Auch unser Antrag, den wir hier heute stellen, ist kein Patentrezept, keine Frage, keine schnelle Lösung, und wir wissen, dass auch Vorschläge in unserem Antrag erst lang diskutiert werden müssen. Aber wir müssen doch endlich einen Anfang machen. Solange reflexartig jeder Vorschlag abgelehnt wird, der auch nur den Anschein hat, man würde drei Flüchtlinge aus Kriegsgebieten mehr in Europa haben, kommen wir nicht weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Für Hilfe auf der Flucht gibt es Sofortlösungen, im Gegensatz zu anderen Fragen, nämlich eine humanitäre Flotte auf dem Mittelmeer nach dem Vorbild von Mare Nostrum als europäisches Projekt. Da genügt es nicht, auf Frontex zu verweisen, auch was die Kosten betrifft. Sie wissen ganz genau, dass sich das Einsatzgebiet von Frontex und ihrer Organisation Triton auf die Grenzen Italiens beschränkt und nicht darüber hinausgeht. Das war bei Mare Nostrum völlig anders. Es gibt also eine Alternative zum Nichtstun, nämlich, eine humanitäre Flotte mit ausreichenden Mitteln auszustatten, um Menschen sozusagen von den furchtbaren Schiffen zu holen und sicher nach Hause oder nach Europa, wie man will, zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben gestern im Europaausschuss signalisiert, dass Sie dem Grundsatz humanitärer Hilfe zustimmen wollen, indem Sie einem SPD-Antrag zugestimmt haben. Das können Sie heute wiederholen. Daran hindert Sie niemand.
Zu den anderen Anträgen. Wir werden uns bei dem CSU-Antrag enthalten. Ich verweise hier auf die Diskussion im Europaausschuss und die Begründung, aus der hervorgeht, dass die Intention dieses Antrags immer noch von einer Grenzsicherung ausgeht. Lieber Herr Fahn, wir werden uns auch bei Ihrem Antrag enthalten – nicht deswegen, weil wir die Forderungen, die in ihm enthalten sind, nicht unterstützen, sondern weil Sie das Zehn-Punkte-Programm, das von der EU vorgeschlagen wird, so in den Vordergrund stellen.
Herr Pfaffmann, bitte bleiben Sie am Rednerpult, Herr Dr. Fahn möchte eine Zwischenbemerkung machen.
Herr Pfaffmann, zunächst einmal stimmen wir in vielen Punkten mit Ihnen überein. Wir bitten Sie auch – in Berlin sind Sie ja mit in der Regierung –, dieses Thema offensiv zu vertreten; denn wir haben festgestellt, dass in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD kein Satz zur europäischen Flüchtlingspolitik stand. Deswegen sind Sie auch insgesamt ein bisschen im Rückstand, und da nehme ich CDU, CSU und SPD gleichermaßen zusammen. Es gab einfach nichts im Koalitionspapier, und da hat man auch nichts gemacht. Das wollte ich bei dieser Gelegenheit einmal ganz klar sagen.
Ich bedauere, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen, weil er konkret die Forderungen enthält, die der Integrationsbeauftragte stellt. Vielleicht haben Sie heute die "Süddeutsche" gelesen. Da steht, dass das nicht ganz konkret ist; aber es ist ein erster Ansatz, auf dem man aufbauen kann. Am Donnerstag werden wir dann sehen, wie es weitergeht.
Ich appelliere noch einmal an die CSU, dem Antrag der FREIEN WÄHLER zuzustimmen, weil er genau die Punkte von Herrn Neumeyer enthält. Sie blamieren sich auf die Knochen, wenn Sie den Antrag der FREIEN WÄHLER, der inhaltlich voll mit Martin Neumeyer übereinstimmt, ablehnen.
Letzteres war ein Appell an die CSU; das will ich nicht kommentieren. Zu der Frage, lieber Herr Fahn, dass im Koalitionsvertrag zu wenig zur Flüchtlingsfrage steht – das mag so sein –, kann ich Ihnen sagen: Ich nehme das gerne als Auftrag auf, mehr zu tun. Ich danke für den Hinweis. Es gibt aber auch tagesaktuelle Ereignisse, die ein verstärktes Kümmern um ein bestimmtes Problem erforderlich machen. Genau das werden wir tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute ein Thema, das uns zunehmend betrifft und das auch zunehmend die Öffentlichkeit mobilisiert. Ich hatte gerade eine Schulklasse als Besuchergruppe. Da haben die 15-, 16-jährigen
Jugendlichen gefragt: Was tut denn der Landtag, um die Flüchtlingsproblematik zu bearbeiten und in den Griff zu bekommen?
Im letzten Jahr sind wohl 300.000 Flüchtlinge und Asylbewerber in Deutschland gelandet. Heuer sind es vielleicht 500.000 mit oder ohne Einwanderungsgesetz, meine Damen und Herren. Da, glaube ich, beginnt die erste Lebenslüge der CSU, wenn sie sagt, ein Einwanderungsgesetz würde automatisch mehr Zuwanderung bedeuten. Das kann sein; es kommt darauf an, wie man das Einwanderungsgesetz gestaltet. Australien und Kanada haben Einwanderungsgesetze, und diese Länder leiden nicht unter einer völlig unkoordinierten, zufälligen Zuwanderung wie wir. Wir haben kein Einwanderungsgesetz, aber eine unkoordinierte Zuwanderung.
