Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

(Beifall bei den GRÜNEN)

So könnten wir Bayern voranbringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn ich dann aber höre, dass Ihr Ziel bei der vernetzten Mobilität ist, die ohnehin schon völlig überfüllte A 9 als Teststrecke für autonomes Fahren zu verwenden, muss ich mir schon überlegen, ob das der richtige Schwerpunkt ist oder ob wir nicht lieber unser Augenmerk darauf legen sollten, den öffentlichen Nahverkehr und den Fernverkehr intelligent zu vernetzen. Das ist eine Aufgabe!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben sich in Ihrem Dialogprozess mit Hochschulen und Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern aus ganz Bayern zusammengesetzt. Ich muss sagen: Ich finde es gelungen, dass es ein Zentrum für Digitalisierung gibt, dass aber gleichzeitig die Hochschulen im gesamten Land entsprechend eingebunden werden sollen. Da nehme ich Sie beim Wort, dass wirklich 70 % der Gelder in die Fläche gehen. Ich meine, damit kann man arbeiten.

Etwas anderes ist auch ein Thema. Wir haben in München das Gründerzentrum "WERK1.Bayern". Es gibt aber noch andere Regionen, die in der IT-Industrie sehr stark sind, zum Beispiel Nürnberg. Dort haben wir eine mindestens so hohe IKT-Quote wie in München. Ich vermisse einfach bisher die angemessene Förderung im Rest Bayerns. Ich kann es auch nicht nachvollziehen, warum Frau Karl sagt, dass nun alles nach Nürnberg gebracht wird. Ich meine, wir müssen darauf achten, gerade die Gründerzentren im gesamten Land, die durchaus bestehen und momentan absolut unterfinanziert sind, zu stärken, um angemessene Chancen für Start-ups, für Gründerinnen und Gründer zu haben, sich wirklich wohnortnah anzusiedeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich baue darauf, dass Sie mit Ihrer Ankündigung ernst machen und die Finanzierung der Gründerzentren in den Regionen aufstocken.

Der Ansatz, forschungsbasiert vorzugehen, ist durchaus richtig; denn er ist nachhaltig und baut Kompetenzen auf. Wir wissen auch, dass Clusterbildung an Hochschulen durchaus Erfolg versprechend ist. Anstatt den Großraum München hinsichtlich IT über den grünen Klee zu loben, müssen wir aber auch sagen, dass es dort einen riesigen Nachholbedarf an Gründungsintensität gibt. Das wurde schon mehrfach genannt. Wir sind nicht nur im internationalen Wettbewerb abgeschlagen – wir sind deutschlandweit nur auf Platz 8.

Diesen Rückstand müssen wir erst einmal aufholen. Das ist nicht so einfach. Vor allem fehlt der Zugang zu privatem Wagniskapital. Ich habe große Bedenken, dass die Bundesregierung bereit ist, hier steuerlich nachzubessern. Unter diesen Voraussetzungen muss man ehrlich sagen: Der Vergleich mit London, Paris und dem Silicon Valley hinkt hinten und vorne.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Innovationsförderung für kleine und mittlere Unternehmen ist eminent wichtig. Aber auch hier hat sich Ihr Ministerium bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Man mag von den Innovationsgutscheinen, die jetzt Digitalbonus heißen, halten, was man will. Wir erwarten aber künftig, dass die Förderung an bestimmte Kriterien gebunden wird. Ein Kriterium muss natürlich die Nachhaltigkeit sein, vor allem die Nachhaltigkeit im Sinne des nachhaltigen Geschäftserfolges. Hier darf es nicht um einzelne Projekte, sondern um den Aufbau eines Geschäftsmodells gehen, das auch langfristig trägt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Blume, Sie haben mir eine Steilvorlage geliefert. Natürlich müssen wir die Förderung auch nach Gleichstellungskriterien ausrichten. "Bayern Innovativ" hat noch Ende des Jahres 2014 eine Porno-Plattform mit einem Innovationsgutschein gefördert. Jeder Mensch mit einem gesunden Menschenverstand hätte sich denken können, dass dies nicht geht. Offensichtlich brauchen wir Regeln und Maßgaben, damit auch der Dümmste noch darauf kommt, dass so etwas nicht in Ordnung ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wirtschaftsministerium hat auf meine Anfrage geantwortet, dass dort neue Maßnahmen entwickelt würden. Ich nehme an, dass der Digitalbonus eine dieser Maßnahmen ist. Wir werden dieses Thema

