Protokoll der Sitzung vom 16.07.2015

Herr Kollege Woerlein zur Zwischenbemerkung, bitte.

Herr Kollege Tomaschko, wir sind Kollegen im Wahlkreis Schwaben. Ich darf einen kurzen Abgleich mit der Wirklichkeit vornehmen. Ich war 17 Jahre lang Schulleiter an einer Realschule in Schwaben. Meine Kollegen und ich, 60 an der Zahl, haben die Personalnot immer tapfer ertragen. Sie haben heute von einer integrierten Lehrerreserve gesprochen. Ich darf Ihnen sagen, dass diese integrierte Lehrerreserve in den Jahren 1996 bis 2013, als ich Schulleiter war, de facto niemals vorhanden gewesen ist, da die fünf Kolleginnen und Kollegen, die vergeben werden konnten, jeweils bereits zum Schuljahresbeginn längst weg waren. Die Schulleiter machen in dieser Zeit in der Regel keinen Urlaub und warten ab, ob Krankheitsfälle auftreten. Die ersten fünf Krankheitsausfälle werden von den Ministerialbeauftragten nach dem Windhundprinzip versorgt. Ab dem 15. September wird es keine einzige Stelle in der integrierten Lehrerreserve mehr geben. Das gebe ich Ihnen schriftlich, mündlich und mit persönlichem Ehrenwort.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): So sieht die Wirklichkeit aus!)

Es ist unlauter, so zu tun, als wären die Schulen gut ausgestattet.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Herr Kollege Tomaschko, bitte.

Herr Kollege Woerlein, ich setze mich sehr gerne mit Ihnen fachlich auseinander. Ich kann Ihnen nur die Rückmeldung des Realschullehrerverbands und der Realschulen, an denen ich vor Ort bin, geben, wonach die integrierte Lehrerreserve ein wichtiges Instrument ist. Ich habe mir die Umsetzung an vielen Realschulen angesehen. In der Zeit, in der kein Unterricht ausfällt, werden diese Lehrkräfte auch zur Teilung von Klassen, für die individuelle Förderung und die Spezialisierung eingesetzt. Das wird sehr gut angenommen. Darum teile ich Ihre Einschätzung nicht.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Keine Ahnung, aber davon eine ganze Menge!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt darf ich Herrn Staatssekretär Eisenreich ans Rednerpult bitten.

(Georg Rosenthal (SPD): Herr Eisenreich muss es jetzt richten!)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Freistaat Bayern investiert wie kein anderes Land in Deutschland in die Bildung. Ich kann Ihnen versichern: Bildung ist und bleibt ein Investitionsschwerpunkt in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Auch wenn die Debatte ein bisschen hitzig war, ist es immer wieder gut, sich ein paar grundlegende Zahlen vor Augen zu führen. Wir haben seit dem Jahr 2008 den Kultusetat von 8,6 Milliarden Euro um 3 Milliarden Euro auf 11,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr gesteigert. Das ist eine gewaltige Summe, die unterstreicht, dass wir bei der Bildung einen wirklichen Investitionsschwerpunkt haben.

Darüber hinaus bleibt die demografische Rendite voll im Bildungssystem erhalten. Wir gehen damit einen anderen Weg als andere Bundesländer; denn viele Bundesländer nutzen die zurückgehenden Schülerzahlen, um Lehrerstellen einzusparen. Selbst das reiche Baden-Württemberg streicht Stellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir tun das nicht.

(Beifall bei der CSU)

Nach dem Beschluss der CSU-Landtagsfraktion vom Februar 2014 verbleiben die Stellen, die aufgrund des weiteren Schülerrückgangs rechnerisch wegfallen, also die sogenannte demografische Rendite, für den Rest der laufenden Legislaturperiode im Schulsystem. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion dafür herzlich dankbar; denn wir brauchen diese Stellen.

Zur demografischen Rendite: Die demografische Rendite ist keine dauerhaft feste Größe, sondern sie hängt von den tatsächlichen Schülerzahlen und Entwicklungen ab. Die Schülerprognosen werden im Übrigen jährlich aktualisiert und veröffentlicht. Die Endfassung der Prognose für das Jahr 2015 befindet sich gerade in unserem Hause. Sie wird voraussichtlich bis zur Sommerpause veröffentlicht und auch Ihnen zugeleitet. Wir können rechnen, und ich gehe davon aus, dass Sie lesen können. Diese Prognose stellt eine gute und aktuelle Datengrundlage dar. Die Rendite wird für den Doppelhaushalt berechnet. Sie liegt somit für zwei Jahre fest und wird dann für den nächsten Doppelhaushalt entsprechend aktualisiert. Die Rendite ist da, aber es stimmt – die Beobachtung ist richtig –, dass die Rendite kleiner wird, was ja auch logisch ist.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Unser Antrag war also richtig! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄH- LER): Das geht gegen null!)

