Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Ich habe neulich in einer Fernsehsendung gesehen, was Helmut Kohl Anfang der Neunzigerjahre, es war im Jahre 1992, zum Soli sagte. Er sagte: Der Soli wird – das garantiere ich, und da bin ich sicher – spätestens im Jahr 2000 nicht mehr gezahlt werden. Wir haben jetzt das Jahr 2015, und wir haben den Soli immer noch.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Aber Kohl haben wir nicht mehr!)

- Kohl haben wir nicht mehr. Die Frage ist, was besser ist. – Aber es ist wichtig, Versprechen einzuhalten. Deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie wir das Geld zurückgeben. Wir könnten es den Beitragszah

lern pauschal zurückzahlen oder unter Berücksichtigung von sozialen Härtefällen, zum Beispiel Menschen mit Behinderungen oder Betrieben. Das Letztere wollen wir. Wir wollen aber, dass in einem ersten Schritt mehr überwiesen wird, als beschlossen worden ist. Sie haben zu Recht herausgestellt, dass die KEF vorgeschlagen hat, ungefähr die Hälfte von dem, was zu erwarten ist, jetzt zurückzuzahlen, nämlich 73 Cent. Schließlich hat man sich auf 48 Cent geeinigt.

Sie haben zu Recht herausgearbeitet, dass die Länder Sachsen und Bayern dem nicht zugestimmt haben. Wir FREIEN WÄHLER wollen bei der Position Bayerns bleiben. Wir wollen, dass jetzt mindestens 73 Cent zurückgezahlt werden. Das ist die Empfehlung. Sie entspricht auch dem Versprechen der Ministerpräsidenten und der Position der Bayerischen Staatsregierung, mit der sie in die Verhandlungen gegangen ist. In diesem Fall unterstützen wir FREIEN WÄHLER die Position Bayerns und seiner Staatsregierung. Deshalb werden wir einer geringeren Beitragssenkung im ersten Schritt nicht zustimmen.

Herr Dorow, im Übrigen sind wir ganz beieinander. Für den zweiten Schritt, der kommen muss, plädieren wir für die Wiedergutmachung der Fehler, die bei der Einführung begangen wurden. Damals wurden die Behinderten schlechter gestellt als vorher. Das sollten wir zurückdrehen.

Wir sollten uns auch ansehen, welche sozialen Härtefälle es gibt und wie wir diese abfangen können. Das tun wir beinahe jede Woche im Hochschulausschuss. Wir haben dazu den Vorschlag unterbreitet, darüber nachzudenken, die Menschen, deren Einkommen unter der Armutsgrenze liegen, von den Rundfunkgebühren zumindest teilweise zu entlasten. Das betrifft nicht nur die Hartz-IV-Empfänger, sondern auch diejenigen, die nur eine Summe von ungefähr 900 Euro im Monat zur Verfügung haben. Wir haben sicherlich die Möglichkeit, eine Debatte über den Rundfunk allgemein zu führen, was er braucht und was er nicht braucht. Aus unserer Sicht gehört eine solche Debatte nicht an diese Stelle. Diese Debatte müssen wir an anderer Stelle führen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herzlichen Dank. – Nun bitte ich Frau Kollegin Ulrike Gote ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNE haben die Einführung des Rundfunkbeitrags nach dem Ende der Rundfunkgebühren für richtig gehalten. Wir haben immer für dieses Modell gestritten und sind auch jetzt davon

überzeugt, dass dieser Wechsel zum Rundfunkbeitrag und zu der neuen Systematik der Erhebung richtig war. Für uns ist das ein Erfolgsmodell. Die Ergebnisse sind sehr positiv, allerdings mit Abstrichen, was den Datenschutz und den konkreten Übergang angeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Tatsache, dass wir ein Einnahmeaufkommen sichern konnten, das nicht geringer als das vorherige ist, war Ziel unserer Reform. Wir haben dieses Ziel erreicht; es wurde sogar bei Weitem übertroffen. Wir GRÜNE haben immer gesagt: Diese Reform soll aufkommensneutral sein. Wenn Mehreinnahmen zu verzeichnen sind, sollten sie den Beitragszahlerinnen und -zahlern möglichst zurückgegeben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNE in diesem Hause haben bis letzte Woche die Auffassung vertreten, dass wir diese Regelung, auf die sich die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen geeinigt haben, mittragen könnten, also eine Senkung, die unter der Empfehlung der KEF liegt, auf der Grundlage der Schätzung der Einnahmen von etwa 1,18 Milliarden Euro. Wir haben gesagt: Gut, es soll nicht alles zurückgegeben werden, sogar etwas weniger, als die KEF vorgeschlagen hat. Da wir jedoch nicht sicher sein können, wie die Einnahmestruktur in Zukunft sein wird, gehen wir hier mit und stimmen zu.