sehr kritisch begleiten. Gerade die KMU müssen besser gefördert werden.

Ich vermisse in dem Zusammenhang auch einen IKTWirtschaftsbericht für Bayern, damit wir endlich einmal belastbare Zahlen zu diesem Thema bekommen. Wir müssen in die Fläche blicken und sehen, wo sich etwas tut. Außerdem müssen wir die Nachhaltigkeit der einzelnen Maßnahmen messen. Gerade beim Projekt Industrie 4.0 sind die KMU und der Mittelstand kritische Themen. Experten sagen, dass sich die KMU deutlich abgehängt fühlen. Das geht auch aus dem Industriebericht 2013 hervor. Was mich enttäuscht hat: Statt dem bayerischen Mittelstand den Rücken zu stärken, haben Sie im "Münchner Merkur" gesagt, hier bestünde ein großer Nachholbedarf; die Unternehmen müssten sich an ihre eigene Nase fassen. Ich denke, jeder muss sich selbstkritisch überprüfen. Sie müssen sich aber auch fragen: Leistet der Staat, zu dem auch Sie gehören, wirklich genug, um den Mittelstand zu unterstützen?

Ich freue mich, dass dieses Thema nun einen Schwerpunkt beim Konzept "Bayern Digital" bilden soll. Ich vermisse aber die konkreten Maßnahmen und Aussagen darüber, wie dies geschehen soll. Gerade bei der Verbundforschung sind Unternehmen wie Siemens und KUKA gut aufgestellt. Kann aber der Mittelstand damit etwas anfangen? – Wir brauchen daher Vernetzungsplattformen und zielgerichtete Angebote. Das Land Baden-Württemberg ist hier sehr gut unterwegs. Dort wurde vor Kurzem die Vernetzungsplattform "Allianz Industrie 4.0" ins Leben gerufen, bei dem bereits 50 Unternehmen sowie die IHK an Bord seien. Das ist ein guter Ansatz. So etwas würde ich mir für Bayern auch wünschen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich halte es für berechtigt, dass die IHK in den Beirat für "Bayern Digital" aufgenommen werden möchte. Wir sollten den Kammern eine direkte Stimme geben. Allerdings sollte auch die Zivilgesellschaft, sollten auch die Verbraucherzentralen aufgenommen werden; denn die Stimme der Bürgerinnen und Bürger ist für uns eminent wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die IT-Sicherheit wurde als zentraler Punkt definiert. Das freut mich sehr, und das ist gut. Wir fordern dies bereits seit Langem. Die IT-Sicherheit ist die größte Herausforderung für unsere Wirtschaft und auch für die Bürgerinnen und Bürger. Ich kann den Mittelstand sehr gut verstehen, dass er beim Thema Industrie 4.0 noch sehr zögerlich ist; denn gerade beim Thema ITSicherheit stehen wir noch ganz am Anfang. Wir haben es bei der Industrie 4.0 mit offenen vernetzten

Systemen zu tun. Diese Systeme können gehackt werden. Es reicht nicht mehr, nur einen Zaun um die Produktionsanlagen herumzuziehen.