- Nein. Sie brauchen sich doch bloß die Zahlen anzusehen. Wenn die Schülerzahlen höher sind als in der Prognose, weil Asylbewerberkinder und Flüchtlingskinder in einem höheren Umfang als erwartet nach Bayern kommen,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann stellt doch die Referendare ein, die wir haben!)

dann wird die Rendite entsprechend kleiner, aber sie ist noch da.

Für das nächste Schuljahr hat der Minister Ihnen die Verwendung der demografischen Rendite vorgelegt. Zunächst werden in einem ersten Schritt die Lehrerstellen entsprechend den Schülerzahlen aus den Schularten herausgezogen und in ein Sammelkapitel gestellt. In einem zweiten Schritt werden sie dann wieder entsprechend verteilt. Das gilt für alle Schularten. Sehr geehrte Frau Kollegin Wild, das gilt natürlich auch für die Realschule, wie Sie es beschrieben haben: Zunächst kommen aufgrund des Schülerrückgangs 218 Stellen heraus und dann aufgrund von politischen Schwerpunktsetzungen wieder 114 Stellen zurück. Das gilt für alle Schularten und entspricht den Festlegungen des Doppelhaushalts.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen die demografische Rendite, um zum einen den erheblichen Zustrom an schulpflichtigen Asylbewerber- und Flüchtlingskindern versorgen zu können. Für den nächsten Doppelhaushalt werden sie entsprechend den Schülerprognosen in den Haushalt eingerechnet; aber wenn es dann, im zweiten Jahr eines Doppelhaushalts, Verschiebungen gibt, wird dazu eben auch die demografische Rendite verwendet.

Wir brauchen die demografische Rendite, um die Inklusion voranzubringen und die Ganztagsangebote auszubauen; hier haben wir ja eine große Weiterentwicklung in diesem Jahr beschlossen. Wir brauchen die demografische Rendite für die Sicherung von kleinen Schulstandorten; deswegen wird der Demografiezuschlag ausgeweitet. Außerdem brauchen wir weitere Verbesserungen, die wir so, wie wir sie angekündigt haben, in unseren Schwerpunktbereichen entsprechend umsetzen.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Aber wenn die demografische Rendite kleiner ist, reicht es dann eigentlich noch aus?)

- Wenn die demografische Rendite kleiner ist, können weniger Verbesserungen umgesetzt werden, das ist logisch. Aber wie man dem Schreiben entnehmen kann, sind natürlich zwei Drittel für Verbesserungen möglich, wenn ein Drittel für die Grundversorgung benötigt wird. Ich bitte also, das Schreiben intensiv zu lesen.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Herr Kollege! – Herr Staatssekretär, gestatten Sie dem Kollegen Piazolo eine Zwischenfrage?

Am Ende meiner Ausführungen.

Am Ende. Gut, danke.

Zur Realschule: Der Kollege Tomaschko hat ausführlich dargelegt, dass die Realschule in unserem differenzierten Schulsystem eine Schlüsselposition innehat. Die Realschule ist attraktiv, sie ist beliebt. Anders als SPD und GRÜNE stehen wir als Bayerische Staatsregierung uneingeschränkt zur Realschule; das kann man, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier gar nicht oft genug deutlich machen.

(Beifall bei der CSU)

Selbstverständlich haben wir in den letzten Jahren auch im Bereich der Realschulen einige Verbesserungen angestoßen. Ein Beispiel ist die Senkung der Klassenstärken von 28 auf jetzt 26,2 Schülerinnen und Schülern.

