Protokoll der Sitzung vom 03.03.2015

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kein Wunder, dass viele Themen, die Frauen betreffen, immer unter den Tisch fallen. Nur wenn Frauen gleichermaßen in den Parlamenten vertreten sind, vom Gemeinderat bis zum Bundestag, können wir von echter Repräsentanz des Volkes sprechen.

Frau Dr. Elisabeth Selbert, eine der Mütter des Grundgesetzes, hat schon in den Achtzigerjahren ganz treffend formuliert:

Die mangelnde Heranziehung von Frauen zu öffentlichen Ämtern und ihre geringe Beteiligung in den Parlamenten ist schlicht Verfassungsbruch in Permanenz.

Es gibt mittlerweile viele Bürgerinnen und Bürger und auch Fachleute, die das ähnlich sehen. Daher arbeitet das Aktionsbündnis "Parité in den Parlamenten" gerade an einer Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, um unser Wahlverfahren auf Verfassungstreue untersuchen zu lassen. Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt; denn eines ist klar: Auch hier kommen wir mit Freiwilligkeit nicht weiter.

Zu echter Gleichberechtigung benötigen wir eine Reform des Wahlrechts. Ein Paritätsgesetz wie in Frankreich oder ähnliche Formen haben viele andere Länder. Wahllisten müssen generell Fifty-fifty besetzt werden, wie das bei uns GRÜNEN schon längst der

Fall ist. Dafür werden wir uns einsetzen. Demokratie geht nur geschlechtergerecht mit starken Männern und mit starken Frauen. Dafür brauchen wir Ihre und eure Unterstützung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Kerstin Schreyer-Stäblein von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war schon fast versucht, mich bei der SPD für dieses Thema zu bedanken, weil ich der Auffassung bin, dass es ein gutes und wichtiges Thema ist. Allerdings habe ich bei Kollegin Strohmayr nicht ganz verstanden, was ihr Beitrag zum Thema sollte. Eigentlich hat sie sich am Ministerpräsidenten abgearbeitet. Sie hat dabei aber leider vergessen, dass wir eine Landtagspräsidentin stellen, dass die Staatskanzlei weiblich geführt ist und dass die Regierungssprecherin weiblich ist.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr (SPD))

Der Fraktionsvorsitzende Kreuzer hat zwei Stellvertreterinnen. Ich glaube, er überlebt das ganz gut, so wie er dreinschaut. Er wirkt dabei ganz gesund.

(Heiterkeit bei der CSU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir haben in Berlin eine Landesgruppensprecherin. Angesichts dieser Funktionen, die an Frauen vergeben sind, weiß ich noch nicht genau, wo Ihr Problem liegt.

(Beifall bei der CSU)

Wir können das genauso bei der SPD anschauen. Sie hat einen männlichen Fraktionsvorsitzenden in Berlin und in Bayern. Sie hat einen Parteivorsitzenden in Berlin und in Bayern. Ich frage mich, wo da die weibliche Beteiligung ist.

(Beifall bei der CSU)

Es wurde relativ viel zum Thema Arbeitswelt von den Kolleginnen von den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN angesprochen, die sich inhaltlich wirklich damit auseinandersetzen wollten. Auf diese Themen würde ich auch gerne eingehen, weil ich glaube, diese Aktuelle Stunde hat verdient, dass wir uns wirklich inhaltlich überlegen, was wir an der Stelle machen. Wir

sollten uns weniger fragen, ob und wie viele Frauen Horst Seehofer wo auch immer untergebracht hat.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wir haben in Bayern seit langer Zeit Wohnraum- und Telearbeit. Wir berücksichtigen bei Einstellungen sehr wohl die Befähigung, wenn jemand Kinder aufgezogen hat, und wir haben seit 2009 einen Anstieg der Teilzeitbeschäftigten des Freistaates Bayern um 34,6 % zu verzeichnen. Zudem zeichnet der Freistaat Bayern Unternehmen aus, die hier sehr stark engagiert sind. Ich glaube, dass wir mit solchen Aktivitäten ein Stück weiterkommen.

Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist, in Berlin das ElterngeldPlus anzubringen, weil ich glaube, dass die Wurzel des Problems eher die Fragestellung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist und weil es wichtig ist zu schauen, wie wir an diesen Stellen ein großes Stück weiterkommen. Und, wie kann es anders sein, auch hier sind die bayerischen Väter ganz weit vorne mit dabei: 39,8 % von ihnen beantragen das Elterngeld; im deutschlandweiten Schnitt sind es 31,9 %. Unsere Väter sind also durchaus bereit, sich zu beteiligen und einzubringen. Das schafft die Luft für viele Frauen, die sagen, ich möchte gerne mehr Beruf oder mehr Karriere.

