Protokoll der Sitzung vom 19.05.2015

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschen in Bayern sind es wert, dass wir uns für sie einsetzen.

Ich danke dem Gesundheitsausschuss für die gute Zusammenarbeit, vor allem der Vorsitzenden, der Kollegin Kathrin Sonnenholzner, ihrem Stellvertreter Bernhard Seidenath und dem Patienten- und Pflegebeauftragten der Bayerischen Staatsregierung Hermann Imhof. Gemeinsam haben wir schon viel erreicht. Danke dafür!

(Beifall bei der CSU)

Mein besonderer Dank gilt aber allen Menschen, die sich in Gesundheit und Pflege engagieren, häufig Tag und Nacht, häufig bis an die Grenze der eigenen Belastbarkeit. Vielen herzlichen Dank! Denn davon profitieren wir alle in Bayern – ein gutes Leben lang.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Verehrte Frau Staatsministerin, ein ganz herzlicher Dank aus dem Hohen Hause. Ich darf Ihnen heute auch gute Wünsche für die nächste Woche, für die größer werdende Familie aussprechen. Alles Gute für Sie persönlich und auch für die Familie!

(Allgemeiner Beifall – Abgeordnete Kathrin Son- nenholzner (SPD) begibt sich zum Rednerpult)

- Frau Kollegin Sonnenholzner, Sie können hierbleiben. Ich möchte aber noch kurz einige Bemerkungen anschließen. – Frau Staatsministerin, wir haben Ihre Regierungserklärung in einen Thementag heute im Hohen Hause eingebunden. Wir haben heute Morgen die Ausstellung "GEMEINSAM GEHEN. Wege der Sterbebegleitung und Versorgung für Schwerstkranke und Angehörige" eröffnet. Ich danke den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die heute Morgen anwesend gewesen sind. Wer von den Kolleginnen und Kollegen die Ausstellung noch nicht gesehen hat, möge sich bitte heute noch die Zeit dafür nehmen. Es ist eine Wanderausstellung; das heißt, Sie können sie dann auch in Ihren Stimmkreisen und Wahlkreisen abrufen. Das ist das eine.

Das andere ist: Wenn ich "Thementag" sage, dann darf ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen des interfraktionellen Frühstückstreffens hier im Bayerischen Landtag sehr herzlich bedanken: bei Herrn Kollegen Unterländer, bei Frau Kollegin Stachowitz, bei Herrn Kollegen Streibl und bei Frau Kollegin Celina. Sie haben uns für heute Abend eingeladen – deswegen machen wir auch rechtzeitig Schluss – zum Thema "In Würde sterben", zur aktuellen Diskussion über Sterbehilfe, Hospiz- und Palliativstrukturen. Ich denke, dass wir mit der Regierungserklärung heute und mit den Themen, die wir uns hier in diesem Hohen Haus heute setzen, zeigen, wie wichtig uns diese gesellschaftspolitischen Herausforderungen sind, gerade auch was die Würde des Menschen anbelangt.

Frau Kollegin Sonnenholzner, jetzt sind Sie dran. Bitte schön.

"Ein gutes Leben lang", Frau Staatsministerin, schon beim Lesen, aber jetzt noch mehr beim Hören, bin ich mir vorgekommen wie in einer der zahlreichen Wellness-Oasen der bayerischen Bäder. Die raue Wirklichkeit der Gesundheitspolitik ist aber leider ein bisschen anders, da geht es nicht nur um Gesundheit und um gutes Leben; das ist das Ziel, aber das erreichen wir nicht immer. Es geht um Krankheit, es geht um Verteilungskämpfe, es geht natürlich um Geld, es geht um Nachhaltigkeit; und was Sie und Ihr Haus angeht, geht es selbstver

ständlich um Steuerung. Davon habe ich heute relativ wenig gehört. Ich frage mich ein bisschen, warum Sie bis gestern 23.00 Uhr gebraucht haben, um dieses Manuskript dann doch an die Fraktionen zu schicken – wahrscheinlich deswegen, weil Sie es noch von dem Prosa-Spezialisten des Kollegen Spaenle im Bildungsministerium haben abgleichen lassen. Es klingt ein bisschen so.

(Zurufe von der CSU: Oh! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die haben momentan andere Aufgaben! Die kommen zu so etwas nicht mehr!)