Kolleginnen und Kollegen, ich muss Ihnen sagen: Seit ein paar Tagen sind wir tatsächlich schlauer. Wir wissen nämlich nun genau, dass noch wesentlich höhere Mehreinnahmen zustande kommen, nämlich 1,5 Milliarden Euro. Dies wird voraussichtlich in den nächsten Jahren so bleiben. Die Pressemitteilung hierzu kam am letzten Donnerstag. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Haltung überdacht. Ich halte es jetzt nicht mehr für gerechtfertigt, die Beiträge heute, zu diesem Zeitpunkt, in einem nur so geringen Maße zu senken.

Wir wären sehr dafür gewesen, wenn wenigstens die Empfehlung der KEF befolgt worden wäre. Man hätte sogar noch über diese Empfehlung hinausgehen können. Wir werden deshalb unser Abstimmungsverhalten heute revidieren und diesem Staatsvertrag nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Völlig klar ist, dass wir auch eine Rücklage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und für die anstehenden Aufgaben haben wollen. Da ist zum einen die Evaluierung, wo wir bei bestimmten Punkten nachsteuern müssen. Hier werden wir uns auch mit Ihnen streiten müssen; denn es sind nicht immer die gleichen Punk

te, die wir kritisch sehen. Sicherlich wird es im System Nachsteuerungen brauchen. Es gibt sicher sehr viel, was wir GRÜNEN beim öffentlichen Rundfunk immer schon infrage gestellt haben und ändern wollen. Ich nenne zum Beispiel die große Zahl an Talkshows, die uns ein Heidengeld kosten, oder die Sportsendungen, die nur die Mainstream-Sportarten abdecken und für die in Bezug auf die Sportrechte viel Geld ausgegeben wird. Diese Dinge müssen wir angehen. In diesem Zusammenhang kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk sparen. Für andere Dinge, die jetzt zu kurz kommen, insbesondere einen qualitativ guten Journalismus, Recherche in der Tiefe, eine vernünftige Bezahlung derer, die diese Arbeit leisten, und für eine ordentliche Entlohnung der Urheberinnen und Urheber der Beiträge werden wir vielleicht in Zukunft mehr Mittel brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch für eine Reduzierung der Werbung werden wir mehr Mittel brauchen. Sie wissen, dass wir GRÜNE dafür stehen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk werbefrei zu machen. Das kostet natürlich Geld. Ich nenne auch die unsägliche Sieben-Tage-Regelung, nach der in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Produktionen wieder verschwinden, die von den Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahlern schon bezahlt worden sind. Auch das muss endlich ein Ende haben, und dafür werden wir Mittel brauchen.

Für all diese schönen Dinge haben wir aufgrund der sehr hohen Mehreinnahmen tatsächlich Rücklagen. Ich bin davon überzeugt, dass wir, selbst wenn wir den Beitrag stärker senken würden, all dies auch noch leisten könnten. Ich fände es als Ergebnis der Diskussion dann ehrlicher zu sagen: Wir senken den Beitrag jetzt stärker, und sollten wir in ferner Zukunft mehr Geld für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk benötigen, dann sollten wir eine ehrliche Debatte über eine Gebührenerhöhung führen. Wir sollten jetzt nicht vorsorglich Geld bunkern und glauben, die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler würden es nicht bemerken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sehen: Wir haben neu nachgedacht und uns von neuen Fakten leiten lassen. Wir werden diesem Antrag heute nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Jetzt bitte ich Frau Ministerin Dr. Merk. Frau Minister Dr. Merk, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich meinen Dank dafür aussprechen, dass die Beratungen in den Ausschüssen so rechtzeitig durchgeführt worden sind, um den Rundfunkbeitrag ab dem 1. April 2015 wirksam zu senken. Die Fraktionen haben die wichtigsten Eckpunkte beschrieben. Ich möchte mich nur auf einige wichtige Dinge beschränken.

Nun komme ich zu der formalen Seite: Wir werden mit der heutigen Zustimmung den Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, den die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 17. Juli 2014 unterzeichnet haben, in wirksames bayerisches Landesrecht umsetzen. De facto heißt das, dass erstmalig in der Geschichte der Rundfunkfinanzierung eine Senkung erfolgt. Natürlich gibt es Kritiker, die fragen: Was ist das schon – eine Absenkung um 48 Cent? Das hat doch in erster Linie symbolischen Charakter. – Das mag sein, aber die Senkung ist dennoch berechtigt und wichtig. Wir alle haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr sehen müssen, dass öffentliche Dienstleistungen regelmäßig teurer geworden sind. Wir sollten es deshalb nicht gering schätzen, dass es erstmals gelungen ist, eine Gegenbewegung zu organisieren.

