Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

Meine Damen und Herren, wir müssen heute bei diesem Thema auch über den ländlichen Raum reden.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Digitalisierung ist auch ein Thema für den ländlichen Raum, weil wir damit die Lebensqualität im flachen Land verbessern können. Denken Sie an die Themen Telearbeit und Telemedizin! Mit diesen wichtigen Weichenstellungen können wir dazu beitragen, dass unsere ländlichen Räume attraktiv sind und es dort auch künftig zukunftsfähige Arbeitsplätze gibt. Diesen Themen müssen wir uns stellen; und mit diesem Programm werden wir uns ihnen in der Zukunft stellen, meine Damen und Herren.

Das Thema Mittelstand ist angesprochen worden. Natürlich ist es ein Programm für den Mittelstand. Ich bin sehr dankbar, dass die Ministerin den Digitalbonus eingeführt hat. Er steht beispielhaft für konkrete Hilfestellungen und Förderungen nicht nur für die Beratung, sondern auch für die Zukunft. Natürlich brauchen das Handwerk und der Mittelstand Unterstützung und Anreize. Wir setzen sie mit dem Programm gerade in diesem wichtigen Bereich.

Ich denke an den Tourismus, der für uns eine Leitökonomie ist. Auch dabei sind wir auf dem Weg in die digitale Zukunft. Auch hier brauchen wir weitere Anstöße. Wir müssen heute in Online-Plattformen vertreten sein. Wir dürfen nicht ignorieren, dass Apps und Smartphones heute für den Tourismus eine wichtige Rolle spielen. Deswegen ist es wichtig, auch im Tourismus, der bei uns eine immense Wirtschaftskraft aufweist, Impulse zu setzen.

Wir wollen ein Gesundheitsdaten-Netzwerk aufbauen. Auch dieses Vorhaben halte ich für zentral. Wir reden heute von personalisierter Medizin. Wir können heute relativ genau sagen, welche Krankheiten in Zukunft entstehen. Wollen wir das Suchmaschinen wie Google oder Netzwerken wie Facebook überlassen,

oder wollen wir dort selber tätig werden? – Deswegen ist es richtig, dass wir auf diesem Gebiet investieren. In Nordbayern ist sehr viel entstanden. In der Vernetzung wird es dort weitergehen. Wir werden in Zukunft auch dazu beitragen können, Krankheiten zu lindern. Die Ministerin hat es angesprochen. Mit der Digitalisierung werden wir den Menschen ganz konkret helfen können.

Meine Damen und Herren, das sind die Zukunftsthemen. Die Weichen sind gestellt. Wir alle sollten gemeinsam dieses Thema mutig angehen. Wir sollten die Menschen mitnehmen; auch das ist richtig und wichtig. Bei allen Bemühungen um die Digitalisierung brauchen wir zu diesem Thema auch weiterhin eine soziale Agenda; denn mit der Digitalisierung werden auch Fragen aufgeworfen. Die Menschen sind verunsichert. Wir wollen sie mitnehmen. Wir wollen die Zukunft, wir wollen Wohlstand und die Lebensqualität in Bayern stärken. Das tun wir damit, und das lassen wir uns nicht schlechtreden.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Professor Dr. Michael Piazolo das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte heute am Schluss das Gefühl, dass Sie als Fraktion sich Mut zuklatschen wollten.

(Widerspruch bei der CSU)

Nachdem die Aktuelle Stunde so in die Hose gegangen und so ein Eigentor gewesen ist,

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Zurufe von der CSU: Oh!)

waren Sie dem Eindruck nach froh, endlich wieder in vertrauten Gefilden zu sein und eine von vielen Regierungserklärungen zu hören, die viel Lob für Bayern und zahlreiche Formulierungen enthalten hat, die lauten: Wir brauchen, wir wollen, wir sollen. Die Kollegin Osgyan hat es gerade gesagt: Das hören wir jetzt schon seit beinahe zwei Jahren. Der Ministerpräsident hat das Vorhaben in seiner Regierungserklärung angekündigt. Jetzt steht in einem Regierungsprogramm noch mal, was geplant ist, was man braucht, was man soll und was man zu tun vorhat.