- Beruhigen Sie sich, Kolleginnen und Kollegen! - Ich darf Ihnen allerdings tatsächlich Fleißbildchen austeilen, zumindest virtuell: Sie haben von September 2014 bis gestern sage und schreibe 212 Pressemitteilungen veröffentlicht. Der Herr Finanzminister bringt es nur auf 160. – Das würde mir an Ihrer Stelle zu denken geben, Herr Dr. Söder.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, Frau Ministerin, in dieser Hinsicht sind Sie tatsächlich an der Spitze. Sie haben nur leider nicht immer die Substanz, die wir uns wünschen würden.

(Zustimmung des Abgeordneten Markus Rinders- pacher (SPD))

Worum geht es aber denn eigentlich bei dem Thema Gesundheit und der Regierungserklärung zur Gesundheit? – Es geht natürlich erstens um die flächendeckende Versorgung. Die flächendeckende Versorgung umfasst das gesamte Spektrum der Medizin. Das beginnt bei der Notfallversorgung, zu der Sie heute kein Wort gesagt haben. Wenn ich die Menschen frage "Was ist euch wichtig?", kommt immer: "Wichtig ist mir, dass ich im Notfall gut versorgt bin." – Unser Antrag auf einen Runden Tisch, der jetzt umgesetzt wird, ist ein erster Schritt; aber er kann nicht für die Zukunft eine generelle Debatte über die Art des Notfalldienstes, unter Umständen, Herr Kollege Herrmann, unter Einbeziehung des Rettungsdienstes, auslösen. Selbstverständlich brauchen wir auch da zunehmend – und da stimme ich Ihnen zu – die telemedizinische Unterstützung. Da würden wir uns aber wünschen, dass sehr viel mehr in die Regelversorgung geht.

Was die ambulante Versorgung angeht, stehen wir selbstverständlich auch zu den niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen. Wir stellen aber fest, dass die gesellschaftlichen Entwicklungen anders sind und dass nicht mehr jeder dieses Risiko eingehen wird. Wir wollen deswegen flächendeckend andere Modelle wie Hausarzt-MVZ und vor allen Dingen auch eine engere

Verzahnung zwischen stationärem und ambulantem Sektor, wo es gebraucht wird.

Ihre Vorstöße, um Landärzte zu gewinnen, umfassen Förderprogramme, gegen die wir gar nichts haben, von denen wir aber eigentlich wissen, dass sie in anderen Bundesländern nichts geholfen haben, weil es eben keine Frage des Geldes ist. Alles, was Sie darüber hinaus fordern, können Sie schon in unserem Antrag zur Erstellung eines Masterplans zur ambulanten Versorgung vom 19.12.2008 – der hat die Drucksachennummer 16/218 – lesen.

Was die stationäre Versorgung angeht, ist es wirklich ärgerlich, dass Sie kein Wort zu Ihrer originären Aufgabe der Krankenhausplanung gesagt haben. Krankenhausplanung – und da können Sie hingehen, wohin Sie wollen – findet in diesem Freistaat nicht mehr statt; die einzelnen Häuser beantragen, was sie wollen. In den Verwaltungsräten wird schon gesagt: Alle Anträge, die gestellt werden, werden auch genehmigt, ob sie sinnvoll sind oder nicht. - Dazu passt auch, dass Sie sich ursprünglich geweigert haben, in diesen Investitionsfonds auf Bundesebene zu investieren, der Umwandlungen zum Beispiel von Krankenhäusern, die nicht gebraucht werden, in Pflegeheime ermöglicht, wo es nötig ist.

Über die finanzielle Situation der Krankenhäuser haben Sie gesprochen. Da bin ich bei Ihnen; die müssen wir verbessern.

Dass Sie bei den Investitionskosten sagen, es gebe keinen Förderstau, ist wirklich tricky; denn es stimmt, was Sie sagen. Sie sagen aber nicht, dass von den förderfähigen Kosten ganz vieles eben nicht umfasst ist:

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da sind Küchen nicht drin, da sind die Apotheken nicht drin, da sind andere Dinge nicht drin. Das hindert die Häuser daran, überhaupt Anträge zu stellen, weil sie die Eigenbelastung nicht schultern können und das ein Hemmnis oder eine Hinderung an der Beantragung ist. Deshalb ist die Frage: Gibt es denn die angekündigten Änderungen? – Sie werden sehen, dann wird es auch bald einen Förderstau geben, weil dann wieder mehr Anträge gestellt werden.

