Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Bekannt und zum Teil schon gelöst oder nicht? Ein Bundesgesetz, das in den Landtag gehört oder nicht? – Ich frage mich, was dieses Hin- und Herhüpfen eigentlich soll. Heute argumentiert man so und morgen wieder andersherum. Liebe Kollegen von der CSU, das kommt mir vor wie der letzte verzweifelte Aufschrei nach dem Motto: Wir wollen ja etwas tun, aber die anderen lassen uns nicht mitspielen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Markus Rinders- pacher (SPD): Herrlich!)

Gehen wir doch einmal ein paar Schritte zurück. Es gibt eine Regierungskoalition im Bundestag, die lange diskutiert und beim Programm Kompromisse geschlossen hat. Dazu gehört die Vereinbarung, ein Mindestlohngesetz zu erstellen. Dann wird dieses Gesetz entworfen, diskutiert und verabschiedet. Kaum ist dieses Gesetz verabschiedet, fordern CDU und CSU Sofortkorrekturen. Dem Gesetz wurden nicht einmal 100 Tage gegönnt, um sich zu bewähren. Von einer ernsthaften Evaluation und einem anschließenden Nachdenken über eine Verbesserung kann also nicht die Rede sein. Das Mindestlohngesetz war gerade erst in Kraft getreten, dann kündigte Kanzlerin Merkel auf ihrer Neujahrsempfangsrede in Greifswald an, den Mindestlohn schon nach drei Monaten überprüfen zu wollen, um gegebenenfalls Bürokratie abzubauen.

Sie, Frau Ministerin Müller, sprechen spätestens seit 05.03.2015 immer wieder von einem Bürokratiemonster. Manchmal glaube ich, in Bayern sind nicht der Bär oder der Wolf das Problem, sondern die Bürokratiemonster, die Monstertrassen usw.

(Beifall bei den GRÜNEN – Heiterkeit bei Abge- ordneten der SPD)

Wie dem auch sei, es wurde gemotzt, gemeckert und nachgetreten, obwohl die CSU dem Gesetz genau in dieser Form zugestimmt hat und obwohl schon bei der Verabschiedung des Gesetzes so viele Ausnahmeregelungen für die Gültigkeit des Mindestlohns in

das Gesetz aufgenommen wurden, dass auch Vertreter der Wirtschaftsverbände das Gesetz nicht mehr grundsätzlich kritisieren.

Woher kommt dann der dauerhafte Aufschrei Ihrer Fraktion wegen des angeblichen Bürokratiemonsters? – Ich sage es Ihnen: Er kommt daher, dass es jetzt die Möglichkeit gibt, längst geltende Arbeitszeitregelungen durchzusetzen, damit schwarze Schafe besser erwischt werden können. Arbeitgeber sind bereits längst verpflichtet, jede Überstunde ihrer Angestellten zu dokumentieren und die Aufzeichnungen zwei Jahre aufzuheben. Aber wie will man die Überstunden dokumentieren, wenn man die Arbeitszeit nicht aufschreibt? – Fragen Sie doch einmal die vielen ehrlichen Arbeitgeber in diesem Land, die bereits längst rechtmäßig dokumentieren, ob sie nicht froh darüber sind, dass es dadurch die schwarzen Schafe in der Branche schwerer haben, einen Betrug zu verschleiern.

Liebe Frau Schreyer-Stäblein, auch wir GRÜNE sprechen mit Arbeitgebern. Die Dokumentationspflichtgrenze bei 2.958 Euro für versicherungspflichtig Beschäftige gilt nicht in allen Branchen, sondern nur in den Branchen, in denen in der Vergangenheit überwiegend Schwarzarbeit und Lohnbetrug festgestellt wurden, zum Beispiel im Baugewerbe, im Gaststätten, im Beherbergungsgewerbe und in der Fleischwirtschaft. Die Berichte über ausgebeutete Rumänen und Bulgaren in den Schlachthöfen, die vor wenigen Monaten in den Zeitungen standen, waren nicht erfunden, sondern haben sogar die EU-Kommission auf Trab gebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Dass es außerhalb dieser Branchen Verstöße gegen Dokumentationspflichten geben könnte, zeigt auch der Fall der LMU in München, wo es an der Kleintierklinik zu Verstößen gekommen sein könnte. Darüber wird es demnächst im zuständigen Ausschuss des Landtags einen Bericht geben. Bei einer sauberen Dokumentation lassen sich diese Vorwürfe sehr schnell aufklären. Wenn nicht sauber dokumentiert wurde, ist das zumindest in den Branchen, in denen es die meisten Verstöße gibt, ein Grund, Dokumentationspflichten zu verlangen. Jeder Bäcker schreibt auf, wie viele Brötchen er verkauft. Da soll es in einem Unternehmen nicht möglich sein, die Arbeitszeiten aufzuschreiben? – Welches Bild haben Sie denn von den Unternehmern in diesem Land! Wir trauen das den Unternehmen zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzter Satz: Lassen wir doch einmal die zuständige Kontrollbehörde für