(Beifall bei der CSU)

Nicht sehr zielführend ist allerdings das Anliegen der Frau Schwesig, von dem wir gestern in den Zeitungen lesen durften; denn wir werden keine positivere Einstellung gegenüber Frauen erreichen, wenn wir einen Zettel an irgendeiner Pinnwand haben, auf dem steht, dass eine Frau weniger verdient als ein Mann. Die Lösung des Problems liegt doch nicht darin, dass wir es aufschreiben. Wir müssen überlegen, wieso es so ist. Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Kollegin Schwesig eher mit der Frage auseinandersetzt, wie wir es schaffen, dass Frauen mehr verdienen, statt dass sie überlegt, wie wir das entsprechend an Tafeln schreiben können.

(Beifall bei der CSU)

Mit der freien Wirtschaft hat die SPD sowieso irgendwie ihre Probleme. Wir erinnern uns an das Zitat von Frau Fahimi von letzter Woche, in dem sie von Gaunern spricht. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn ich von der Wirtschaft etwas will, muss ich in ein Gespräch gehen. Dann reicht es nicht, nur Gesetze vorzubereiten. Dann muss ich in den Dialog gehen und versuchen zu überzeugen. Ich glaube, das ist an dieser Stelle das einzig Richtige.

Da der Koalitionsvertrag immer wieder benannt wird ich hatte das Glück, diesen Bereich in Berlin mitverhandeln zu dürfen –, möchte ich Sie deutlich darauf hinweisen, dass das, was Frau Schwesig fordert, im Koalitionsvertrag nicht abgebildet ist. Ich möchte zitieren: Unter anderem soll die Arbeit in der Pflege, der Betreuung und der frühkindlichen Bildung aufgewertet werden. Um das Prinzip "gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit" besser zur Geltung zu bringen, wollen wir mehr Transparenz schaffen, unter anderem die Verpflichtung für Unternehmen ab 500 Beschäftigten, im Lagebericht nach dem HGB auch zur Frauenförderung und zur Entgeltgleichheit Stellung zu nehmen. Unternehmen werden dazu aufgefordert, in eigener Verantwortung erwiesene Entgeltdiskriminierung zu beseitigen. Ich möchte wiederholen: in eigener Verantwortung. Da stand nichts von der Schaffung von Gesetzen. Es steht drin, dass wir ins Gespräch gehen sollen.

Frau Schwesig soll eine Aufwertung von Berufen zum Beispiel auf den Gebieten der Pflege oder frühkindlichen Bildung und Betreuung erreichen, weil genau dort viele Frauen beschäftigt sind. Ich kann ja nicht so tun, als wollte ich die Frauen in andere Berufe verschieben. Ich muss schauen, dass die Frauenberufe auch finanziell attraktiv sind.

Wen wundert‘s: Wenn wir uns die Biografie von Frauen anschauen, kommen wir zu dem Punkt, dass viele Frauen sich für Familienzeiten entscheiden. Deswegen werden wir nicht vorschreiben, dass Frauen das anders machen sollen. Wir wollen, dass Männer und Frauen sich so beteiligen, wie sie es als Familie entscheiden. Wir haben den Kita-Ausbau massiv angeschoben. Wir schieben natürlich auch den Bereich Ganztagsschule an. Das sind Dinge, die in der Praxis dazu beitragen, dass Frauen und Männer entscheiden können, wie sie wählen.

Ich darf an dieser Stelle der Kollegin Brendel-Fischer danken, weil wir gemeinsam versucht haben, im Rahmen einer Projektgruppe Dinge aufzugleisen. Viele Kollegen haben sich die Zeit genommen, sich intensiv damit zu befassen. Ich bin mir sicher, dass Staatsministerin Müller und Staatssekretär Eisenreich in Kürze ein mit den kommunalen Spitzenverbänden ausverhandeltes Ergebnis vorlegen werden, in dem wir darstellen, wie wir das finanziell umsetzen können. Das sind die Schritte, mit denen wir Familien helfen. So kann jeder Einzelne und jede Einzelne entscheiden, wie seine oder ihre Biografie im beruflichen Alltag ausschauen soll.

(Beifall bei der CSU)

Wenn wir die Wirtschaft mit ins Boot nehmen wollen, müssen wir mit der Wirtschaft reden und können nicht sagen, wir machen Gesetze, und danach reden wir miteinander. Das muss anders herum gehen.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben ja Argumente. Ein Forschungszentrum in Paderborn spricht bei familienbewussten Unternehmen von einer Senkung der Fehlzeitquote um 12 % und von einer um 22 % niedrigeren Krankheitsquote, wenn ein Unternehmen sich familienfreundlich aufstellt. Da haben wir Argumente auf unserer Seite. Dann brauchen wir das Gespräch, um diese Argumente zu vermitteln. Genauso wissen wir, dass die Zahl der Eigenkündigungen bei Beschäftigten in solchen Unternehmen um 9 % niedriger ist.

Wir müssen als Frauen aber auch ein Stück weit kritisch an uns selber arbeiten; denn wir sind die Bildungsgewinnerinnen und müssen aufpassen, dass wir nachher auf dem Karriereweg nicht die Verliererinnen sind. Das bedeutet zum einen, Väter in die Pflicht zu nehmen. Das bedeutet, in Auszeiten Kontakt zu einem Unternehmen zu halten. Das bedeutet natürlich auch, sich weiterzuqualifizieren. Keine geeignete Maßnahme ist es - darüber wird nachgedacht -, an einem Schwarzen Brett Gehälter aufzudröseln. Das hat noch keiner einzigen Frau geholfen.

(Beifall bei der CSU)

In dem Koalitionsvertrag – ich habe es gerade vorgelesen - steht auch: Es ist dafür Sorge zu tragen, die Bereiche Pflege und Betreuung anders zu bewerten. Das ist eine gesellschaftliche Bewertung, aber auch eine finanzielle Bewertung. Ich würde mir wünschen, dass sich die Frau Bundesministerin in diesen Bereichen deutlicher auf den Weg machte, anstatt neue Gesetze zu planen. Auch Beamte können Gesetze planen. Wir Politiker sollten mit den Leuten reden und versuchen, dabei entsprechende Ergebnisse zu erzielen.

Wir haben in Bayern starke Frauen und starke Männer. Es rentiert sich nicht, sie gegeneinander auszuspielen. Ich gebe Ihnen recht, dass wir trotz des Grundgesetzartikels, nach dem Frauen und Männer gleichberechtigt sind, nicht an allen Stellen ganz gleich behandelt werden. Da müssen wir jeweils einzeln hinschauen. Nichts bringt es aber, neben einem Gesetz, in dem das schon geregelt ist, ein weiteres Gesetz zu verabschieden. Wir müssen miteinander reden: Wir haben gute Argumente. Deswegen werden die Frauen weiterhin auf dem Vormarsch sein, im Übrigen auch in der CSU, ob es Ihnen gefällt oder nicht.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat die Kollegin Ruth Müller von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist im wahrsten Sinne des Wortes die Stunde der Frauen. Das ist doch wirklich toll: lauter Frauen als Rednerinnen. Es wäre schön, wenn sich einmal die Männer für die Frauen einsetzen würden.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zur Kollegin Schreyer-Stäblein. Es mag schon sein, dass wir einen Parteivorsitzenden und einen Fraktionsvorsitzenden haben. Wir haben aber trotzdem einen höheren Frauenanteil im Parlament als die CSU.

(Beifall bei der SPD – Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Uns wurde vorgeworfen, dass wir nur - -)

Nachdem vorher angesprochen worden ist, dass die CSU den Kita-Ausbau in Bayern umgesetzt hat, müssen wir einen Blick in die Geschichte werfen: RotGrün hat die Idee gehabt, den Kita-Ausbau auf den Weg zu bringen. Rot-Grün hat die Finanzmittel dafür bereitgestellt.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Wir haben es gemacht! – Markus Rinderspacher (SPD): Zwanzig Jahre danach!)

Dann erst ist es in Bayern gemacht worden. So ist es richtig.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Bravo!)

Die Frauen stehen jetzt im März gleich zweimal im Fokus: einmal am Sonntag zum Internationalen Frauentag. Dabei wird daran erinnert, wie viel sich die Frauen bereits erkämpft haben, wie zum Beispiel das Wahlrecht. Aber der Tag wird auch zum Anlass genommen, weltweit Gerechtigkeit für Frauen zu fordern. Mit Gerechtigkeit hängt auch der nächste Termin im März zusammen: Am 20. März ist Equal Pay Day, der die Verdienstlücke bei den Einkommen von Männern und Frauen thematisiert. Dieser Einkommensunterschied ist es, der den Frauen das Leben auf Dauer schwer macht. Dieser Einkommensunterschied hat eklatante Auswirkungen auf das Leben der Frauen im Alter. Ver.di hat ermittelt, dass die Höhe der Renten von Frauen im Vergleich zu Männern bei 56 % liegt. Während ein Mann mit einer Rente von

1.033 Euro rechnen kann, muss sich die Frau mit der Hälfte begnügen. Die Durchschnittsrente einer Frau beträgt nur 535 Euro. In der Oberpfalz, im Landkreis Amberg-Sulzbach, liegt sie mit 393 Euro noch einmal deutlich darunter.

Ich habe im Herbst 2014 eine Anfrage an die Staatsregierung gerichtet. Die Antwort darauf war: Die Höhe der Rente lässt keine Rückschlüsse auf die Lebenssituation zu, weil die meisten Frauen in einer Beziehung leben. Außerdem bekämen die Frauen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung später meistens noch eine Witwenrente. Heißt die Perspektive für unsere Frauen in Bayern also weiterhin: heiraten und später von der Witwenrente leben? – Nein. Wir meinen, dass eine moderne bayerische Frauenpolitik dafür zu sorgen hat, dass erstens die Einführung des Mindestlohns als wichtiger Schritt erkannt und nicht mehr bekämpft wird.