie es sich gehört - darzustellen. Deswegen nur folgende Anmerkungen:
Erstens. Es hat bis in die 1970er-Jahre hinein gedauert, bis die letzten alten Nazis aus dem Justizdienst ausgeschieden sind.
Zweitens. Neonazis – egal, welcher Schattierung – haben im öffentlichen Dienst, insbesondere im Justizdienst, nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland nichts zu suchen.
(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Thomas Kreuzer (CSU): Linksradikale aber auch nicht, Herr Kollege!)
- Selbstverständlich, Herr Kollege, Linksradikale auch nicht. Was das angeht, brauchen Sie mir keine Vorhaltungen zu machen; denn wir haben insoweit nie differenziert, wie es andere leider viel zu lange getan haben.
Drittens. Es ist gut, dass Maik B. selbst seine Entlassung beantragt hat. Das erspart einen erheblichen Aufwand, der notwendig gewesen wäre, um ihn aus dem Justizdienst zu entfernen. Es ist gut, dass das Justizministerium schnell reagiert hat.
Viertens. Fraglich bleiben die Umstände der Einstellung. Wie konnte es dazu kommen? Er war in Brandenburg als aktiver Neonazi mehrfach auffällig geworden. Noch im Dezember 2013 – da war er bereits als Richter in Bayern eingestellt – präsentierte er auf einer Facebook-Seite seine Schallplatten. Später hat er sich sogar dafür bedankt, dass so viele die Einträge "geliked" haben. Diese Umstände müssen aufgeklärt werden.
Was ist eigentlich aus der nach den NSU-Vorkommnissen vielfach versprochenen neuen Sensibilität des Verfassungsschutzes geworden,
wenn es so war, wie wir es aus Zeitungsberichten kennen, dass nämlich im Oktober nur deshalb bekannt geworden ist, um wen es sich bei Maik B. handelt, weil er selbst eine Strafanzeige gestellt hat, nachdem in seinen Spind eingebrochen worden war? Nur deswegen ist die Identität mit einem amtierenden Amtsrichter aufgefallen. Angesichts dessen stellt sich die Frage: Was hat der Verfassungsschutz in der langen Zeit dazwischen getan?
Fünftens. Wir wollen keine Regelanfrage, wir wollen keinen neuen Radikalenerlass, und zwar wegen der damit verbundenen Kollateralschäden für die freiheitliche Gesellschaft.
Eine ganze Generation junger Menschen ist beschnüffelt worden, als es den Radikalenerlass gab. Es ist gut, dass er abgeschafft worden ist.
Letzte Bemerkung: Dieser Fall ist gerade kein Argument dafür, dass wir wieder einen Radikalenerlass und die Regelanfrage brauchen. Wenn das, was ich aus der Presse weiß, zutrifft, dann hätte die Regelanfrage gerade nichts ergeben, weil der Verfassungsschutz trotz eines Hinweises nichts gewusst hat.
Dieser Fall ist auch kein Beleg für die Richtigkeit des in Bayern praktizierten Fragebogenverfahrens, weil ich übertreibe jetzt - die Damen und Herren von Al Qaida und der NSU regelmäßig mit Nein antworten, wenn sie gefragt werden, ob sie einer extremistischen Organisation angehören. Genauso war es hier; es hat sich einer eingeschlichen. Ich gebe zu: Das kann passieren. Umso wichtiger ist es, dass der Verfassungsschutz künftig sensibler ist und das Ministerium sehr schnell reagiert. Ich hoffe, die näheren Umstände werden wir im PKG und im Rechtsausschuss noch erfahren.
Zum Abstimmungsverhalten möchte ich noch kurz Folgendes sagen dürfen: Bei dem Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion bitten wir um getrennte Abstimmung über Ziffer 1 und Ziffer 2. Ziffer 1 werden wir sicherlich zustimmen, bei Ziffer 2 werden wir uns möglicherweise der Stimme enthalten.
Bei dem Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER möchten wir, dass über Ziffer 4 gesondert abgestimmt wird. Wir werden gegen diese Ziffer stimmen, weil wir keine Regelanfrage wollen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitten wir dringend, aus ihrem Dringlichkeitsantrag den letzten Spiegelstrich zu streichen. Ich kann das nicht mehr erläutern; aber falls die Streichung nicht erfolgt, müssen wir uns zu diesem Antrag mindestens der Stimme enthalten.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Bayerische Behörden besitzen offenbar immer noch nicht die nötige Wachsamkeit gegenüber Neonazis. Noch immer ist die Bereitschaft der Bayerischen Staatsregierung, Fehler einzuräumen und daraus zu lernen, nicht besonders ausgeprägt; denn nach wie vor sind wichtige, zentrale Fragen offen.
Ein notorischer Neonazi kann ein Jahr lang als Richter arbeiten, und das fällt niemandem auf? Welches Vertrauen sollen die Menschen, die in das Feindbild der Neonazis fallen und sich vor diesem Richter verantworten mussten, in die bayerische Justiz haben? Wir müssen klären, was dort passiert ist, und alles tun, um das Vertrauen wiederherzustellen.