Vor Kurzem habe ich gelesen, dass Herr Professor Dr. Liggesmeyer, der Leiter Ihrer Expertenkommission, gesagt hat: Lösungen zu diesen Themen sind derzeit noch nicht Gegenstand der Forschung. Aktuelle Standards sagen dazu praktisch nichts. – Daran sieht man, wie sehr wir bei diesem Thema noch am Anfang stehen und wie viel hier noch investiert werden muss. Vertrauen in neue Technologien kann nur wachsen, wenn diese Technologien Sicherheit bieten. Ich halte es für einen Treppenwitz, dass die Staatsregierung aktuell diejenigen Unternehmen, die sich Sorgen über Angriffe aus dem Internet machen, zum Verfassungsschutz schickt, damit sie dort beim CyberAllianz-Zentrum beraten werden. Angesichts der aktuellen Entwicklungen um die NSA und den BND wird dadurch sicher Vertrauen gebildet. Bei meinem eigenen kleinen Unternehmen würde ich es mir dreimal überlegen, ob ich einen Berater aus der Nachbarschaft zu Rate ziehe oder ob ich zu den Schlapphüten gehe. Diese Beratung wurde auch bisher kaum angenommen. Vonseiten des Cyber-Allianz-Zentrums gab es im letzten Jahr gerade einmal 160 Beratungen! Das zeigt: Wir brauchen hier eine unabhängige Stelle und andere Lösungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung außerdem völlig außer Acht gelassen, dass Datensicherheit nicht nur ein Thema für Unternehmen ist, sondern auch für jede Bürgerin und für jeden Bürger. Die Staatsregierung verhält sich fahrlässig und verweist die Bürgerinnen und Bürger ständig darauf, dass sie eben Obacht geben und ihre Kommunikation selbst schützen sollten. Bei uns gilt auch für die elektronische Kommunikation nach wie vor ein Briefgeheimnis, das aber im Prinzip nirgends mehr eingehalten wird. Die neuen Skandale bei der NSA beunruhigen die Bürgerinnen und Bürger täglich. Deswegen ist es wichtig, dass wir in Verschlüsselungstechnik für die digitale Kommunikation investieren, die für die Anwenderinnen und Anwender nutzbar und begreifbar ist. Nicht sinnvoll wäre es, wenn dafür 300.000 verschiedene Schlüssel eingestellt werden müssen. Das muss automatisch funktionieren. Eine anwenderfreundliche Ende-zu-EndeVerschlüsselung muss deshalb ein Forschungsschwerpunkt sein. Dies wäre tatsächlich bürgerfreundlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen außerdem den Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaftsunternehmen vor der Überwa

chung durch ausländische Nachrichtendienste. Wir brauchen ein Abkommen aller EU-Mitgliedstaaten mit den USA sowie ein einheitlich hohes Datenschutzniveau. Wir können zwar hohe Standards einführen, aber was nützen die, wenn sie nicht durchgesetzt werden können? Wir brauchen daher ein klares Bekenntnis der Staatsregierung zu einer besseren Regulierung auf Bundes- und auf Europaebene. Deutschland war bisher immer der Bremser, wenn es darum ging, Maßnahmen zur Netzneutralität zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in die Europäische Union einzubringen. Ich habe mich deshalb darüber gefreut, dass Sie dies in Ihrer Rede bekräftigt haben. Ich hoffe, es bleibt dabei, dass Sie sagen: Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung ist gut, sie wird vorangetrieben. Ich baue darauf, dass Sie bei dieser Meinung bleiben, auch wenn ich von der CSU dazu schon anderes gehört habe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen Regulierung. Wir brauchen aber auch Deregulierung. Ein guter Ansatz dazu war die Bemühung, darauf hinzuwirken, dass die WLAN-Störerhaftung endlich beseitigt wird. Wir haben dazu selbst bereits Initiativen gestartet und werden dazu auch künftig konstruktive Vorschläge machen.

