Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wenn nun im Rahmen der Abwägung auf eine einvernehmliche Festlegung mit betroffenen Nachbargemeinden hinzuwirken ist, dann ist das viel mehr als bisher und schränkt die Planungshoheit der planenden Gemeinde ein.

Mit dem neuen Absatz 3 des Artikels 82 der Bayerischen Bauordnung gewähren Sie einer an ein gemeindefreies Gebiet angrenzenden Gemeinde die Entscheidungsbefugnis über die bauleitplanerische Zulässigkeit von Vorhaben außerhalb ihres Gemeindegebietes.

Meine Damen und Herren, ganz besonders gelungen, um nicht zu sagen misslungen, ist die Bestimmung des neuen Absatzes 4 des Artikels 82 der Bayerischen Bauordnung, wonach bei Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Windenergie dienen, § 35 des Baugesetzbuches Anwendung findet. Allerdings soll er keine Anwendung finden, soweit und sobald die Gemeinde der Fortgeltung der Darstellung nicht widerspricht und soweit und sobald auch eine betroffene Nachbargemeinde der Fortgeltung nicht widerspricht. – Was also will uns der Verfasser damit eigentlich sagen? Was muss eine Gemeinde tun, wenn sie will, dass es bei der bundesrechtlich vorgesehenen Privilegierung unabhängig von der Höhe einer Windkraftanlage bleibt? Muss sie nun der Fortgeltung einer entsprechenden Darstellung zustimmen? Muss sie widersprechen? Was eigentlich muss sie tun? – Das widerspricht auch dem Gebot der Klarheit eines Gesetzes.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz etwas zum Stichtag "4. Februar" sagen. Der 4. Februar wird in dem Gesetzentwurf als der vertrauenszerstörende Zeitpunkt bezeichnet – wie wahr! Das war der Tag, als das Kabinett die Eckpfeiler beschlossen hat, allerdings zu einem Zeitpunkt, als es noch nicht einmal den Entwurf einer Änderung der Länderöffnungsklausel im Bundeskabinett gegeben hat. Bereits zu diesem Zeitpunkt sind die Eckpfeiler beschlossen worden, und darauf soll das nun rückwirken. Das wird nicht gehen, meine Damen und Herren. Allenfalls tritt die Rückwirkung zum Zeitpunkt der Einbringung dieses Gesetzentwurfs hier im Landtag ein, nämlich zum 27. Mai, aber nicht zum 4. Februar.

Weil das alles so ist, sind wir der Meinung, dass Ihr Gesetz nicht nur das kommunale Selbstverwaltungsrecht, die Planungshoheit in verfassungswidriger

Weise berührt, sondern auch die Rechte der Investoren und der Grundstückseigentümer. Deswegen behalten wir uns unabhängig von Popularklagen, die kommen werden, vor, gemäß Artikel 75 Absatz 3 der Bayerischen Verfassung eine Meinungsverschiedenheit zu prüfen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Kollege Florian Streibl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir FREIE WÄHLER halten diesen Gesetzentwurf formell und materiell für verfassungswidrig und werden uns deshalb auch verfassungsrechtliche Schritte vorbehalten: die Prüfung nach Artikel 75 Absatz 3 der Bayerischen Verfassung und eine Popularklage.

Wie das Gesetzgebungsverfahren hier abgelaufen ist, ist letztlich beschämend; denn die Oppositionsrechte sind hier massiv umgangen worden.

(Erwin Huber (CSU): Das ist doch ein Blödsinn!)

Doch! Gerade Sie müssten den Mund halten dort hinten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Wider- spruch bei der CSU)

Denn, Herr Huber, hätten Sie zum Antrag im Ausschuss nicht abstimmen lassen, sondern hätten sie ihn ganz normal nach der Geschäftsordnung behandelt, dann wäre es nicht so weit gekommen.

(Zuruf von der CSU: Waren Sie dabei?)

