Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

und die BOS haben sich als zweiter, gleichwertiger Bildungsweg zur Hochschulreife positioniert. Dazu kann man diese Säule der bayerischen Bildungspolitik nur beglückwünschen. Auch an diesen Schulen konnten wir in letzter Zeit zusätzliche Stellen schaffen. Wir werden da auch nicht nachlassen.

Das Thema Nachtragshaushalt wurde schon angesprochen. Hier müssen wir sicherlich etwas tun, aber wir brauchen nicht, wie das im SPD-Antrag formuliert ist, eine Taskforce; denn die würde von oben herab bestimmen. Wir müssen das an den Schulen vor Ort sicherstellen, sie müssen der außergewöhnlichen Situation vor Ort in eigenverantwortlichem Engagement begegnen. Wir müssen uns um die minderjährigen Flüchtlinge kümmern, die eine Bleibeperspektive haben, weil wir sonst nicht nur personell und räumlich an unsere Kapazitäten stoßen, sondern auch finanziell.

Mit dem Dringlichkeitsantrag, den wir den Dringlichkeitsanträgen von SPD, FREIEN WÄHLERN und GRÜNEN entgegenstellen, wollen wir die Unterrichtsversorgung im kommenden Schuljahr 2015/2016 angesichts der unvermindert steigenden und derzeit nicht abschätzbaren Zahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen an allen bayerischen Schulen sicherstellen. Vor allem den Kindern und Jugendlichen, die voraussichtlich dauerhaft in unserem Land bleiben werden, soll auf der Grundlage eines raschen Spracherwerbs eine bestmögliche schulische Bildung und damit eine nachhaltige Perspektive eröffnet werden, im Beruf wie im Leben. Dafür müssen wir weitere schulische Angebote in ausreichendem Umfang bereitstellen, wie wir das in unserem Antrag einfordern. Die erfolgreichen Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte an bayerischen Schulen müssen wir dazu weiter ausbauen. Selbstverständlich legen wir dabei ein besonderes Augenmerk auf die beruflichen Schulen.

(Beifall bei der CSU)

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich sagen: Die steigende Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern fordert uns gesamtgesellschaftlich. Dessen sind wir uns alle bewusst. Bildung und insbesondere Sprachkenntnisse sind der Schlüssel für eine gelungene Integration, beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe. Die Schulen, die dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, gilt es in dieser außergewöhnlichen Situation zu stärken. Das verdeutlichen wir mit unserem Dringlichkeitsantrag, für den ich Sie um Zustimmung bitte. Die Dringlichkeitsanträge von SPD, FREIEN WÄHLERN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden wir ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Zwischenbemerkung: Frau Kollegin Petersen. Bitte.

Herr Kollege Reiß, Sie bestätigen in vollem Umfang meinen Vorwurf der Realitätsfremdheit oder –blindheit.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Ach!)

Es geht zum einen nicht darum, dass man Flüchtlinge gegen andere Schüler ausspielt, wie Sie das gerade getan haben.

(Beifall bei der SPD)

Es ist natürlich unsere Aufgabe, uns um jugendliche Flüchtlinge und Asylbewerber zu kümmern. Das geschieht leider nicht in ausreichendem Maße, aber immerhin ansatzweise. Es geht aber auch darum, dass andere Schüler nicht darunter leiden sollen. Dafür brauchen wir aber mehr Personal an den Schulen.

Sie haben uns und den FREIEN WÄHLERN vorgeworfen, wir bräuchten den Verband der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern – VLB –, um die Situation an den Berufsschulen kennenzulernen. Wir brauchen den VLB nicht, wir haben hinreichend Besuche an und Kontakte zu den beruflichen Schulen, um zu wissen, was dort abgeht. Da Sie die Situation aber schon länger kennen und im Gegensatz zu uns die Möglichkeit haben, etwas daran zu ändern, das aber nicht tun, frage ich: Wie soll ich das bezeichnen? Als Flucht vor der Verantwortung? – Die Frage können Sie vielleicht selber beantworten.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Bemerkung, wir hätten zwar den Nachtragshaushalt erwähnt, man könne aber nicht darauf setzen, sondern es gehe um das eigenverantwortliche Engagement der Schulen vor Ort, empfinde ich als blanken Zynismus. Wie sollen die Schulen vor Ort, an denen schon ohne die Beschulung der Flüchtlinge Personalmangel besteht, eigenverantwortlich Probleme lösen, ohne Unterricht ausfallen zu lassen oder Schüler nach Hause zu schicken? – Was hätten Sie sonst noch für Vorschläge?

Was die Beschulung von Flüchtlingen angeht, so habe ich schon gesagt: Da wird einiges getan, aber einiges wäre auch noch verbesserungsfähig. Das betrifft zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern. Es ist eine jährliche Ausschreibung notwendig, sodass die Schulen nie wissen, wer im nächsten Jahr der Kooperationspartner ist. Die beim Kooperationspartner angestellten Sozialpädagogen

und Lehrer werden in der Regel schlechter bezahlt und haben schlechtere Arbeitsbedingungen. Ich denke, da ist noch viel Luft nach oben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Reiß, bitte.

