Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Herr von Brunn, Ihr bestelltes Gutachten, dieses Ergebnis, kennen wir; es war für uns nicht überraschend. Aber es ist nicht redlich und nicht angemessen, dass Sie hier zwei Dinge miteinander vermischen. Wir haben auf der einen Seite die generelle Frage, wie Behörden auf Salmonellenbefunde reagieren und damit umgehen. Wir haben auf der anderen Seite aber kriminelles Handeln. Für kriminelles Handeln bei Behörden ist überhaupt kein Platz. Da wird jetzt ermittelt. Ich bitte Sie, gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen den nötigen Respekt aufzubringen. Das gehört auch dazu.

Wenn Sie sagen, ich hätte nicht informiert, nicht aufgeklärt, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich erwidern: Ich war zweimal im Ausschuss, ich habe hier auch schon einmal im Landtag berichtet. Dieser Vorwurf ist einfach haltlos.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das ist doch alles beschönigend!)

Sie fragen, was in der Zwischenzeit passiert ist: Wir haben im Nachtragshaushalt 20 zusätzliche Stellen für die Spezialeinheit in der Lebensmittelsicherheit ausgehandelt. Das war mein Vorschlag. Wenn Sie das Protokoll lesen, werden Sie feststellen, dass das immer unter Vorbehalt des Haushalts und der Zustimmung steht. Hier geht es nicht um Schuldzuweisung, sondern hier geht es darum, die Spezialeinheit so auszustatten, dass sie diese Großgeflügelbetriebe in ihrer Komplexität auch kontrollieren kann.

Sie sagen, es sei nichts passiert; das ist nicht richtig. Ich habe ein Drei-Säulen-Programm vorgestellt, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem klar ist: Wir müssen die Kontrollen intensivieren, wir müssen die Eigenkontrollen begleiten, wir brauchen unbedingt bessere Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher im Umgang mit tierischen Lebensmitteln.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir wissen ganz genau, auch aus Umfragen, dass den Menschen heute nicht bewusst ist, wie man mit Lebensmitteln richtig umgeht.

(Zuruf: Mit Eiern?)

Wir wollen vor allen Dingen auch darauf hinwirken, dass das Vertrauen in unsere Kontrollbehörden wieder gestärkt und vor allen Dingen wieder hergestellt wird.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatsministerin, bitte verbleiben Sie am Rednerpult. – Zwischenbemerkung: Herr Kollege Rinderspacher, bitte.

Verehrte Frau Ministerin, Herr Kollege Dr. Hünnerkopf hat sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass das eine menschlich tragische Geschichte ist. Er hat auch davon gesprochen: Wir tragen dafür die politische Verantwortung. – Herr Kollege Dr. Hünnerkopf, ich finde, Ihre Einlassung verdient Respekt. Eine solche Einlassung hätte ich mir auch von Ihnen gewünscht, Frau Ministerin. Stattdessen gehen Sie heute mit Eiseskälte und mit einer einzigartigen Schnoddrigkeit über die Dinge hinweg, dass man sich die Frage stellen muss: Sind Sie denn bereit, das anzuerkennen, was Ihr Kollege gesagt hat, dass es auch eine politische Verantwortung gibt? Sind Sie auch dazu bereit, diese politische Verantwortung zu tragen und mit letzter Konsequenz zu übernehmen, Frau Ministerin?

(Beifall bei der SPD)

Ich habe den Eindruck, dass mit Ihren Einlassungen eine Verbraucherschutzkrise zu einer handfesten Staatsaffäre wird; Sie provozieren geradezu einen Untersuchungsausschuss, und Sie provozieren weitere Spekulationen auch über die Weihnachtspause. – Das gilt im Übrigen auch für Ihre Rolle, Herr Staatsminister Huber. Ich finde, Sie sollten heute hier Rede und Antwort stehen.

Herr Kollege, erwarten Sie’s, der Herr Staatsminister hat sich schon gemeldet.

– Wunderbar. Sie sind am 14. August darüber informiert worden. Aus dem Gutachten eines der renommiertesten Lebensmittelrechtlers der Bundesrepublik Deutschland geht hervor: Hätte die Staatsregierung früher gehandelt, hätte sie früher informiert, hätte sie die Eier aus dem Verkehr gezogen, dann hätte möglicherweise ein Todesfall vermieden werden können. – Ein harter Vorwurf. Deshalb wollen wir wissen: Was ist am 14. August besprochen worden? Was waren die unmittelbaren Konsequenzen? Warum haben Sie, Herr Staatsminister, damals nicht gehandelt? Warum haben Sie gezögert? Wie bewerten Sie den Sachverhalt heute?