(Erwin Huber (CSU): Ganz konkret!)

- So konkret, Herr Huber, war es nur in einigen der Punkte. Das ist ja das Problem: Wenn man auf zehn oder zwölf Punkte kommen will und nur vier konkrete Punkte hat, muss man halt noch sechs oder acht hinzufügen, um die Zahl zu erreichen. Das war heute auch der Fall. Da war einiges doch recht dünn und sehr unkonkret, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Manchmal fällt gerade das auf, was nicht drinsteht; so auch heute. Sonst heißt es immer: Bayern ist spitze; wir sind in der Champions League; wir sind die Nummer 1; vergleicht uns mit den anderen Bundesländern und mit den anderen Ländern in Europa. – Das haben wir heute nicht gehört. Und warum? – Weil Bayern auf diesem Gebiet nicht spitze ist und weil viel zu tun ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Wider- spruch bei der CSU)

Es ist so. Schauen Sie sich doch die Daten an und betrachten Sie, wo wir im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern stehen. Wenn es gut geht, stehen wir dort im vorderen Mittelfeld; bei vielem aber stehen wir im hinteren Mittelfeld. Insofern ist wirklich viel zu tun; darin stimme ich Ihnen zu. Mit manchem sind Sie zwar auf dem richtigen Weg, aber vieles ist doch Stückwerk.

Hier rächt sich der Zuschnitt des neuen Kabinetts. Das ist heute schon erwähnt worden. Leider gibt es nicht ein bestimmtes Ministerium, das für Digitales zuständig ist. Das wäre in der heutigen Zeit sehr notwendig. Genauso notwendig wäre ein Ministerium, das nur für Energie zuständig ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zuruf von der CSU: Das haben wir doch!)

- Beim Thema Digitales haben Sie es nicht. – In vielem erkennt man nur Stückwerk. Man hat das Gefühl, der eine bringt dieses voran und hält dazu eine Regierungserklärung, und der andere bringt jenes voran, und alles ist nicht ganz miteinander abgestimmt.

Außerdem sind Ihre Vergleiche schon sehr hoch gegriffen. Silicon Valley! Wissen Sie, wann es die erste Initiative zu Silicon Valley gab und wann es entstanden ist? – In den Dreißigerjahren, also vor über 70 Jahren. Über 70 Jahre haben die USA gebraucht, um den heutigen Stand zu erreichen. Wir sind nicht mal auf dem Stand von Estland. Estland ist beim Thema Digitales in Europa führend. Und Sie schreiben jetzt: Wir wollen Silicon Valley werden. – Über 70 Jahre haben die Amerikaner für seinen Aufbau gebraucht, und sie haben sehr viel Kapital dafür aufgewandt. Ich wünsche mir ein bisschen mehr Konkretes

und dass Sie beim Vergleichen etwas kleinere Brötchen backen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Besonders aufgefallen ist mir an Ihrer Rede, dass darin die Menschen nicht vorkommen. Die Bürger kommen darin nicht vor. Ihre Ausführungen sind sehr elitefixiert und sehr kopflastig: Wissenschaft, Elite, Start-ups, kleine und mittlere Unternehmen. Eine digitale Revolution kann man aber nur stemmen, wenn man die Menschen mitnimmt, und zwar alle. Deshalb sagen wir: digital für alle.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Denn die Einbeziehung aller fehlt vielen Menschen. Wir hängen bei dieser digitalen Revolution viele Menschen in Bayern ab. Was Sie tun, ist in vielerlei Hinsicht richtig, Frau Ministerin; aber die breite Masse wird es nicht treffen. Das Loch zwischen denen, die sich auf diesem Gebiet auskennen und die Chancen haben, und denjenigen, die auf der Strecke bleiben, wird immer größer werden. Auf diese Herausforderung haben Sie mit keinem einzigen Wort eine Antwort gegeben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Selbst innerhalb der Community ist die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft sehr groß. Sie haben das Stichwort Netzneutralität erwähnt; aber ich glaube nicht, dass Sie deutlich gemacht haben, wie Sie dazu stehen. Es ist im Moment eines der großen Schlagworte. Die Bundesregierung deutet zumindest an, dass sie die Netzneutralität aufgeben will und ein Zwei-Klassen-Internet einführen möchte, das für einige schneller und für andere langsamer ist. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass alle gleichermaßen beteiligt werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

