Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

Die Staatsregierung ergreift die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnheimversorgung der Studierenden. Hierfür gibt es ein eigenständiges Förderprogramm mit zins- und tilgungsfreiem Baudarlehen. Im Ergebnis kommt diese Förderung bei bestimmungsgemäßer Belegung der Wohnheimplätze einem verlorenen Zuschuss gleich.

Im Doppelhaushalt 2015/2016 sind für die Förderung von Wohnheimplätzen für Studierende jeweils 22,5 Millionen Euro veranschlagt und damit jeweils fünf Millionen Euro mehr als in den Jahren vor 2014. Wegen des dringenden Bedarfs an preiswertem Wohnraum für Studierende wurde und wird die im Staatshaushalt eingeräumte Befugnis genutzt, diesen Betrag um weitere 10 Millionen Euro zulasten des bayerischen Wohnungsbauprogramms aufzustocken. Es ist also nicht so, dass aufgrund gegenseitiger Deckungsfähigkeit von den 22,5 Millionen Euro etwas abfließt, sondern die Realität ist, dass statt der direkt veranschlagten 22,5 Millionen Euro 32,5 Millionen Euro in den vergangenen Jahren in den Wohnungsbau für Studenten geflossen sind. Vor diesem Hintergrund sind die beiden Dringlichkeitsanträge der Opposition obsolet.

Der Wohnraumbedarf allgemein und der Bedarf an Wohnheimplätzen werden absehbar hoch bleiben. Eine Entspannung des Wohnungsmarktes kann wirksam nur durch eine verstärkte Bautätigkeit herbeigeführt werden. Bauen, bauen, bauen muss die Devise sein. Das gilt natürlich auch für Wohnheimplätze für Studierende.

Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Staat allein wird es nicht richten können. Wir brauchen private Investitionen in den Wohnungsbau. Steuerliche Anreize hierfür sind ein unverzichtbares Element. Die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Mietwohnungsneubau ist dringend geboten. Ich sehe in der Diskussion in den vergangenen Wochen und Monaten, dass die Länder, die das bisher blockieren und nicht haben wollten, weil sie Einnahmenverluste befürchtet haben, erfreulicherweise nun wohl so weit sind, dass der Bundesrat dieser Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Mietwohnungsbau zustimmen wird.

Ebenso sind die Kommunen selbstverständlich aufgefordert, Bauland zu erschwinglichen Preisen verfügbar zu machen. Auch bundes- und landeseigene Liegenschaften sind hier mit einzubeziehen. Wenn es uns dann schlussendlich noch gelingt, die enorme Verteuerung des Wohnungsbaus, die in den vergangenen Jahren erfolgt ist, zu begrenzen bzw. vielleicht abzusenken und die entsprechenden Standards so weit anzupassen, dass man auch noch wirtschaftlich bauen kann, dann bin ich durchaus zuversichtlich, dass wir diese große Herausforderung meistern können. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Kollege Lotte hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Rotter, ich bin schon etwas verwundert, dass Sie unseren Antrag ablehnen, obwohl Sie doch gleichzeitig in Ihrer Rede gesagt haben, dass diese Anliegen explizit Ziel der Bayerischen Staatsregierung ist. Geben Sie mir aber Gelegenheit, noch zwei Fragen an Sie zu richten.

Erstens: Sind Sie mit mir der Meinung, dass das vorgestellte Programm der Bundeswohnungsbauministerin Hendricks, das Modellvorhaben "Nachhaltiges Wohnen für Studenten und Auszubildende" einen sinnvollen Beitrag in Bayern leisten kann, um Wohnraum für Studierende zu schaffen?

Zum Zweiten: Herr Staatssekretär Eck hat an die Städte appelliert, geeignete, bezahlbare Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Sind Sie mit mir der Meinung, dass das auch für den Freistaat Bayern gelten sollte?

Danke schön, Herr Kollege. Herr Kollege Rotter, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Lotte, wenn Sie mir bis zum Schluss aufmerksam zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen müssen, dass ich ausdrücklich erwähnt habe, dass auch bundes- und landeseigene Liegenschaften mit einzubeziehen sind. Das habe ich im Übrigen nicht das erste Mal hier gesagt, sondern das sage ich immer wieder beim Thema sozialer Wohnungsbau. Das schlägt hier immer wieder auf, weil es eine ganz wichtige Herausforderung ist.

Sie haben Frau Hendricks erwähnt. Ich finde es prima, dass sie endlich, nachdem sie zwei Jahre im Amt ist, entsprechend initiativ wird und in den Haushaltsverhandlungen des Bundes endlich mehr Mittel dafür fordern und wohl angesichts der aktuellen Situation auch bekommen wird. Also da sind wir beieinander.