Wir plädieren als FREIE WÄHLER dafür, uns ganz offen der Debatte zu stellen, welche Zuwanderung wir wollen und ob wir sie nicht vielleicht über ein Einwanderungsgesetz steuern können. Das ist die eine Baustelle. Auf der anderen Seite haben wir vielleicht zusätzlich zu der Debatte über ein Einwanderungsgesetz eine Fluchtbewegung, die wir nicht wegdiskutieren können. Sie beginnt nicht erst an den Häfen Nordafrikas, sondern vielleicht schon irgendwo in Zentralafrika, meine Damen und Herren. Da sind Menschen drei Jahre lang quer durch Afrika zu Fuß unterwegs. Erst dann erreichen sie irgendwo ein Hafengebiet, suchen sich dort einen Schleuser und hoffen, irgendwann reisen zu dürfen.
Das heißt, selbst wenn wir unsere Politik auf das Mittelmeer konzentrieren würden, und selbst wenn wir alle Schiffe beschlagnahmen oder, was auch immer, tun würden, haben wir eine riesige humanitäre Katastrophe schon in Afrika. Deshalb, glaube ich, müssen wir mit dem anfangen, was der Redner der GRÜNEN gesagt hat und was wir FREIEN WÄHLER immer wieder ganz vorne hinstellen. Wir müssen Fluchtursachen in den Herkunftsregionen bekämpfen. Das kann in Mali sein, das kann im Libanon sein, und das kann in Eritrea sein.
Natürlich ist es schwierig, dort auf Systeme einzuwirken. Aber ich bin davon überzeugt, dass dieser Versuch zumindest unternommen werden muss.
Komma – einsetzen. Das werden einige Prozentpunkte sein müssen, um vielleicht in die betroffenen Länder, wenn es dort eine Dürrekatastrophe gibt, Lebensmittel zu bringen und an anderer Stelle vielleicht auf einen autoritären Herrscher wirtschaftlich einzuwirken und ihm zu sagen: Solange du mit den Menschen nicht anders umgehst, wird dieser oder jener Handel nicht stattfinden. Das kann uns Bruttosozialprodukt kosten, wird ihn aber vielleicht über kurz oder lang in die Knie zwingen. Das wird uns Geld kosten.
Wir müssen dort ansetzen, wo die Entwicklung beginnt, und nicht erst im Mittelmeer. Jetzt komme ich zum Mittelmeer. Natürlich ist es völlig unakzeptabel, dass Menschen in Schiffe steigen, viel Geld bezahlen und auf dem Weg ertrinken. Das dürfen wir nicht zulassen. Da ist die Frage: Was tun wir? Wir können natürlich einerseits Menschen herausfischen – das müssen wir tun –, müssen aber auf der anderen Seite verhindern, dass sie überhaupt ins Boot steigen. Deshalb die Forderung der FREIEN WÄHLER, in Nordafrika Flüchtlingscamps einzurichten und die Menschen vor Ort vor dem Einsteigen ins Schiff medizinisch, mit Lebensmitteln usw. zu versorgen, damit sie diesen Weg gar nicht erst beschreiten.
Ich gehe noch einen Schritt weiter. Wenn wir die Menschen vielleicht wenige Kilometer vor ihrer Küste herausfischen, muss man sie nicht zwangsläufig nach Europa bringen, sondern man könnte den Kilometer zurückfahren und die Menschen ins Flüchtlingscamp bringen und ihnen sagen: Dort durchlauft ihr ein ordentliches Verfahren. Entweder seid ihr so qualifiziert, dass wir euch brauchen – dann fallt ihr unter die Regelungen des Einwanderungsgesetzes –, oder ihr seid wirklich politisch verfolgt.
Dann werdet ihr legal nach Europa gebracht. Aber wir halten es innenpolitisch nicht aus, so zu tun, als würden wir alles wegdrücken, wenn wir nur Grenzkontrollen durchführen. Das löst die Probleme nicht. Deshalb meine Botschaft: Eigentlich müssen wir alle Anträge übereinanderlegen. Wir wollen bessere Verhältnisse in der Herkunftsregion, und Sie sprechen von einem Herausfischen im Mittelmeer.
Sie sprechen von Grenzkontrollen und die GRÜNEN von einer optimalen Betreuung, wenn die Menschen da sind. Wir müssen alles tun, eines allein reicht nicht.
Herr Aiwanger, Sie fordern, die Flüchtlingsprobleme vor Ort zu bekämpfen. Ist Ihnen bekannt, dass in Syrien ein Bürgerkrieg herrscht und nur ganz wenige Syrer aus wirtschaftlicher Not kommen? Wie wollen Sie dieses Problem in Syrien bekämpfen? Der Grund für die Flucht aus Eritrea ist der Kriegs- oder Wehrdienst, wie immer man das nennt. Wie wollen Sie denn das bekämpfen? Sollen wir von Deutschland aus die eritreische Wehrpflicht oder den Kriegsdienst abschaffen? Sie müssen schon differenzieren, was in den Ländern los ist und welches die Fluchtgründe sind.