Sie tragen doch die Hauptschuld an dieser ganzen Misere.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ihr Verhalten haben wir im Ältestenrat gerügt; erst dann wurde über den Antrag auf Durchführung einer zweiten Anhörung abgestimmt. In § 173 der Geschäftsordnung heißt es: Eine Anhörung ist möglich zu einem Gegenstand der Beratung. – Wenn wir aber heute diesen Gesetzentwurf beschließen, dann ist der Anhörungsgegenstand weggefallen. Dann haben Sie im Grunde die Oppositionsrechte durch die Hintertür untergraben. Das ist eigentlich eine schandhafte Situation, die Sie herbeigeführt haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Es ist ohnehin die Frage, was Sie mit dem Ganzen hier erreichen wollen. Sie sagen zwar: eine Koalition mit dem Bürger. Gerade den Bürger nehmen Sie hier aber nicht ernst; denn ansonsten würden wir keinen Energiedialog führen und gleichzeitig die Pflöcke einschlagen für ein Gesetz, das ein ganzes Spektrum der Energiewende ausschließt. Ich frage mich daher: Was wollen Sie denn eigentlich? – Sie wollen keine Windenergie; sie wollen keine Trassen; sie wollen keine Speicher.

(Ingrid Heckner (CSU): So ein Schmarrn!)

Was wollen Sie? Wollen Sie etwa eine Laufzeitverlängerung? Dann sagen Sie es doch!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Des Weiteren fallen Sie mit diesem Gesetz der kommunalen Selbstverwaltung massiv in den Rücken.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Im Gegenteil!)

Nein! Am Schluss wird sich zeigen, was dabei herauskommt. Das Heulen und Zähneknirschen auf Ihrer Seite wird schon noch kommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Deswegen wäre es sinnvoll, wenn wir hier jetzt ein Moratorium beschließen und den Energiedialog erst mal abwarten würden, bevor wir hier weitermachen. Das scheint aber etwas zu sein, das Ihnen nicht einsichtig ist; denn mit dieser Energiepolitik, die Sie hier betreiben, steuern Sie auf eine Teilung der Strompreise in Deutschland zu. Wir werden in Bayern höhere Strompreise bekommen. Das geht letztlich zulasten der bayerischen Wirtschaft und ganz besonders des bayerischen Mittelstands.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das heißt, Sie arbeiten schädlich für Bayern und gerade für die vielen Bürgerinnen und Bürger, die im Mittelstand tätig sind. Wenn Sie nicht die sein wollen, die in Bayern das Licht ausmachen, dann sollten Sie sich das, was Sie heute tun wollen, genau überlegen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat nun der Kolle

ge Ludwig Hartmann vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht au- torisiert) Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man hier die Energiedebatten der letzten zweieinhalb oder drei Jahre verfolgt hat, hörte man nur etwas von Problemen. Wir wissen, dass die Staatsregierung bei der Flexibilisierung der Biomasse nicht weiterkommt, beim Thema Energiesparen und Effizienz nicht weiterkommt – die Stromleitungen mal ganz weggelassen. Das Einzige, was in Bayern bei der Energiewende funktioniert, ist der Ausbau der Windkraft. Dem Einzigen, was wirklich funktioniert, wollen Sie heute den Garaus machen mit der Regelung zu 10 H.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN – Markus Blume (CSU): Leben Sie in Bayern?)

Ich lebe in Bayern, und ich weiß, welche Ausbauzahlen wir in Bayern haben; die sind beeindruckend. Das funktioniert – mit den Menschen in diesem Land, mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern.

(Widerspruch bei der CSU)

Erwin Huber hat vorhin davon gesprochen: Die Kommunen brauchen den Mut. Herr Huber, dass Sie den Mut haben, den Ministerpräsidenten öffentlich zu kritisieren, wissen wir alle. Aber wirklich Mut bei der Energiewende haben nicht Sie, hat nicht diese Staatsregierung. Den Mut haben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Sie haben Flächennutzungspläne ausgewiesen. Sie haben den Ausbau der Windkraft möglich gemacht. Was wir jetzt mit 10 H machen, wird die Dinge zum Erliegen bringen. Das ist ein gutes Beispiel für Ihre sinnbefreite Energiepolitik.