Dass wir heute im Hohen Hause erneut diskutieren müssen, ist doch darauf zurückzuführen, dass Sie die klassische Salamitaktik, wie das häufig in Affären der Fall ist, wieder anwenden: Da ein bisschen was aufklären, dort auf einen Hinweis reagieren. – Frau Ministerin, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, die Staatsanwaltschaft wurde durch die Presse, durch die

Journalisten, informiert, nicht durch das Handeln Ihrer Regierung oder Ihres Hauses. Das hätten wir erwartet, dass Sie entsprechend aufklären und den Staatsanwalt informieren und nicht der investigative Journalismus.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Noch einmal an Sie die Frage, weil meine Zeit zu Ende geht: Sind Sie dazu bereit, dafür die politische Verantwortung zu übernehmen und auch die notwendigen Konsequenzen daraus zu tragen?

(Beifall bei der SPD)

Herr Rinderspacher, ich empfehle Ihnen, die Protokolle der Ausschusssitzungen zu lesen,

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Nichts als Empfehlungen!)

dann wissen Sie, was ich dazu gesagt habe, erstens.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Das haben die Mitarbeiter gesagt! – Zuruf von der CSU: Lassen Sie sie doch ausreden!)

Jetzt lassen Sie die Frau Staatsministerin bitte ausreden. Bitte.

Ich glaube, dass Polemik nicht angebracht ist, lieber Herr Rinderspacher. Sie bringen eine Schärfe und eine Hitze in diese Diskussion, die uns nicht weiterhilft. Ich sage Ihnen noch einmal: Dem Betrieb Bayern-Ei wurde am 7. August der Vertrieb von Eiern als Lebensmittel verboten und untersagt. Der Stall ist mittlerweile leer, es gibt dort keine Produktion mehr; der Geschäftsführer sitzt in Untersuchungshaft. Seit letzter Woche wissen wir durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, dass ein Tierarzt manipuliert hat, dass die Vorwürfe so massiv sind, dass auch dieser in Untersuchungshaft sitzt. Hören Sie endlich damit auf, die Dinge zu vermengen! Einen Vorfall, den wir vielfach aufgeklärt haben, und eine aktuelle Tatsache, nämlich die Festnahme eines Tierarztes, miteinander zu vermengen, ist einfach unredlich und nicht angemessen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatsministerin, bitte verbleiben Sie noch am Rednerpult für eine Zwischenbemerkung. - Frau Kollegin Steinberger.

Frau Staatsministerin, Sie sagen, dass wir die Protokolle der Ausschusssitzungen lesen müssen. Aber damit werden wir leider

nicht viel weiter kommen; denn da steht von Ihrer Seite nicht viel mehr drin

(Harry Scheuenstuhl (SPD): So ist es!)

als Abwiegeln und die Aussage, alles sei nach Recht und Gesetz passiert, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten alles richtig gemacht.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Ja, so ist es!)

Also wenn Sie sich darauf berufen, dann kommen wir nicht weiter.

Ich möchte noch zwei Anmerkungen machen, weil Sie mich persönlich angesprochen haben. Ich habe nie die Unabhängigkeit des Obersten Rechnungshofes bezweifelt. Da haben Sie etwas falsch verstanden. – Und zu den 20 zusätzlichen Stellen für das LGL, das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, also insgesamt 40: Wir haben Sie hier unterstützt. Wir haben den Antrag gestellt. Die CSU-Fraktion hat Sie da im Stich gelassen. Das muss man einmal klar sehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Vielleicht können Sie noch die folgende Frage beantworten. Man weiß, dass Herr Pohlmann schon vorbelastet ist. Eigentlich müsste man auf seine Betriebe ein besonderes Augenmerk legen, was aber nicht passiert ist. Sie haben am 4. Dezember erfahren, dass die Staatsanwaltschaft eingeschritten ist und einen Amtsveterinär inhaftiert hat. Was haben Sie denn vom Ministerium aus gemacht? Gab es daraufhin eine behördeninterne Ermittlung? Haben Sie sich sofort die Leute geholt, die in diesen Behörden arbeiten? Man kann ja nicht immer nur darauf warten, dass die Staatsanwaltschaft alles aufdeckt; man muss doch die erste Ermittlung behördenintern machen. Haben Sie das gemacht? Und was haben Sie da gemacht? Das möchte ich gerne noch hören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Steinberger, wenn Sie vorhin zugehört haben, dann wissen Sie: Als ganz klare Maßnahme sind die sofortige Suspendierung dieses Amtstierarztes und die Entbindung einer weiteren Person bei der Regierung von Niederbayern von ihren Aufgaben erfolgt. Sie verwechseln hier immer staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und staatsanwaltschaftliches Handeln und Lebensmittelkontrolle des LGL. Das ist nicht angemessen.

