Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Pohl, wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die FREIEN WÄHLER vielleicht ein Stück weit zu wenig Sensibilität haben und nicht sehen, welcher Sprengstoff in der Frage der ungerechten Vermögensverteilung besteht und dass wir zumindest ein gewisses Korrektiv brauchen. Wenn es des Beweises des fehlenden sozialen Gespürs bedürft hätte, haben Sie ihn heute abgeliefert.
Sie brauchen selbstverständlich nicht der SPD zu folgen. Aber es wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie in dieser Frage der Bayerischen Verfassung folgen, wenn Sie in dieser Frage dem Bundesverfassungsgericht folgen und wenn Sie in dieser Frage der evangelischen und der katholischen Soziallehre folgen, die genau fordern, beim Vermögen und bei der Verteilung von Vermögen sensibel hinzuschauen und in diesem Bereich Steuergerechtigkeit zu gewährleisten. Sie sind nicht nur ignorant, was unsere Anträge betrifft, sondern Sie sind auch ignorant, was die Grundlagen der Verfassung, des Grundgesetzes und der katholischen und der evangelischen Soziallehre betrifft.
Bei einem kann ich Ihnen nicht helfen. Wer bei einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro Erbschaftsteuer – das sind 24.000 Lehrerstellen in Bayern – sagt, dem würden die Kosten für die Steuerbewertung und die Steuereintreibung entgegenstehen,
Herr Pohl, ich komme zum Lob. Liebe Kollegen von der CSU, der Kollege Pohl hat die Rede gehalten, die Sie, Herr Kollege Fackler und Herr Minister Söder – er kommt ja noch an die Reihe –, gerne halten würden. Das ist die Wahrheit. Wenn man Ihre Politik betrach
tet, sind Sie faktisch für die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Der Kollege Pohl hat das gesagt, was Sie sich im Augenblick noch nicht zu sagen trauen.
Worum geht es? - Im Bundesverfassungsgerichtsurteil geht es im Wesentlichen um drei Punkte: Zum Ersten geht es um die Abgrenzung von begünstigtem Vermögen und von Verwaltungsvermögen. Da hat das Bundesverfassungsgericht Kritik geübt. Das Bundesfinanzministerium meint, die Orientierung am Hauptzweck sei eine Lösung. Der zweite Kritikpunkt betrifft die pauschale Befreiung vom Lohnsummennachweis aller Unternehmen mit unter 20 Arbeitnehmern. Da ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht gewahrt. Hier schlägt das Bundesfinanzministerium einen Verzicht auf eine Lohnsummenprüfung bei einem Unternehmenswert von unter einer Million Euro vor. Über die Grenzen, über die Lohnsummen und die Anzahl der Arbeitnehmer kann bzw. muss man mit Sicherheit reden.
Der dritte, klare Kritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts betraf die Verschonung bei großen Betriebsvermögen ohne Bedürfnisprüfung. Das Bundesfinanzministerium schlägt eine Freigrenze von bis zu 20 Millionen Euro Unternehmenswert und danach eine Bedürfnisprüfung vor. Von anderen wurde ein dreistelliger Millionenbetrag genannt. Auch über diese Höhe bzw. die Größenordnung muss man reden.
Der entscheidende Punkt ist aber, dass das Bundesfinanzministerium und der Bundesfinanzminister die Korrekturen durchführen wollen, die das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber erwartet. Insofern ist klar: Es wird das korrigiert, was das Bundesverfassungsgericht beanstandet hat. Man spricht auch von einer minimalinvasiven Korrektur der bestehenden Verschonungsregelung. Auch Finanzminister Söder hat unmittelbar nach dem Urteil davon gesprochen: "Das Urteil ist keine Grundsatzkritik an der Erbschaftsteuer." Aber plötzlich wird alles ganz anders. Das Bundesverfassungsgericht sagt klar: Die Verschonungsregelungen seien unverhältnismäßig, soweit bei Erwerb von großen Betriebsvermögen die Verschonung eintrete ohne Prüfung, ob der Erwerber überhaupt einer Verschonung bedürfe.