Dann haben Sie – ich hoffe, ich habe Sie nicht missverstanden – Australien als Beispiel genannt und gesagt, dort gibt es keine Bootsflüchtlinge.
Wissen Sie, wie Australien mit den Leuten umgeht? Das sollten Sie einmal nachlesen. Dann wären Sie ganz ruhig. Wollen Sie Australien tatsächlich als Beispiel heranziehen? Gibt es dort tatsächlich keine Bootsflüchtlinge? Diese Flüchtlinge werden radikal zurückgeschickt.
Australien hat ein Einwanderungsgesetz, das die Einwanderung in den Arbeitsmarkt, in die Gesellschaft regelt. Viele verwechseln aber etwas: Unser Asylrecht ist kein Instrument der Einwanderung, gleich, wo die Menschen herkommen. Das Asylrecht folgt einem völlig anderen Ansatz. - Ich habe es schon angedeutet: Australien schickt die Flüchtlinge auf irgendwelche Inseln und dann radikal zurück, und zwar zu 100 %.
Das beweist doch gar nichts. – Ich danke Ihnen dennoch für Ihre Zwischenfrage, weil ich dadurch wieder Zeit gewinne; in vier Minuten konnte ich nicht alles erklären.
Obwohl in Australien ein Einwanderungsgesetz gilt, kommen dort nicht so viele Menschen hin, wie es von der CSU für Deutschland befürchtet wird. Deshalb habe ich Australien als Beispiel genannt. Man kann ein Einwanderungsgesetz sehr liberal – nach dem Motto: "Alle zu uns!" – oder als Abschottungsgesetz ausgestalten. Darüber müssten wir dann diskutieren. Die CSU behauptet aber immer, ein Einwanderungsgesetz bedeute per se mehr Einwanderung. Sie haben letztlich genau das bestätigt, was ich gesagt habe.
Ich komme auf Syrien zurück. Wir können nicht alle Problem vor Ort, das heißt in Syrien, lösen. Das habe ich auch nicht behauptet. Ich wiederhole das, was ich schon von diesem Rednerpult aus gesagt habe: Wir müssen das Problem mit den Flüchtlingen aus Syrien nicht entweder in Syrien oder in Deutschland lösen, sondern dazwischen, im Libanon, in Jordanien, in der Türkei. In diesen Ländern machen die Flüchtlinge Zwischenstation. Dort befinden sich riesige Flüchtlingscamps auf freiem Feld.
Ich erinnere an unsere Aktion, die wir gemeinsam mit Christian Springer gestartet haben. Er sagt, dass dort zum Beispiel Feuerwehrausrüstung gebraucht wird, um in den Flüchtlingscamps für so sichere Verhältnisse sorgen zu können, dass diese Menschen nicht alle über das Mittelmeer wollen. - Morgen habe ich einen Gesprächstermin mit Innenminister Herrmann. Ich habe ein fast neues, super einsatzfähiges Feuerwehrfahrzeug und versuche, dieses in den Libanon zu bringen, damit die Menschen dort bleiben und nicht morgen nach Freising wollen. Bayern kann sich beteiligen. Wir können von hier aus Hilfe organisieren. Wir haben Konzepte. Bitte unterstützen Sie uns!
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Jahr 2013 innegehalten und hätten uns damals nicht vorstellen können, dass wir heute noch einmal innehalten müssen. Aber wir dürfen nur innehalten, um sehr, sehr aktiv zu werden. Die Bilder sind niederschmetternd. Sie begleiten uns. Sie machen uns traurig. Sie machen uns unendlich wütend.
Ich gebe jenen recht, die gefordert haben, es müsse Schluss sein mit Streit. Auch ich meine, in einer solchen Situation sollte man sich nicht streiten, selbst wenn man unterschiedliche Meinungen vertritt.
Bisher haben die Mühlen in Europa viel zu langsam gemahlen. Wir haben schon oft einen Krisengipfel gefordert, einen Gipfel, der sich insbesondere mit dem Thema Flüchtlinge befasst. Ich habe ihn damals "Sondergipfel" genannt. Jetzt gibt es den Krisengipfel. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Bundeskanzlerin morgen die richtigen und wichtigen Forderungen stellen wird. Eine Maßnahme wird nicht ausreichen; wir brauchen ein ganzes Bündel an Maßnahmen.
Zuallererst muss – in Anknüpfung an Mare Nostrum – eine ausreichende Seenotrettung auf dem Mittelmeer installiert werden. Die europäischen Länder können sich beteiligen, indem sie finanzielle Hilfe leisten oder Schiffe schicken. Wir brauchen eine bessere Seenotrettung sehr, sehr schnell. Es darf nicht noch einmal zu einem so fürchterlichen Drama kommen, wenngleich wir nie verhindern können, dass ein Schiff auf dem Mittelmeer nicht rechtzeitig genug erreicht wird, wenn es in Seenot gerät.