Der ursprüngliche Vorschlag der KEF – wir haben das mehrfach gehört – belief sich auf 73 Cent. Das haben wir leider nicht erreichen können, obwohl wir uns gemeinsam mit dem Land Sachsen dafür eingesetzt haben. Es gab Länder, die Sorge hatten, dass die Mehreinnahmen nicht für eine volle Senkung um 73 Cent reichen. Deswegen müssen wir den Kompromiss von 48 Cent hinnehmen. Dass aber Bayern die Situation richtig eingeschätzt hat und auf dem richtigen Weg war, zeigen die jüngsten Prognosen der KEF und der Anstalten, die mittlerweile von Mehreinnahmen in einer Größenordnung von 1,5 Milliarden Euro für die aktuelle Beitragsperiode ausgehen.

Darüber brauchen wir uns nicht zu grämen; denn ich kann Ihnen versichern, dass dieses Geld den öffentlich-rechtlichen Anstalten gerade nicht zur Verfügung steht. Sie müssen dieses Geld in Rücklagen einstellen. Eine Auflösung der Rücklagen erfolgt erst nach Evaluierung des neuen Beitragssystems. Ich muss zur Evaluierung nicht wiederholen, was meine Vorrednerinnen und Vorredner bereits ausgeführt und in diesem Zusammenhang an Beispielen genannt haben. Nur so viel zum weiteren Verfahren: Auf der Grundlage der Abschlusszahlen des Beitragsservice für 2014 wird das neue Finanzierungssystem evaluiert, und wir behandeln außerdem die Frage – es ist gerade eben angesprochen worden – einer möglichen Reduzierung von Werbung und von Sponsoring im öffentlich-recht

lichen Rundfunk. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Juni sollen die Eckpunkte für einzelne Anpassungen der Beitragsregelung dann beschlossen werden.

Das heißt: Bayern hält bei den Verhandlungen konsequent an dieser Beitragsstabilität und Beitragsgerechtigkeit fest. Ehrlicherweise will ich heute auch klarstellen: Wir werden nicht alle Wünsche erfüllen können. Deswegen ist es umso wichtiger, sehr sorgfältig durch die Bayerische Staatsregierung zu prüfen, welche Spielräume für eine gerechte Nachbesserung genutzt werden können.

Zum Abschluss noch ein Satz zum ARD-Finanzausgleich: Bayern befürwortet die föderale Vielfalt der Landesrundfunkanstalten. Dazu gehört es, finanziell weniger gut aufgestellte Rundfunkanstalten, zum Beispiel den Saarländischen Rundfunk oder Radio Bremen, auf sichere finanzielle Beine zu stellen. Die Erhöhung der Finanzausgleichsmasse ist dafür sicher ein geeigneter Weg. Hierfür hat sich auch der Bayerische Rundfunk ausgesprochen.

Ich finde, der Sechzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist ein gutes Signal für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso wie für unsere Beitragszahler und Beitragszahlerinnen. In diesem Sinne bitte ich sehr herzlich um Zustimmung zum Staatsvertrag.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen damit zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Staatsvertrag auf Drucksache 17/3254 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Wissenschaft und Kunst auf Drucksache 17/5578 zugrunde. Gemäß § 58 der Geschäftsordnung kann die Abstimmung nur über den gesamten Staatsvertrag erfolgen. Der federführende Ausschuss empfiehlt die Zustimmung. Wer dem Staatsvertrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Dem Staatsvertrag ist damit zugestimmt worden.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 3 aufrufe, möchte ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Professor Piazolo und anderer und Fraktion (FREIEN WÄHLER) zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulzulassung in Bayern auf Drucksache 17/4314 bekannt geben: Mit Ja haben gestimmt

32, mit Nein haben gestimmt 87, Stimmenthaltungen 36. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Abstimmung über eine Verfassungsstreitigkeit, eine Landesgrenzänderung und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 2)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 2)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit hat der Landtag über diese Voten entschieden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Steuerliche Förderung für energetische Gebäudesanierungen umgehend beschließen (Drs. 17/5647)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Karl Freller, Peter Winter u. a. und Fraktion (CSU) Klimaschutz voranbringen - energetische Gebäudemodernisierung steuerlich fördern! (Drs. 17/5664)