Protokoll der Sitzung vom 09.12.2015

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit beträgt für die Fraktionen entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat 24 Minuten. Erster Redner ist Kollege Professor Dr. Piazolo.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Wie lange war das?)

- 24 Minuten, Herr Kollege. – Bitte, Herr Professor Piazolo.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich an die Erste Lesung und die Beratungen im Hochschulausschuss zurückdenke, erinnere ich mich daran, welch großes Lob der Studienabschluss "Bachelor" von allen Fraktionen bekommen hat - außer von uns. Deshalb wollte ich nachfragen, welche Anerkennung dieser Bachelor in der Bevölkerung erfährt. Daher bin ich in den letzten Tagen in München in der Fußgängerzone unterwegs gewesen und habe gefragt, ob der Abschluss "Bachelor" bekannt ist. Was glauben Sie, werte Kollegen, wie viele Münchnerinnen und Münchner den Bachelor überhaupt als Studienabschluss kennen? Gut, es war keine repräsentative Umfrage. Aber es war nur ein Viertel! Nur 25 % der Bevölkerung wissen zehn Jahre nach dem Bologna-Prozess, dass das ein Studienabschluss ist. Das liegt knapp 2 % über der Anzahl derjenigen, die antworteten: RTL-Fernsehserie. Das ist erschreckend! Ein Begriff wie der Bachelor ist bei der Bevölkerung nach über zehn Jahren noch immer nicht angekommen. Das ist eine Watschen für ihre Hochschulpolitik, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich habe übrigens auch nach dem Diplom gefragt. Da traf ich keinen Einzigen, der nicht wusste, dass das Diplom ein Studienabschluss und ein Titel ist. Da sieht man, welchen Unterschied es in diesen Bereichen gibt. Deshalb sage ich deutlich – gerade auch an die Staatsregierung und die CSU-Fraktion gerichtet –: Die Abschaffung des Diploms, die Abschaffung des Titels Diplom war eine der größten hochschulpolitischen Dummheiten der letzten Jahrzehnte.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Was ich schon gar nicht verstehen kann, ist Folgendes: Gerade die Kollegen der CSU, die zurzeit draußen rumrennen und von bayerischer und deutscher Leitkultur sprechen, führen zwar den Begriff Leitkultur im Mund, gleichzeitig aber führen sie angloamerikanische Begriffe wie Bachelor und Master in der Hochschulpolitik ein.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wo bleibt denn da Ihre so gerühmte Leitkultur?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das Diplom abzuschaffen und angloamerikanische Systeme einzuführen, das ist - das muss ich ganz deutlich sagen - im Grunde ein hochschulpolitischer Kurs, den man nicht nur nicht teilen kann, sondern geradezu verurteilen muss.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Schämt euch!)

Deshalb fordern wir: Greift doch auf einen bekannten Titel zurück und füllt ihn mit neuem Inhalt; denn vieles, was der Bologna-Prozess gebracht hat, ist nicht gut. Manches ist aber durchaus verwertbar. Deshalb fordern wir: Nehmen wir doch diese anerkannte Marke Diplom, beleben sie neu, führen sie teilweise neu ein als Diplomstudium mit Exzellenzanspruch! Auch das hören wir ja immer wieder von der Staatsregierung: Wir sind exzellent. Entwickeln wir eine Marke, die für Bayern und Deutschland einmalig ist und nicht angloamerikanischen Abschlüssen hinterherrennt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das heißt: berufsqualifizierend, 240 ECTS-Punkte, damit stärker als Bachelor, praxisorientiert mit zusätzlichen Praktiken, anwendungsorientiert in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und wissenschaftsfundiert mit einer eigenen Diplomarbeit. Das sind unsere Vorstellungen eines Diplomstudiums von Klasse, von Modernität, praxisorientiert. Das kann ein Gütesiegel im bayerischen Hochschulraum werden. Dafür werben wir. Das tue ich nicht nur heute, sondern auch in den nächsten Wochen und Jahren, so lange, bis wir das in Bayern durchgesetzt haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt dabei keine Verwirrung, sondern der Titel Diplom ist in der Bevölkerung bestens bekannt. Es gibt keine Akkreditierungsschwierigkeiten. Wir können das locker machen. Dresden kann es auch, und was die Sachsen können, können wir schon lange.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das wäre auch kein Sonderweg in Europa, wie es von der CSU behauptet wird. Wir als FREIE WÄHLER stehen für Sonderwege nicht zur Verfügung. Viele andere Länder haben das Diplom behalten, nur wir, die Erfinder des Diploms, wir Deutsche haben es abgeschafft. Dagegen wehren wir uns, und dagegen werden wir politisch aktiv.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Piazolo. – Für die CSU-Fraktion kommt jetzt Kollege Westphal, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits dargestellt, haben wir die Argumente zu diesem Gesetzentwurf in vielfältiger und sehr umfassender Art und Weise bereits in der Aktuellen Stunde ausgetauscht, wir haben sie im Ausschuss diskutiert und tun es jetzt hier im Plenum.