Jetzt haben wir über die Wertgrenze gesprochen. Da finden wir mit Sicherheit einen Konsens. Aber ein kompletter Verzicht auf eine Verschonungsprüfung bei allen nicht am Kapitalmarkt orientierten, familiengeprägten Unternehmen – die Namen der milliardenschweren Unternehmen sind schon genannt worden – ohne Rücksicht auf irgendeinen Schwellenwert, wobei es nicht um 100 Millionen Euro oder 300 Millio
nen Euro, sondern um alles geht, ist ein klarer Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dazu stehe ich, und das wird so kommen. Das Bundesverfassungsgericht würde, wenn Sie sich durchsetzen, diese Regelung unter Hinweis auf den Verfassungsverstoß sofort aufheben. Das ist die Wahrheit an dieser Stelle.
Wir sind bei Ihnen, wenn es darum geht, Mittelstandsbetriebe und familienorientierte Betriebe zu stärken. Sie brauchen uns nicht zu glauben. Ich lese Ihnen vor, was dazu das Bundesverfassungsgericht eindeutig sagt:
Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
Laut dem Bundesverfassungsgericht erreicht hier die Ungleichbehandlung allein wegen der Höhe der steuerfreien Beträge ein Maß, das ohne konkrete Feststellung der Verschonungsbedürftigkeit des erworbenen Unternehmens mit einer gleichheitsgerechten Besteuerung nicht mehr in Einklang zu bringen ist. - Mit Ihrem Vorschlag lösen Sie also das Problem nicht, sondern machen es ganz groß, sodass dem Bundesverfassungsgericht nichts anderes mehr übrig bleibt, als die von Ihnen vorgeschlagene Neuregelung aufzuheben mit dem Ergebnis, dass wir wieder eine verfassungswidrige Erbschaftsteuer haben. Ist das Ihr Ziel? Das muss man an der Stelle deutlich machen.
Wir haben heute bereits über die Methoden der CSU in Bezug auf die Sanierung und die steuerlichen Anreize gesprochen. Die Grundsatzentscheidung hierzu wurde mit den drei Bundesministern im Bundeskabinett getroffen. Es war alles abgesprochen, bis es Herrn Seehofer gefallen hat, hier einen Stopp hereinzubringen. Es ist Ihre Methode, zuerst Ihre Leute in Berlin arbeiten zu lassen. Die stimmen allem zu, und dann ist alles ganz anders. Hier machen Sie es wieder anders. Hier hat die CSU eine andere Arbeitsmethode: Bevor Sie überhaupt einen Versuch unternehmen, Ihre Vorstellung in der CDU/CSUBundestagsfraktion mehrheitsfähig zu machen, führen Sie im Bayerischen Landtag ein mittelprächtiges Schauspiel auf. Gehen Sie doch nach Berlin zu Ihren politischen Freunden und sorgen Sie dafür, dass Sie hier mit einer einvernehmlichen Lösung antreten. Dann reden wir weiter.
Man muss einmal deutlich sagen – Herr Kollege Mütze hat es schon gemacht –: Ich muss Herrn Finanzminister Schäuble gegen Sie, gegen diese Unionsfreunde, in Schutz nehmen. Sie unterstellen ihm alles, was Sie sonst uns unterstellen. Wunderbar! Familienunternehmen hält dieser Finanzminister Schäuble angeblich nicht für wichtig. Von der CSU wird ihm unterstellt, dass er die Familienunternehmen schwächen will. Die Vorstellung von Schäuble sei – Zitat Dr. Söder – mittelstandsfeindlich und grenze an Sozialismus. Das unterstellen Sie dem Bundesfinanzminister, einem konservativen Urgestein. Sie verdächtigen ein konservatives Urgestein der Union öffentlich der sozialistischen Umtriebe. Das zeigt nicht nur, dass bei Ihnen alle sachpolitischen Schranken gefallen sind, sondern wie weit rechts Sie von dieser Union auf Berliner Ebene mittlerweile gerückt sind. Das wollen Sie zumindest für die Öffentlichkeit markieren: Gegen Sie muss man den Finanzminister in Schutz nehmen.