Schwarzarbeit zwei Jahre dokumentieren, wie viele Verstöße sie bei ihrer Arbeit in Bezug auf den Mindestlohn gefunden hat. Wenn sie keine Verstöße findet, rücke ich gerne von Dokumentationspflichten ab. Aber bis dahin werde ich die Dokumentationspflicht im Grundsatz im Landtag so lange verteidigen, wie Sie sie hier zum Thema machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CSU-Fraktion: Herr Kollege Unterländer. Bitte schön, Herr Kollege.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde steht unter dem Motto: "Ja zum Mindestlohn Nein zu Bürokratie!". Sie versuchen natürlich der CSU zu unterstellen – das ist Ihr gutes Recht -, sie sei ein Gegner des Mindestlohns.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie haben zehn Jahre den Mindestlohn verhindert!)

- Das möchte ich nachdrücklich zurückweisen; denn die CSU hat in vielen Gremien, beim Parteitag und über alle Strukturen hinweg zum Mindestlohn Ja gesagt, damit die Menschen von ihrer Arbeit leben können.

(Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): Zehn Jahre haben Sie den Mindestlohn verhindert!)

Wir wollen aber keine überbordende Bürokratie und keinen Kontrollstaat in der Form, wie er hier geschaffen worden ist. Deshalb sind Korrekturen notwendig.

(Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): Lächerlich, peinlich!)

Ich muss Ihnen auch sagen – ich denke, darin sind wir uns einig -: Es ist von zentraler Bedeutung, dass Menschen nach ordentlichen Tarifen bezahlt werden. Trotz des Bekenntnisses zum Mindestlohn ist es besser, gute und günstige Tarifverträge zu haben. Die Probleme, die zur Einführung des Mindestlohns geführt haben, sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die Umgehung regulärer Arbeitsverhältnisse. Tarifverträge sind gegenwärtig nur noch bei 32 % aller Arbeitsverhältnisse vorhanden. Das sollte uns allen zu denken geben. Das ist eine ausgesprochen negative Entwicklung.

Ziel muss es daher tatsächlich sein, den Mindestlohn auf den Weg zu bringen. Die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und die mögliche Einführung sogenannter Branchentarifverträge könn

ten weitere Möglichkeiten sein. Das sehen neben dem DGB viele Arbeitgeber aus dem mittelständischen Bereich genauso. Deswegen sollten wir – unabhängig von dieser Diskussion - diesen Weg weiter gehen, damit man sich wieder mehr auf Tarifverträge fokussiert, um als zentrales Prinzip eine ordentliche Bezahlung zu erreichen nach dem Motto: guter Lohn für gute Arbeit.

Dies ist Position der CSU. Dies ist auch Position vieler Arbeitgeber, gerade im Mittelstand. Meine Damen und Herren, gerade in den vergangenen zwei Jahren gab es durchaus einen gesellschaftlichen Konsens. Sie haben ja von den 86 % Zustimmung zum Mindestlohn in der Bevölkerung gesprochen. Der Mindestlohn muss aber auch praktikabel sein. Ein wesentlicher Punkt, der zu großer Unruhe geführt hat, ist die Situation im Ehrenamt, ist die Situation bei Sportvereinen und die Situation gerade auch in sozialen Einrichtungen.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das sagen wir ja!)

