Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

- Was heißt "wie"? Soll ich Ihnen jetzt ein Einzelkonzept vorlegen, wie viele Beamte wann und an welchen Stellen eingesetzt werden? – Schauen Sie sich einmal die Einsatzpläne an, schauen Sie einmal nach, wie das im Juni letzten Jahres war. Das kann man alles noch verstärken. Wir hatten im Juni letzten Jahres den größten Polizeieinsatz, den es in Bayern jemals gegeben hat, mit massiver Unterstützung der Bundespolizei und der anderen Länderpolizeien. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir sind uns auch mit dem Bund einig. Wenn man es will, dann kann man es auch.

Das sage ich jetzt ganz bewusst auch in Abgrenzung zu manchen, meines Erachtens schon etwas fragwürdigen Äußerungen auf anderen Ebenen und auch in anderen Ländern Europas: Es gab die Bundesrepublik Deutschland schon einige Jahrzehnte, bevor Schengen in Kraft trat, und es wäre ein schlechter Staat, der erklärt, dass er nicht in der Lage ist, seine eigenen Grenzen zu schützen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Rinderspacher, fragen Sie die USA, fragen Sie Kanada, fragen Sie Großbritannien; kennen Sie irgendeinen ernstzunehmenden Staat, der erklärt, er sei nicht in der Lage, seine Grenzen zu schützen?

(Markus Rinderspacher (SPD): Ich will Ihr Konzept wissen! Ihr Konzept will ich wissen!)

Das ist doch eine absurde Feststellung. Natürlich!

(Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): Ich will Ihr Konzept wissen!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Das Konzept gibt es, und wenn der Tag kommt, dann wird dieses Konzept umgesetzt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Uns hier vorlegen!)

- Herr Kollege Rinderspacher, das ist in der Tat nicht üblich. Ich habe auch vor dem Einsatz rund um Elmau im Vorhinein nicht im Einzelnen in der Öffentlichkeit dargelegt, an welchem Ort wie viele Beamte was tun werden. Das gehört nun wirklich nicht zu einer sinnvollen Polizeikonzeption.

(Beifall bei der CSU)

Die Kollegin Kamm hat um die Gelegenheit gebeten, eine Erklärung gemäß § 112 der Geschäftsordnung zur Aussprache abzugeben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es bereits während der Zwischenbemerkung versucht zu sagen, aber es war mir dabei zeitlich nicht mehr möglich. Darum bin ich froh, dass ich jetzt das Wort bekomme.

Ich habe mich bei den Ausführungen zu dem Thema Obergrenzen einfach versprochen und im Text verheddert. Es tut mir wirklich schrecklich leid, dass der Eindruck entstanden ist, ich hätte Ihnen diesen Vorwurf machen wollen. Ich möchte ihn in dieser Form natürlich nicht machen und entschuldige mich für diesen Satz.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der CSU, der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Zunächst lasse ich in einfacher Form über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/9716 abstimmen. Das ist der Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER.

(Unruhe)

- Einen Moment bitte. Wir sind in der Abstimmung. Nehmen Sie bitte wieder Platz, sonst kann ich nicht zählen. Die namentliche Abstimmung folgt erst später.

Wer dem Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das sind die CSU, die SPD und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich komme jetzt zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache -

(Zuruf: Enthaltungen?)

- Bitte? – Entschuldigung – Enthaltungen? – Keine Enthaltung.

Ich rufe zur namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/9734 auf. Das ist der Antrag der CSU-Fraktion. Fünf Minuten. – Noch eine Minute!

(Namentliche Abstimmung von 13.21 bis 13.26 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Das Ergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben. Ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen, damit wir mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge fortfahren können.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Recht auf Schule für Flüchtlingskinder umsetzen (Drs. 17/9717)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Gehring. Bitte schön, Herr Gehring.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder müssen in die Schule gehen dürfen; denn Bildung ist ein Menschenrecht, ja, Bildung ist ein Kinderrecht. Wir in diesem Haus sind uns einig, dass das Recht auf Bildung und Bildungserfolg unabhängig von der Herkunft der Eltern gelten muss. Wir kämpfen in Bayern gemeinsam darum, dass die Herkunft für den Bildungserfolg der jungen Menschen in unserem Land eine geringere Rolle spielt. Unabhängig von der Herkunft der Eltern heißt: unabhängig vom sozialen Status, unabhängig vom Aufenthaltsstatus und auch unabhängig von der Dauer des Aufenthalts in unserem Land. Es gibt eine Schulpflicht für alle Kinder in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das gilt auch für Flüchtlingskinder, die zum Teil schon längere Zeit keine Schule mehr besucht haben, etwa weil die Schule in Syrien zerbombt worden ist, weil sie