Einen Erfolg haben wir; wir haben eine Baustelle, die funktioniert. Man kann regelnd eingreifen. Das geschieht durch Flächennutzungspläne, das geschieht durch Regionalpläne zum jetzigen Zeitpunkt.

Mit dem, was Sie jetzt einführen, verstoßen Sie gegen die kommunale Selbstverwaltung, indem eine Nachbarkommune bei einem bestehenden, bereits beschlossenen Flächennutzungsplan auf dem Gebiet einer Gemeinde ein Widerspruchsrecht geltend machen kann, wodurch Windkraft nicht zum Zuge kommt. Ich spreche nicht von Regionalplänen und nicht von Flächennutzungsplänen, die noch kommen, sondern von den bestehenden.

Eine weitere Frage ist: Warum eigentlich die Abstandsregelung 10 H? Wir haben eine Reihe von Urteilen mit einer bedrückenden Wirkung, die von 3 H

sprechen, nicht von 10 H. Sie wissen doch ganz genauso gut wie ich, wie die Dinge sind. Sie können sich eine Bayernkarte auf den Schreibtisch legen. Hoffentlich hängt auch in Ihrem Büro eine solche. Darauf werden Sie ganz leicht sehen: Bei zwei Kilometern Abstand zur Wohnbebauung wird die Fläche auf 0,05 % reduziert. Dann gibt es keinen Platz mehr für die Windkraft in Bayern.

Damit wird etwas Erfolgreiches in Bayern beendet. Das Gravierende dabei ist die Tatsache: Die Windkraft ist die günstigste Form der erneuerbaren Energien. Die Technik ist ausgereift. In Bayern haben wir dafür noch ausreichend Standorte. Bereits zum heutigen Zeitpunkt produzieren einige Windkraftanlagen günstiger als ein neues Gaskraftwerk. Aber der Windkraft wollen Sie in Bayern keine Zukunft geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass die Windkraft Bayern zum Land der Energiegewinner machen kann, haben viele Kommunen und ganze Regionen bewiesen. Lassen Sie uns doch diesen Weg fortsetzen, die Windkraft in Bayern ausbauen und nicht bremsen! Sonst werden Sie keine Ruhe in die Kommunen bringen, es sei denn, Ihre Ruhe heißt: keine Windkraft mehr in Bayern. Eine solche Ruhe wäre keine Energiewende.

Herr Ministerpräsident, Sie müssen sich schon fragen lassen: Wie wollen Sie Bayern bei der Energiewende eigentlich gestalten, wenn Sie Nein zu Pumpspeichern, Nein zu Stromleitungen, Nein zu Windkraftanlagen sagen? Wie wollen Sie die Energiewende in Bayern gestalten? Sie haben vor zweieinhalb Jahren hier eine Rede gehalten. Aber die hätten Sie sich wirklich sparen können, wenn man sieht, an welchem Punkt Sie heute stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weise noch auf ein paar Punkte hin, die zeigen, warum das Gesetz, das Sie heute verabschieden möchten, auch juristisch wirklich Murks ist. Ich fordere Sie auf, das Gesetz heute nicht zu verabschieden.

Einmal frage ich: Wieso soll es die Stichtagsregelung geben? Man kann zwar von einem vorgezogenen Text sprechen, aber bei Windkraftanlagen wird das nicht funktionieren. Als Stichtag haben Sie damals zwei bis drei Jahre in die Welt gesetzt. Das war am 4. Februar. Das war zeitgleich mit der Kabinettssitzung. Sie haben den Stichtag rückwirkend damit begründet, Bestehendes, im Verfahren Befindliches zu schützen. Sie haben aber bereits am 30. August ein Schreiben seitens der Ministerien an die Landratsämter geschickt, in dem stand, es mögen keine Fak