Wir brauchen tatsächlich eine realistische Bestandsaufnahme, welche der kleinen Häuser draußen systemrelevant sind. Ich habe es Ihnen schon in der ersten Sitzung nach Abschluss des Koalitionsvertrags gesagt; der bietet mit dieser Definition der Erreichbarkeit tatsächlich eine gute Möglichkeit, genau das zu planen. Ich sage: In einem Staat wie Bayern brauchen wir diese Erreichbarkeit in Minuten und nicht in Kilo

metern, damit wir auch das Allgäu und andere Regionen, die schwerer erreichbar sind, vernünftig versorgen.

(Beifall bei der SPD)

Aber diese Häuser müssen finanziell dann auch überleben können.

(Beifall bei der SPD)

Das Krankenhausstrukturgesetz gibt Ihnen die Aufgabe, diese Präzisierung vorzunehmen und die Sicherstellungszuschläge auszugestalten. Auch da werden Sie in der Pflicht sein, die entsprechende Verordnung schnell umzusetzen, wenn das Gesetz da ist. Ich appelliere an den Ministerpräsidenten, dass es nicht wieder so geht wie beim Landesgremium. – Die Mindestanforderung an solche Häuser ist die Vorhaltung je einer Abteilung für Innere Medizin, einer für Chirurgie und einer für Gynäkologie und Geburtshilfe; Letzteres halte ich für ein Gebot der Daseinsvorsorge. Wenn es eine solche Abteilung nicht gibt, kriegen Sie auch sonst niemanden mehr in die ländlichen Räume. Da können wir, würde ich sogar sagen, gut auch Steuergelder hineinstecken; denn solche Maßnahmen für den ländlichen Raum kommen dreifach zurück.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen Flächendeckung auch im Bereich der Palliativmedizin und der Hospize. In ganz Niederbayern haben wir nur zehn Hospizplätze. Wir haben Nachholbedarf bei der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung - SAPV - und großen Bedarf in der Aus- und Weiterbildung, damit wir die Abteilungen auch mit qualifiziertem Personal besetzen können. Natürlich brauchen wir auch flächendeckend stationäre und ambulante Pflege; auf das Thema Pflege komme ich noch in einem Extra-Punkt zu sprechen.

Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für die Apotheken. Sie haben das schon ins Landesentwicklungsprogramm 2006 geschrieben, obwohl Sie dafür weder die Zuständigkeit haben noch irgendwelche Anstrengungen unternommen haben. Wir brauchen die Apotheken im ländlichen Raum in der Tat dringend für die Prävention; wir brauchen sie auch zusätzlich für das Medikationsschema. Ich will gar nicht so weit gehen wie die Schweiz, wo die Apotheker auch impfen dürfen, sondern sage nur, die Vorhaltung von Apotheken ist auch Daseinsvorsorge.

Der zweite wichtige Punkt ist mindestens die Linderung des bestehenden und prognostizierten Fachkräftemangels. Dazu haben Sie sehr wenig gesagt. Sie schreiben, dass die Themen nur mit ausreichendem Personal zu schultern sind; da haben Sie natürlich

recht. Ich gebe auch zu, dass das Problem ein gesamtgesellschaftliches, kein bayerisches oder deutsches, sondern mindestens ein europäisches ist. Deswegen brauchen wir auch eine Debatte in der Gesellschaft und in den Medien, die endlich einmal tatsächlich die Wertschätzung dieser Berufsgruppen bringt, ohne deswegen Fehlverhalten unter den Tisch zu kehren. Wir tun gut daran, diese Berufe nicht mehr nur in Sonntagsreden hochzuhalten, sondern auch in der täglichen Praxis. Das gilt gleichermaßen für die Pflegeberufe wie für die Ärzte und Ärztinnen und die medizinischen Hilfsberufe; denn wir stellen fest: Es gibt immer weniger Leute in diesen Berufen, aber es gibt immer mehr Pflegebedürftige.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen auch die generalistische Ausbildung, endlich und schnell, aber richtig, wie wir im Ausschuss auch schon besprochen haben, und wir müssen die Pflege endlich besser bezahlen. Ich kann das Mantra der Beitragssatzstabilität schon nicht mehr hören: Wenn es uns mehr Beitrag kostet, müssen wir ihn eben leisten, um ausreichend viel und motiviertes Personal zu bekommen; denn ausreichendes Personal senkt nachgewiesenermaßen die Fehlerquote. Dass man dafür mehr Geld in die Hand nehmen muss, kann man, glaube ich, auch den Versicherten erklären.