In Ihrer Rede waren viele Vorschläge. Manches kann man, wie gesagt, unterstützen. Aber ich habe nicht so ganz gespürt, dass es Ihre Rede ist, dass Sie sich das wirklich zu eigen gemacht haben. Ich glaube, dass Sie es wirklich vermögen, draußen mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich wünsche mir, dass Sie das bei diesem Thema intensiv tun. Eine digitale Revolution kann nur funktionieren, wenn man sie mit den Menschen macht und nicht nur ein paar Gründerzentren aufstellt und Start-ups unterstützt, sondern sich überlegt, wie man jedem Einzelnen dieses nicht mehr ganz so neue Medium nahebringen kann. Wir wollen einen gesamtgesellschaftlichen Aufbruch. Wir FREIE WÄHLER stellen den Menschen in

den Mittelpunkt. Wir wollen die Teilhabe aller am digitalen Aufbruch. Dafür werden wir in den nächsten Monaten kämpfen und Initiativen einbringen. Gerade im digitalen Zeitalter legen wir auf den Menschen, und zwar auf alle Menschen, Wert. Tun Sie das auch.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. – Nun hat die Frau Staatsministerin Ilse Aigner für eine zusammenfassende Stellungnahme das Wort. Bitte schön.

Vielen herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Debattenbeiträge. Ich kann als Erstes feststellen, dass sich in der Zielsetzung eigentlich alle einig sind und dass keiner sagen würde, dass die Ziele und die Punkte, die ich dargestellt habe, substanziell falsch sind. Keiner.

Außerdem kann ich feststellen, dass alle Behauptungen, wir wären nicht spitze, sehr aus der Luft gegriffen sind. Ich kann es Ihnen noch einmal sagen: Drittgrößter Industriestandort der Welt, und das als Freistaat Bayern, IKT-Standort Nummer 1 in Europa vor London und Paris. Über die Arbeitslosenquote brauche ich jetzt nicht noch einmal zu sprechen, weil Sie sie alle kennen. Wir haben beste Voraussetzungen. Wir haben die DAX-Konzerne, wir haben die Hidden Champions und wir haben die IT. Diese müssen wir jetzt zusammenbringen. Das tun wir auch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich handeln wir schon. Am 9. Mai 2014, also in zwei Tagen vor einem Jahr, war der Gipfel beim Ministerpräsidenten mit allen Beteiligten. Wir haben das "Zentrum Digitalisierung.Bayern" auf den Weg gebracht und werden es vor der Sommerpause eröffnen. Also kann man nicht sagen, es sei nichts geschehen. Ganz im Gegenteil: Da ist schon viel auf den Weg gebracht worden. Wir werden Ende Juni gemeinsam mit Ludwig Spaenle das Gründerzentrum "Werk1.Bayern" in München eröffnen. Ich habe gesagt, es ist eine Blaupause, und wir wollen in die Fläche gehen, weil wir genau sehen, dass die Gründer das dynamische Element sind, das uns die Zukunft sichert.

Jetzt komme ich zu den Aussagen, alles sei so schlecht. Ich war gestern im gate, in einem Gründerzentrum. Diejenigen, die dort waren, haben sich beim Freistaat Bayern ausdrücklich bedankt. Sie sagten, sie hätten im Freistaat Finanzierungsbedingungen wie nirgendwo sonst.