Alle Fraktionen mit Ausnahme der FREIEN WÄHLER haben sich eindeutig gegen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das spricht für uns!)

Kollege Aiwanger, ein Spruch heißt: "Wer schreibt, bleibt", nicht "Wer schreit, bleibt."

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Ich möchte einige wesentliche Punkte herausarbeiten; denn das ist für die Kollegen notwendig, die nicht im Ausschuss Mitglied sind. Die FREIEN WÄHLER wollen die Einführung von modularisierten, erweiterten grundständigen Diplomstudiengängen, sie wollen die akademischen Grade "Diplom Universität" und "Diplom FH" wieder einführen, und sie wollen die Umstellungspflicht unserer Hochschulen auf das Bachelorund Mastersystem wieder aufheben. Damit soll den angeblich fehlenden Praxisbezügen bei den Bachelorstudiengängen begegnet und dem hohen Interesse an den Masterstudiengängen entgegengewirkt werden, und wie ich vorhin gehört habe, will man wohl eine Abkehr vom Bologna-Prozess.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist weder sinnvoll noch zielführend. Er ist nicht auf die Zukunft ausgerichtet, sondern ist rückwärts gewandt. Er bringt keine Qualitätssteigerung mit sich. Weder die Studenten noch die Hochschulen noch die Unternehmen werden dadurch Vorteile haben. Er ist von uns deshalb nicht gewollt.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Von Ihnen nicht! Von uns schon!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das an einigen Punkten noch einmal deutlich machen, auch wenn der Kollege Aiwanger jetzt wieder dazwischenschreit. Bachelor und Master haben sich bewährt und sind gut angenommen worden. Der Bologna-Prozess läuft nun seit 1999. 48 Staaten haben sich daran beteiligt. Sämtliche Universitäten und Hochschulen für

angewandte Wissenschaften in Bayern haben sich dementsprechend darauf eingestellt und ihre Studiengänge umgestellt. Es gibt 869 Bachelor-Studiengänge und 933 Master-Studiengänge. Die Hochschulen sind somit zielstrebig an diese Aufgabe herangegangen und haben sie erfolgreich gelöst. Das ist bereits ein Beleg dafür, dass kein Bedarf für diese Reform besteht.

Mit der Umstellung des Systems haben wir immer das Ziel verfolgt, mehr Internationalisierung und Mobilität zu erreichen. Wir haben dabei gute Fortschritte erzielt. Die Zahl der ausländischen Studenten ist gestiegen. Mehr Studenten als früher setzen ihr Studium im Ausland fort. Wir haben die Möglichkeiten erleichtert, um die Hochschule und den Studiengang zu wechseln. Heute besteht deutlich mehr Vergleichbarkeit, als das im System vorher der Fall war. Die Umstellung auf Bachelor und Master bietet neue Möglichkeiten, interdisziplinär zu arbeiten, sich besser zu spezialisieren und sich international auszutauschen. Daher wäre die Einführung von Diplom-Studiengängen ein Schritt in die falsche Richtung.

Wir haben mehr Praxis- und Berufsbezogenheit als vorher. Das zeigen keine Umfragen aus der Fußgängerzone, die ich selber durchgeführt habe. Das zeigen Befragungen etwa des Instituts der deutschen Wirtschaft. Diese Befragungen zeigen deutlich, wie hoch die Zufriedenheit ist.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die waren auch für das G 8 und sind jetzt für das G 9!)

- Ich sage es noch einmal: Nicht wer schreit, bleibt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie reagieren doch darauf!)