Wir brauchen die Personalbemessungsquote im Krankenhausbereich, damit die Arbeitsbedingungen mindestens leichter werden; denn die Tatsache, dass man immer 24 Stunden an 365 oder 366 Tagen besetzen muss, bleibt. Und wir brauchen – da bitten wir um Unterstützung – eine schnellere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, gerade bei der Regierung von Oberbayern. Zum Teil ist es skandalös, wie lange so ein Verfahren dauert und wie die Leute behandelt werden. Ich kenne Pflegedienstleitungen, die die Betroffenen dorthin begleiten, damit diese sich nicht so dumm anreden lassen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Die Pflege ist der dritte große Punkt. 90 % der Menschen wollen zu Hause gepflegt werden, solange es geht. Ja, wir brauchen immer mehr individuelle Lösungen und den Spielraum, an der einen oder anderen Stelle etwas auszuprobieren. Sie haben vor acht Monaten, im Oktober 2014 Ihren Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, auf den Sie auch jetzt gerade wieder ständig verweisen und den Sie dauernd loben. Aber Dinge, die die Situation tatsächlich verbessern würden, haben wir zumindest noch nicht gesehen.

Was die Herzwerker-Kampagne Ihrer Vorgängerin oder Vor-Vorgängerin – ich weiß das gar nicht mehr

so genau – wirklich bringt, ist zu fragen; denn eine Wohlfühlkampagne mit Bildern löst die Probleme tatsächlich nicht. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Kindergesundheit. – Bei der Frage der besseren Anleitung in der praktischen Ausbildung haben Sie noch nichts vorgelegt. Sie haben auch heute wieder von einer deutlichen Entbürokratisierung der Pflegearbeit durch weniger Dokumentationsaufwand geredet. Dabei fehlt halt die Rechtssicherheit; und die müssen Sie schaffen, wenn Sie hier auch nur annähernd einen Fortschritt erreichen wollen. Auch hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf.

Ein konkretes Konzept für die Ausbildungsumlage ist auch noch nicht da. Das Problem wird sich mit der Generalistik und einem neuen Finanzierungsmodell wahrscheinlich irgendwann erledigen, ohne dass Sie konkret etwas getan haben. Wir fordern das seit Legislaturperioden. Sie sind erfreulicherweise auf dieses Pferd aufgesprungen, aber konkret haben wir noch nichts gesehen. - Das Projekt zum Stopp von Ausbildungsabbrüchen war angekündigt; Sie haben es heute aber nicht erwähnt – wahrscheinlich aus gutem Grund. Auch davon haben wir noch nichts gehört.

Ihrem Konzept der Pflegekammer bzw. des Pflegerings, Frau Ministerin, stehen wir prinzipiell positiv gegenüber. Wir fragen uns manchmal, ob wir da die Einzigen sind und ob die Reihen der Unterstützer bei Ihnen womöglich schon so durchlöchert sind, dass unsere Unterstützung nichts mehr hilft. Aber wir wollen tatsächlich, dass in diesem Pflegering definitiv die Pflegenden das Sagen haben, nicht etwa andere Berufsgruppen. Das ist nämlich die Grundvoraussetzung für unsere Zustimmung an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Wir kennen das Konzept noch nicht in seinen Details, wir kennen es noch nicht einmal grob. Aber wir hören gerüchteweise, dass das nicht der Fall sein kann, und da sage ich Ihnen klipp und klar: Das ist tatsächlich die Conditio sine qua non. Ohne das wird es nicht gehen und tatsächlich nur ein Lippenbekenntnis bleiben, und das wollen wir nicht. Wir wollen auch keine Symbolpolitik à la Pflegekammer; wir wollen vielmehr eine wirkliche Aufwertung der Pflege durch ein Gremium, in dem die Pflegenden mitreden, für ihre Belange einstehen und entscheiden können.

(Beifall bei der SPD)

Noch im Mai 2014 haben Sie einen Antrag zu den Pflegestützpunkten abgelehnt. Inzwischen ist allerdings die Notwendigkeit anerkannt, Unterstützungsangebote auszubauen. Jetzt haben Sie ein Initiativrecht für die Kommunen angekündigt. Das klingt gut. Allerdings haben Sie die Frage, wer das denn dann be