Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Meine Damen und Herren, ich bezweifle, dass das Kontrollziel, nicht nur den Mindestlohn einzuhalten, sondern auch die Schwarzarbeit und prekäre Arbeitsverhältnisse zu bekämpfen, mit einer Aufzeichnungspflicht erreicht werden kann. Sankt Bürokratius ersetzt die Realität. Deswegen ganz klar die Botschaft: Ja zum Mindestlohn und zu politischen Initiativen zur Bekämpfung der Auswüchse des Gesetzes, aber Nein zu einer starren Bürokratie statt einer effektiven Überwachung.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung für die SPD-Fraktion: Frau Kollegin Weikert. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Erst einmal einen guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Herrn Glauber und Herrn Unterländer empfehle ich, wieder ein bisschen herunterzukommen. Schauen wir doch einmal, worüber wir uns eigentlich unterhalten.

Zunächst zur Fraktion der FREIEN WÄHLER. Wir sind in der Aktuellen Stunde schon mit vielen Inhalten und Überschriften konfrontiert worden. Aber Sie sollten sich einmal überlegen, ob der Titel der heutigen Aktuellen Stunde richtig formuliert ist. Da heißt es: Unternehmer sollen nicht zu Bürokraten degradiert werden. Ich schaue einmal auf die Bänke hinter mir. Es sind nicht viele da; aber vielleicht hören uns viele Beamte in den Ministerien zu. Ich denke auch an den Beamten im einfachen oder dem mittleren Dienst, der auf der Straße kontrolliert, ob das Tempolimit eingehalten wird, ob die Parkzeit eingehalten wird oder was auch immer. Das sind alles Menschen, die ihren Aufgaben nachgehen, die aber in diesem Titel sozusagen beschimpft werden.

(Widerspruch bei den FREIEN WÄHLERN – Bei- fall bei der SPD)

Sie regen sich jetzt auf; aber Sie tun es doch.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Sie be- schimpfen sie doch!)

Frau Präsidentin, habe ich das Wort?

Sie wissen, Frau Kollegin, dass ich immer eingreife.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Das war ja schon genug.

Fahren Sie einmal fort, dann sehen wir weiter.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Vielleicht hört der Beamtenbund zu, und vielleicht ist die Diskussion heute auch für den Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes interessant.

Worüber reden wir eigentlich? – Ich lese die Zeitung und bekomme Briefe in mein Bürgerbüro. Herr Unterländer hat gerade einen Brief von der IHK angesprochen. Ich habe ihn auch bekommen, und ich werde auf ihn noch eingehen. In diesem Brief der IHK Mittelfranken, den alle mittelfränkischen Abgeordneten bekommen haben, steht ausdrücklich, dass die Unternehmen in der Bundesrepublik die 8,50 Euro pro Stunde keinesfalls angreifen, sondern voll akzeptieren. Ich finde, das sollten wir alle einmal als positiv feststellen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist das Ergebnis einer Diskussion, die – innerhalb der Arbeitgeberschaft und der mittelständischen Unternehmer, aber auch innerhalb der Wirtschaftsver

bände – gesellschaftspolitisch geführt wurde. Ich halte das zunächst einmal als ausdrücklich positiv fest.

Die allermeisten Unternehmen – man spricht von über 90 % – sind bereit und in der Lage, den Mindestlohn von 8,50 Euro einzuhalten, und alle Befürchtungen, die vor allem von der CSU kamen – es komme zu einem massenhaften Arbeitsplatzverlust, die Republik gehe zugrunde usw. –, haben sich nicht bewahrheitet.

(Beifall bei der SPD)

Das Gesetz ist in Kraft, und ich bin ganz fest davon überzeugt, dass sich die große Mehrheit der Unternehmen daran halten wird.

Jetzt gehe ich kurz auf das ein, was Sie zu Bürokratie, Dokumentation usw. sagen. Worum geht es? - Es geht darum, dass die Unternehmen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufschreiben müssen. Wo bitte ist da eine Bürokratie? Ist das in den Unternehmen nicht längst Praxis und Pflicht? Jeder Tarifvertrag schreibt ja auch Stundensätze vor. Die Themen, die Sie angesprochen haben, zum Beispiel die Bekämpfung der Schwarzarbeit, sind nicht durch das Gesetz zum Mindestlohn aktuell geworden, sondern sind längst Praxis. Es geht nur darum, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen.

In den Briefen der IHK – ich habe sie schon zitiert – werden zwei Bereiche genannt, die ich wirklich interessant fand. Da wird einmal von der mitarbeitenden Ehefrau in Handwerksbetrieben gesprochen. Das hatten wir schon einmal hier im Landtag, allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Mindestlohn.

(Beifall bei der SPD)

Da sind private und geschäftliche Tätigkeiten schwer abzugrenzen, und deshalb gibt es da das eine oder andere Problem.

Des Weiteren spricht die IHK – ich rede von der IHK und nicht vom DGB oder von der SPD – von den Minijobs. Da gibt es tatsächlich ein Problem. Von dem eingeführten gesetzlichen Mindestlohn werden 3,7 Millionen Beschäftigte profitieren, und darunter sind ganz viele Minijobber. Deshalb gilt es, sich die Minijobs genau zu betrachten. Da die Summe am Monatsende festgeschrieben ist, muss eben die Arbeitszeit angeschaut werden. Wenn aber die Arbeitszeit nicht dokumentiert ist, kann sie auch nicht kontrolliert werden.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Zusammenhang ist so klar, dass er gar nicht mehr klarer sein kann. Im Übrigen, Kolleginnen und Kollegen, gibt es auch da nicht etwas wirklich Neues;

denn auch die Minijobs unterliegen den Sozialversicherungsgesetzen, und die Sozialversicherungen müssen natürlich kontrollieren, ob es sich um eine selbstständige Tätigkeit, einen Minijob oder einen Midijob handelt und welche Abgaben und Steuern bei diesen Arbeitsverhältnissen zu entrichten sind. Auch dafür brauchen wir eine Aufzeichnung und eine Dokumentation der täglichen Arbeitszeit. Hier haben wir im Grunde genommen letztlich auch nichts Neues.