- Ist ja gut. Darüber können wir hinterher noch diskutieren, Herr Kollege. - Außerdem - das halte ich auch für maßgeblich - würden wir mit der Einführung von Diplom-Studiengängen niemanden davon abhalten, das Masterstudium zu wählen. Das Masterstudium wird gewählt, damit man sich weiter qualifizieren kann. Wir haben den Hochschulen auch die Möglichkeit eröffnet, den Master- und den Diplomabschluss mit einer Äquivalenzerklärung gleichzustellen, wie das die TU München gemacht hat. Es darf aber die Frage gestellt werden, warum nicht deutlich mehr Hochschulen von der Äquivalenzerklärung, der Gleichstellung beider Abschlüsse, Gebrauch machen. Man wird darauf stoßen, dass es dieses Bedürfnis nach DiplomStudiengängen nicht gibt, wie es die FREIEN WÄHLER gerne hätten.

Herr Kollege Professor Piazolo, weiter hätte die Einführung des Diplom-Studiengangs sehr wohl negative

Folgen. Sie würde zu Unruhe und Unsicherheit an den Hochschulen, bei den Unternehmen und unter den Studenten führen. Es würde sehr wohl eine Titelverwirrung geben; denn es wäre nicht eindeutig ersichtlich, ob es sich um einen einphasigen, einen mehrphasigen oder einen modularisierten Studiengang handelt. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Mobilität würden reduziert, und die Internationalisierung würde zurückgeworfen werden. Das wird nicht nur von mir behauptet, sondern auch vom TU-Präsidenten Herrmann, vom Verein "Hochschule Bayern" und vom Bayerischen Industrie- und Handelskammertag, der sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen und darauf verwiesen hat, dass Vorhandenes zu stärken sei und etwaige Probleme im Rahmen des bestehenden Systems zu bearbeiten seien.

Fazit meinerseits: Einen Bedarf für die Reform, wie mit diesem Gesetzentwurf gefordert, besteht nicht. Eine Reform würde keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Situation mit sich bringen. Sehr geehrter Professor Piazolo, wir als CSU sind in Bayern daheim und in der Welt zu Hause.

(Lachen bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Oh je!)

Deswegen ist es kein Problem, sich mit Abschlüssen wie dem Bachelor und dem Master auseinanderzusetzen. Sie stehen mit Ihrem Gesetzentwurf auf dem hochschulpolitischen Abstellgleis. Uns ist es wichtig, das bestehende System so gut wie möglich zu nutzen. Wir sollten es voranbringen. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Ich möchte Sie alle dazu einladen, diesen Weg gemeinsam mit uns weiterzugehen. Den vorliegenden Gesetzentwurf werden wir seitens der CSU-Fraktion nach wie vor ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Westphal, vielen Dank für die Ausführungen. Bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. Herr Professor Piazolo hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte sehr.

Lieber Herr Kollege Westphal, ich habe zwei oder drei Bemerkungen. Erstens sollten wir schon deutlich machen, wovon wir reden. Das war auch in den ersten beiden Aussprachen der Fall. Sie können kein Diplom, wie Sie es sich wünschen, hier vorstellen, um es dann abzulehnen. Wir wollen mit unserem Diplom keine Abkehr von Bologna. Das behaupten Sie zwar immer, das stimmt jedoch überhaupt nicht. Das geht übrigens auch rechtlich nicht. Das wollen wir nicht. Wir wollen auch keine Unterscheidung zwischen Di

plom (FH) und Diplom (univ.). Wo steht das denn? Das wäre wirklich ein Zurück. Das sind Behauptungen, die einfach nicht stimmen.

(Oliver Jörg (CSU): Dann lösen Sie das Wirrwarr doch auf!)

Glauben Sie denn, dass die Sachsen verwirrt sind, wenn sie das Diplom dort einführen? Sind die Sachsen so viel intelligenter als die Bayern? Ich sage ganz offen: Das Geschehen auf Sachsens Straßen in den letzten Wochen hinterlässt den Eindruck, dass dort die Intelligenz wirklich in Maßen zu Hause ist. Insofern glaube ich, dass dort die Verwirrung nicht groß ist.

Zuletzt möchte ich anmerken, dass wir keine Verwirrung, sondern zusätzliche interessante Abschlüsse schaffen. Eine Vielfalt von Abschlüssen gab es übrigens früher auch. Bayerische Hochschüler haben sich in dieser Zeit zurechtgefunden. Ich bin guten Mutes.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)