Ich möchte ein Fazit ziehen: Sie haben voller Optimismus eine digitale Strategie skizziert. Ich fürchte jedoch, diese Strategie wird in der Umsetzung im Kleinklein der Zuständigkeiten aufgerieben werden. Die Strukturen sind nun einmal so, wie sie sind. Die Digitalisierung betrifft aber sämtliche Lebens- und Politikbereiche. Das sieht man nirgends besser als im Bayerischen Landtag. Die Zuständigkeiten sind auf mindestens fünf Ausschüsse, wahrscheinlich sind es sogar mehr, verteilt. Wir haben zwei Kommissionen, was nicht spiegelbildlich zu den Ministerien ist. Das bedeutet aber gleichzeitig: Wir als Abgeordnete haben es extrem schwer, dieses wichtige Feld umfassend zu kontrollieren und den Überblick zu behalten.

Bis zur letzten Legislaturperiode bestand im Bund eine ähnliche Situation. Die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" hatte deshalb empfohlen, einen ständigen Ausschuss "Digitale Agenda" einzurichten. Diesen Ausschuss gibt es jetzt seit zwei Jahren. Wir können darüber streiten, ob er genügend Befugnisse hat oder nicht, es war jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Für Bayern wäre die Einrichtung eines solchen Ausschusses zukunftsweisend, da dadurch bessere parlamentarische Mitwirkungsmöglichkeiten geschaffen würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich könnte noch viel mehr anregen. Ich hätte beispielsweise meine Rede heute gern von einem Tablet abgelesen. Das dürfen wir leider nicht. Ich finde das schade, jetzt müssen wir wieder mit Papier rumtun.

(Jürgen W. Heike (CSU): Wie wäre es, wenn Sie frei redeten? – Zuruf von der CSU: Deshalb wird die Rede bei Ihnen auch nicht besser!)

- Na ja, aber vielleicht wäre es ressourcensparender. Weniger tote Wälder wären auch schon etwas. – Unterm Strich: Das Programm "Bayern Digital", wie Sie es vorgestellt haben, bildet leider nur einen kleinen Ausschnitt der Herausforderungen ab. Das "Zentrum Digitalisierung.Bayern" wird nun konkret. Das ist ein richtiger Schritt. Ansonsten bleibt es jedoch bei nebulösen Absichtserklärungen. Ich hoffe, dass der große Wurf doch noch kommen wird; denn das Ziel, dass Bayern die Leitregion für den digitalen Aufbruch werden soll, können wir alle unterschreiben. Hoffen wir das Beste!

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege Klaus Holetschek von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob ich in der falschen Debatte war. Ich kann nur sagen: Die Opposition knüpft an das an, was sie eigentlich immer vorträgt. Sie redet Dinge schlecht und hat keine eigenen Konzepte. Das vermitteln Sie heute.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei den FREI- EN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Ministerin hat heute ein Konzept für mehr Wohlstand und für die Zukunft in Bayern vorgelegt. Das müssen wir anerkennen. Darin sind so viele konkrete Themen aufgeführt, dass ich nicht weiß, wo Sie noch den Plan suchen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): So viele Versäumnisse in den letzten Jahren!)

Wir haben einen Plan, und dieser Plan wird uns helfen, dass wir das Vorhaben der Digitalisierung umsetzen und in die Zukunft führen. Dabei sind wir Vorreiter, meine Damen und Herren. Herr Kollege Glauber, da nützt es nichts, wenn man den Stand der Breitbanderschließung schlechtredet. Wir haben dort mit einem Betrag von 1,5 Milliarden etwas auf den Weg gebracht, das den Kommunen hilft. Ich als ehemaliger Bürgermeister traue mich das zu sagen. 80 bis 90 %

Förderung: Wo gibt es das denn sonst noch? - Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CSU)

Es kann natürlich immer besser werden. Daran arbeiten wir alle; es ist immer so. Aber nur permanent zu sagen, das ist schlecht und passt nicht, ist einfach unfair. Damit unterstreichen Sie die Unfähigkeit der Opposition in diesem Haus. Das will ich Ihnen mal ganz deutlich sagen.

(Zurufe von den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN: Oh! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄH- LER): Arroganz pur!)

Meine Damen und Herren, wir müssen heute bei diesem Thema auch über den ländlichen Raum reden.