Wir treten dort klar für eine Regionalisierung und eine Stärkung der Länderkompetenzen ein, wo eine Standortgebundenheit vorhanden ist; Stichwort: Grunderwerbsteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer. Das ist alles schon genannt worden. Da sind wir ganz dabei. Es geht aber um die Frage, ob man niedrigere Steuersätze allein durch einen tatsächlichen oder gestalterischen Wohnsitzwechsel bekommen kann, und zwar jenseits des Betriebsvermögens; denn Sie wollen es für alle, die jenseits der Unternehmen Geld vererben. Durch einen tatsächlichen oder gestalterischen Wohnsitzwechsel könnte man über Nacht plötzlich niedrigere Steuersätze bekommen, obwohl es dafür keine Rechtfertigung gibt. Die Arbeitnehmer, die das nicht können, schauen bei diesem Verfahren in die Röhre.
Letztendlich sagen Sie nichts anderes – es geht also bei dieser Regionalisierung nicht um die Betriebsvermögen –, als dass auch die Superreichen ihre Vermögen wesentlich günstiger übertragen können als bisher. Von Ihrer sozialen Reform profitieren nur die Superreichen. Das machen wir nicht mit, weil diese Regelung klar gegen die Steuergerechtigkeit verstößt.
Darüber hinaus setzt eine Spirale nach unten ein. Wenn Bayern die Steuersätze senkt, deswegen Reiche ihren Wohnsitz verlagern und Umzüge stattfinden, müssen die anderen Länder logischerweise nachziehen mit der Konsequenz, dass wir die Sätze wieder senken. Das heißt, wir hätten bei den Einnahmen durch die Erbschaftsteuer eine Spirale nach unten. Unter diesem wunderbaren Regionalisierungs
vorschlag leiden letztlich alle Länder, auch Bayern. Ich darf in Erinnerung rufen: 1,2 Milliarden Euro werden über die Erbschaftsteuer eingenommen. Was kann damit alles finanziert werden? Ihr Vorhaben ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmer. Was Sie jenseits der Betriebsvermögen für die Reichen und Superreichen ermöglichen wollen, ist zutiefst unsozial.
Die verteilungspolitische Debatte wird nicht nur von uns geführt. Schauen Sie in das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinein: Es gibt ein Sondervotum von drei Bundesverfassungsrichtern, die genau diese Frage zur Verteilungsgerechtigkeit stellen, auf den Umstand hinweisen, dass Vermögen zunehmend in immer weniger Händen ist und hier auch der öffentliche Gesetzgeber gefordert ist, hiergegen eine klare Position einzunehmen.
Der Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER hat zum wesentlichen Kern geführt. Sie haben im Prinzip Angst davor, dass so populistische Vorschläge der FREIEN WÄHLER um sich greifen und Sympathie gewinnen. Deswegen machen Sie so komische Veranstaltungen, anstatt sich in Berlin mit Ihrem Bundesfinanzminister zu einigen. Im Ergebnis führt Ihr Konzept zu einer erneuten Verfassungswidrigkeit. Dann bekommen wir weder eine Einigung noch eine Regelung. Dann ist das Ganze faktisch abgeschafft. Es geht in jedem Fall um eine Schwächung der Erbschaftsteuer. Letztendlich geht es um eine politische Herausforderung, nämlich die AfD und natürlich auch die FREIEN WÄHLER im Visier zu haben. Hier wollen Sie populistisch etwas markieren. Meine Einschätzung ist: Es kann nicht sein, dass wir einerseits über den Weg der Regionalisierung diejenigen, die ohnehin reich sind und ihren Beitrag zur Finanzierung der Gesellschaft leisten müssen, entlasten, andererseits den Arbeitnehmern diese Entlastungsmöglichkeiten nicht geben, zumindest nicht in diesem Umfang.