(Andreas Lotte (SPD): Zuständig ist ja das Land!)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Osgyan von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Die Diskussion, die wir führen, ist wichtig, und vor allem ist sie keine neue. Wir haben jedes Jahr zum Semesterbeginn entsprechende Schlagzeilen. "DER SPIEGEL" titelt aktuell: "WG-Suche – Studenten finden keine Wohnung". "DIE ZEIT" schreibt: "Studenten: Ich will doch nur wohnen" und, und, und. Das sind nur einige Beispiele. Das Problem ist kein neues; es hat sich über Jahre hinweg aufgebaut.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich habe am vergangenen Freitag die Antwort auf meine Schriftliche Anfrage zur Entwicklung der Wohnraumsituation der Studierenden in Bayern seit 2001 bekommen. Wir müssen konstatieren, dass wir 150.000 Studierende hinzugewonnen haben; das empfinde ich als sehr positiv für unseren Standort. Im selben Zeitraum sind aber nur knapp über 5.000 neue Wohnheimplätze entstanden. Das geht einfach nicht zusammen. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Rotter, ich muss Ihnen widersprechen: Der Vertreter des Wissenschaftsministeriums hat im Ausschuss gesagt, wir müssten damit rechnen, dass die Studierendenzahlen erst ab 2025 zurückgehen werden. Das Problem wird also noch eine gewisse Zeit lang bestehen. Die Situation wird sich nicht von selbst verbessern.

Wir haben schon gehört, dass an den großen Hochschulstandorten die Mieten in den vergangenen fünf Jahren exorbitant – um circa 30 % – gestiegen sind. Das betrifft nicht nur München, sondern auch die Universitäts- und Hochschulstandorte Bamberg, Bayreuth, Erlangen-Nürnberg und viele andere. Aber gerade an den Standorten, wo der Markt entsprechenden Wohnraum nicht hergibt – die Zahlen sind seit Jahren bekannt –, wird wenig getan. Ich kann unserem Bauminister nicht vorwerfen, dass er seine Heimatstadt Erlangen besonders bevorzugt habe. Dort verzeichnen wir seit 2001 eine Verdoppelung der Studierendenzahlen, während die Zahl der Wohnheimplätze real zurückgegangen ist. In ganz Bayern können nur 11 % der Studierenden Wohnheimplätze in Anspruch nehmen. Diesen – schlechten – bayernweiten Schnitt haben wir jetzt auch in Erlangen. Im Jahr 2001 waren es aber schon einmal 20 %.

Schauen wir nach Regensburg, einer Stadt mit 20.000 Studierenden: Dort wurden im vergangenen Jahr lediglich 191.000 Euro für Wohnheimplätze ausgegeben.

Diese Zahlen sprechen für sich. Es haut nicht hin. Die Diskrepanz wird immer größer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gebe zu: Die Haushaltsmittel sind immer wieder einmal erhöht worden; die Erhöhung hält aber mit dem deutlich wachsenden Bedarf nicht Schritt. Wenn es galt, Sparpotenzial zu erschließen, dann ging das bisher immer wieder zulasten der Studierenden. Wir hatten schon einmal eine relativ gute Quote erreicht; sie ist schon wieder zurückgefahren worden.

Dabei habe ich den Sanierungsbedarf, der nicht nur bei Hochschulbauten, sondern auch bei Wohnraum für Studierende enorm hoch ist, noch gar nicht angesprochen. Auch das Thema Barrierefreiheit möchte ich nicht anschneiden, obwohl Barrierefreiheit im gesamten Hochschulwesen fast überhaupt nicht gegeben ist.

Besonders ärgert mich, dass die Mittel für die Studierendenwerke nicht nur nicht angestiegen, sondern sogar noch kontinuierlich zurückgefahren worden sind. Dabei sind Studierendenwerke wichtige Garanten der Chancengerechtigkeit. Obwohl ohnehin nur 9 % ihres Haushalts aus öffentlichen Mitteln gespeist werden, lässt die Staatsregierung gerade die Studentenwerke im Regen stehen. Das finde ich sehr ärgerlich.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir haben bereits in den letzten Jahren diverse Haushaltsanträge dazu gestellt und werden das wieder tun. Dies verbinden wir mit der Hoffnung, dass Sie endlich einem unserer Anträge zustimmen. Das Problem liegt auf der Hand; das besagen Ihre eigenen Zahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayern steht, was die Wohnraumsituation der Studierenden angeht, auch im internationalen Vergleich wirklich schlecht da. Bei uns haben nur 11 % aller Studierenden die Möglichkeit, ein öffentlich gefördertes Appartement zu beziehen; in Finnland, dem PISATest-Sieger, sind es 32 %. Im angelsächsischen Raum sind Campus-Unis völlig normal. Es ist auch unter dem Gesichtspunkt des internationalen Wettbewerbs wichtig, dass wir unseren Standort attraktiv halten.

