Vielen Dank, Herr Gehring. - Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Lederer. Bitte schön, Herr Lederer.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2015 sind etwa 1,1 Millionen Menschen als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Um sich das einmal vorstellen zu können: Das waren in diesem Jahr mehr Personen als in den gesamten 15 Jahren vorher. Die meisten dieser Menschen sind über Bayern eingereist. Allein in den letzten fünf Monaten war es eine Dreiviertelmillion. Ungefähr 40 % der Asylbewerber in Bayern sind schulpflichtig. Das ist der größte Anteil, den ein Bundesland in Deutschland hat. Es gibt Bundesländer, die einen weitaus weniger hohen Anteil haben. In Hamburg liegt er zum Beispiel unter 20 %.
Über die Ursachen dieses hohen Anteils kann man streiten. Eine Ursache sind sicherlich die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Ich komme aus dem Raum Rosenheim und kann Ihnen sagen: Allein im vergangenen Jahr sind in der Stadt und im Landkreis Rosenheim 4.670 unbegleitete Minderjährige angekommen. Das waren mehr als im gesamten Bayern im Jahr 2014. Die bundesweite Verteilung war längst überfällig. Der Start für diese Verteilung ist leider sehr holprig.
Diese Zahlen zeigen, dass Bayern in einer Sondersituation ist. Genau aus diesen Gründen ist die Beschulung von Flüchtlingskindern in Bayern ein sehr wichtiges Thema. Der Erwerb von Kenntnissen unserer Sprache, unserer Kultur und unserer Werte, der Erwerb von Bildung allgemein ist die Grundvoraussetzung für gelingende Integration. Deshalb kommt der Beschulung von Flüchtlingskindern eine ganz besondere Bedeutung zu. Aus diesem Grund wurde im Nachtragshaushalt 2016 ein großes Integrationspaket geschnürt. Rund 161 Millionen Euro zusätzlich sind für den Bildungssektor vorgesehen. Das entspricht in etwa 1.700 Vollzeitstellen. 1.079 Planstellen sollen neu geschaffen werden. Damit können wir sehr viel für die Beschulung von Flüchtlingskindern tun.
Die Zahl der Übergangsklassen soll von derzeit etwa 550 auf 1.600 erhöht, also fast verdreifacht werden. Die Zahl der Berufsintegrationsklassen soll von derzeit etwa 450 auf 1.200 erhöht und damit auch fast verdreifacht werden. Darüber hinaus sollen die rund 5.000 Deutschfördergruppen und rund 500 Deutschförderklassen weiter gestärkt werden. Auch der Aus
bau der Integrationsprogramme an den Realschulen, zum Beispiel "SPRINT" oder "InGym" an Gymnasien soll weiter forciert werden. Darüber hinaus wurde dankenswerterweise mit der bayerischen Wirtschaft ein Integrationspakt geschlossen, mit dem in den kommenden drei Jahren sage und schreibe 60.000 Praktikums- und Ausbildungsplätze für Flüchtlinge geschaffen werden. Dieses gesamte Integrationspaket ist einmalig in Deutschland. Es zeigt, dass der Freistaat Bayern auf diesem Gebiet die größten Anstrengungen unternimmt.
Bedanken darf ich mich in diesem Zusammenhang bei allen, die sich hauptamtlich, zum Beispiel als Lehrer, oder ehrenamtlich, zum Beispiel als Asylhelfer, beteiligen. Ohne dieses Engagement wäre die Integration der vielen Flüchtlinge nicht machbar.
Der Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN zielt nun auf die Schulpflicht in Bayern ab, die für Asylbewerber in der Regel drei Monate nach Zuzug beginnt. Meines Wissens wird dies grundsätzlich auch so gehandhabt. Damit gehört Bayern zu den Bundesländern, die eine vergleichsweise frühe Beschulung ermöglichen. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen tritt die Schulpflicht erst dann in Kraft, wenn zum einen der Aufenthalt gestattet ist und zum anderen die Kinder einer Kommune zugeordnet wurden. Das heißt, in Erstaufnahmeeinrichtungen, zentralen Unterbringungseinrichtungen oder kurzfristigen Unterbringungsmöglichkeiten gibt es keine Schulpflicht. Darüber hinaus wird immer wieder gefordert, die Schulpflicht für Asylbewerber so lange auszusetzen, bis sie einen Aufenthaltsstatus erlangt haben. So hat es zumindest der SPD-Oberbürgermeister von Erfurt im vergangenen Sommer für Flüchtlingskinder unter 16 Jahren, die aus sicheren Herkunftsländern stammen, gefordert.