Das klassische Ehrenamt unterliegt gemäß § 22 Absatz 3 des Mindestlohngesetzes zwar nicht der Mindestlohnpflicht. In der Praxis bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten, wie Personen, die eine gewisse Vergütung – dies ist eben Praxis – bzw. eine Aufwandsentschädigung erhalten, zu behandeln sind. Eine klare Abgrenzung zur Arbeitnehmereigenschaft ist erforderlich. Ich nenne die Amateursportler; ich nenne die Schulweghelfer; ich nenne Trainer, Platzwarte und Beschäftigte von Dorfläden. Es gibt weitere Tätigkeiten, die in diesen Bereich fallen. Die in der dazugehörigen Unterrichtung des Bundesarbeitsministeriums an den Deutschen Bundestag enthaltene sogenannte Klarstellung ist dazu nicht ausreichend, meine Damen und Herren. Deshalb ist es auch notwendig, im Mindestlohngesetz zu Grenzfragen der ehrenamtlichen Tätigkeit, gegebenenfalls mit einer entsprechenden Verordnungsermächtigung, die richtige Entscheidung zu treffen.

(Beifall bei der CSU)

Das Kardinalproblem ist aber geradezu, wie dieses System aufgezogen wird. Wir sollten gemeinsam ein Interesse daran haben, dass keine martialischen Kontrollen passieren. Wir haben auch heute Kontrollpflichten – das will ich gar nicht bestreiten; das ist auch so richtig. Eine regelrechte Kontrollideologie aber – Kollegin Schreyer-Stäblein hat es angesprochen – mit 1.600 zusätzlichen Stellen ist nicht der richtige Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Der richtige Weg wäre gewesen, dies statt bei der Schwarzarbeit bei der Kontrolle der Arbeitszeit anzusiedeln. Dies wäre logisch gewesen. Ich weiß: Da stehen wir auch mit in der Pflicht.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Es wäre besser gewesen, die Gewerbeaufsicht statt des Zolls einzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben die Chance, die Probleme mit uns gemeinsam zu lösen, im Interesse der Beschäftigten und im Interesse der bayerischen Wirtschaft.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Roos das Wort. Bitte schön.

Werte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Joachim Unterländer, es war regelrecht bedauernswert, wie du, der du eigentlich sehr sozial geprägt bist, bei deiner innerlichen Haltung widerstrebend versucht hast, den Leuten und dem Parlament die für heute anscheinend vorgeschriebene aktuelle Linie zu erläutern.

Ich will noch eine ganz konkrete Richtigstellung anbringen. Die angeblichen Probleme, die am Anfang hinsichtlich der Sportvereine überzeichnet wurden, wurden vom Verbandsvorsitzenden in Bayern, nämlich Herrn Lammer, CSU, und dem MdL der CSU Rüth als gelöst bezeichnet.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die sind noch nicht abschließend gelöst!)

Die sind gelöst, Hubert; keine Zwischenrufe,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Doch!)

zumal dann, wenn sie nicht stimmen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Zwischenrufe sind erlaubt!)

Keine Zwischenrufe, wenn sie nicht stimmen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, als bekennender und begeisterter Gewerkschafter kommt auch meine Geduld bei Streikmaßnahmen hin und wieder an ihre Grenzen. Ich musste heute Morgen sehen, dass mein Zug nicht fährt, und musste mit dem Auto hierherkommen. Entsprechend übermüdet und vielleicht auch ein wenig gereizt bin ich heute. Wenn ich dann höre, dass bosnische Bauarbeiter derzeit einen Sitzstreik ma

chen, weil ihnen vier deutsche, vier bayerische Unternehmen seit Monaten den gerechten Lohn vorenthalten, stelle ich fest, dass es genau um dieses Thema geht. Wie will man das denn als Arbeitnehmer nachweisen? – Es ist doch nicht zu viel verlangt aufzuschreiben, wann wurde begonnen zu arbeiten, wann wurde aufgehört zu arbeiten, und wie viele Arbeitsstunden wurden insgesamt geleistet, ohne dass die einzelne Pause dokumentiert werden muss. Das ist nicht zu viel verlangt. Das ist in zehn Sekunden erledigt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist die Dokumentationspflicht absolut notwendig. Das ist kein bürokratischer Horror.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Doch!)

Das ist Stand der Dinge.