Protokoll der Sitzung vom 16.07.2015

(Beifall bei der CSU)

Ich denke, damit sind die Fragen des Herrn Kollegen Piazolo beantwortet.

Vielen Dank. Bitte verbleiben Sie noch am Rednerpult, Herr Staatssekretär. Der Kollege Güll hat eine weitere Zwischenfrage. Bitte.

Herr Staatssekretär, wir sprechen jetzt vom ersten Jahr der demografischen Rendite und noch nicht von 2016. Das heißt, wir haben jetzt sozusagen ein paar Monate vorher errechnet, was wir offensichtlich eigentlich zurückgeben könnten, und das ist nämlich die demografische Rendite. Jetzt treten Sie als der große Gönner auf und sagen: Schaut mal her, wir in Bayern lassen das großzügig im System. Eigentlich haben Sie sich ganz brutal verrechnet; denn die steigende Anzahl der Flüchtlinge und die Notwendigkeit von deren Beschulung hätte man eigentlich vorhersehen können.

(Zurufe von der CSU)

- Vielleicht nicht auf die Zahl genau. – Ich will damit aber auch sagen, wenn wir heute den Fokus ausnahmeweise auf die Realschulen legen - an diesem Beispiel ist das schön zu sehen, denn dort schlagen die zu beschulenden Flüchtlinge nicht derart auf, sondern hier gibt es einfach noch dynamische Entwicklungen, die Sie einfach ignoriert haben - dann zeigt sich bei dieser Berechnung: Sie benötigen allein 60 Planstellen, um die Grundversorgung in den Realschulen sicherzustellen. Dann haben Sie noch drei, vier, fünf andere kleine Bereiche, die in Ihrem Programm auch vorkommen und aufgelistet sind, wie zum Beispiel Ganztag, Inklusion usw.

Wir richten heute den Fokus auf die Maßnahmen, die Sie auch versprochen haben: Auch in den Realschulen sollen die Klassen kleiner werden. Der Aufbau der integrierten Lehrerreserve soll fortgesetzt werden. Davon sehen wir aber in dieser Auflistung nichts mehr, weil nichts mehr übrig ist. Deswegen müssen Sie hier im Hohen Haus einmal ein Wort dazu sagen – so verstehe ich auch die Anträge der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN -, wie es denn in den nächsten Haushalten weitergehen soll. Brauchen wir die Stellen, oder können wir die anderen Maßnahmen, die immer wieder gefordert werden, wie Abbau der Klassen oder Aufbau der integrierten Lehrerreserve, abschreiben, weil sie einfach nicht mehr zu haben sind? Mit der demografischen Rendite werden wir sie nicht bekommen. Das ist der Grund des Antrags. Dazu brauchen wir bitte eine Stellungnahme von Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatssekretär.

Ich bewundere jeden, der in der Lage ist, die Zahl der Flüchtlingskinder und die Asylbewerberströme gut vorauszuberechnen. Derjenige, der das kann, ist einzigartig in ganz Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Diese Entwicklung hat alle Bundesländer in Deutschland überrascht. Dies sieht man auch daran, dass die entsprechenden Zahlen von den Bundesbehörden monatlich nach oben korrigiert worden sind. Wir zählen nicht selber, sondern wir sind auf die Statistiken und die Zuarbeit von Bundesbehörden angewiesen.

Ich kann nur wiederholen, was ich vorhin schon gesagt habe. Der Spielraum der Rendite wird kleiner, wenn die Schülerzahl sich gegenüber der Prognose verändert. Wenn mehr Schüler im Schulsystem sind, weil Asylbewerberkinder und Flüchtlingskinder zu uns kommen, wird der Spielraum für Verbesserungen im System kleiner. Das ist unbestritten. Wir können Verbesserungen weiter vorantreiben. Wir können aber nicht mehr so viele Verbesserungen voranbringen. Wichtig sind die Schwerpunkte, die wir gesetzt haben. Wir müssen die Asylbewerberkinder und Flüchtlingskinder ordentlich beschulen. Wir müssen die Ganztagsangebote und die Inklusion ausbauen. Und wir müssen die kleinen Schulstandorte auf dem Land erhalten. Dafür haben wir auch zusätzliche Stellen aus der demografischen Rendite, wie wir es dargelegt haben.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Die SPD hat für ihren Antrag namentliche Abstimmung beantragt.

Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/7557 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Jetzt lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/7579

abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Die CSUFraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Jetzt lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der SPDFraktion auf Drucksache 17/7551 namentlich abstimmen. Die Urnen stehen bereit. Ich bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Sie haben fünf Minuten Zeit. Ich eröffne die Stimmabgabe.

(Namentliche Abstimmung von 15.04 bis 15.09 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist um. Ich beende die Abstimmung und bitte, die Stimmkarten draußen auszuzählen. Das Ergebnis geben wir zu einem späteren Zeitpunkt bekannt. – Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Alexander Muthmann u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Kein drittes Hilfspaket für Griechenland: Für einen fairen und ehrlichen Umgang mit dem bayerischen Steuerzahler und dem griechischen Hilfsbedarf (Drs. 17/7552)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Europäischen Einigungsprozess fortführen (Drs. 17/7580)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Ich darf als Erstem Herrn Kollegen Muthmann das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein schwieriges Thema, einen Königsweg gibt es an dieser Stelle und in dieser Phase sicher nicht mehr.

(Zuruf von der CSU: Warum habt ihr dann den Antrag gestellt?)

- Teuer wird es so oder so, aber dann sollte man es wenigstens ehrlich und richtig machen. Wenn in diesen Tagen von neuen Krediten und neuen Finanzhilfen die Rede ist, dann ist doch allen klar, dass dieses Geld nie mehr zurückkommen wird. Das muss man

auch sagen dürfen. Auf dieser Grundlage muss man auch über Lösungen nachdenken. Natürlich gibt es keine leichte Entscheidung in der Frage, ob der EU, ob der Eurozone und ob auch Griechenland mit einem dritten Hilfspaket wirklich geholfen ist. Es gibt Gründe für dieses Hilfspaket. Davon will ich ein paar nennen: Einmal ist das Hilfspaket die Fortsetzung des ursprünglich eingeschlagenen Weges. Die Eurozone soll erhalten werden. Ein Ausfransen soll von vornherein verhindert werden. Ein wichtiger Aspekt ist zudem, dass das Verhältnis zu Frankreich nicht über die Maßen belastet werden soll. Immerhin – das ist bekannt – sind französische Institutionen und Banken besonders in Griechenland engagiert. Zuletzt – das ist sicherlich mehr an die Staatsregierung gerichtet – soll die Kanzlerin nicht beschädigt werden. Man braucht sich bei einer Fortsetzung dieses Weges nicht mit dem Ausfall von Forderungen zu befassen. Da wird es schon fragwürdig. Es bedarf keiner Rechtfertigung für solche Forderungsausfälle. Die Fortsetzung der bisherigen Politik verlagert die Belastungen auf künftige Generationen, auch auf künftige Politikergenerationen. Das ist ein probates Mittel. Die Fortsetzung der bisherigen Politik erübrigt im Übrigen auch das Eingeständnis, dass die bisherige Politik in Griechenland, auch die Politik der EU, erfolglos war.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das sind durchaus nachvollziehbare Gründe; aber sie sind eben nicht gut genug, um die Fortsetzung dieser Politik zu rechtfertigen; denn auch die Politik kann ökonomische Gesetze nicht außer Kraft setzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Lassen Sie mich sagen, warum wir ein drittes Hilfspaket und insbesondere ein Hilfspaket wie das vorgesehene für falsch halten. Ich werfe zunächst einen Blick auf die Entwicklung in Griechenland von 2010 bis 2014. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen ist um 30 % gesunken, der Durchschnittslohn hat um 38 % abgenommen, die Durchschnittsrente um 45 %. Einen Anstieg kann man bei den Depressionen finden, wo es ein Plus von 270 % gab.

Der bisherige Weg bietet keine neuen Perspektiven für Griechenland. Das ist der zentrale Punkt. Das wissen wir alle. Die Schuldentragfähigkeit ist nicht gegeben. Griechenland nähert sich bei der Gesamtverschuldung der 200-%-Marke. Damit ist die Schuldenlast für dieses Land sicherlich untragbar geworden. Wenn der IWF in diesen Tagen vorschlägt, Griechenland nicht nur bis 2020 oder 2023, sondern für die nächsten 30 Jahre von allen Zahlungen im Zusammenhang mit den Krediten zu befreien, spricht das eine deutliche Sprache. Ständige Einschränkun