Wenn man die Situation in Deutschland kennt, verwundert die Begründung dieses Antrags ein wenig. Dort heißt es, dass sechs Monate ohne Schulbesuch für die Bildungsbiographie eines Kindes fatal sind. Herr Kollege Gehring hat Bildung vom ersten Tag an gefordert. Verwundert bin ich deshalb, weil im grün-rot regierten Baden-Württemberg die Schulpflicht erst nach sechs Monaten gilt. Wenn die Begründung, die ich im "Spiegel" gelesen habe, stimmt, soll in BadenWürttemberg damit vermieden werden, traumatisierte Kinder sofort nach ihrer Ankunft zum Schulbesuch zu verdonnern. Also in Bayern sagen die GRÜNEN: Bildung vom ersten Tag an. In Baden-Württemberg sagen die GRÜNEN: Die Kinder sollen nicht sofort zum Schulbesuch verdonnert werden.
Wir in Bayern versuchen, einen Spagat zu machen. Ich denke, das ist uns bislang sehr gut gelungen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen wie München, Zirn
dorf, Deggendorf oder Regensburg gibt es einen basalen Unterricht und erste Begegnungen mit der deutschen Sprache, und das, obwohl im vergangenen Jahr fünfmal so viele Menschen in unsere Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen wurden als noch 2014.
Herr Gehring, Sie haben die Aufnahme- und Rückführungseinrichtungen angesprochen und gesagt, dass kaum noch Asylbewerber vom Balkan kommen. Im vergangenen Jahr wurde fast ein Viertel aller Erstanträge von Menschen gestellt, die vom Westbalkan stammen. Im vergangenen Jahr waren das weit über 100.000 Personen. Ich weiß auch, dass die Zahl in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen ist, aber die Zahlen im vergangenen Jahr waren enorm. Darüber hinaus gibt es selbst in den Aufnahme- und Rückführungseinrichtungen in Manching und Bamberg ein elementares Bildungsangebot, obwohl die Verweildauer dort im Durchschnitt circa vier Wochen beträgt.
Ich denke, der Freistaat Bayern befindet sich hier auf einem guten Weg; nicht umsonst wird das Bildungskonzept des Freistaates deutschlandweit gelobt. Lassen Sie uns diesen Weg bitte miteinander und nicht gegeneinander weitergehen. Vor diesem Hintergrund wird die CSU dem Berichtsantrag zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Genau auf den letzten Satz war ich jetzt gespannt: Wird die CSU ablehnen oder zustimmen? - Bei einem Berichtsantrag bekommt man ja immer nur die Wohltaten und guten Dinge berichtet. Diese haben wir vom Herrn Kollegen Lederer jetzt schon gehört, und wir können uns das im Ausschuss gerne noch einmal anhören. Aber, Herr Kollege Lederer, ich habe irgendwo im Ohr, dass die CSU auch immer besser sein will als andere, als die CDU in anderen Bundesländern.
Leider ist kein Vergleich möglich, weil es die CSU woanders nicht gibt. Es kann also durchaus sein, dass man in den Ländern unterschiedliche Standards setzen kann. Das ist nicht so ungewöhnlich, oder? Sie nehmen das ja auch in Anspruch. Mich würde deshalb interessieren, welchen gemeinsamen Bildungsanspruch wir für die Menschen haben, die zu uns kom
Eigentlich sprechen wir alle davon, dass sie Bildung brauchen und Bildung erhalten sollen. Es ist doch ein Wert an sich, wenn man Bildung erhält. Wenn jemand sechs Monate, drei Monate oder ein Jahr hier ist, sollte man in dieser Zeit alles versuchen, um die Bildung wie auch immer zu fördern. Darüber sind wir uns doch alle einig, oder? Es bringt doch auch etwas, wenn ein Erwachsener nach drei Monaten wieder zurückgeht und eine berufliche Bildung bekommen hat oder ein Kind Bildung bekommen hat. Das ist doch zunächst eine Basis, auf die wir uns verständigen könnten, und dann sprechen wir darüber, wie wir das organisieren. Das wäre es doch jetzt.