monatelang auf der Flucht waren oder weil es in den Flüchtlingslagern keine schulischen Angebote gibt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Deswegen müssen wir auch über schulische Angebote in den Erstaufnahmelagern und in den sogenannten Rückführungszentren sprechen. Es ist klar: Die Schulpflicht gilt ab einem Aufenthalt von drei Monaten. Deswegen ist das vordringlichste Ziel, dass die Kinder und die Familien nach drei Monaten aus der Erstaufnahme in die dezentrale Unterbringung kommen. Damit ist es möglich. Gegenwärtig gilt zwar eine Schulpflicht nach drei Monaten, aber der Schulunterricht ist in vielen Fällen nicht geregelt und findet nicht statt. Das muss sich ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt viel über die Probleme in der Flüchtlingssituation gesprochen, die von manchen meiner Ansicht nach wirklich aufgebauscht werden. Aber wenn man mit Lehrerinnen und Lehrern redet – ich habe letzte Woche zum Beispiel mit einem Schulrat gesprochen -, dann sagen sie: Die Flüchtlingskinder bei uns in den Schulen saugen das Wissen auf wie ein Schwamm; sie sind unwahrscheinlich motiviert und interessiert. – Entsprechend diesem Potenzial müssen wir den Kindern die Chance auf Bildung und das Aufsaugen von Wissen geben. Das sind wir ihnen schuldig.

Wir müssen auch über die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen reden. Darauf bezieht sich unser Antrag. Auch dort gilt: Kinder haben ein Recht auf Bildung. Für Kinder gehört zur Ankunft in einem Land, dass sie dort in die Schule gehen, und wenn es nur für ein paar Wochen ist: Bildung vom ersten Tag an. Ich halte es für zynisch, wenn manche Leute sagen: Die sind ja nicht lange hier; die sind ja nur ein paar Monate oder etliche Wochen hier. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, drei Monate oder sechs Monate sind eine lange Zeit in der Bildungsbiografie eines Siebenjährigen oder Achtjährigen – eine zu lange Zeit, wenn sie ohne Bildung ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bildung in einer Erstaufnahmeeinrichtung bedeutet einen zumindest teilweise regulierten Tagesablauf für diese Kinder und auch eine Entlastung der Eltern. Das ist ein erster Schritt der Integration, des Ankommens. Wir haben Angebote in den Erstaufnahmeeinrichtungen in der Bayernkaserne und in Zirndorf. Sie werden vor allem von Ehrenamtlichen getragen, die dort wirklich Großes leisten. Dieses Bildungsangebot wird leider nur unzuverlässig und unzureichend vom Freistaat unterstützt. Es gibt eine Notbeschulung in

diesen Lagern. Zwei bis vier Pädagogen sind für dreibis fünfhundert Kinder zuständig. Da kann man nicht von qualitativ ansprechenden Angeboten reden; das ist einfach zu wenig.

Mir wurde hier schon mal der Vorwurf gemacht, ich sei ein Bildungseuphoriker. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei Bildung bin ich nicht euphorisch, sondern ganz nüchtern. Bildung ist ein Grundrecht. Es muss durchgesetzt werden; Kinder brauchen Bildung. Wenn wir in den Erstaufnahmeeinrichtungen von Bildung reden, geht es nicht darum, den ganzen Tag Mathe, Physik, Biologie, Chemie und Geografie zu büffeln, sondern es geht um pädagogische Angebote. Die Kinder sind zum Teil traumatisiert. Wir wissen aus Erfahrungen, dass gerade bei traumatisierten Kindern musische Angebote sehr erfolgreich sind. Musik zu machen, zu singen, sich zur Musik zu bewegen, das ist eine wichtige Hilfe für diese Kinder. Wir brauchen mindestens solche Angebote in den Erstaufnahmeeinrichtungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt Erstaufnahmeeinrichtungen, die Übergangseinrichtungen sind, in denen das momentan noch nicht gewährleistet ist. In diesen Einrichtungen haben wir derzeit keine Angebote.

Ich möchte noch etwas zu den Rückführungszentren sagen, die heute schon als "Erfolg" – Erfolg in Anführungszeichen – dargestellt worden sind. Am Anfang waren in diesen Rückführungszentren gar keine Flüchtlinge aus dem Balkan, weil aus den Balkanländern kaum noch Flüchtlinge kommen. Was hat die Bayerische Staatsregierung dann getan? Sie hat Menschen aus den Balkanstaaten, die hier dezentral untergebracht sind, deren Kinder zum Teil gut integriert sind, angewiesen, in diese Rückführungszentren zu gehen. Dort sind jetzt Kinder, die in die Schule gegangen sind, die schon gut Deutsch reden und die schon gut integriert sind. Ihre Eltern haben schon einen Antrag auf Rückkehr gestellt und sind auch bereit, zurückzukehren. Sie sind jetzt aus ihren Schulen herausgerissen und in diese Lager gesteckt worden, wo es keine Schule und keine Bildung gibt. Das ist ein bildungspolitischer Skandal ersten Ranges.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen brauchen wir auch in diesen Einrichtungen pädagogische Angebote für die Kinder. Wir wollen doch nicht, dass ein Kind unser Land dümmer verlässt, als es gekommen ist. Auch Kinder, die zurückkehren, haben ein Recht auf Bildung. Dann können wir ihnen wenigstens ein bisschen Bildung mitgeben, weil Bildung oft die einzige Ressource dieser Kinder ist. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem

Antrag, mit dem wir die Staatsregierung auffordern, uns darüber zu berichten, was getan werden muss. Wir bitten um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Gehring. - Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Lederer. Bitte schön, Herr Lederer.