Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger schützen - Missstände in der Lebensmittelkontrolle sofort beheben (Drs. 17/10008)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Benno Zierer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Keine Schnellschüsse! Strukturen in der Lebensmittelüberwachung gezielt weiterentwickeln (Drs. 17/10026)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Gudrun Brendel-Fischer, Dr. Otto Hünnerkopf u. a. und Fraktion (CSU) Konsequenzen aus Gutachten zur Lebensmittelüberwachung in Bayern (Drs. 17/10027)
Ich eröffne die Aussprache und darf jetzt Ihnen, Herr Kollege von Brunn, für die SPD-Fraktion das Wort erteilen. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach Monaten quälender Diskussion, nach Monaten des Bestreitens und des Beschönigens haben wir jetzt durch das Gutachten des Obersten Rechnungshofs endlich eine seriöse Grundlage für eine Debatte über einen besseren Verbraucherschutz in Bayern. Aber auch das gehört zur Wahrheit: Sie, die Staatsregierung, hätten diese schonungslose Analyse nicht in Auftrag gegeben, wenn wir nicht den entsprechenden Druck aufrechterhalten hätten. Sie hätten Bayern-Ei nicht einmal öffentlich gemacht. Sie sind nicht Handelnde, Sie sind Getriebene.
Nach der Veröffentlichung erleben wir jetzt wie gehabt Ankündigungspolitik. Herr Staatsminister Huber übernimmt die Vorwärtsverteidigung. Herr Huber, ich möchte Sie gerne korrigieren. Wir haben nie gesagt,
dass die bayerischen Kontrolleure und Veterinäre Schlamper seien. Im Gegenteil, wir haben immer gesagt, sie machen einen guten Job, und sie machen diesen Job trotz teilweise widriger Umstände. Aber wenn Sie diesen Ausdruck schon verwenden wollen, sagen wir: Die Schlamper sitzen woanders. Sie sitzen im Ministerium.
Zuständig waren die Minister Söder, Huber und Scharf. Sie sind für die gravierenden, ja teilweise verheerenden Mängel verantwortlich, die der Oberste Rechnungshof festgestellt hat. Ich nenne nur einige Beispiele: Es ist eine Bankrotterklärung, dass nicht einmal die Anzahl und der Turnus der vorgeschriebenen Kontrollen eingehalten werden konnten. Herr Huber, Sie sind ja Experte in Sachen Schweinehaltung. In der Schweinehaltung wurde nicht einmal die Hälfte des Solls, die Hälfte der vorgeschriebenen Kontrollen, durchgeführt. Da müssen Sie sicher auch zugeben: Das ist ein richtiger Saustall.
Bereits im Jahr 2000 gab es die Empfehlung, Veterinäre, Lebensmittelkontrolleure und den Vollzug an den Kreisverwaltungsbehörden in einer Organisationseinheit zu bündeln. Jetzt hat der ORH nach langen 15 Jahren festgestellt, dass dies nur in rund 17 % der Landratsämter der Fall ist. Da ist man sprachlos und fragt sich, was Sie in der ganzen Zeit gemacht haben.
Es ist unfassbar, dass es offensichtlich erhebliche Defizite bei der Kontrolle der Eigenkontrollen gibt, die auch bei Bayern-Ei eine gewichtige Rolle gespielt haben. Der ORH musste feststellen, dass nicht alle Betriebe die Ergebnisse dieser Kontrollen ordnungsgemäß melden. Der Eingang wird von den Kreisverwaltungsbehörden eben nicht einheitlich überwacht. Damit wird ein zentrales Element der europäischen Verbraucherschutzpolitik teilweise unbrauchbar.
Ich komme zum nächsten gravierenden Fehler. Die von der Staatsregierung selbst festgelegten behördenübergreifenden Jours fixes, also die mindestens einmal jährlich stattfindenden Besprechungen der Regierungen mit Staatsanwälten, Polizei, Kreisverwaltungen und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, finden in manchen Regierungsbezirken offenbar nicht regelmäßig statt. Gerade in dem Regierungsbezirk, wo die Firma Bayern-Ei angesiedelt ist, in Niederbayern, gab es in den letzten drei Jahren keine einzige solche Besprechung.