Damit sind wir immer auf einem guten Weg in Bayern – das weiß ich –, und dann gehen wir den Weg vielleicht noch ein wenig besser; denn dieser Antrag enthält drei Punkte, die wir klären müssen.
Der erste Punkt ist, dass es eben in Bayern nicht sicher ist, wann ein Kind, ein Schulkind die Bildung bekommt. Es ist theoretisch sicher, weil es irgendwo steht. Aber jeden Tag erreichen mich Anrufe bzw. Mails von Helfern, die mir sagen: Wir wissen nicht, wann sie jetzt endlich in die Schule dürfen; der eine sagt so und der andere so. – Also ist es doch folgerichtig: Wir fragen die Staatsregierung, was es für eine Regelung gibt und wie sie gedenkt, das künftig für alle verlässlich zu regeln. Das ist doch gut, oder? Wir wollen es einmal wissen.
Auch nach Ihrem Beitrag kann ich nicht sagen, da gibt es diese und jene Möglichkeit. Deshalb, denke ich, sollte das unterstützt werden und nicht erst einmal mit blumigen Worten umschrieben werden. Es ist eine Notwendigkeit, dass wir das wissen.
Zweitens, die Frage der Erstaufnahme. Man kann der Meinung sein, solange sie dort sind, bevor sie nicht verteilt sind, brauchen wir das nicht. Ich bin auch der Meinung, dass es schwierig ist, einen reinen Schulbetrieb in der Erstaufnahme zu organisieren. Das meint der Kollege Gehring aber gar nicht, sondern er meint es, wie er es bei unserem ersten Antrag gesagt hat: Wir müssen alles tun, um diese Zeit, in der die Kinder hier sind – das können Wochen, manchmal auch Monate sein –, mit sinnvollen Angeboten zu füllen. Lassen Sie uns miteinander dafür ein Konzept entwickeln.
Es ist doch gut, wenn schon zwei Lehrer vorhanden sind. Das ist ein guter Anfang. Dagegen sagen wir gar nichts. Ich war aber in Regensburg, und dort gibt es
eine Lehrkraft, zu der die Kinder einmal für eine halbe Stunde oder eine Dreiviertelstunde oder eine Stunde kommen, und dann ist wieder nichts, weil die eine Lehrkraft nicht mehr als sieben oder acht Kinder gleichzeitig unterrichten kann. Lassen Sie uns deshalb überlegen, ob man von dem Paket, das wir geschnürt haben, auch einen Teil dort hineingibt, damit wir die Bildung richtig starten. Das wäre sinnvoll, und das wäre ein Weg, den man gemeinsam gehen könnte. Die Staatsregierung könnte auch gebeten werden, das vielleicht noch weiterzuentwickeln.
Eine dritte und letzte Anmerkung zu dem Rückführungszentrum. Wenn in mein Bürgerbüro eine Mutter kommt, die über zwei Jahre hier bei uns ist, jetzt plötzlich sozusagen den Ausreisebescheid erhält und mit ihrem Kind in das Rückführungszentrum gehen muss, ist die Bildung – das Kind ist in der Schule, im Kindergarten – weg. Ist das eine sinnvolle Sache? – Es ist doch legitim, die Staatsregierung zu bitten, die Rechtsgrundlage dafür, das so zu handhaben, zu berichten. Ist das eine bayerische Idee? Aus anderen Bundesländern habe ich so etwas noch nie gehört.
Das sind Dinge, über die man gemeinsam sprechen muss, und man braucht nicht dauernd den bayerischen Weg zu verkünden, der dann offensichtlich doch da und dort nicht funktioniert.
Ich finde es sehr sinnvoll, dass wir im Ausschuss auf der Basis dieser Dinge noch einmal in Ruhe sprechen können. Was wir aber nicht brauchen, ist die ständige Vorrederei, was Bayern schon alles gemacht hat.
Ja, wunderbar, was da ist. Andere Bundesländer schlafen auch nicht; die können das auch, ob rotgrün-regiert oder wie auch immer.