Sie können nicht immer diesen alten Vergleich mit Berlin bringen. Schauen Sie sich die Zahlen bitte noch

einmal genau an. Sie müssen schauen, wie viele aufmachen, wie viele Arbeitsplätze sie überhaupt bieten und vor allem, wie viele wieder zumachen. Die Mittelständler, die bei uns Firmen gründen, bilden sehr schnell große Wertschöpfungsketten und beschäftigen mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb sind wir hier gut. Wir können aber immer noch besser werden. Das ist unbestritten. Deshalb setzen wir gerade bei der Gründerfinanzierung an.

Lieber Herr Glauber, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben. Ich sage es noch einmal: Wir setzen einen neuen Fonds auf. In der Startphase stehen 85 Millionen Euro zur Verfügung. Diese müssen, damit das klar ist, von Privaten kofinanziert werden. Wir stellen 100 Millionen Euro in den Wachstumsfonds ein, um die zweite Phase zu begleiten. Diese muss ebenfalls kofinanziert werden. Dabei ist ein Hebel auf insgesamt maximal 250 Millionen Euro anzusetzen. Wir haben zudem noch die europäische Fazilität von 100 auf 150 Millionen Euro aufgestockt. Auch da können wir einen Hebel ansetzen. Ich sage es noch einmal: Wir haben ein Potenzial von bis zu 500 Millionen Euro, die wir hebeln können, die wir investieren können. Es bleibt natürlich dabei: In der Koalitionsvereinbarung steht, wir brauchen bessere steuerliche Rahmenbedingungen. Das ist unbestritten. Deshalb sage ich dem Ministerpräsidenten bei jeder Gelegenheit, dass die Wachstumsfinanzierung bei den Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich und Sonstiges ein zentraler Punkt sein muss. Das ist unbestritten. Wir brauchen eine solche Finanzierung gegenüber den anderen großen Zentren, die bessere Bedingungen haben. Das ist ganz klar. Ich kann nur sagen: Wir sind auf einem guten Weg.

Wir gehen jetzt mit den Gründerzentren in die Fläche. Wir gehen vor allem zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Liebe Frau Osgyan, das ist keine Kritik gewesen, sondern ein Appell an die mittelständische Wirtschaft. Sie wissen, dass sie hier Potenzial hat. Ich habe Ihnen ja die Maßnahmen genannt. Sowohl im Handwerk als auch bei der IHK als auch bei der vbw sind alle unterwegs. Sie wissen, dass das nicht nur für die großen Firmen, sondern auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen die Zukunftsherausforderung darstellt. Wir werden einen unbürokratischen Digitalbonus auf den Weg bringen. Dabei müssen die Unternehmen selbst wissen, wie sie ihn am besten einsetzen. Der eine braucht vielleicht Beratung, der andere IT-Sicherheit, der Nächste eine EDV oder Software, die die Digitalisierung voranbringt. Das muss der Unternehmer schon selbst wissen. Das können wir nicht vom Staat aus vorschreiben, sondern das müssen die Unternehmen selbst auf die Welt bringen. Es muss unbürokra

tisch und schnell gehen. Das ist für mich die Messlatte.

Meine Damen und Herren, ich kann abschließend nur sagen: Es geht wirklich um die Grundlinien, um Vertrauen. Es hat etwas mit Sicherheit zu tun. Es geht natürlich um den Wandel in der gesamten Wirtschaft. Dazu erfolgt eine Unterstützung durch den Digitalbonus. Es geht um nachhaltiges Wachstum zusammen mit unseren Gründern. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Ich kann nur sagen: vernetzt und verwurzelt in Bayern. Bayern bytes.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 17/6032) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich eröffne die Aussprache. – Als erste Rednerin hat Frau Kollegin Ulrike Gote von den GRÜNEN das Wort. Bitte schön.