Zu den Defiziten bei der Korruptionsbekämpfung gäbe es viel zu sagen. Ich will mich auf ein Beispiel beschränken. Die letzte Korruptionsgefährdungsanalyse am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit stammt aus dem Jahr 2011 und ist nach Ansicht des ORH zudem auf höchst fragwürdige Art und Weise zustande gekommen. Und das geschah gerade bei der Behörde, an der die Spezialeinheit Lebensmittelsicherheit angesiedelt ist und die die Priorisierung für die amtlichen Kontrollen vornimmt.
Der Oberste Rechnungshof bestätigt uns das immer wieder vorgebrachte Problem zu langer Probeauswertungszeiten am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Inzwischen ist diese Einsicht auch bei der zuständigen Verbraucherministerin angekommen. Sie wollen, Zitat, die Vorgänge, die Abläufe, jetzt "optimieren" und, noch schöner, mit aufgesetzter rosaroter Brille formuliert – ich zitiere wieder –, die "zeitnahe Vorlage von Proben soll noch weiter beschleunigt werden." So heißt es in Ihrer Pressemitteilung.
Der ORH gibt uns auch mit dem Vorschlag recht, dass die Strukturen verändert werden müssen. Die Lebensmittelüberwachung und die Kontrollen müssen raus aus den Landratsämtern. Wir finden den präferierten Vorschlag des Obersten Rechnungshofes gut und sinnvoll. Aber eine Änderung darf sich nicht auf diesen Vorschlag beschränken. Das ganze Programm muss jetzt schnell und gründlich umgesetzt werden: die Durchführung der Kontrollen im vorgeschriebenen Umfang, die notwendigen Personalbedarfsanalysen, eine bessere Korruptionsprävention, die Verbesserung von Steuerung und Kommunikation und all die anderen wesentlichen Forderungen des ORH.
Eines sage ich Ihnen: Was wir nicht wollen, ist das übliche CSU-Vorgehen, mit großspurigen Vorschlägen und Maßnahmenkatalogen an die Öffentlichkeit zu gehen und dann wieder zum Nichtstun überzugehen, sodass alles beim Alten bleibt. Das wollen wir nicht!
Wir fordern vor allem Transparenz und Überprüfbarkeit. Wir verlangen, dass Sie uns in den nächsten sechs Wochen einen Zeitplan für die Umsetzung Ihrer Reformen und Reparaturen und einen Plan für den Organisationsumbau vorlegen. Wir verlangen, dass Sie dem Landtag mindestens zweimal im Jahr über das Fortkommen berichten und dass der Oberste Rechnungshof das Schlussergebnis bewertet. Wir bestehen weiterhin auf einem unabhängigen bayerischen Beauftragten für den Verbraucherschutz.
Ich komme zu den Anträgen der anderen Fraktionen. Wir werden dem Antrag der GRÜNEN zustimmen, genauso dem etwas unglücklich formulierten Antrag der FREIEN WÄHLER, aber sicherlich nicht dem Nachzieher der CSU-Fraktion. Sie wollen dem Ministerium einen Blankoscheck ausstellen, ohne echte Transparenz zu fordern und ohne konkrete Vorgaben und konkreten Zeitplan. Das machen wir sicherlich nicht mit.
Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch: Wir werden bei diesem Thema nicht lockerlassen, das wissen Sie inzwischen. Herr Ministerpräsident, wenn Sie wirklich ehrlich zu Veränderungen bereit sind, und nur dann, und die Aufgabenliste des Obersten Rechnungshofes mit einem festen Zeitplan transparent und offen abarbeiten, dann sind wir gerne zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitte ich jetzt Frau Kollegin Steinberger ans Rednerpult. Bitte schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatsminister Huber, ehrlich gesagt verstehe ich Ihre Empörung über das ORH-Gutachten gar nicht.
Ich hätte von Ihnen genau diese Empörung erwartet, als sich herausgestellt hat, dass Sie als zuständiger Minister von Ihrem Haus falsch informiert worden sind. Da haben Sie keine Empörung gezeigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gutachten des Obersten Rechnungshofs liest sich wie eine Watschn für das Umweltministerium.