gen können keine Konjunkturbelebung auslösen. Ich erinnere nur an unser Konjunkturprogramm des Jahres 2009. Das jetzige Spardiktat wird Griechenland nicht helfen, sondern es eher erdrosseln. Eine Erholung ist bei den bestehenden Ausgangsbelastungen einfach nicht zu erwarten. Die Ausgangslage ist zu schlecht. Um Missverständnissen vorzubeugen: Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Griechen; aber die EU hat die Entwicklung über Jahre begleitet. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten einen verantwortungsvollen Umgang mit des Steuerzahlers Geld.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Es macht keinen Sinn, die Probleme Griechenlands mit immer mehr Geld zuschütten zu wollen. Das spüren die Menschen, und wir alle wissen es. Die Eurozone in ihrer jetzigen Verfassung macht keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Wenn Griechenland um jeden Preis in der Eurozone gehalten werden soll, bleiben andere draußen. Polen beispielsweise hat mit Blick auf die derzeitige Gemengelage und die immerwährende Diskussion erklärt, an einem Beitritt zur Eurozone kein Interesse zu haben. Die Performance ist schlicht nicht attraktiv. Wir erleben es täglich: Das permanente Ringen um Griechenland lähmt den Euro, vor allem aber die Europäische Union. Es gäbe genügend noch wichtigere globale Themen. Ich will nur die Flüchtlingssituation, die Asylsituation und die Klimaentwicklung nennen, mit denen sich die Europäische Union kraftvoll befassen müsste. Die Menschen erwarten eine ehrliche und klare Politik. Es geht auch um die Reputation der Politik und die Wertschätzung der Europäischen Union insgesamt. Die Menschen haben derzeit angesichts des ständigen Ringens und Verhandelns das Gefühl, dass hier mehr getäuscht als getauscht wird. Dem ist ein Ende zu setzen. Zuletzt sei gesagt: Nicht der Euro, sondern die Europäische Union ist das erfolgreiche Friedens- und Freiheitsprojekt, das nicht zur Debatte steht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Deswegen teilen wir Finanzminister Söders Einschätzung. Leider ist er heute nicht da; möglicherweise hat er eine namentliche Abstimmung gefürchtet.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Grexit wäre der fairste und ehrlichste Weg, fraglos auch teuer, fraglos auch holprig, aber die beste Chance für eine stabile Europäische Union und einen Erfolg versprechenden Neubeginn in Griechenland. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und insbesondere der Staatsregierung, Loyalitätspflichten gegenüber der Bundeskanzlerin haben. Das stellt möglicherweise

das größte Problem dar. Aber machen Sie ihr klar, dass sie, die Bundeskanzlerin, nach unserer festen Überzeugung dabei ist, der EU mit dieser Politik eher zu schaden und sie zu schwächen als zu stärken.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Deswegen bitte ich im Sinne unseres Antrags darum, für eine klare, ehrliche Politik und einen ehrlichen Umgang mit dem Griechenland-Problem zu sorgen und unserem Antrag zuzustimmen.

Zum nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN sei gesagt, dass auch Sie, wenn ich Ihren Antrag richtig verstanden habe, unserem Antrag durchaus zustimmen wollen.

(Lachen bei den GRÜNEN – Margarete Bause (GRÜNE): Das haben Sie nicht richtig verstanden!)

Was jetzt mit diesem dritten Hilfspaket geschehen soll, stößt nicht auf Ihre Zustimmung. Die Erdrosselung Griechenlands, die in Ihrem Antrag beschrieben ist, kann an dieser Stelle Ihrerseits konsequenterweise nicht unterstützt werden. Wenn man den Blick auf Griechenland richtet, geht es in diesen Tagen um einen Euro-Kolonialismus. Wenn beispielsweise die Griechen neue Gesetze machen wollen, die haushaltsrelevant sind, müssen sie solche Gesetze zunächst in Brüssel zur Zustimmung vorlegen, bevor sie sie in ihr eigenes Parlament einbringen. Das gilt für viele andere Dinge mehr. Das ist nichts, was die Europäische Union stabilisiert, sondern stellt ein Diktat des Euro dar. Das wollen wir ganz bestimmt nicht. Wir lehnen diesen Weg ab und fordern einen Neuanfang. Das sind die Chancen für Europa und Griechenland. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Kamm. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Muthmann, leider können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Sie gefährden das Friedens- und Freiheitsprojekt Europa.