Ich muss sagen, es nervt mich einfach, wenn ich mir ständig diese Dinge anhören muss und keiner bereit ist, auf das einzugehen, was in diesem Antrag steht.
Ich bin deshalb auch froh, dass wir es noch hinbekommen haben, dass dieser Antrag sehr wahrscheinlich einstimmig beschlossen wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes will ich ausdrücken, dass ich die Debatte zu diesem Dringlichkeitsantrag als sehr angenehm empfinde. Ich will nicht so weit gehen, zu sagen, dass das an den Bildungspolitikern liegt und dass das vielleicht bei den vorherigen Debatten, wo andere aus anderen Bereichen tätig waren, schwieriger war. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass man auch in anderen Feldern der Flüchtlingspolitik einen vernünftigeren Ton finden und eine vernünftigere Debatte führen könnte.
Das wollte ich vorwegschicken. Insofern will ich bei diesem Ton bleiben und kündige an, dass die FREIEN WÄHLER diesen Berichtsantrag, den wir für sehr vernünftig halten, unterstützen, und erkenne an – das haben wir auch im Bildungsausschuss getan -, dass auf dem Feld der Bildungspolitik einiges getan wurde. Vielleicht kann man sogar noch mehr tun; aber Bayern hat einiges getan. Ich sehe es genauso, dass es wenig Sinn hat, immer nur Vergleiche zu anderen Bundesländern oder sogar zu anderen Staaten herauszustreichen.
Abschließend will ich deutlich machen: Ich glaube, wir sind uns alle einig – das hatten wir auch vorher beim SPD-Dringlichkeitsantrag -, dass Bildung der entscheidende Schlüssel für Integration ist. Wenn wir in Bildung investieren – ich glaube, auch das ist unbestritten -, müssen wir viel weniger Geld in Sicherheit investieren; denn diejenigen Flüchtlinge, die gut gebildet sind und daher gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, lassen sich leichter integrieren. Es wird dann zu weniger Straftaten kommen. Das gilt übrigens gleichermaßen für Deutsche, Migranten und Flüchtlinge.
Das sollte man deutlich machen. Deshalb sollte man möglichst viel Geld und Anstrengungen in Bildung investieren. Das nutzt dem gesamten Staat.
Danke schön, Herr Piazolo. – Die letzte Wortmeldung kommt von Staatssekretär Eisenreich. Bitte schön.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich der Aussage anschließen, dass der Ton in unseren Bildungsdebatten, glaube ich, generell einfach gut ist. Das ist der Sache angemessen.
Wir investieren in die Integration, wir investieren in die Bildung. Das ist heute mehrfach gesagt worden. Da sind die 160 Millionen Euro, die das Hohe Haus im Dezember beschlossen hat. Wir haben ein Gesamtkonzept für schulische Angebote für Flüchtlingskinder. Ich habe es hier bereits öfter vorgestellt. Darum werde ich das jetzt nicht noch einmal tun. Zu diesem Gesamtkonzept gehört, dass wir bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche eingerichtet haben. Wir haben auch in den Rückkehrzentren in Bamberg und Manching schnell und unbürokratisch Bildungsangebote geschaffen.
Was die Erstaufnahmeeinrichtungen und die Rückkehrzentren betrifft, befinden wir uns natürlich noch in einem Prozess, auch deshalb, weil in Berlin ständig neue Entscheidungen getroffen werden. Das liegt also nicht nur an der bayerischen Politik. Wir werden deswegen selbstverständlich prüfen, ob wir die Bildungsangebote in der Erstaufnahme und in den Rückführungszentren pädagogisch weiterentwickeln und anpassen müssen. Da schauen wir regelmäßig, ob das passt oder ob wir das intensivieren müssen. Beim Thema Schulpflicht sind wir gerade dabei zu prüfen, ob die gesetzlichen Regelungen, die zurzeit gelten, aufgrund der aktuellen Entwicklungen angepasst werden müssen. Deswegen berichten wir gerne über unsere Überlegungen zu diesem Thema und regen eine Zustimmung zu diesem Antrag an.
Danke schön, Herr Staatssekretär. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. – Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/9717 seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen.