Das sind erste Ansätze. Erst wenn auch in Bayern die volle Kinderbetreuung möglich ist, haben die Frauen auch hier die Möglichkeit, voll gleichberechtigt zu sein.
Wir müssen ein Familiensplitting einführen. Das ist einer der wichtigsten Ansätze. Seit über einem halben Jahrhundert – genau: seit 1958 – gibt es in Deutschland das Modell des Ehegattensplittings. Wir müssen uns an der Familie mit Kind orientieren, nicht am Vorliegen eines Trauscheins. Dieser ist zwar auch wichtig und ganz nett; aber er verleitet Frauen dazu, einen Minijob anzunehmen. Der Trauschein suggeriert eine Verlässlichkeit, die wir nicht mehr haben. Das muss den Frauen bewusst werden. Aber auch der Staat muss das Seine dazu tun.
Der tiefe Grund für die auch heute noch fehlende Gleichberechtigung ist letztlich, dass wirkliche Gleichberechtigung noch immer nicht in unseren Köpfen verankert ist. Das sieht man auch an vielen Debatten hier im Landtag. An dieser Stelle müssen wir ansetzen.
Heute gibt es – Gott sei Dank! – die Möglichkeit, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Ich rede jetzt nicht von der Herdprämie, also dem Betreuungsgeld, sondern von der Elternzeit. Mann und Frau können sie in Anspruch nehmen. Gehen wir von folgendem fiktiven Szenario aus: Der Mann verdient 2.500 Euro brutto, die Frau 3.500 Euro brutto. Fragt man nun, wer daheimbleiben soll, hört man in den meisten Fällen – auch von jungen Menschen, sogar von Schülern –: Natürlich die Frau! – Wendet man dann ein, dass sie doch 1.000 Euro mehr verdient, hört man: Aber sie hat die natürliche Begabung, der Mann muss etwas anderes machen, der Mann muss das Geld verdienen, die Frau muss zu Hause bleiben.
Solange wir solche Antworten hören, ist es mit der Gleichberechtigung nicht weit her. Wir dürfen auch in den Familien nicht mehr mit solchen Klischees spielen. Wir müssen in der Schule noch mehr Aufklärungsarbeit leisten. Natürlich ist die Quote für eine gewisse Übergangszeit eine Möglichkeit. Aber wir müssen hier im Landtag anfangen.
Kein Podium hier im Landtag dürfte nur mit Männern besetzt sein. Auch hier machen wir Fehler. Ich appelliere, was dies angeht, auch immer an die eigene Fraktion.
Sie machen es keinen Deut besser. Ob Sie solche Wahrheiten überhaupt so deutlich aussprechen dürfen wie ich, bezweifle ich.
Frau Kollegin Gottstein, ich darf mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Sie haben aber die Zeit um mehr als eine Minute überzogen.
(Erster Vizepräsident Reinhold Bocklet schaltet das Mikrofon am Rednerpult ab – Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Ich möchte noch auf das Ministerium eingehen. – Thomas Kreuzer (CSU): Unerhört! Die Geschäftsordnung ist Ihnen egal? Sie machen, was Sie wollen! – Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Wenn nicht so viele Unterbrechungen gewesen wären - - – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Verena Osgyan von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde den Titel dieser Aktuellen Stunde super: Starke Frauen für ein starkes Bayern. Das passt perfekt zum Weltfrauentag, und ich lasse mir den Weltfrauentag nicht vermiesen: Wir werden ihn feiern, auch wenn die Zahlen, die wir heute gehört haben, wirklich alles andere als stark waren.
Ich stimme manchen meiner Vorrednerinnen zu: Wir brauchen dringend eine Reform des Gleichstellungsgesetzes und des Beteiligungsgesetzes in Bayern.
Bayern hat zwar wirklich jede Menge starker Frauen. Sie versauern aber häufig in der zweiten, in der dritten oder in der allerletzten Reihe. Bayern ist, was die Gleichstellung betrifft, schlicht ein Entwicklungsland. In zentralen Kernzahlen, die etwa die Repräsentanz von Frauen in den Parlamenten betreffen, liegen wir sogar noch hinter Ländern wie Ruanda. Das spricht ja wirklich für sich.
Wir merken jetzt, auf der Bundesebene gibt es Bewegung. Aber ich erwarte ehrlicherweise nicht so viel davon; denn aus der gesetzlich vorgeschriebenen Quote, die wir wirklich dringend brauchen, ist nur ein mickriges Quötchen geworden. Aber gut, vielleicht hilft es zumindest symbolisch weiter. 30 % Frauen in Aufsichtsräten – ich glaube, das ist nicht der große Wurf. 40 % wären wenigstens halbwegs eine Repräsentanz, aber es trifft letztlich nur auf die 106 DAXUnternehmen zu. Da müssen wir deutlich weiterkommen.
Spannender finde ich den Vorstoß für ein Entgeltgleichheitsgesetz. Da drückt der Schuh wirklich gewaltig, gerade in Bayern. Wir haben gerade gehört, Bayern wäre da nicht so schlecht aufgestellt. Ich kann das von den Zahlen her nicht bestätigen. Insgesamt beträgt der Gender Pay Gap in der Bundesrepublik 23 %. In Bayern liegt er bei 26 %. Für gleiche Arbeit verdienen Frauen 10 % weniger. Das ist nicht nur ungerecht, sondern das ist eigentlich sittenwidrig.
Eine Offenlegung der Gehälter würde sicherlich einen Aufschrei provozieren, wenn herauskäme, wie ungerecht tatsächlich die Verteilung ist. Ich erhoffe mir nicht allzu viel vom Bund, aber mehr als von Bayern; denn die Staatsregierung hat in den vergangenen Jahren nicht nur geschlafen, sondern es fehlt auch an jeglichem Willen, Gleichstellung aktiv voranzutreiben.
Mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sieht es immer noch schlecht aus. Der Krippen- und Kita-Ausbau stagniert und hält nicht mit dem Bedarf Schritt. Bayerns Frauen stoßen sich an der gläsernen Decke gewaltig den Kopf, selbst da, wo der Staat als Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen könnte, nämlich
im öffentlichen Dienst und an den Hochschulen. Es ändert sich nichts: Wir haben 4 % Frauen in Führungspositionen im Polizeidienst. In Nordrhein-Westfalen sind es 11 %. Wir haben 16,7 % Lehrstuhlinhaberinnen bei über 50 % Studienabsolventinnen. Da stimmt doch etwas nicht. In Berlin sind es immerhin 29 % Professorinnen und – auch das haben wir bereits vorhin gehört – nur 11 % weibliche Führungskräfte in Beteiligungsunternehmen des Freistaats Bayern.
Wir haben das schon vor einem Jahr im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes moniert. Wir haben das Thema jetzt wieder im Haushaltsausschuss diskutiert. Wir warten sehnlichst auf einen Bericht, der die genauen Ursachen darstellt.
Ich frage mich, was es da zu verheimlichen gibt. Offenbar sind die Zustände noch schlimmer als gedacht. Aber es bringt doch nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir brauchen endlich verbindliche Quoten und verbindliche Zielvorgaben statt leerer Absichtserklärungen.
Auch hier gilt: 30 % sind uns nicht genug. - Nicht nur bei der Karriere werden Frauen in Bayern ausgebremst. Wirklich skandalös ist der Umgang mit Frauen, die Schutz und Hilfe brauchen. Die Unterfinanzierung der Frauenhäuser und Frauennotrufe haben wir erst kürzlich im Parlament debattiert. Auch die Anzahl der Fälle von häuslicher Gewalt steigt in Bayern, wo eine Kultur des Wegschauens anstatt des Handelns herrscht.
Ganz besonders beschämend finde ich die Situation weiblicher Flüchtlinge in Bayern. Diese Frauen haben meist einen wirklich schwierigen Weg hinter sich, bevor sie es hierher geschafft haben. Jetzt werden sie hier in den Gemeinschaftsunterkünften nahtlos wieder deutlich häufiger mit Gewalt konfrontiert als männliche Flüchtlinge, und sie erleiden oftmals auch sexuelle Übergriffe. In bayerischen Flüchtlingsunterkünften darf es doch nicht zu solchen Drangsalierungen kommen. Eine Besserung der Situation scheitert jedoch oft schon an den baulichen Voraussetzungen. Da werden weibliche alleinstehende Flüchtlinge oder Frauen mit Kindern mit alleinstehenden Männern zusammen untergebracht. Sie haben oft nicht einmal getrennte sanitäre Anlagen.
Wir brauchen endlich Fortbildungen für medizinisches Personal, und wir brauchen Betreuerinnen, um besser und kultursensibel auf die Probleme von gefolterten
Bei all dem, was wir in Bayern anpacken müssten, aber nicht anpacken, sieht man: Der Fehler liegt im System; denn Demokratie geht nur gerecht, das heißt auch geschlechtergerecht. Das beginnt bei der Besetzung von Parlamenten und Gremien. Wir haben im Bayerischen Landtag einen Frauenanteil von nur 30 %, obwohl wir GRÜNE ihn mit unserem Verhältnis von Fifty-fifty schon ziemlich nach oben gezogen haben.
Wir haben auf kommunaler Ebene einen Frauenanteil von 32 % und in Gremien wie dem Rundfunkrat und dem Medienrat liegt er gerade einmal bei 25 %. Das regt mich auch auf; denn gerade bei denen, die das Rollenbild in die Gesellschaft tragen, also den Medien, sind Frauen in den Aufsichtsgremien stark unterrepräsentiert. Auch das wirkt sich auf unser Bild von der Welt aus.