Frau Kollegin, ich beginne mit der Eigenverantwortlichkeit der Schulen. Dieses Thema habe ich Ihrem Vorschlag, der Taskforce, gegenübergestellt. Selbstverständlich müssen wir Ressourcen bereitstellen, die es den Schulen ermöglichen, ihre Unterrichtsverpflichtung auch tatsächlich zu erfüllen.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Wann endlich?)

Auch die Verbände fordern diese Taskforce und sagen: Richten wir doch bei den Regierungen zehn Stellen ein, die dann in einer Art Mobilen Reserve in die Landkreise geschickt werden und dort, wo Bedarf besteht, eingesetzt werden. Es ist eine Frage der Organisation, ob man Mittel bereitstellt, um den Schulen vor Ort die eigenverantwortliche Organisation zu ermöglichen. Man sieht auch die Dimension, wenn von zehn Stellen gesprochen wird. Ich denke, hier haben wir schon mehr zur Verfügung gestellt. Im Hinblick auf die steigenden Zahlen müssen wir für das nächste Schuljahr handeln. Wir fliehen nicht vor der Verantwortung, wie Sie das formuliert haben, sondern wir stellen uns dieser Verantwortung. Wir sind selbstverständlich nicht nur mit dem Verband in Kontakt, sondern auch mit den Schulen vor Ort.

Kein Mensch will die Flüchtlinge und unsere Schüler gegeneinander ausspielen. Aber es hat natürlich Einfluss aufeinander, wenn man verantwortlich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umgeht. Wir stellen – das habe ich bereits angesprochen – drei Milliarden Euro aus dem bayerischen Staatshaushalt zur Verfügung. Erhebliche Mittel davon fließen in die Beschulung der jungen Flüchtlinge. Hier wird kein Mensch gegen einen anderen ausgespielt.

Weitere Zwischenbemerkung: Herr Kollege Felbinger.

Herr Kollege Reiß, Sie sagen, an den beruflichen Schulen sei alles in Ordnung; denn das suggerieren Sie mit Ihrem Antrag, den Sie nur auf die unbegleiteten Flüchtlinge fokussieren. Bedeutet das im Umkehrschluss für die beruflichen Schulen, dass diese weiterhin mit nur 92 % Personalabdeckung auf der letzten Rille weiterfahren müssen? Wie beurteilen Sie weiterhin die Diskrepanz, dass an den Fachoberschulen und den Berufsober

schulen nur 75 % des Unterrichts über Planstellen abgedeckt werden? Gleichzeitig ist aber bei den Eingangsklassen ein Schülerzuwachs von 4,4 % vorhanden. Was gedenken Sie jetzt wirklich zu machen? - Ihr Antrag sagt dazu nämlich überhaupt nichts aus.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Der Felbinger hört nicht hin, wenn unsere Seite etwas sagt! – Kathi Petersen (SPD): Doch, er hört hin!)

Herr Kollege, bitte.

Herr Kollege, das geht in eine ähnliche Richtung wie die Behauptung, hier würden Schüler gegeneinander ausgespielt. Wir haben selbstverständlich die Pflichtversorgung im Blick. Wir schreiben im Antrag, dass wir die Unterrichtsversorgung sichergestellt wissen wollen. Zu der Frage, wie die Abdeckung stattfindet: Wenn die Entwicklung der letzten Jahre von der Prognose abweicht, wie das bei FOS und BOS tatsächlich der Fall ist, dann ist hier nachzusteuern. Das ist in den letzten Monaten und Jahren doch auch immer passiert.

(Zuruf des Abgeordneten Günther Felbinger (FREIE WÄHLER))

- Stellen können wir im Haushalt bereitstellen. Momentan haben wir aber keine Haushaltsberatungen.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Wenn Sie das schon so lange wissen, warum haben Sie dann nicht darauf reagiert?)

Wir werden dieses Thema im Rahmen der Haushaltsberatungen verantwortungsbewusst im Hinblick auf einen stabilen bayerischen Staatshaushalt angehen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt die nächste Wortmeldung: Herr Kollege Gehring. Bitte.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine ernste Sache, wenn die Berufsschullehrer Alarm schlagen. Das will schon etwas heißen; denn die Berufsschullehrer leben seit Jahren mit Unterversorgung bei der Unterrichtsversorgung. Berufsschullehrerinnen und -lehrer sind also leidensfähig und leistungsfähig; denn trotz der ständigen Unterversorgung leisten sie eine gute Arbeit. Nun aber schlagen sie Alarm, und zwar mit drastischen Worten. Sie sagen: So funktioniert das nicht, berufliche Schulen benötigen konkrete Hilfe; die Unterrichtsversor

gung an beruflichen Schulen ist katastrophal; wir stehen im kommenden Schuljahr vor dem Kollaps.

Das ist eine dramatische Situation. Und warum? – Weil wir mehr Schüler an den beruflichen Schulen haben. Konkret: Es sind 60.000 Schülerinnen und Schüler mehr an den beruflichen Schulen, als 2011 prognostiziert waren. Aber auf diesen Prognosen von 2011 beruht der Doppelhaushalt; auf diesen Prognosen beruht die Lehrerzuweisung. Aktuell gibt es zu wenige Lehrerstellen. Es gibt 60.000 Schüler mehr als vorausgesagt. Dazu muss man sagen: Das ist gut so. Da sind mehr Schülerinnen und Schüler im dualen System. Das ist gut so. Da sind mehr in der Fachoberschule und in der Berufsoberschule. Das ist gut so. Es sind auch 4.600 Flüchtlinge an diesen Schulen. Das ist gut so; denn Bildung ist ein Recht für alle diese Jugendlichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die beruflichen Schulen leisten Großes beim Unterricht für die Flüchtlinge – das haben wir schon öfter gesagt. Jetzt ist die Leistungsfähigkeit der beruflichen Schulen aber am Ende; jetzt brauchen sie eine Unterstützung. Was macht der Kultusminister? – Kultusminister Spaenle nimmt es ernst. Herr Spaenle, es ist ernst. Sie müssen nichts mehr nehmen oder annehmen – es ist ernst. Die beruflichen Schulen brauchen konkrete Unterstützung. Ernst nehmen reicht nicht mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Wie begegnen Sie dieser Krisensituation an den beruflichen Schulen? Deswegen auch der Aufschrei. – Sie kürzen momentan an den Schulen vorhandene Mittel. Die Überstunden sollen abgebaut werden. Nebenberufliche Lehrkräfte sollen nicht mehr weiterbeschäftigt und eingestellt werden. Überstunden und nebenberufliche Lehrkräfte waren aber angesichts der ungenügenden Personalmittel bisher die internen Krisenhilfen der beruflichen Schulen. Diese Mittel gegen die Krise nehmen Sie jetzt den beruflichen Schulen weg. Die Schulen müssen die unterhälftig beschäftigten Lehrkräfte entlassen und dürfen sie nicht mehr weiter beschäftigen – und das bei immer mehr Schülern.

Das Fass zum Überlaufen bringt letztlich der Vorschlag, Pflichtunterricht zu kürzen, also Unterricht in Ethik, in Religion und Deutsch. Das sind die Fächer, die die berufliche Bildung zur Bildung machen, die mehr ist als Ausbildung. Die jungen Leute an den beruflichen Schulen haben ein Recht auf Bildung. Sie durchlaufen eine Lebensphase, die eine Bildungszeit ist. Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, ob

sie Bildung bekommen. Es ist eine Frage, ob wir diese jungen Menschen auf ihrem Weg zu selbstständigen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern unterstützen und stärken. Das Recht auf Bildung dürfen wir den jungen Menschen an den Berufsschulen nicht nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Zu den Flüchtlingen. – Ja, wir haben die Berufsschulpflicht für alle Flüchtlinge in Bayern. Wir haben ein gutes Modell. Wir haben gute Ansätze. An den beruflichen Schulen wird gute Arbeit geleistet. Wir haben hoch motivierte junge Leute, junge Flüchtlinge, die lernen wollen und lernen. Derzeit haben wir aber nur für ungefähr ein Drittel dieser jungen Leute ein Angebot. Was ist das für eine Schulpflicht, wenn zwei Drittel nicht in die Schule gehen können? Was ist das für eine Schulpflicht, wenn die Schulen Aufnahmeprüfungen machen müssen und irgendwelche Kriterien finden müssen, um zwei Drittel abzuwehren? - Das ist doch kein Ernstnehmen einer Schulpflicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt sagen Sie, die Schulen sollen die Mittel aus den Stellen für nebenamtliche Lehrkräfte, aus den Mitteln für Überstunden und für den Pflichtunterricht zusammenkratzen. Das ist ein Armutszeugnis für ein reiches Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das derzeitige Problem des Unterrichts für die Flüchtlinge besteht darin, dass die Mittel aus verschiedenen Etats des Kultusministeriums zusammengekratzt werden. Deswegen lautet unsere Forderung: Wir müssen Flüchtlingsunterricht als eigenständige Aufgabe mit einer eigenen Titelgruppe im Haushalt verankern, weil es eine Daueraufgabe ist. Das ist nichts für den Moment. Dafür müssen wir die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Das muss jetzt im Nachtragshaushalt geschehen. In diese Titelgruppe müssen mindestens 10 Millionen Euro.

(Beifall bei den GRÜNEN)