(Beifall bei der CSU – Harry Scheuenstuhl (SPD): Sie hätten dem zuvorkommen müssen, Frau Ministerin! Sie müssen doch schneller sein als die Staatsanwaltschaft! – Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Ab ins Kloster! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Gantzer, den Zwischenruf habe ich schon mal gehört; den sollten Sie bitte nicht mehr bringen. Er weckt in mir zu viele Erinnerungen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das ist aber die Wahrheit!)

Ich sage nachher in meinen Schlussbemerkungen etwas dazu. - Jetzt darf ich das Wort Herrn Staatsminister Dr. Huber erteilen. – Herr Staatsminister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich direkt angesprochen worden bin, will ich das Wort natürlich ergreifen. Heute geht es schließlich auch um einen gravierenden Tatbestand – ex post betrachtet. Wenn wir hier und heute, am 10. Dezember 2015, retrospektiv betrachten, was hier alles abgegangen ist, kann man das nicht verharmlosen; das ist wirklich ein gravierender Vorgang.

Aber Sie sprachen mich ganz konkret zu einem 14. August an. Dazu will ich Ihnen gerne Auskunft geben. Ich will jetzt nicht übertreiben, aber ich rechne mal mit so 10.000 bis 15.000 Vorgängen, die im Jahr so durch meine Hände gehen. Ich habe selbst keinen Einblick in die betreffenden Akten mehr – natürlich, nachdem ich seit fast eineinhalb Jahren in einem anderen Haus bin. Ich werde Ihnen in geeigneter Form detailliert Auskunft geben, wenn ich mir diese Akten besorgt habe. Heute bin ich nicht in der Lage, zu sagen, was ich wo auf welchem Papier notiert habe. Auf jeden Fall – das ist in meiner Erinnerung noch hängen geblieben – hat es damals keinen großen Aufschlag gegeben; denn es war eine Meldung, dass es in einem Betrieb Salmonellenbefunde gegeben hat, wie sie täglich vorkommen. Man konnte damals sicherlich noch nicht erkennen, was daraus werden sollte. Das alles wissen wir heute besser, und ich möchte Sie bitten, diese Dinge nicht alle durcheinander zu werfen: Erstens haben wir ein staatsanwaltschaftlich verfolgtes, kriminelles Fehlverhalten. Zweitens haben wir eine Bewertung des Vorgehens von vor einem oder eineinhalb Jahren und der Frage, ob die Lebensmittel-Jurisprudenz dieses Landes eine richtige Bewertung abgegeben hat oder ob das externe Gutachten in Bezug auf Auslegung des Europa

rechts etwas anderes eingefordert hätte. Drittens haben wir – und das ist entscheidend -

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): - eine politische Verantwortung!)

- Darüber werden wir reden, wenn wir sehen, ob tatsächlich Fehlverhalten vorgelegen hat. – Die eigentliche Neuigkeit, über die wir heute hier gesprochen haben, ist – darauf sind alle Redner eingegangen -, dass wir erkannt haben, dass wir vor einer neuen Situation stehen. Bisher hat die Staatsregierung die Tätigkeit ihrer Kontrolleure immer darauf ausgerichtet, externe Dritte zu kontrollieren und zu prüfen, ob die irgendetwas falsch machen: Erzeuger, Verarbeiter, Händler. Jetzt haben wir seit ein paar Tagen die Situation, dass der Verdacht besteht, dass auch Kontrolleure kriminell waren. Mit dieser neuen Situation müssen wir umgehen und fragen, wie wir sicherstellen können, dass auch so etwas erkannt wird. Das ist eine organisatorische Frage, die man am besten von einem Externen beleuchten lässt; denn wenn ein Interner das prüfen würde, würden Sie es natürlich anzweifeln. Der Rechnungshof ist eine externe Stelle, die zudem etwas von Organisation versteht. Wir wollen, wenn wir die Erkenntnisse haben, was man zukünftig machen soll, um so kriminelles Fehlverhalten eigener Leute rechtzeitig zu erkennen, überlegen, welche Konsequenzen wir daraus ziehen müssen und was wir in der Organisation der Überwachung ändern müssen. Diese Arbeit steht jetzt an. – Den Bericht, den Sie wollen, bekommen Sie.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatsminister, dafür, dass Sie gleich noch einmal zurückkamen. - Herr Kollege Rinderspacher, bitte.