Ferner wollen wir wissen, was der Verfassungsschutz getan hat. Aus Brandenburg kommt der Hinweis: Achtung! Zu euch zieht ein notorischer Neonazi. – Aber der bayerische Verfassungsschutz interessiert sich nicht dafür, was der Neonazi in Bayern will? Mit einer simplen Internetrecherche hätte der Verfassungsschutz feststellen können - auch ich habe es geschafft -, dass der Neonazi Richter in Bayern werden wollte. Seit einem Jahr steht im Netz der Artikel mit der "frohen Botschaft": Maik B. kommt von Berlin an den Obermain. - Der vollständige Name steht dort. Man hat sich über ihn gefreut. Da hätte der Verfassungsschutz eins und eins zusammenzählen können.
Kolleginnen und Kollegen der CSU, ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie meinen, dass es, wie es in Ihrem Antrag heißt, neue Regelungen brauche, "damit künftig Erkenntnisse des Verfassungsschutzes vor Einstellung eines Bewerbers besser genutzt werden können." Das ist doch lächerlich. Welche Regelungen haben bisher verhindert, dass der Verfassungsschutz die vorhandenen Erkenntnisse genutzt hat? Welche Regelungen waren das? Hier hat doch nicht die Gesetzeslage versagt; hier hat der Staatsschutz versagt.
Der Verfassungsschutz ist einem ganz konkreten Verdacht nicht nachgegangen. Als Konsequenz wollen Sie jetzt alle angehenden Richter und Polizisten unter Verdacht stellen. Was hat das für eine Logik? Glauben Sie, dass der Verfassungsschutz mit pauschalen Verdächtigungen besser zurechtkommt als mit einem konkreten Verdacht? Außerdem können wir nicht
jedes Mal, wenn bayerische Behörden pfuschen, Gesetze ändern und unsere Bürgerrechte noch weiter einschränken.
Meine Herren Minister, hören Sie auf, nach Regeländerungen zu rufen. Tun Sie endlich Ihre Arbeit: Beantworten Sie unsere Fragen ordentlich, und stellen Sie endlich die Fehler ab, die die bayerischen Behörden immer wieder begehen und die unerhört sind. Das alles geht mit der bestehenden Gesetzeslage. Wenn Sie das tun, haben Sie genug zu tun.
Noch kurz zum Abstimmungsverhalten: Der letzte Absatz ist mir im Endeffekt egal; denn ich stelle die Frage sowieso. Sollte die CSU unseren Antrag ablehnen - das hoffe ich nicht für das Ministerium -, dann werde ich diese Fragen im Ausschuss stellen und eine Schriftliche Anfrage einreichen. Es wäre also nicht so schlau, unseren Antrag abzulehnen. Sollte es nicht anders gehen, mache ich eben dem Ministerium Doppelarbeit. Was die beiden anderen Anträge angeht, werden wir uns wie die SPD-Fraktion verhalten.
Ich darf jetzt Herrn Kollegen Heike das Wort erteilen. Ich bitte, mir mitzuteilen, wie sich die Fraktionen geeinigt haben, ob auf den letzten Spiegelstrich im Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN verzichtet wird. Bitte geben Sie mir das hoch, damit wir wissen, wie wir abstimmen. Bitte, Herr Kollege Heike.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Mir liegen vier Anträge zur Berichterstattung vor. Ich beginne gleich mit einem Satz, der zu Unfrieden führt: Die Anträge wären unnötig; denn in den Jahren 2006, 2008, 2010 und 2013 wurde behauptet, hier handle es sich um eine Diskriminierung, und wir würden alle unter Generalverdacht stellen. Dies seien Deutsche zweiter Klasse. Im Jahr 2010 hat Herr Kollege Schindler allerdings gesagt, dass die Aufnahme von Organisationen in ein Verzeichnis mit dem Vermerk "extremistisch" nur auf einer subjektiven politischen Einschätzung der Staatsregierung beruhe und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und gerichtsverwertbaren Tatsachen nicht zu begründen sei.
Im Jahr 2013 kam dann ein besonders schöner Satz. Lieber Herr Kollege Schindler, Sie waren damals dabei; deshalb muss ich es Ihnen vorhalten. Damals
wurde als Konsequenz aus der Frage nach der Verfassungstreue von Bewerbern gefordert: "Als Konsequenz hieraus ist die seit dem 1. Januar 1992 in Bayern geltende Regelung aufzuheben." Von Anfang an habe die SPD dies kritisiert. Jetzt muss ich Sie einmal fragen: Wie sollen wir überhaupt noch etwas herausfinden, wenn wir nicht einmal mehr die Möglichkeit haben nachzuforschen? Sie machen es sich einfach und sagen: Der Verfassungsschutz muss uns das sagen. Haben Sie denn vom Datenschutz noch nichts gehört?
Wenn man alles zusammennimmt, kommt heraus: Ja, wenn es sich um einen Rechten handelt! Hier sind wir einer Meinung! Ich bitte aber, mit anderen Fällen genauso umzugehen, wie das Herr Kollege Schindler gerade gesagt hat. Im Ausschuss habe ich das aber noch nicht erlebt. Diese Regelung gehört auf der linken Seite genauso konsequent durchgezogen. Da gibt es keine Unterschiede. Wer sich gegen die Demokratie stellt, demokratiefeindlich ist, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen. Wenn es auch nicht die Regelanfrage ist, so muss doch bei der Polizei, bei den Staatsanwaltschaften und allgemein bei der Justiz und den Richtern eine Kontrolle möglich sein. Dann kommen solche Pannen nicht mehr vor.
Frau Präsidentin, die CSU wird Folgendes tun: Wir werden dem Berichtsantrag der SPD zustimmen. Das ist für uns selbstverständlich.