Wir wissen, dass die soziale Schere im Hochschulbereich immer weiter auseinanderklafft. Es ist ein Armutszeugnis, dass es im Jahr 2015 immer noch junge Menschen gibt, die nur deshalb nicht studieren können, weil sie sich keine Wohnung leisten können. An diesem Problem müssen wir ansetzen. Bayern hat mit nahezu 50 % eine der höchsten Quoten an Studierenden, die zu Hause bei ihren Eltern wohnen. Ich finde das wunderbar, wenn es um die Wahrung familiärer Bande geht. Wenn der Grund aber darin besteht, dass am Studienort keine Wohnung gefunden wird – und deshalb der Studienwunsch nicht verwirklicht werden kann –, dann ist das einfach ein Problem. Bayern ist ein Wissenschaftsstandort. Die Bayerische Staatsregierung muss endlich handeln und studentisches Wohnen besser fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Exzellente Leitungen können wir nur dann erwarten, wenn wir die Bedingungen dafür schaffen. Dazu gehört, dass das Wohnen am Studienort möglich sein muss, auch wenn die Eltern keine Mietbürgschaft unterschreiben können.

Ich habe auf der Homepage des Ministeriums gelesen:

Bayernweit beste Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium zu schaffen, ist ein Kernziel des Wissenschaftsministeriums.

Ich fordere Sie auf, das endlich umzusetzen. Wir haben nicht mehr ewig Zeit. Sie selbst haben gesagt, dass Sie die frühere Quote von 15 % wieder anstreben. Daher besteht aus meiner Sicht kein Grund, dem Antrag der SPD und dem der FREIEN WÄHLER nicht zuzustimmen. Wir stimmen beiden Anträgen zu. Dem Antrag der CSU stimmen wir allerdings nicht zu, weil

er nur auf ein Weiter-so abzielt. Das reicht einfach nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Rotter hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.

Liebe Frau Kollegin Osgyan, nachdem Sie die angelsächsischen Universitäten erwähnt und auf den hohen Anteil an Campus-Universitäten dort hingewiesen haben, möchte ich Sie nur fragen, ob Ihnen bekannt ist, wie teuer ein Studium in angelsächsischen Ländern, insbesondere in den USA, ist und wie lange die Studierenden oder deren Eltern hinterher die hohen Kredite abzubezahlen haben. Ich meine, dagegen sind unsere Wohnraumprobleme – die ich nicht geringschätzen möchte! -, wirklich Pipifax.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Sie haben recht: Was Chancengerechtigkeit betrifft, sind die angelsächsischen Länder für uns kein Vorbild. Aber wir müssen uns überlegen, wie wir angesichts der fortschreitenden Internationalisierung bei uns wettbewerbsfähige Bedingungen herstellen können. Es geht vor allem darum, dass wir bezahlbaren Wohnraum für Studierende schaffen.

Was gern verschwiegen wird, wenn es um das angelsächsische System geht: Dort ist die Quote an Stipendien enorm noch. Daher ist die direkte Vergleichbarkeit mit der Situation bei uns nicht gegeben. Harvard und Yale betreiben Bestenauslese, vergeben aber an 70 % der Studierenden Stipendien.

(Manfred Ländner (CSU): Wie hoch ist der Anteil? Wie viel Prozent?)

Zwischen 60 und 70 %.

Wir halten hier keine Zwiesprache. – Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Gut. – Ich danke Ihnen auf jeden Fall für die Anmerkung. Das ist ein wichtiger Punkt. Das lenkt allerdings aus meiner Sicht davon ab, dass wir bei uns einen echten Mangel an Wohnraumplätzen für Studierende haben. Dagegen müs

sen wir etwas tun. Ich fordere Sie noch einmal dazu auf, jetzt zu handeln. Wir haben, was diesen Punkt angeht, in Bayern keine gute Situation. Das zeigt ein Vergleich sowohl mit anderen Bundesländern als auch mit dem Rest von Europa. Auch Finnland hat ein kostenloses Bildungssystem. Was die hinbekommen, müssten wir in Bayern doch auch hinbekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)