Zur integrierten Lehrerreserve: Sehr geehrter Herr Kollege Woerlein, wir haben uns ja erst am Freitag in Schwaben im Rahmen einer Schulpartnerschaft getroffen. Sie haben recht, dass Sie das als Schulleiter nicht mehr in dem Maße erlebt haben, weil die integrierte Lehrerreserve früher sehr klein war. Seit 2013/2014 stehen den staatlichen Realschulen aber 110 Lehrerstellen für die sogenannte integrierte Lehrerreserve zur Verfügung. Das kam also erst, nachdem Sie in den Bayerischen Landtag eingezogen sind. Die integrierte Lehrerreserve besteht auch fort im nächsten Jahr im gleichen Umfang. Des Weiteren genehmigen wir alle genehmigungsfähigen Anträge auf Einrichtung von Ganztagsangeboten an den staatlichen Realschulen und stellen dafür entsprechend Lehrerstellen zur Verfügung.

Sie sehen, wir haben in den letzten Jahren viel umgesetzt und viel erreicht. Als Bildungspolitiker betone ich natürlich aber auch, dass wir noch einiges vor uns haben. Wir werden weiter, wie angekündigt,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

an Verbesserungen arbeiten, und ich freue mich auf jeden, der hier mithilft. Die Informationen zu den Schülerzahlen, zu den Prognosen und zu den Renditen

(Günther Felbinger (FREIE WÄHLER): Dann müssen Sie mal die aktuellen Zahlen vorlegen!)

werden auch wieder zu einer Versachlichung der Debatte führen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CSU)

Eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Professor Piazolo. Bitte.

Herr Staatssekretär, erstens habe ich eine Nachfrage zu dem Begriff demografische Rendite. Sie haben definiert, es sei das, was übrig bleibt, wenn die Schüler weniger werden. Das waren einmal etwa 1.100 Stellen. Nun kommen sehr viele Flüchtlinge - damals hatte man das nicht erwartet; Sie haben es angesprochen -, wodurch die Schülerzahlen nicht viel geringer werden. Die Frage ist daher, ob man überhaupt von dem Begriff demografische Rendite sprechen kann, weil sie so eigentlich nicht vorhanden ist. Wenn es ei

gentlich heißt, wir brauchen mehr Stellen aufgrund der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dann möchte ich Sie fragen: Wie viele Stellen planen Sie?

Zweitens. Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie zum Thema Inklusion gesagt: Für diese Herausforderung wollen wir mindestens 100 Stellen zusätzlich. Jetzt sagen Sie, wir holen sie aus der demografischen Rendite, die aber eigentlich schon bald nicht mehr vorhanden ist.

Drittens. Ich erachte es als politisch richtig, die kleinen Schulstandorte zu erhalten. Dafür brauchen Sie aber auch Lehrerstellen, die Sie jetzt aus der demografischen Rendite holen.

Es sind drei Faktoren, welche die demografische Rendite immer kleiner machen und zum Verschwinden bringen. Deshalb lautet meine Frage: Was wird zusätzlich an Stellen draufgesattelt, um diesen drei Herausforderungen zu begegnen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Noch einmal zum System: Unsere Schülerprognosen werden jährlich aktualisiert. Die demografische Rendite wird, weil wir unsere Finanzierung in Doppelhaushalten beschließen, für den Doppelhaushalt berechnet. Das bedeutet, rechnerisch steht sie für zwei Jahre fest, und dann entwickelt sie sich entsprechend den Schülerzahlen. Wenn sich diese ändern, zum Beispiel weil es mehr Asylbewerberkinder als geplant gibt, muss ein Teil aus der demografischen Rendite dafür verwendet werden. Das entspricht - das steht auch in diesem Schreiben - ungefähr einem Drittel. Für weitere Verbesserungen stehen dann noch zwei Drittel zur Verfügung.

Nach diesem Doppelhaushalt erfolgt für den nächsten Haushalt eine komplette Neuberechnung. Dann ist es vermutlich so, dass die demografische Rendite aufgrund der steigenden Zahlen von Asylbewerberkindern und Flüchtlingskindern von Haus aus für diese zwei Jahre kleiner sein wird, weil die Zahlen entsprechend höher sind. Das ist das System.

Das Thema Inklusion ist uns im Bayerischen Landtag ein sehr wichtiges Anliegen. Auch in der Bayerischen Staatsregierung haben wir beschlossen, jährlich 100 zusätzliche Stellen zur Verfügung zu stellen; und zwar aus der demografischen Rendite, wie das in dem Schreiben an den Bildungsausschussvorsitzenden dargelegt worden ist. Für die Sicherung von kleinen Schulstandorten werden wir den Demografiezuschlag im nächsten Schuljahr um 30 Stellen erhöhen.

(Beifall bei der CSU)