Alles, was wir schon seit Langem vermutet und kritisiert haben, stellt sich nun als wahr heraus. Wer ist für diese Missstände verantwortlich? – Das ist nicht nur die Ministerin Scharf, die diesen Scherbenhaufen eigentlich wieder zusammenkehren müsste. Verantwortlich sind auch ihre Vorgänger, nämlich die Minister Söder und Huber. Das muss man namentlich benennen.
Der Bayern-Ei-Skandal hat klargemacht, dass mit der Lebensmittelkontrolle in Bayern etwas nicht stimmen kann. Mich wundert es schon sehr, dass das nur der Opposition aufgefallen ist und keinem der Verantwortlichen im Ministerium und beim LGL. Hätten Sie gleich auf uns gehört und nicht stur alle unsere Argumente unserer Anträge abgetan, wäre Ihnen die Schmach des vernichtenden ORH-Urteils erspart geblieben. Ich verweise auf unsere Anträge und Minderheitenvoten der letzten Untersuchungsausschüsse. Davon gab es schon mehrere. Als Konsequenz aus dem Gammelfleisch-Skandal haben wir schon im Jahr 2006 eine Neuorganisation der Lebensmittelkontrolle gefordert. Hätten Sie nur damals auf uns gehört!
Wie oft haben wir uns hier in diesem Haus anhören müssen, dass bei der Lebensmittelkontrolle alles nach Recht und Gesetz vonstattengeht! Der Opposition wurde Unsachlichkeit und Profilierungssucht vorgeworfen, weil wir genau das kritisiert haben, was auch der Oberste Rechnungshof jetzt festgestellt hat. Ist der Oberste Rechnungshof jetzt auch unsachlich und profilierungssüchtig? Leider hat tatsächlich jemand überhaupt kein Profil gezeigt. – Das waren alle zuständigen Minister.
Der Oberste Rechnungshof bemängelt, dass es zu wenige Kontrollen gegeben hat, dass Proben zu lange gedauert haben und es keine wirksame Korruptionsbekämpfung gegeben hat. Mein Vorredner hat das schon aufgezählt. Der Bericht wirft auch kein gutes Licht auf die Handhabung der Vorschriften durch die Behörden. Vollzugshinweise und ministerielle Rundschreiben sind komplex und nicht aufeinander abgestimmt. Was brauchen unsere Aufsichtsbehörden? – Sie brauchen einheitliche Vollzugshinweise. Wir schlagen ein einheitliches Kontrollhandbuch vor, das praktikabel ist und für alle Behörden gleichermaßen gilt. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Bericht werden Missstände beschrieben, die schon längst hätten auffallen müssen. Wo bleibt eigentlich die interne Revision? Gibt es die überhaupt? Oder wird nur alles penibel dokumentiert und anschließend abgeheftet? Viele der Informationen im Bericht hätte man schon lange durch einfaches Befragen der vollziehenden Beamten herausbekommen können. Vielleicht wollte man es so genau gar nicht wissen.
Was hat man in der Staatsregierung eigentlich aus den vergangenen Lebensmittelskandalen gelernt? – Ich meine, nicht viel. Nehmen wir einmal die Korrupti
onsprävention. Es ist gut gemeint, dass die Amtstierärzte und die Veterinärassistenten rotieren sollen. Das funktioniert aber in den kleinen Einheiten der Landratsämter nicht. Welche Konsequenz hat man daraus gezogen? – Keine. Man hat einfach so weitergemacht wie bisher.
Wir haben einen Antrag eingereicht, der einige Sofortmaßnahmen aus dem ORH-Bericht aufgreift. Dazu zählt die Verpflichtung der Labors, positive Ergebnisse sofort den Behörden mitzuteilen. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass das Labor die Behörden informiert und nicht nur den Betreiber, der diese Informationen möglicherweise gar nicht weitergibt.
Wir fordern die Erhöhung des Budgets für Fortbildungen. Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn Mitarbeiter ihre Fortbildungen selber zahlen müssen, weil dafür das Budget nicht reicht.