Ich erinnere an die Bayerische Verfassung, wonach die Erbschaftsteuer auch dem Zweck dient, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern. Das sollten Sie ernst nehmen.
Herr Kollege Halbleib, nachdem Sie sich im Gegensatz zu Herrn Kollegen Mütze sachlich mit den Dingen auseinandergesetzt haben, drei Bemerkungen:
Erstens. Ist nach Ihrer Auffassung die Erbschaftsteuer in erster Linie und hauptsächlich dafür da, als ungerecht empfundene Vermögensverteilungen zu korrigieren, sprich: Umverteilung zu bewirken?
Zweitens. Ich hatte aufgeworfen – dazu haben Sie keine Stellung genommen –, dass im Gegensatz zu Ehegatten und Kindern, die über opulente Freibeträge verfügen und die mit einer vernünftigen Erbschaftsteuer-Vermeidungsstrategie überhaupt nicht herangezogen werden, Menschen, die der Steuerklasse III unterfallen und nicht oder nur entfernt mit dem Erblasser verwandt sind, schon ab 20.000 Euro Freibetrag mit 30 % zur Erbschaftsteuer herangezogen werden und die Hauptlast der Erbschaftsteuer tragen.
Drittens. Das Erbschaftsteuergesetz ist eines der Gesetze, das mit am häufigsten Gegenstand von verfassungsgerichtlicher Überprüfung und Korrektur war. Sehen Sie nicht das Problem eines in weiten Teilen verfassungsrechtlich bedenklichen Gesetzes, das erhebliche Bürokratie schafft, die dann den scheinbaren Ertrag von 1,2 Milliarden Euro im Wesentlichen wieder abschmilzt?
Die erste Frage versteht sich von selbst. Im Prinzip ist Steuerpolitik immer Umverteilungspolitik, selbstverständlich. Wir haben im Steuerrecht einen progressiven Tarif. Was denn sonst? Dass die starken Schultern sich stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen als diejenigen, die weniger im Geldbeutel haben, ist doch eine selbstverständliche Sache.
Das Gleiche gilt im Erbschaftsteuerbereich. Allein die erstaunte Frage, dass da ein Umverteilungseffekt dabei sein soll – ja selbstverständlich. Ich sehe da noch Nachhilfebedarf, was die soziale Frage betrifft.
Man kann natürlich überlegen, ob wir die Basis verbreitern und zu niedrigeren Steuersätzen kommen. Das ist ein Gedanke. Ich glaube, der Präsident des Bundesfinanzhofs hat so etwas einmal konkret in die Debatte geworfen. Darüber kann man durchaus nachdenken. Bloß, das tragische Schicksal, dass ich in einem gewissen Umfang Erbschaftsteuer bezahle, wenn ich mit dem Erblasser nicht näher verwandt bin
Ich glaube, es ist in Ordnung, dass sich diejenigen, die kein besonderes Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser haben, ab einer bestimmten Grenze über die Erbschaftsteuer an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen. Das ist aus meiner Sicht selbstverständlich.
Sie konnten meinen Ausführungen entnehmen, dass es gerade mein Ziel ist, dass die notwendige Reform des Erbschaftsteuergesetzes verfassungsgemäß erfolgt. Das ist ja meine große Skepsis beim Vorschlag der CSU, dass der dazu führt, dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit, wenn die Eckpunkte so umgesetzt würden – was nicht passieren wird, weil es auch ein politisches Schauspiel ist, daher Konjunktiv –, mit großer Sicherheit wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen würden. Das Bundesverfassungsgericht würde, was die generelle Verschonung anbetrifft, mit Sicherheit urteilen, dass das verfassungswidrig ist.
Deswegen ziehen wir da nicht an einem Strang. Sie wollen die Erbschaftsteuer abschaffen, ich will sie zumindest verfassungsgemäß ausgestalten. Ich glaube, dafür spricht auch einiges.