Jetzt komme ich zu einem kleineren Punkt. Kollege Unterländer, es ist nicht so, dass Argumente nicht ankämen. Im November/Dezember ist für die Arbeitsverhältnisse nachjustiert worden, die im Außenbereich stattfinden, also die Tätigkeiten, die nicht im Unternehmen direkt ausgeführt werden, sodass die Arbeitszeit dort nicht kontrolliert werden kann. Deshalb ist das, Herr Glauber, was Sie zum häuslichen Bereich gesagt haben, alles Quatsch. Soweit ich informiert bin, ist dieser Bereich sogar von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen.

(Zurufe von der CSU)

- Nun, das kann man klären. Aber für alle Tätigkeiten, die nicht direkt im Unternehmen ausgeübt werden, ich nenne beispielsweise die Zustellung von Broschüren, genügt es, wenn am Ende der Woche vom Arbeitnehmer ein Stundenzettel mit seinen Aufzeichnungen abgegeben wird. Ich sage noch einmal: Jeder ordentliche Betrieb arbeitet doch, wenn er am Ende des Monats nicht ein festes Gehalt auszahlt, mit Stundenzetteln.

(Beifall bei der SPD)

Gerade in der Handwerksbranche wird seit Erfindung der Zunft mit Stundenzetteln gearbeitet. Natürlich werden die Stundenzettel dann im Lohnbüro abgegeben, und daraus wird letztlich der Lohn errechnet. Es geht dann nur darum, ob es Zuschläge oder Ähnliches gibt. Hier ein Bürokratiemonster aufzeigen zu wollen, ist mir unverständlich.

(Zurufe von der CSU)

Die IHK schreibt nun – ich komme auf diesen Brief zurück –, wenn der Lohn auf 8,50 Euro erhöht wird, letztendlich die Arbeitszeit die gleiche bleibt und zum Monatsende mehr als 450 Euro auflaufen, sei das schlecht; denn dann komme der Arbeitnehmer über die Grenze und sei sozialabgabenpflichtig. Kolleginnen und Kollegen, es war doch der Sinn des gesetzlichen Mindestlohns, den Lohn zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage auch: Ganz viele Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, würden gerne mehr arbeiten. Vielleicht gehen sie nun zu ihrem Arbeitgeber und vereinbaren andere Arbeitszeiten und haben dadurch am Ende des Monats mehr Geld in der Tasche.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich finde Ihre Argumentation total klasse. Herr Unterländer, Sie sagen, der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro sei das Ziel gewesen. Irgendwie ist dieses Gesetz aber nur halbfertig. Sie haben von einem guten Gesetz gesprochen. Ein gutes Gesetz ist es dann, wenn man ein Ziel formuliert und gleichzeitig darlegt, wie das Gesetz ausgeführt werden soll.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wie es angewendet wird!)

Gleichzeitig ist zu sagen, wie die Einhaltung des Gesetzes kontrolliert werden soll. Da hört die CSU auf. Wir sind uns zwar im Ziel einig, aber darüber wie Ausführung und Kontrolle geschehen sollen, hört die Einigkeit auf.

Am Tollsten fand ich Ihr Beispiel mit der Tagespflege. Das fand ich ganz große Klasse. Ich kann mich noch an die letzte Aktuelle Stunde erinnern, in der wir den Mindestlohn diskutiert haben. Ich habe damals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es um die Refinanzierung in diesen Bereichen geht.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Natürlich müssen wir uns die staatlichen Zuschüsse ansehen, ob das, was in der Tagespflege, in den Altenheimen und sonst wo geleistet wird, mindestens mit 8,50 Euro refinanziert wird. Da verstehe ich die ganze Aufregung nicht.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU – Glo- cke der Präsidentin)

- Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Selbstverständlich, Herr Unterländer – das versehe ich mit drei Ausrufezeichen – hat der Tarifvertrag Vorrang. Gott sei Dank haben wir in unserem Lande reichlich Tarifverträge, für die im Grunde genau dasselbe an Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten gilt, wie beim Gesetz zum gesetzlichen Mindestlohn. Auch bei diesem Thema verstehe ich, wie gesagt, die Aufregung nicht.

(Zurufe von der CSU)

Ich halte fest: Die SPD ist heute wirklich die einzige Regierungspartei in Berlin, die zu dem Gesetz und zum gesetzlichen Mindestlohn steht. Wir werden dafür sorgen, dass dieser Mindestlohn wirklich bei den Menschen ankommt. Für weniger als 8,50 Euro pro

Stunde soll in Deutschland keiner mehr arbeiten müssen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Jetzt hat der Kollege Mütze für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ganz froh, dass der Kollege Glauber den Eindruck, den das Thema der Aktuellen Stunde ein bisschen erweckt hat, mit seinem Redebeitrag verwischt und den Mindestlohn nicht infrage gestellt hat. Dafür bin ich ihm dankbar.